Ludwig Tieck
Gedichte
Ludwig Tieck

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38. Phantasus.Personifikation der Phantasie und der romantischen Dichtung, hier als Knabe, in einem ältern Gedicht »Die Phantasie« (1798) weniger passend als alter Mann. – Die Sprache ist absichtlich altertümlich gefärbt.

    Betrübt saß ich in meiner Kammer,
Dacht' an die Not, an all den Jammer,
Der rundum drückt die weite Erde,
Daß man nur schaut Trauergebärde,
Wie Lust und Sang und frohe Weisen
Gezogen weit von uns auf Reisen,
Daß Argwohn, Mißtraun unsre Gäste,
So Furcht wie Angst bei jedem Feste,
Daß jedermann nur frägt in Sorgen:
Wie wird es mit dir heut' und morgen?
Dazu war ich noch schwach und krank,
Mir war so Tag wie Nacht zu lang;
Ich sorgte, was mein Arzt ermessen,
Was ich nicht trinken durft' und essen,
Wie meine Pein zu lindern wäre,
Was mir den Schlaf, die Ruh' nicht störe:
So saß ich still in mich gebückt,
Den Kopf in meine Hand gedrückt,
Als ich, so sinnend, es vernahm,
Daß jemand an die Thüre kam;
Es klopfte, und ich rief: herein!
Da öffnet schnell ein Händelein,
So weiß wie Baumesblüt', herfür
Trat dann ein Knäblein in die Thür,
Das Haupt gekränzt mit jungen Rosen
Die eben aus den Knospen losen,Das mittelhochdeutsche losen, lauschen, hervorhorchen.
Wie Rosenglut die Lippen hold,
Das krause Haar ein funkelnd Gold,
Die Augen dunkel, violbraun,
Der Leib gar lieblich anzuschaun.
Er trat vor mich und thät sich neigen
Und sprach alsdann nach kurzem Schweigen:
»Wie kömmt's, mein lieber kranker Freund,
Daß Ihr hier sitzt, da Sonne scheint?
Der Frühling geht umher mit Pracht,
Hat Laub des Waldes angefacht,
Es brennt das grüne Feuer wieder,
Und drein ertönen tausend Lieder,
Die Erde trägt ihr Sommerkleid,
Der Plan erglänzt von Blumen weit,
Es springt der Fisch in blauem See,
Vom Obstbaum hängt der Blütenschnee,
Die lieb- und segenschwangre Luft
Durchspielt in Wogen Kraft und Duft.
Das Kindlein lacht die Blüten an
Aus rotem Mund mit weißem Zahn,
Der Jüngling sieht sein Herz und Lieben
In Blumenschrift mit Glanz geschrieben,
Sich hebt der Jungfrau schöne Brust
In ahndungsvoller Liebeslust,
Der Greis erfrischt die alten Glieder
Und dünkt sich in der Kindheit wieder,
Und jedermann fühlt freudenschwanger
Den dunkeln Wald, den lichten Anger.
Du nur willst sitzen hier gekauert,
In deinen Sorgen eingemauert,
Von Schwermutswolken rings umhängt,
In Not und Zweifeln eingeengt?
Ich kenne dich nicht wieder schier;
Hinaus mach' stracks dich vor die Thür
Und thu' dein menschlich Angesicht
Hinein in holdes Himmelslicht,
Laß nicht die Stirn dir so verrunzeln,
Der Lippen Frische ganz verschrunzeln!Von Schrunde (Riß in der Haut); vgl. das alte schrinden, Risse bekommen, bersten.
Das Auge, das sonst Strahlen scharf
Von seinem lichten Bogen warf,
Ist tief hinein zum Haupt geschmolzen
Und schießt nur schwer' und stumpfe Bolzen;
Entzweit hat sich dein Mund mit Lachen,
Scherz, Kuß sind ihm wildfremde Sachen,
In deiner gelb verschrumpften Haut
Der Kummer sich im Spiegel schaut;
Nicht, Kreatur, mach' Schand' und Spott,
Der dich geschaffen, deinem Gott!
Schau' aus, als seist nach seinem Bilde
Formieret edel, heiter, milde,
VerbrümmeltZum Brummen geneigt, verdrießlich. nicht und ungelachsen,Ungeschlacht.
Als sei'n in dir zusammgewachsen
All' Unkraut, Stacheln, Disteln, Dorn,
Mit Schimmel, Pilzen fest verworr'n;
Frisch auf, laß dich von mir regieren,
Ins Frühlingsreich will ich dich führen.«

