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Achtes Kapitel. Aus dem Tagebuch einer Missionärin.

Voll Dank gegen den Höchsten, aber mit Zagen und innerlichem Bangen bestieg ich spät am Abend den Wagen, der mich wohl für immer meinem Heimathlande entführen wird. Ueber meine Stimmung in jenen Stunden der ungeheuersten geistigen Bewegung vermag ich keine Rechenschaft zu geben. Nicht bloß das jüngst Vergangene, auch die Gegenwart schien mir ein Traum zu sein. Mein leibliches Theil freilich lebte, aber meine Seele lag gebettet in rosenrothem Gewölk, das von Engeln getragen, über Berge, Thäler, Flüsse und Ströme fortglitt! In der bescheidenen Hütte am Waldsaume, dort, wo das verrufene Moor beginnt, saß ich im Geiste wieder zu den Füßen der Großmutter, die mich erzogen hat. Das Spinnrad schnurrte, die graugestreifte Katze spann, und die Großmutter sang mit näselnder Stimme, aber mit der ganzen Innbrunst eines gottergebenen Gemüthes ein Lied von Paul Gerhard oder Fürchtegott Gellert. Dieses Untertauchen in die längst entschwundene Kindheit tröstete mich und erhob mich über die ersten stechenden Schmerzen der Trennung. Johannes sprach immer sehr liebevoll zu mir, doch habe ich wenig von dem gehört, was er mir vortrug. War dies Sünde, odann, gütiger Gott, dann vergib einem zerknirschten Herzen diese Nichtachtsamkeit! Noch ist er mir ja fremd, wenn auch vom Schicksal bestimmt. Einen vom Himmel, von unserm Erlöser uns selbst zugeführten Bräutigam muß man ja lieben und ehren. Und ich will nimmer so der Heiland nicht seine Hand von mir abzieht den thörichten Jungfrauen gleich sein, denen es an Oel mangelte, als der Bräutigam kam.

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Zwölf bis fünfzehn Meilen liegen hinter mir. Ich sitze in einem kleinen, freundlichen Zimmer, das außer zwei Stühlen und einem Tisch keine andere Verzierung aufzuweisen hat, als eine sehr alte, vom Rauch geschwärzte Landkarte an der Wand. Diese Karte soll Amerika vorstellen, das Land meiner Bestimmung, meine zukünftigen Wirksamkeit. Ich habe mir es wohl zwanzigmal schon betrachtet, ohne mich darauf zurechtfinden zu können. Oben in einer Ecke steht mit lateinischen Lettern »Amerika« geschrieben, aber ich finde weder den Mississippi, noch den mexikanischen Meerbusen, noch Guiana&c.&c. darauf verzeichnet. Es mag wohl eine sehr unzuverlässige Karte sein. Freilich liegt es vielleicht an mir, denn die Geographie konnte ich in der Schule nie gut begreifen.

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Vor einer Stunde ist Johannes wieder gekommen. Er hat Extrapost bestellt, damit wir schneller und sicherer reisen können. In acht Tagen geht das Fahrzeug unter Segel, das mich über das Weltmeer tragen soll. Wenn ich daran denke, fühle ich ein Aufhören meines Pulses. Ich fürchtete mich schon als Kind vor jedem Wasser und nun nun soll ich monatelang auf der unermeßlichen See zubringen! Overgib, mein Gott und Heiland, der schwachen Magd, die du berufen hast, deines Namens Ehre zu verkündigen in Urwäldern und Steppen! Ich werde mich gewöhnen, ich werde stark werden und sicherlich niemals verzagen! Johannes wird mein Stock und mein Stab sein, und will ich dennoch straucheln, so klammert mein Geist sich an das heilige Wort des Johannes in der Wüste, der mit gesegnetem Wasser das Haupt des Herrn taufte, ehe er sein hohes, heiliges, welterlösendes Lehramt antrat. Johannes hat mich mit einem ausgesucht herrlichen Blumenstrauße beschenkt. Diese Blumen sollen mich begleiten bis in die neue ferne Welt. Ich will die duftigsten davon auf meinem Herzen tragen, wenn sie verwelkt sind, und so oft ihr Duft meine Geruchsnerven berührt, soll ein frommer Gedanke, das Gebet meines stets Buße thuenden Herzens als Brieftaube zurück in die Heimath fliegen und überall mit grüßendem Finger anklopfen, wo ich auch nur eine Secunde lang gern verweilte.

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Sonderbar! Noch keine Nacht habe ich verbracht, ohne, daß die lautbeschwingten Engel des Traumes mich zurückführten in das Bethaus zu Herrnhut. Immer befand ich mich unter den theilnehmenden Brüdern und Schwestern. In jeder Nacht segnete mich die Hand des Bischofs, brach ich das Brod der Liebe, reichte ich den Brüdern und Schwestern Hand und Stirn zum Abschiedskusse! Hand und Stirn! Und einer der Brüder, einer den ich nicht kannte, küßte mir die thränenfeuchte Lippe! Noch zittere ich, wenn ich dieses Kusses gedenke; mein Herz zuckt und bebt, wenn ich mich des Blickes, der Verwirrung erinnere, die aus dem Antlitze des jugendlichen Bruders sprach. Möge es ihm wohlgehen und der schuldlose Kuß eines Mädchens, das für ewig damals Abschied nahm vom heitern Leben der Welt und ihren Verlockungen, ihm reichen, reichen Segen bringen! Johannes weiß nichts von jenem Kusse. Ob ich es ihm gestehen muß? Mich dünkt, nöthig und von der Religion geboten ist es nicht. Sonderbar war es doch. Wie mochte er heißen, jener Bruder? Ob er dereinst auch in den Weinberg des Herrn berufen werden wird? Mir wär's ein Trost, wenn ich's erführe, denn es würde mich stärken und mit bezwingendem Feuerhauch die Rede meines Mundes beleben.

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Heute habe ich das erste Seeschiff gesehen. Mir wurde ganz bang vor diesen schwimmenden Colossen, die so stolz und sicher über die Wellen fortgleiten. Schon übermorgen soll ein solches wunderlich aussehendes Haus meine Wohnung werden auf unbestimmte Zeit. Ich habe es mit Johannes besucht und mich im Innern desselben umgesehen. Eine kleine Cajüte, in der ich mich kaum bequem umdrehen kann, soll Wohn- und Schlafzimmer sein. Alles ist sauber und gut, nur so entsetzlich eng. Doch tröstet mich die Versicherung des Capitäns, eines freundlichen, aber wortkargen Mannes, daß ich stets, wenn es mir gefiel, auf dem Deck verweilen könne. Furchtbar betäubend ist das Lärmen in und am Hafen. Es schreit und rennt Alles durcheinander, daß eine an stilles Leben gewöhnte Person, wie ich es bin, vor Erstaunen und Bangigkeit ganz verstummt. Wenn ich über die Straße gehe, fürchte ich mich zu verirren; denn die Straßen sind meistens eng, krumm und auf beiden Seiten mit himmelhohen Häusern besetzt. Ueber meine schlichte Tracht müssen sich die Leute hier wundern, denn sie bleiben häufig stehen und sehen mir nach. Fürchtete ich nicht einen Auflauf zu erregen, so hätte ich wohl auch bisweilen Lust, den hier herumwandelnden Leuten nachzusehen, da es mitunter ganz wunderliche Trachten gibt. Weil sich dies aber für mich und für meinen Beruf nicht schickt, gehe ich stets still für mich hin und blicke nur zuweilen verstohlen bald rechts, bald links.