    Er schwang in seiner Rechten zart
Die Tulpenblum' seltsamer Art;
Wie er sie auf und nieder regte,
Ein farbig Feuer sich bewegte,
Und lichte Sterne kreisten, welche
Sich schüttelten aus goldnem Kelche.
Sie flogen wie die Vöglein munter
Mir um das Haupt, herauf, herunter,
Und neckten mich mit Flammenleuchte,
Wie ich auch bang sie von mir scheuchte.
Ich sprach bald zornig: »Wer bist du,
Der mich gestört in meiner Ruh',
Du Knäblein laut, vorwitziglich,
Daß du also bespöttelst mich,
Und willst, weil du ein Kindlein frei,
Daß alle Welt auch kindisch sei?
Ich habe mehr gelernt, erfahren,
Bin auch jetzund was mehr bei Jahren,
Daß Spiel, unnützer Zeitvertreib
Nicht mehr gefallen meinem Leib;
Auch ist umher die ganze Welt
Auf Ernst, Nachdenklichkeit gestellt,
Daß der nur Thor jedwedem scheint,
Der sich nicht höherm Zweck vereint;
Du aber, Knäblein, bist inmitten
Der Bildung nicht mit fortgeschritten,
Meinst noch, daß man nach Blum' und Kraut
Und all den Kinderei'n ausschaut;
Das hält man jetzt für Rauch und Dunst;
Mein Sohn, die Zeit ist nicht wie sunst.«

    Der Knabe lacht', daß sich das Gold
Der Locken ineinander rollt,
Und sprach: »Sonst hast mich wohl gekannt,
Ich bin der Phantasus genannt,
Heimatlich war ich sonst bei dir,
Dein Spielgefährte für und für.
Als du mich noch am Herzen hegtest
Und väterlich und freundlich pflegtest,
Da war dein Sinn anders gestellt;
Mit dir zufrieden und der Welt,
War dir die Arbeit Lust und Scherz,
Frisch und gesund dein junges Herz.«

    »Mein Auge«, sprach ich, »ist wohl blind;
Du also bist dasselbe Kind,
Das täglich Blumen mir gebracht,
Holdseliglich mich angelacht,
Das mir verscherzt die muntern Stunden,
Vielfältig Spielzeug mir erfunden?
Seitdem bist du von mir entwichen
Und anderwärts umher gestrichen,
Da kamen Ernst, Vernunft, Verstand
Und gaben mir in meine Hand
Der Bücher viel und mancherlei
Voll tiefen Sinns, Philosophei,
Ich strebte, mich aus rohem Wilden
Zum wahren Menschen umzubilden;
Drauf ich auch zur Geschichte kam,
Die Not der Welt zu Herzen nahm,
Die Chronikbücher unverdrossen
Hab' ich in Nächten aufgeschlossen;
Die Vorzeit stieg zu mir herüber,
Und immer ernster ward's und trüber;
Bald schien mich an ein flüchtig Blitzen,
Dann glaubt' ich Wahrheit zu besitzen,
Dann kam die Dämmrung, faßt' es wieder
Und taucht' es in die Finstre nieder;
Die Nacht ward wieder Lichtes schwanger,
Das neue Licht macht' mich noch banger,
Wohl ahndend, daß, wenn's ausgegoren,
Die Finstre neu draus wird geboren:
So wies Histori mir nur Not,
Zum Leben auch nur Grab und Tod,
Das Schöne stirbt, der Glanz löscht aus,
Das Irdisch-Schlechte baut sein Haus
Und spricht von seinem Felsenthron
Den hohen Göttersöhnen Hohn;
Natur hab' ich ergründen wollen,
Da kam ich gar auf seltsam' Schrollen,Schrullen, fixe Ideen, Grillen.
Verlor mich in ein steinern Reich,
Ich glaubte all's, nichts doch zugleich,
Wollt' Pflanz', Metall und Stein verstehn,
Mußt' mir doch selbst verloren gehn,
Hatt' viel Kunstworte bald erstanden,
Ich selbst gekommen nur abhanden,
Um endlich wieder zu gelangen
Noch dummer, wo ich ausgegangen:
Vielleicht weil du, mein Sohn, gefehlt,
Hab' ich in Angst mich abgequält;
Verstehst du wohl die alten Schriften,
Wandelst wohl auch auf Weisheitstriften?
Doch still, ich will dich jetzt nicht plagen;
Komm, laß uns in den schönen Tagen
So spielen, wie wir sonst gepflogen,
Wenn du mir etwas noch gewogen.«