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Lebe wohl, theures, geliebtes Land meiner Kindheit! Möchte es mir vergönnt sein, dich wieder zu betreten, wenn auch erst spät! Oich fühle es, ruft Gott mich jenseits des großen Weltmeeres ab und muß ich meine sterbliche Hülle betten zur ewigen Ruhe in fremde Erde: dann wird mein unsterblich Theil, bevor es sich aufschwingt zu den lichten Sternenhöhen der Seligen, noch einmal zurückkehren in's alte, theure Vaterland, und dort jeden Ort besuchen, der mir lieb geworden ist, wo ich Freude und Leid erfahren habe! Ach, sie wissen es nicht, die Glücklichen, wie das Herz sich mit tiefer, tiefer Trauer umschleiert, wenn das Vaterland unseren Blicken entschwindet, wenn die Ufer sich weiter und immer weiter entfernen, und endlich nur noch ein Schatten der Welt, die bis dahin unser war, über dem Wasserspiegel zittert! Das Schiff schwankt furchtbar, daß ich kaum zu schreiben vermag. Wir haben die rothe Tonne hinter Cuxhaven passirt und befinden uns schon im offenen Meere! Johannes sieht bleich aus und klagt über Schwindel, mir ist noch ganz wohl. Der Capitän lachte, als ich ihn beim Rollen und Schäumen der Wogen fragte, ob auch Gefahr dabei wäre? Ein flauer Wind ist's, sprach er, pfropfte sich ein Stück Tabak in den Mund und steckte beide Hände in die Seitentaschen seines bequemen Rockes. Wunderliche Menschen sind diese Seeleute, kurz, grob, phlegmatisch, dann wieder unglaublich thätig, immer heiter und wie es mir scheint gutmüthig. Wenn sie nur nicht so lästerlich fluchten! Ich erbot mich, ihnen zur Unterhaltung ein Gebet oder ein Lied unseres begeisterten Wohlthäters, des Grafen von Zinzendorf, vorzulesen, in meinem Leben aber werde ich die Gesichter nicht vergessen, die mir bei diesem doch gewiß christlichen Vorschlage der Steuermann und der erste Mat machten.

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Ich preise dich, mein Herr und Erlöser, von ganzem Herzen, daß du mich die Seekrankheit glücklich hast überstehen lassen! Es ist eine harte Prüfung, die Gott dem sündigen Menschen mit dieser Krankheit auferlegt. Auch der Stärkste, der Gottergebenste, der Demüthigste wird schwach und richtet sündhafte Bitten an den Höchsten. Wie bald doch verzagen wir, wenn Schmerzen uns foltern! Wie leicht bewältigt Kleingläubigkeit unser besseres Wissen! Wie schnell erschlafft der Wille im Kampfe mit einem Gegner, der keine angreifbare Blöße gibt! Aber wenn wir den Kampf überstanden haben, wie gewaltig, wie herrlich zeigt sich dann Gott in seiner Allmacht! Welch einen wunderbar herrlichen Anblick gewährt das Meer! Wenn ich so über Bord blicke und hinabsehe in die unergründliche blaugrüne Tiefe der Wogen, dann bemächtigt sich meiner bisweilen ein sonderbares Gefühl. Ich möchte hinabspringen in diesen fluthenden Kristall und mich von ihm schaukeln und tragen lassen bis an der Welt Ende. Auf jeder fortgleitenden Woge vermeine ich den Geist Gottes zu erkennen, aus jedem Rauschen und Emporspritzen des silbernen Schaumes, der den Bug des Schiffes umkreist, haucht mich der Odem des Schöpfers an! Ja, das Meer mit seinen Wundern, seinen Schrecken, verkündigt uns an jedem Morgens auf's Neue, wie groß und allmächtig der Herr ist! Den Matrosen aber habe ich schweres Unrecht gethan, das ich im Gebet ihnen abbitte. Obwohl sie ein wenig zu viel der Zunge freien Lauf lassen und oft nicht bedenken, was sie sagen, sind sie doch gut und fromm. Ich sah es letzthin in der Nacht, wie der Mond das Meer mit heiligem Lichtschein übergoß und zahllose Sterne am dunklen Zenith funkelten, daß sie mit den Augen ein Gebet sprachen, obwohl die Lippen ein weltliches Lied sangen.

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Gestern sahen wir in einiger Entfernung fast senkrechte Wasserstrahlen aus dem Meere aufsteigen. Es war ein Wallfisch, der sich gemüthlich fühlen mochte. Bald darauf erschien sein ganz plumper Rücken über der Wasserfläche, was ganz so aussah, als ob eine Insel aus der Tiefe auftauchte. Mehr als dies beschäftigte mich ein wunderbar zierliches Seethierchen, das sich häufig in der Nähe des Schiffes zeigte und oft eine geraume Zeit mit uns segelte, als wolle es gar nicht mehr von uns lassen. Der Capitain meinte, es sei ein Schaalthier. Ich hielt diesen wunderbaren Bewohner des Meeres für einen winzigen Nachen mit einem eben so zierlichen purpurrothen Segel. Den Namen des sonderbaren Geschöpfchens, das ganz allerliebst aussieht, habe ich leider vergessen.

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Wir befinden uns im Golfstrome. Das Meer wogt und schäumt gewaltiger, die Lüfte wehen lind und weich, der Himmel ist tief blau. Ich fühle, daß wir in eine heißere Zone eintreten. Unsere Reise war bisher ungemein glücklich. Weder Sturm noch Windstille haben uns aufgehalten, dennoch sehne ich mich wieder nach Land. So herrlich und groß der Anblick des Meeres ist, man fühlt sich doch nicht dauernd heimisch auf dem unsichern Elemente. Vielleicht auch vermag die Kleinheit unseres Geistes diese ewige Unendlichkeit nicht zu ertragen. Erst auf dieser ungeheuern Wasserwüste begreift man ganz das tiefe, poetische Bibelwort: »Der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser!« Ja, wohl ist es Gottes Geist, der um uns webt, den wir im Rauschen des Windes, im dumpfen Gebrause der Wogen hören. Diese unmittelbare Nähe des Ewigen, dieses Ruhen an seiner Brust, die wir nicht sehen, macht uns befangen, bang; denn wir fühlen ja, daß wir solcher Gnade nicht werth sind!

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Morgen sollen wir nach den Berechnungen des Capitäns Land sehen, und zwar, wie er sagt, das Festland Amerika's. Wir kreuzen vor der Mündung des Orinoko. Das Meer ist spiegelglatt, denn seit einigen Stunden fühlt man keinen Luftzug. Auffallend ist es mir, daß ich bis jetzt keine Beschwerden von der veränderten Luft spüre, während Johannes fortwährend leidet, namentlich an Schwindel. So hoffe ich denn zu Gott, daß er mir Kraft schenken, meine Gesundheit stärken und mich ausrüsten wird mit allen Gaben, die eine Missionärin besitzen muß, will sie den Irrenden die Wege bahnen, welche zur Erlösung führen.

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Land! schallt es herab von der Bram-Saling, und Alles lugt aus, um die ersten Linien zu entdecken, die uns die Küsten Surinam's verkünden sollen. Noch vermag ich keinen Schimmer der neuen Welt am Horizont aufzufinden, obwohl der Capitän und sämmtliche Mannschaft behauptet, man sehe wirklich die Küste. Ihre Augen sind geübter, auch kennen sie ja die Gegend, denn sie machen die Reise schon zum fünften oder sechsten Male.

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Ich habe gebetet und mir ist wohl. – Vor uns immer deutlicher aus dem blauen Meere heben sich die schönen Bergspitzen des Landes, das ich in Zukunft als Heimath betrachten soll. Ach, es winkt mir zu mit tausend reizenden Bildern. Farbiger Duft, durchsichtiger Glanz, Licht in Licht getaucht kündigt es sich mir an, während die tropische Sonne die Fluth in geschmolzenes Gold verwandelt, und dennoch, dennoch würden die flachen, nebelumhüllten Gestade an der Mündung der Elbe mich mehr entzücken! Was ist der Mensch in seiner Schwäche! Wie quält und peinigt ihn das Herz, auch wenn es ein Wohnhaus ist der reinsten, uneigennützigsten Gottes- und Menschenliebe! Ich vermag es nicht, mich zu freuen, daß die starke Hand des Herrn sich so mächtig erwiesen hat an mir schwachem Geschöpf, und doch sollte ich anbetend vor ihm niedersinken und ihn preisen ohn' Aufhören! Horch, die Matrosen begrüßen mit jubelndem Hurrah das erste Segel, das vom Lande unserm Schiffe zusteuert! Vor Sonnenuntergang noch kann ich wieder Gottes heilige Erde betreten, kann vielleicht unter freundlichen Menschen, wenn schon sie mir fremd sind, herzliche Aufnahme finden. Sei mir gnädig, du mein Heiland! Halte und stütze mich, daß ich nicht strauchle! Laß die Gedanken sich nicht rückwärts der Heimath zuwenden, sondern richte sie auf das große Ziel, auf die heilige Aufgabe, die mir geworden ist. Nur einmal, das letzte Mal möge mein geistiges Auge den Moment festhalten, wo die Lippe des jungen Bruders mir den Abschiedskuß gab! Adieu auf ewig, Heimathland! Ein ewiges Lebewohl den Schwestern und Brüdern! Still, dumpf, finster wie ein Sargdeckel sinkt Vergessenheit auf alles Vergangene. Todt ist das Mädchen Erdmuthe, zu neuem Leben erweckt steigt die Missionärin Gottvertraut an das Land der Indianer! Still! Johannes naht. Er kommt, mich hinauszuführen unter die jubelnden Matrosen und mir die Palmen- und Bananenwälder zu zeigen, in deren Schatten ich wandeln, wirken, lehren, vielleicht, ach vielleicht auch sterben soll!

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Bis hierher hatte der junge Ammer gelesen, ohne einmal aufzublicken. Seine Pulse flogen, seine Augen glänzten. Eine geistige Aufregung, verbunden mit unklarer Leidenschaft, hatten sich so ganz des jungen Mannes bemächtigt, daß er weder sah noch hörte. Die liebreizende Gestalt der scheidenden Herrnhuterin, wie er sie beim Liebesmahle erblickte, gaukelte wieder vor seinen Augen. Nur erschien sie ihm jetzt in strahlender Lichtfülle. Nicht allein die Missionärin zog ihn an, die schon so Vieles erfahren, so Ungewöhnliches, das sie nur mit wenigen Federzügen andeutete, erlebt hatte, mehr noch fesselte ihn das Weib, das, ob auch tausend von Meilen entfernt, doch immer noch des Augenblickes gedachte, der sie ihm zuführte. Fürchtegott war geistig nicht mehr in Europa. Er wandelte am Quai von Paramaribo; er träumte die glücklichsten Zukunftsbilder unter rauschenden Palmen. In dieser Verzückung bemerkte er nicht, daß kurze Zeit ein spähendes Gesicht durch das von Weinlaub halb verdeckte Fenster blickte, daß später die Thür des Gemaches, in dem er weilte, leise geöffnet ward, und Wimmer vorsichtig eintrat. Fürchtegott, im Lehnstuhle des Grafen sitzend, kehrte der Thür den Rücken zu und hätte den schleichenden Herrnhuter nur im gegenüber hängenden Spiegel erblicken können, wenn seine Gedanken nicht eben an den Ufern des Surinam geweilt hätten.

Wimmer glitt wie ein grauer kühler Schatten, den Kopf mit seinem gewöhnlichen breitkrempigen Hute bedeckt, bis dicht hinter den Stuhl des Lesenden. Hier blieb er, den Athem anhaltend, einige Augenblicke stehen, den Jüngling beobachtend. Als er sich überzeugt hatte, daß Fürchtegott gänzlich überwältigt, ja bezaubert war von dem Inhalt der seidenweichen Blätter, die zwischen seinen Fingern rauschten, spielte ein wohlgefälliges Lächeln um die schmalen, bläulich-weißen Lippen Wimmer's, während im Auge ein satanisch-glückliches Feuer glühte. Er nickte befriedigt mit dem Kopfe, faltete, alter Angewöhnung folgend, die knochigen Hände, und verschwand leise und unhörbar, wie er gekommen war. Noch einmal legte sich das fahle Gesicht des alten Speculanten an die Scheiben, ohne daß Fürchtegott es gewahrte, dann zog er sich zurück. Unser junger Freund aber fuhr fort in dem Tagebuche der Missionärin zu lesen.

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Vier Monate später.

Mein Herz ist müde, meine Seele betrübt. Werde ich auch Kraft gewinnen, um auszuharren? Schon sind Wochen vergangen, ohne daß ich außer Johannes und dem holländischen Prediger in der Wüste, wie sich van Selvbeleev nennt, einen Europäer erblickt habe. Die Wildniß ist meine Wohnung geworden, das Gethier der Wälder mein Umgang. Dennoch preise ich die Ehre des Höchsten mit dankbarem Herzen, denn ich weiß, daß seine Güte und Gnade grenzenlos sind. Aber mein weltlicher Theil sehnt sich nach dem Brod des Lebens, das man im erkennenden Wort, im süßen Wohllaut der heiligen Muttersprache von des Nächsten Lippe bricht. Ach, und dies Brod, von dem mein Geist lebt, mangelt mir gänzlich! Johannes kränkelt! Er kann sich nicht an das feucht-heiße Clima gewöhnen. Bleierne Schwere legt sich auf seine Glieder, seine Augen entzünden sich, er fiebert! Ach und wie soll ich ihn pflegen, nur geschützt von einem fliegenden Zeltdach? Am Tage peinigt ihn die Gluthhitze der tropischen Sonne, des Nachts mehrt der starke, regenartige Thau sein Fieber. Und doch darf ich nicht ermatten, nicht verzagen, denn die jungen Heiden, die rund um mich wohnen, müssen ja einsehen lernen, daß der Glaube an den Gott, den ich predige, jegliches Ungemach vergessen macht.