    Der Kleine schmeichelt sich an mich,
Drückt' an mein Knie mit Lächeln sich,
Wandt' sich hieher und dorthin nun,
Fast wie die jungen Kätzlein thun.
Da gehn wir aus dem Haus, und warm
Nimmt Sommer mich in seinen Arm;
Die Lerch' in Lüften jubiliert,
Hänfling und Drossel musiziert,
Das Grün schmiegt sich um Plan und Hügel,
Der Schmetterling wiegt Purpurflügel,
Die Blumen rot, braun, gold und blau
Stehn dicht gedrängt auf grüner Au',
Die Bienen summen lustig, nippen
Den Honigseim von Blumenlippen,
Duft, rötlich Glanz kreucht aus dem Baum,
Hängt von dem Zweig, ein süßer Traum.
»Wie ist«, sprach ich, »die Welt so bunt,
Von neuem tönt und schwatzt der Mund
Der kind'schen Quellen, Frühlings Hand
Nahm von den Zungen ab das Band,
Das Winter jährlich um sie legt,
Daß sich kein lautes Wörtchen regt,
Die Sommergäst' auch sind im Schalle
Ins Land zurückgekommen alle.«

    Indem wand sich den Buchenhain
Vom Plane ab der Weg hinein,
Der Glanz mit Grün schön war gemischt,
Die stille Luft vom Wind erfrischt,
Die wilden Tauben hört' ich girren,
Zeisig und Fink in Nestern schwirren,
Ein Duft süß aus den Bäumen floß,
Ein Rieseln sänftlich sich ergoß
Aus Tannenbäumen, die vom Winde
Sanft angespielt erklangen linde;
Das all war meinem kranken Leben
Als Labsal und Arznei gegeben.
»Wo sind wir, Liebster?« rief ich aus;
»Sei mir gegrüßt, du grünes Haus.
Gegrüßt, ihr frischen Bogengänge,
Willkommen mir, ihr Waldesklänge!
Ich war noch nie in den Revieren;
Sprich, wohin willst du mich denn führen?«
Er sagte nichts, nur freundlich winkt
Sein Aug', das mir ins Auge blinkt.
Einsamer ward der dichte Hain,
Gespaltener des Lichtes Schein,
Der sich in Gattern um uns legte
Und mit des Luftes Zug bewegte;Der Lichtschein bewegt sich, weil die Blätter der Bäume, durch die er wie durch ein Gitter fällt, vom Winde hin und her getrieben werden. – Der Luft, altertümlich als Maskulinum gebraucht.
Da hört' ich Wild von ferne schrein,
Da sangen fremde Vögel drein
Mit wundersamem Ton, es klangen
Viel Bächlein, die aus Felsen sprangen
Wie Schatten zog es her und hin,
Ein Schauer flog durch meinen Sinn.
Nun war's, als hört' ich Kinder plaudern,
Hin lief ich ohne länger Zaudern;
Und als ich nach dem Ort gekommen,
Von wo ich erst den Ton vernommen,
Da that sich auf des Waldes Dunkel,
Und vor mir lag ein hell Gefunkel;
Rot sah ich wilde Nelken blühn,
Samt lichten Sternen von Jasmin,
Und duftend Kraut Jelängerlieber,
Das rankte eine Grott' hinüber,
An die sich hoch der Epheu schlang,
Und aus der Höhle kam Gesang.
Da schaut' ich in den Fels hinein,
Dort saß ein Bild mit lichtem Schein,
Güldnes Gewand den Leib umfloß,
An den sich Spang' und Gürtel schloß,
Das Antlitz bleich, entfärbt die Wange,
Sie schien in Furcht und Zittern bange
Und schloß sich an ein Mannsgebild,
Das schaute aus den Augen wild,
Doch lächelt' er mit Freundlichkeit:
Er war in schwarz Gewand gekleid't,
Ein dunkles Haar hing um das Haupt,
Er trug, von wildem Wein umlaubt,
Den güldnen Stab in seiner Hand;
Geflochten war um sein Gewand
Epheu und Tannenzweig' in Kränzen,
Wozwischen rote Rosen glänzen;
Er sprach und sang der Schönen vor
Und flüsterte ihr oft ins Ohr.
Da fragt' ich: »Kind, wer sind die beide?«
Der Knabe sprach: »Im schwarzen Kleide
Der ist der Schreck, von Märchen, alten,
Beschreibt er gern die Schau'rgestalten;
Das Mägdlein da im lichten Kleid
Ist meine liebe Albernheit,
Sie ängstet sich, und um so gerner
Hört sie den andern reden ferner,
Sie fürchtet sich vor dem Erschrecken,
Läßt sich doch spielend davon necken,
Sie lächelt, und vor Schauder weint
Ihr Lachen, das in Thränen scheint,
Sie freut sich und wird voraus bleich,
So spielt sie mit dem Geisterreich;
Wenn Schreck ihr sagt: ›Nun sprech' ich, jetzt,
Was dich recht durch und durch entsetzt!‹
Dann bittet sie: ›So schweige lieber –
Nein‹, spricht sie dann, ›erzähl' es, Lieber!‹
Nun rauscht der schwarze Tannenhain,
Dann weinen Felsenbäche drein,
Sie meint, sie stirbt vor Angst und Schmerz
Und drückt dem Schreck sich fest ans Herz.«