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Johannes befindet sich heute wohler. Er hat mich unterstützt bei den Lehrstunden, auch der holländische Prediger, durch seinen langen Aufenthalt unter den Indianern vertrauter mit ihren Sitten und besser von dem unterrichtet, was man diesen Naturkindern vortragen darf und wie man es ihnen beibringen muß, damit es sie anspricht und haften bleibt, geht mir fleißig zur Hand. Und doch, von wie geringem Erfolg sind unsere gemeinschaftlichen Bestrebungen! Der Gott, den wir predigen, gewinnt bei den Meisten nur Macht durch die bunten Geschenke, die er ihnen zur Taufe mitbringt! Gewiß, das Wort des Erlösers ist ein tiefes und bedeutsames, das seine Apostel hinaussendet in die Welt, um die Heiden zu taufen, allein die damit verbundene Aufgabe, die doch darin bestehen soll, nur den wahrhaft zum Christenthum Bekehrten erst zu taufen, übersteigt oft die Kräfte jeglichen Sendbotens! Ach, und diese Sendboten sind nicht immer erleuchtet vom heiligen Geiste! Sie reden nicht mit Engelszungen, ihr Wort ist nicht geschöpft aus dem Brunnen des heiligsten Glaubens; sie sind nicht durchdrungen, nicht überzeugt von der göttlichen Wahrheit der Lehre, die sie predigen! Söldlinge der Kirche, die sie bezahlt, durchstreifen sie Wälder und Berge, fangen Menschen mit buntem Flittertand, gießen Wasser auf ihre Scheitel und schreiben dann an die Oberhirten in Europa, sie hätten so und so viele Heiden bekehrt und dem Christenthume zugeführt! Soll ich den Ankläger spielen? Soll ich, die schwache, aber willige Frau, mir anmaßen, die Männer zu meistern? Und doch treibt mich das Gewissen dazu, denn wahrlich, gibt es irgend eine Todsünde, so begeht sie derjenige Religionslehrer, der leichtfertig, unter dem Vorgeben Seelen dem Himmel Christi zu gewinnen, weltlichen Lohns wegen nur Seelen verführt. Besser ein guter Heide bleiben, als ein schlechter, heuchlerischer, unlauterer Christ werden!

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Worte ohne Liebe sind tönende Schellen. Die Wahrheit dieses Gedankens hat sich mir neulich bestätigt. Zwei junge Indianer, Söhne eines Häuptlings, der vor Jahren im Kampfe mit einem feindlich gesinnten Stamme fiel, sind durch meine Bemühungen dem Christenthume gewonnen worden. Beide besitzen große geistige Fähigkeiten. Sie begreifen leicht, ihre Herzen sind weich und bildsam, und ich darf, ohne ruhmredig zu sein, behaupten, daß meine Vorträge Eindruck auf sie machten. Ich forderte sie nicht auf, ihren heidnischen Göttern zu entsagen, ich erzählte ihnen nur gleichnißweise, was Christus gethan, gelitten, erstrebt hatte. Endlich kamen sie demüthig bittend aus eigenem Antrieb zu mir und ersuchten mich, ich möge sie taufen und in den Bund der Christen aufnehmen. Meine Seele jubelte vor Entzücken und Begeisterung, denn ich glaubte mir sagen zu dürfen, daß ich jetzt wahrhaft zwei Seelen der heiligen Lehre von der Welterlösung, wie unser Heiland sie predigt, gewonnen habe. Beide Brüder wurden von diesem Tage an die mildesten, zufriedensten, friedliebendsten Menschen. Ganz von selbst legten sie ihren alten kriegerischen Schmuck ab, kleideten sich europäisch und fingen an das grausame Vergnügen der Jagd mit der stilleren und segenbringenderen Beschäftigung des Ackerbaues und der Viehzucht zu vertauschen. Schon glaubte ich die Jünglinge der europäischen Civilisation und der christlichen Milde völlig gewonnen; da erweckte der Anblick eines ihrem Stamme feindlichen Kriegers den alten Adam in ihnen. Kaum sahen sie den wehenden Federbusch des herausfordernd mit seinem Tomahawk durch die Büsche schreitenden Häuptlings, so begann ihr indianisches Blut zu kochen. Nie im Leben sah ich ein solches Bild innerlich tobender Leidenschaften auf einem Menschenantlitz. Sie erkannten in dem bemalten Krieger den Mörder ihres Vaters, und Rache! Rache! war ihr einziger Gedanke. Schon hatte sich der Eine mit einer Axt bewaffnet, während der Andere mit Riesenkraft einen jungen Baum umbrach, um den Todfeind damit anzugreifen. Da gab mir Gott übermenschlichen Muth. Das Wort des Lebens in der Hand, trat ich zwischen den wilden, heidnischen Krieger und meine jungen bekehrten Freunde. Ich weiß nicht mehr, was ich sprach, aber der Geist Gottes muß meine Worte beseelt haben. Wie gelähmt, bezaubert standen die Jünglinge mir gegenüber. Je länger ich redete, desto mehr verlor sich der Wuthausdruck auf ihren dunkeln Zügen. Die Waffen entglitten ihren Händen, sie knieeten vor mir nieder und küßten das Buch, aus dem ich ihnen gelehrt hatte, Gott und seinen heiligen Sohn lieben zu lernen. Das Wort der Liebe hatte beinahe ein Wunder erwirkt. Sie gelobten mir, nie mehr auf Rache zu sinnen, sondern ihrem Feinde zu vergeben. Um diesem dies kund zu thun, winkten sie dem Häuptlinge, sprachen zu ihm und gaben zu erkennen, daß sie ihren Vorsatz auf die bei jenen Völkerstämmen übliche Weise bekräftigen wollten. Alle drei nahmen Platz in meiner Zelthütte und rauchten die Friedenspfeife. Am Schlusse der Ceremonie schenkte mir der fremde Krieger Pfeife und Tabaksbeutel zum Andenken, desgleichen seinen schön gearbeiteten Gürtel, indem er durch Zeichen zu verstehen gab, daß diese Gegenstände mir, sollte ich dereinst in gefahrvolle Lagen unter Männern seines Volkes kommen, als Talisman dienen würden. Wie dankte ich Gott für diesen erhebenden Sieg des Christenthums über wilde Leidenschaften! Zum ersten Male während meines Wirkens fühlte ich mich wahrhaft glücklich, ja selig! Denn ich hatte drei Menschen durch das Wort der Liebe mit Gott versöhnt und wahrscheinlich auch gründlich gebessert.

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Heute sind Briefe aus Deutschland angekommen. O wie sehne ich mich nach einem Wort, einem Gruß aus der Heimath! Ein unendliches Weh zittert durch mein Herz, wenn ich der Lieben gedenke, die ich vielleicht nie wieder sehe. Dann bin ich nur noch die schwache Creatur von Staub, ein Spiel der Winde, hinfällig, wie ein Kind, ohne eigene Kraft, ohne eigenen Willen. Gottes Hand allein kann mich aufrichten, sein Wort nur mich trösten! Aber ich will ringen und beten, daß ich die Anfechtung besiege, und mich würdig zeige des Rufes, der an mich ergangen ist.

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Der hochwürdige Bischof und Graf Alban haben mir geschrieben. Liebe, liebe Worte! Sie ruhen jetzt auf meiner Brust neben den längst verwelkten Blumenhäuptern, die Johannes mir als letztes Liebeszeichen beim Abschied aus der Heimath überreichte. Keiner der Lieben ist gestorben alle Schwestern senden mir apostolische Grüße. Ich bin ganz glücklich in meiner Waldeinsamkeit. Aber von Ihm steht nichts in dem Schreiben. Sie können es ja auch nicht ahnen, daß eine Flocke meines Herzens in der alten Welt zurückgeblieben ist und sich verwandelt hat in einen Schmetterling, der rastlos über der versunkenen Gruft schwebt, in der mein weltliches Theil schon lange begraben liegt. Die Stelle aber, wo jene Flocke vom Herzen sich losriß, schmerzt immer, immer! Selbst im Augenblicke der Heiligung, wo ich als Heidenbekehrerin Gott mich näher fühle, erscheint dieser Schmerz nur gemildert, nicht gehoben. Ich werde beiden hochverehrten Herren schreiben und dem Grafen die Geschenke übersenden, die mir der versöhnte Häuptling gegeben. Mich wird wohl die Liebe Gottes und jener unsichtbare Schild gegen Gewaltthat schützen, den jede schuldlose Frau mit einem Blicke ihres reinen Auges vor sich aufrichtet.

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Fürchtegott konnte nicht umhin, einen Blick auf die Gegenstände zu werfen, deren Erdmuthe erwähnte, und die schon vorher seine Neugierde erregt hatten. Aber das Tagebuch enthielt noch mehrere eng beschriebene Blätter, und der junge Ammer zitterte vor Verlangen, auch noch den Inhalt dieser zu erfahren. Er las daher weiter.


Schön ist diese Welt doch. Wer vermag die Majestät eines Urwaldes und das Leben in demselben zu beschreiben! Wir Europäer, gewöhnt an ein gemäßigtes Clima, an einen Pflanzenwuchs, eine Farbenmischung, welche diesem Clima entspricht, wir bleiben vor Verwunderung stehen, schon wenn wir nur die »Augenbrauen« des Urwaldes betreten, wie man die Pflanzenwelt poetisch nennt, welche in diesem Lande die eigentliche Welt des Waldes umsäumt. Unsere Dichter nennen den Wald grün und sprechen von grüner Waldnacht. Dies Bild ist nicht anwendbar auf die tropischen Wälder. Hier begegnen wir allen nur denkbaren Farben-Nuancen, vom zartesten Weiß bis zum gesättigtesten Schwarz, vom leuchtendsten Grün bis zum brennendsten Roth, während alle Abstufungen von Blau, Gelb, Grau in dies doppelt flammende Farbenfeuer eine reizende Abwechslung der feinsten und malerischsten Schatten werfen. Dieser Ueberschwenglichkeit von prächtigen Farben entspricht die Größe und Form der Pflanzen und Bäume. Es gibt Blätter, die getheilt, ja geviertheilt, noch den ganzen Menschenleib umhüllen, der kleinste Ast mancher Bäume würde in Europa für einen mächtigen Stamm gehalten werden und ihre Höhe erreicht, ja übertrifft sogar die manches deutschen Münsters. Hunderttausende solcher Stämme aber, von Millionen wunderbar farbiger Vögel aller Größen bevölkert, bilden den Urwald! Es ist ein Dom, den Gott sich selbst erbaut hat, ein Dom, in dessen heiligem Dunkel Raum genug ist für die Gläubigen aller Religionen. Man schelte mich nicht ob dieses Wortes! Gewiß verehre ich Christum mit glaubensstarker Inbrunst, aber so egoistisch religiös möcht' ich sagen, kann ich inmitten des ewig zum Schöpfer der Welt betenden Urwaldes nicht sein, daß ich den Andersgläubigen verächtlich über die Schulter ansähe oder ihn tadelte, weil er in einer anderen Stellung, mit andern Gebehrden, in anderer Sprache zu Gott spricht. Wie ich die Sprache des Indianers nicht verstehe, vermag ich vielleicht, auch den Sinn der Glaubenssätze nicht gleich zu fassen, auf denen das Heil seiner Zukunft ruht. Diese Indianer sind voll poetischer Gedanken selbst in der größten Wildheit ihres Naturells, und die Vorstellungen, welche sie von dem Leben nach dem Tode haben, müßten sich mit den christlichen Lehren vereinigen lassen, könnte man sie, wie bunte Glasstückchen in ein Kaleidoskop werfen und sie so lange drehen, bis sie den strahlenden Stern der christliche Liebeslehre bildeten.

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Einige Tage war ich recht betrübt. Ich bin nicht werth, ein Kind Gottes zu heißen. Immer kreuzen weltliche Gedanken mein dem Ewigen, dem Himmel geweihtes Thun, und so vernichte ich von selbst das Gewebe, aus dem ich mir eine Himmelsleiter flechten will. Bin ich wirklich meinem Eidschwur treu geblieben? Vergaß ich nie, daß ich gelobt habe, eine demüthige Magd des Herrn zu werden, unermüdlich in seinem Dienst, nie ermattend in meinem Berufe? O, ich muß mich leider arger Vergehungen anklagen! Letzthin habe ich getanzt, getanzt mit Wilden ferner Prairien! Ich ward freilich dazu gezwungen, aber ich hätte stärker sein und mich nicht zwingen lassen sollen.

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Aus den Gebirgen ist eine betrübende Kunde eingetroffen. Feindliche Stämme haben die von den Sendboten der Brüdergemeinden bekehrten Indianer überfallen und ein entsetzliches Blutbad unter ihnen angerichtet. Alle, welche dem Tomahawk und dem Skalpmesser entgingen, sind in die Wälder geflüchtet, wo sie in Gemeinschaft mit Affen und Papageien leben. Wir sollen unter Escorte von einer ausreichenden Anzahl Truppen dahin aufbrechen, den tief Gebeugten Muth zusprechen, sie wieder sammeln in die Hände des Glaubens und ihnen neue Wohnsitze anweisen, während unsere kriegerische Begleitung den Auftrag hat, die feindlichen Wilden zu züchtigen.

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Hoch erhaben über Flur und Wald raste ich auf moosbewachsenem Felsrücken. Die Welt zu meinen Füßen gleicht, aus solcher Entfernung gesehen, einem göttlichen Eden. So ist es auch mit unseren Gedanken. Sie dünken uns stets gut und recht, wenn wir sie nicht prüfen, halten wir aber die Lupe strenger Forschung über sie, so entdecken wir allerhand unlautere Auswüchse daran. Die Thäler und Wälder unter mir dampfen, als brächten sie dem Ewigen ein Brandopfer. Obwohl um mich und über mir der heilige Gottesfrieden einer großen Natur waltet, höre ich doch das Athmen der Erde, vernehme ich das Seufzen und Röcheln des elementarischen Lebens, das den unermeßlichen Erdkörper bewegt und schüttelt. Bergströme stürzen tosend in tiefe Schlünde, ein Windhauch fährt pfeifend durch die Kronen der Blätter, unter Moos und Gestrüpp raschelt die glitzernde Schlange. Das Auge Gottes aber wacht über dem herrlichen Ganzen und vergoldet weit, weit im Osten die Wogen des Meeres, die mit murmelndem Rauschen die Küsten zweier Hemisphären küssen. Wie glücklich wäre ich, könnte ich nur ein paar Secunden lang mich mit Bewußtsein in jenen Schaum des Meeres verwandeln, der sprühend am Strande Deutschlands verstäubt!