    Da sah ich einen Kleinen gaukeln
Und sich in allen Blumen schaukeln,
Ein herzigs Kind, das auf und nieder
Im Tanze schwang die zarten Glieder;
Bald klettert' es in Epheuranken
Und ließ sich kühn vom Winde schwanken,
Bald stand oben am Fels der Lose
Und duckte sich in eine Rose,
So eilig, daß der Stengel knickte,
Wie er sich in die Röte bückte,
Dann fiel er lachend auf die Au'
Und war benetzt vom Rosentau:
In Blättern, aus Jasmin gezogen,
Beschifft' er dann des Baches Wogen
Und bracht' als Kriegsgefangne heim
Die Bienen mit dem Honigseim;
Dann sucht' er Muscheln sich im Sande
Und Stein' und Kiesel vielerhande,Mancher Art; vgl. allerhand.
Und putzte drin das Felsenhaus
Mit vielen art'gen Schnörkeln aus;
Auf einmal ließ er alles liegen
Und schien durch Lüfte schnell zu fliegen.
Nun auf dem höchsten Tannenbaum
Stand er und übersah den Raum,
Mit Riesenstärke bog er dann
Des Baumes Wipfel auf den Plan
Und ließ ihn dann zurücke schießen;
Des Baches Wogen mußten fließen
In Wasserfällen laut und brausend,
Der mächt'ge Wald dazwischen sausend,
Ein furchtbar Echo, das von oben
Hin durch den Thalgrund sprach mit Toben,
Dazu des Donners Krachen viel,
Schien alles ihm nur Harfenspiel.
Er selbst, der erst ein kleiner Zwerg,
War jetzt großmächtig wie ein Berg
Und sprang so schnell wie Blitzes Lauf
Zur Höhe des Gebirgs hinauf,
Riß aus der Wurzel mächt'ge Felsen,
Die ließ er sich zum Thale wälzen
Mit lautem Donnern, furchtbar'm Krachen,
Das machte ihn von Herzen lachen,
Wie sie im Pürzen,Purzeln, burzeln. Springen, Kollern,
So ungeschlacht zur Ebne schollern,Schollenweise fallen, abwärts rollen.
Wie sie die nackten Hauer fletschen
Und Wald und Berg im Sturz zerquetschen.
Da war ich bang und furchtsam fast,
Ich sprach: »Wer ist der schlimme Gast,
Der erst, ein Kindlein, thöricht spielte,
An Bienen nur sein Mütlein kühlte,
Ein Tandmann Possenreißer,Lustigmacher (besonders im Puppenspiel). schien, doch nun erwachsen
So ungeheuer, ungelachsen,Vgl. S. 50, Anmerkung 2.
Daß kaum noch so viel Kraft der Welt,
Daß sie ihn sich vom Halse hält?« –
»Das ist der Scherz«, so sprach mein Freund,
»Dem groß und klein dasselbe scheint;
Oft ist er zart und lieb unschuldig,
Doch wird er wild und ungeduldig,
So kühlt er seinen Mut, den frechen,
Und all's muß biegen oder brechen.« –
»Kann man nicht«, fragt' ich, »Sitt' ihm lehren?«
»Das hieß' ihn nur«, sprach er, »Verkehren,
Er acht't kein noch so klug Gebot
Und schreit nur: ›;Das thut mir nicht not!‹
So lassen sie ihm seinen Willen.« –
Da schlug urplötzlich aus dem Stillen
Der Sang von tausend Nachtigallen,
Die ließen ihre Klage schallen,
Und aus dem grünen Waldesraum
Erglänzt' ein leuchtend goldner Saum
Von Purpurkleidern, die erbeben
In Glut, wie sich die Glieder heben
Vom schönsten weiblichen Gebilde;
Sie schritt nun lächelnd zum Gefilde
Und kam aus dunkelm Wald hervor
Wie Sonne durch des Morgens Thor,
Das goldne Haar in Wellen fließend,
Das lichte Aug' die Welt begrüßend,
Das rote Lächeln Wonne streuend,
Des Leibes Glanz rings allerfreuend;
So wie die Augen leuchtend gingen,
Die Blumen ihre Blüt' empfingen,
Das Gras ward grüner, Wonnebeben
Schien Stein und Felsen zu beleben,
Die Wasser jauchzten, und im Innern
Bewegt' ein seliges Erinnern
Der Erde allertiefstes Herz,
Demant erwuchs und Goldeserz.
»Wer ist«, fragt' ich, »die dort regiert,
So zart und edel gliedmasiert,
Die Klare, Holde, Minniglich'?
Nenn' ihren Namen, Knabe, sprich!« –