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Unsern vereinigten Bemühungen ist es gelungen, die zerstreuten jungen Christen zu sammeln. Ein schönes, von hohen Felsen umschlossenes Thal, fruchtbar, luftig und in steter Verbindung stehend mit den bewohnteren Ansiedlungen soll künftig ihr Wohnort sein. Es ist beschlossen, daß Johannes und ich mich ebenfalls daselbst niederlassen sollen, um wo möglich der Ansiedlung mehr Festigkeit zu geben. Ein District wird uns angewiesen, den wir lehrend und predigend zu bereisen haben. Dieser ganze District soll der Cultur gewonnen mit Verkehrsstraßen überzogen und auf's Engste mit der Mutterstadt am Strande verbunden werden. Dadurch hofft man diesen sich stets wiederholenden verheerenden Einfällen der wilden Indianer aus den Gebirgen und der Steppe besser vorbeugen oder sie doch leichter bewältigen zu können. Mir gefällt dieser Plan recht wohl, obschon ich hinter der geistlichen Maske ein sehr weltlich lächelndes Gesicht lauern sehe. Die Kaufleute in Paramaribo suchen neue Absatzwege im Innern des Landes. Sie kennen die Leidenschaften aller Wilden für gewisse glänzende Artikel, für schillernde Stoffe, und sie verstehen es ganz meisterhaft, den in der Rechenkunst schlecht bewanderten Naturkindern für werthlose oder doch fast werthlose Dinge ihre größten Schätze abzulocken. Weltlich gesinnte Menschen von Geist nennen das Civilisation unter die Wilden bringen, religiöse Heuchler erblicken darin eine Verbreitung des Christenthums, die arme, einfache Missionärin aber, die nichts anderes will, als ihrem Heiland und Erlöser im Geiste und in der Wahrheit dienen, schlägt ihr thränenumschleiertes Auge zum Himmel auf und fragt in Demuth »den großen Geist«, wie der Indianer sagt, ob solche Wege auch erlaubt sind, wenn ein großer Zweck damit erreicht werden soll und kann?

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Heute bin ich recht freudig überrascht worden. Ich habe heimathliche Farben, die drei weißen Thürme Hamburgs im rothen Felde an der Gaffel eines herrlichen Barkschiffes gesehen. Geschäfte riefen mich aus dem heiligen Schatten der Berge in die Stadt, wo ich mit Bekannten den Hafen besuchte, der eben voll einer Menge neu angekommener Schiffe lag. Das Hamburger Fahrzeug ankerte dicht am Strande. Die Matrosen sangen in bekannter Weise, indem sie die Ladung aus dem Raume emporwanden. Es waren Ballen, gepackt, wie man es bei mir zu Hause gewohnt ist. Ich fragte einen holländischen Handelsherrn, der eben von dem Hamburger Schiffe kam, was dasselbe geladen habe? »Deutsche Leinwand,« lautete die Antwort. »Das Schiff kommt von New-York. Ich habe die Ladung gekauft. Ammer heißt der Rheder.« Diese hastig gesprochenen Worte machten mich staunen. Ammer! eine Stunde von meinem Geburtsorte gibt es der Ammer mehrere. Es sind lauter Weber. Einer derselben hat mich aus der Taufe gehoben! Mein Gott, mein Gott, wenn ich von Einem der Besatzung oder vom Capitän doch genaue Kunde erhalten könnte!

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So glücklich, so innerlich ruhig, so sicher im Arm des Allmächtigen, unseres allliebenden Vaters, habe ich mich lange nicht gefühlt. Das Hamburger Barkschiff gehört wirklich einem Ammer, nicht aber meinem Pathen. Es soll der reichste Mann des Dorfes ** sein, und Wimmer, der Bruder und Freund des Grafen Alban, ist sein Compagnon! Wie wunderbar, wie seltsam verschlungen gestalten sich doch die Pfade der Sterblichen! Die Ladung des Schiffes war so erzählte der Capitän ursprünglich für New-York bestimmt, weil aber dort die Preise der Leinenwaaren bei Ankunft zu niedrig standen, verkaufte ein Speculant die ganze Ladung nach Paramaribo, wo es an Leinen gerade mangelte. So kam das Fahrzeug hieher und sein Rheder verdient fast das Doppelte. Der Capitän hat versprochen, Briefe mitzunehmen. In drei bis vier Wochen geht er wieder in See, und wahrscheinlich kommt er schon Anfang des nächsten Jahres wieder, weil das Geschäft glänzend zu werden verspricht. Er will dann Kunde aus meiner lieben Bergheimath, von all' den theuern Seelen mir bringen, deren Wohlergehen ich stets in meinen Gebeten vom Höchsten erflehe.

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Von den Ammern wußte der Capitän gar nichts zu erzählen. Er kennt die Leute nicht einmal, nur eine Firma »Ammer& Compagnie«, die aber von andern Leuten verwaltet wird, soll seit Kurzem in der großen Landesmetropole an der Niederelbe aufgetaucht sein. Es sind Alles Herrnhuter, behauptet er, die mit diesem sehr einträglichen Handelszweige sich beschäftigen. Einen Sohn des reichen Ammer hofft er nächstens zu sehen. Derselbe lernt die Handlung und soll später der eigentliche Chef des neuen Hauses werden. Aber was plaudere ich da mit mir selbst, was beschäftige ich mich mit weltlichen Dingen, die mich nichts angehen, und vernachlässige darüber meine heiligen Pflichten! Vergib mir, mein Herr und Heiland, daß die unaustilgbare Liebe zur Heimath so ganz mein Herz erfüllen konnte! Ich will mich bessern und streng prüfen, damit ich nicht abermals in Anfechtung falle, und mein Geist sich vom Ewigen und Himmlischen dem Irdischen und Vergänglichen zuwende!

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Gott hat das heiße Gebet seiner schwachen und sündigen Magd erhört. Ich habe mein Herz bezwungen es ist still, wohl auch ein ganz klein wenig schüchtern geworden. Die Gedanken schweifen nicht mehr abwärts über das Weltmeer, sie bestricken mich nicht mehr mit schillerndem Zauberblendwerk, ich habe sie gefesselt, daß sie mich nicht fürder stören und zerstreuen, wenn ich des Herrn Ruhm und Ehre verkündigen soll.

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Morgen will der Capitän Anker lichten. Die Matrosen jubelten, als ich heute Morgen an Bord ging, um meine Briefe abzuliefern. Ich habe an die Schwestern und meine nächsten Verwandten geschrieben, und Allen, Allen tausend Grüße der Liebe gesendet. Auch denen, die da schlafen im Herrn unter grüner Erddecke, auch denen habe ich aus der Verbannung, in die der Herr mich gesendet, Grüße zugerufen. Mögen ihre seligen Geister mich als schützende Engel umschweben, mich schirmen, tragen, und kräftigen, wenn der Wille schwach ist und das Herz in seiner Bangigkeit, in seinem tiefen, heißen Drange nach der Heimath oft brechen will!

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Der Wind ist umgeschlagen, die Barke kann noch nicht segeln. – Der Capitän fluchte, die Mannschaft war verstimmt, aber ich, ach, ich freute mich unendlich, als der flatternde Wimpel so lieblich grüßend zu mir herüberwinkte. Es ist doch noch ein Streifchen Heimath, das da oben am Mast in der blauen Luft schimmert. Die Planken des Schiffes sind aus deutschen Eichen gezimmert und haben, Gott weiß, wie lange, lange Jahre den Saft deutscher Erde eingesogen. So lange dies Schiff im Hafen schaukelt, so lange bin ich nicht einsam, nicht völlig abgetrennt vom unvergeßlich theuern Vaterlande.

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Ich habe noch ein paar Zeilen an den Grafen geschrieben und darin alle Brüder vom Aeltesten bis zum Jüngsten ausdrücklich grüßen lassen. Und damit er sieht, daß ich der Heimath stets zugethan bleibe in Liebe und Treue, will ich ihm auch diese Aufzeichnungen noch mit überschicken. Ruft der Herr mich dereinst ab, sei's früh, sei's spät, so haben sie doch für Niemand Werth, wie für meine deutschen Brüder und Schwestern. So seid denn gesegnet, ihr Seufzer meines Herzens, und betretet statt meiner die Heimath. Ich aber will noch einen Blick des Abschieds auf den Wimpel werfen, dann mein Moskitonetz über die thränenden Augen ziehen und westwärts wandern, den Bergen und Wäldern zu, wo ich wirken, schaffen, beten und wohl auch dereinst sterben soll zur Ehre des Heilandes und seiner hochheiligen Lehren. Der Herr sei und bleibe mit mir, Amen!

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Hier endigten die Tagebuchblätter Erdmuthe's. Fürchtegott ließ das zierliche Bändchen in seinen Schooß fallen und richtete träumerisch seine Augen auf die Wand, wo der Gürtel mit der Friedenspfeife des versöhnten Häuptlings hing. So saß er lange, von Niemand gestört, ohne eine Fiber zu rühren. In seinem Herzen war eine ganz neue Welt aufgegangen, eine Welt, die gar nichts gemein hatte weder mit der Umgebung seines bisherigen Lebens, noch mit den realistischen Bestrebungen, an denen die Seele des Jünglings hing. Diese Welt ward von einer andern Sonne beleuchtet, von anders flimmernden Sternen des Nachts beschienen. Ein unnennbares Weh durchzuckte sein Herz, ein Weh, von dem er gar keine Ahnung gehabt, das ihn unglücklich und glücklich zugleich machte.

Ich muß sie sehen, ich muß sie bald sehen! dachte er anfangs unzählige Male, bis er es deutlich aussprach und von seiner eignen Stimme erweckt, zusammenschrak. Er sprang auf, betrachtete das Tagebuch, drückte es leidenschaftlich an seine Lippen und wollte es wieder auf den Tisch legen, als er hinter sich husten hörte. Fürchtegott wendete sein erhitztes Gesicht seitwärts und erblickte den Grafen, der vor wenigen Augenblicken eingetreten sein mußte.

Die Bestürzung des jungen Ammer erreichte jetzt den höchsten Grad. Verwirrt, wie er war, vermochte er weder ein Wort der Begrüßung, noch der Entschuldigung hervorzubringen. Er fühlte sich schuldbeladen und stand, von Purpurröthe übergossen, vor dem Grafen, als erwarte er in schulmeisterlicher Weise von ihm eine Strafpredigt zu hören. Graf Alban aber lächelte, reichte dem verblüfften Jünglinge die Hand und sagte, mit der Linken auf das Tagebuch der Missionärin deutend, mit wohlwollender, väterlich milder Stimme:

Haben Sie darin gelesen?

Fürchtegott wagte jetzt sein Auge zu dem vornehmen Mann zu erheben, und da er in ein sanft lächelndes Gesicht sah, erwiderte er schüchtern:

Die Langeweile, Herr Graf – die Einsamkeit – ich wußte nicht aber ich erlaubte mir

Schon gut, junger Freund, unterbrach der Graf den Verschüchterten. Es freut mich, daß Sie diese Aufzeichnungen einer gottergebenen Seele gefunden haben; sie waren ohnehin für Sie bestimmt und sind zum großen Theil Ursache, daß ich Ihnen schrieb, um mich recht ungestört mit Ihnen in einer für uns Beide sehr wichtigen Angelegenheit zu besprechen.

Fürchtegott, in so vertraulicher Weise angeredet, kehrte seine Fassung jetzt schnell zurück. Er fühlte seinen Muth mit der Wichtigkeit wachsen, die ihm der Graf freiwillig beilegte. Jede Spur von Furcht und Beschämung war verschwunden, nur der thatenbegierige, abenteuerlustige, begüterte Jüngling stand vor dem Manne, dessen Eröffnungen dem jungen Ammer die Pforten einer noch unbekannten Welt erschließen sollten. Die Zukunft deckte noch ein undurchdringlicher Schleier, aber er sollte schon in den nächsten Augenblicken fallen und damit für Fürchtegott ein Wendepunkt in seinem Leben eintreten, der ihn vielleicht auf die schwindelnde Höhe des Glückes emportragen, vielleicht auch in den Abgrund namenlosen Elends hinabstürzen konnte.

Er hatte dem Grafen gegenüber Platz genommen und lauschte begierig den Mittheilungen, welche dieser vielerfahrene, in hundert Geheimnisse eingeweihte Mann ihm machen würde.

Ich habe Sie zu mir beschieden, junger Freund, begann Graf Alban, um Ihnen zu eröffnen, daß es jetzt unerläßlich wird, das nächste nach dem amerikanischen Continent abgehende Schiff zu begleiten. Herr Wimmer, unser gemeinschaftlicher Freund, Ihr und Ihres Herrn Vaters Geschäftsführer wider Willen, hat mir die Sachlage klar vorgetragen und mich gebeten, das Weitere statt seiner einzuleiten. Seine Schüchternheit hält ihn ab, Ihren Vater abermals zu bestürmen, noch dazu, da es sich gegenwärtig nicht um eine einfache Zusage, um ein passives Geschehenlassen handelt, sondern um eine vielleicht lang dauernde Trennung des Vaters vom Sohne. Dennoch muß gehandelt werden, denn verlieren wir Zeit, so entschwindet der günstige Augenblick, von dem das Gelingen und der Bestand des so glücklich eingeleiteten Unternehmens abhängt. Es fragt sich jetzt nur, ob Sie Muth und Unternehmungsgeist genug besitzen, um in so jungen Jahren eine so wichtige Geschäftsreise antreten zu können.

Fürchtegott's Pulse klopften hörbar. Die Mittheilung des Grafen machte ihn schwindlich, berauschte ihn förmlich. Die Erfüllung aller lang genährten Wünsche, die so ganz unerwartet, ungerufen ihm geboten ward, hätte den Jüngling zu jeder That entschlossen gefunden. Er sagte deßhalb auf der Stelle zu.

Ihre Willigkeit freut mich, fuhr Graf Alban fort. Es wird jetzt vor Allem Ihre Aufgabe sein, den Herrn Vater zu benachrichtigen, ihm die Nothwendigkeit der Reise anschaulich zu machen und seine Einwilligung zu erwirken. Da ich weiß, daß Herr Ammer in dieser Beziehung möglicherweise abweichende Ansichten haben und darauf bestehen dürfte, werde ich Ihnen ein Begleitschreiben mitgeben. Jedenfalls beharren Sie fest auf der Forderung, Ihr Herr Vater möge Ihnen völlige Freiheit in Bezug Ihrer Handlungen bewilligen. Sind Sie dazu bereit?

Fürchtegott bejahte ohne das geringste Bedenken. Die Empfehlung des Grafen, der Hinterhalt, den er an demselben hatte, ließ ihn keine Schwierigkeiten erblicken.

Nun hören Sie weiter, junger Freund, sprach Graf Alban. Es ist Ihnen da ein Büchlein in die Hände gefallen, das, wenn es Ihnen sonst Vergnügen macht, einen unterhaltenden Reisegefährten für Sie abgeben kann. Erdmuthe Gottvertraut scheint sich Ihrer sehr flüchtigen Begegnung noch gern zu erinnern. Das zeugt von tiefem Gemüth, von liebevollem Herzen. Ob Sie der kleinen, zarten Missionärin inzwischen auch gedacht haben, danach zu fragen, habe ich kein Recht. Surinam ist aber nicht bloß ein Land, wo der Menschenfreund das Samenkorn christlicher Liebe ausstreuen soll, ihm ist auch die fast nicht minder wichtige Aufgabe geworden, mit der Lehre von der ewigen Liebe die Segnungen europäischer Cultur unter die wilden Indianerstämme zu verpflanzen. Diese Aufgabe erfüllt Niemand sicherer als der Kaufmann. Und darin, mein junger Freund, liegt die große Bedeutung des Handels. Nicht bloß irdische Glücksgüter zu erwerben, spannen wir die Segel an unsern Raaen auf, obwohl ohne dieselben keine himmlischen Güter zu erstreben sind; der größere Zweck des Welthandels ist die Verbreitung milder Sitten, edler Gewohnheiten, mannigfacher Kenntnisse über den ganzen Erdkreis. Der Welthandel knüpft unter den Völkern verschiedener Racen ein unauflösbares Freundschaftsband, und was der Religion und ihren Boten oft nicht möglich wird, weil um das helle Licht selbst des reinsten und geläutertsten Glaubens immer auch die dunkeln Schatten schwer zu unterdrückenden Aberglaubens kreisen: das vermag der Handel mit dem durchdringenden, Allen verständlichen Ton seiner metallreichen Stimme. Ohne Handelsverbindungen unter den Heiden werden unsere begeistertsten Missionäre immer nur Prediger in der Wüste bleiben. Der Gewinn lockt, fesselt, regt die Leidenschaften des Rohen wie des Gebildeten auf. Er ist für uns, die wir dem Himmel dienen wollen, die Angel um Seelen zu fangen. Geht also der Welthandel mit der apostolischen Mission Hand in Hand, so erfüllt sich das Wort des Gottessohnes, der seine Jünger zu Menschenfischern machen wollte. Sie sehen also, junger Freund, wie wichtig der Schritt ist, den Sie thun sollen, welche Tragweite der Gedanke hat, der Herrn Wimmer vorschwebte, als er den Entschluß faßte, nicht bloß mit den vereinigten Staaten Nordamerikas, sondern auch mit dem Süden dieses großen Continentes in Verbindung zu treten. Sie werden demnach sowohl New-York als auch Paramaribo besuchen. Herrnhut sendet den blinden Heiden seine Liebesboten und die Betriebsamkeit des Welthandelsherrn schickt ihnen Kleider, damit die Bekehrten ihre Blöße decken und auch äußerlich das Kennzeichen gesitteter, dem Christenthum gewonnener Individuen tragen können.

Fürchtegott war längst überzeugt. Er würde die unausführbarsten Verbindlichkeiten eingegangen sein, so völlig bezaubert hatten ihn die Worte des Grafen. Sein Ehrgeiz, der Wunsch und Trieb, etwas Außerordentliches zu erreichen, alle seine Gleichalterigen zu überflügeln, sich einen großen Namen, einen mächtigen Einfluß in beiden Hemissphären zu erwerben, hoben ihn hoch empor über die flache Wirklichkeit.

Graf Alban, dem diese Bezauberung des Jünglings nicht entging, hielt es für gut, ihn aus seinem träumerischen Schwärmen in die reale Welt zurückzuführen.

Sie kennen jetzt, sprach er nach einer Pause, die Bestimmung, die ich und mein Freund Ihnen zugedacht haben. Ueberlegen Sie, bis zu welcher Zeit Sie die Einwilligung Ihres Herrn Vaters zu erhalten glauben. Ich muß dies sehr bestimmt wissen, denn es hängt Großes davon ab. Meine zahlreichen Freunde in der neuen Welt müssen von Ihrer Ankunft unterrichtet werden, damit Sie einen geebneten Boden und Hände finden, die sich Ihnen hilfereichend entgegenstrecken. Vergessen Sie nie, junger Freund, daß weitverzweigte Verbindungen die sichersten Stützen unseres eigenen Vortheils sind! Der Einzelne kann allerdings auch ohne diese Krücken sein Fortkommen in der Welt finden, er kann sich sogar ohne dieselben wohler, unabhängiger, befriedigter fühlen, zu wirklicher Macht aber wird er dann niemals gelangen.

Dem jungen Ammer leuchtete dies ein, weil er in den Worten des Grafen seine eigenen Wünsche lebendig werden sah. Zugleich sah er im Geiste die Gestalt seines alten Vaters vor sich, dessen lebenslanges Streben ja gerade ein Widerspiel dessen gewesen war, was der Graf als Endziel aller Machtgewinnung hinstellte. Nein, rief er sich selbst zu, wie der Vater will ich nicht leben! Mir soll die ganze Welt sich erschließen, und während ich wirke, Großes schaffe und Ruhm erringe, will ich alle Schätze der Erde um mich aufhäufen und in ihrem Besitze schwelgen!

Dünken Ihnen vierzehn Tage eine hinlänglich lange Zeit? fragte der Graf, da er keine Antwort von Fürchtegott erhielt.

Gewiß, Herr Graf, gewiß, stotterte der mit seinen Phantasien ringende Jüngling. Es hat ja Eile, wie Sie sagen, und da soll der Vater sich nicht lange besinnen.

Dann leben Sie wohl, junger Mann, fuhr Graf Alban fort, indem er aufstand und Fürchtegott freundlich die Hand reichte. Gehen Sie jetzt zu Herrn Wimmer. Er wird Sie schon längst erwartet haben. Binnen einer Stunde sende ich Ihnen das versprochene Schreiben an den Herrn Vater. Zögern Sie nicht länger, als Sie müssen, um Ihre Heimath zu erreichen. Ich werde inzwischen sehr thätig sein, damit nichts unterlassen bleibt, was Ihnen so hoffen wir kurzsichtige Menschen zu Erreichung Ihrer großen Pläne und Entwürfe förderlich sein kann.

Der junge Ammer fühlte, daß er entlassen war. Er verbeugte sich stumm vor dem einflußreichen Manne und wollte gehen. Da rief ihn Graf Alban nochmals an. Vergessen Sie nicht das Tagebuch, das Ihnen so zu gefallen schien. Wenn Sie bisweilen darin lesen, wird dies, glaube ich, Einiges beitragen, Sie in Ihrem Vorhaben zu befestigen. Es rührt von einer edlen Seele her, die wohl Anlage hat, eine christliche Märtyrerin zu werden. Adieu. Auf Wiedersehen in vierzehn Tagen!


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