    »Dir ist es also nicht bewußt«,
Sprach Phantasus, »in deiner Brust,
Was Tier' und Pflanzen, Stein' empfinden?
Ich muß dir ihren Namen künden?
Die Lieb' ist sie!« Und alsobald
Kannt' ich die göttliche Gestalt,
Ich sprach im Flehn zu ihr: »Demütig
Komm' ich zu dir, o sei mir gütig!
Wie du die ganze Welt beglückst,
In jedes Herz die Wonne schickst,
Gedenke mein, laß nicht mein Leben
Als liebeleeren Traum verschweben.«
Gebietend hob sie auf die Hand,
Da kamen aus dem grünen Land,
Von Bergen, aus dem niedern Thal
Die Geister wimmelnd ohne Zahl,
Aus Bächen huben sie sich schnell
Und leuchteten von Schimmern hell,
Die Bäume thaten all' sich auf,
Es sprangen vor mit munterm Lauf
Die zarten Elfen, und aus kleinen
Blümlein wollten sie auch erscheinen,
Gar fein gestalt', in Farben bunt:
Da sang ein tausendfacher Mund
Der hohen Göttin Lob und Dank,
Gar wundersam war der Gesang,
Sie sonnten sich in ihrem Lächeln,
Berauscht von ihres Otems Fächeln.
Da wandt' sich Phantasus zu mir:
»Nun, Werter, wie gefällt's dir hier?«
Ich wollte sprechen: »Seliglich
Dünkt mir dies Leben sicherlich« –
Doch nahm der allergrößte Schreck
Mir plötzlich Stimm' und Otem weg:
Was ich für Grott' und Berg gehalten,
Für Wald und Flur und Felsgestalten,
Das war ein einzigs großes Haupt,
Statt Haar und Bart mit Wald umlaubt;
Still lächelt er, daß seine Kind
In Spielen glücklich vor ihm sind,
Er winkt, und ahndungsvolles Brausen
Wogt her in Waldes heil'gem Sausen;
Da fiel ich auf die Knie nieder,
Mir zitterten in Angst die Glieder,
Ich sprach zum Kleinen nur das Wort:
»Sag' an, was ist das Große dort?« –
Der Kleine sprach: »Dich faßt sein Graun,
Weil du ihn darfst so plötzlich schaun;
Das ist der Vater, unser Alter,
Heißt Pan,Die den Romantikern geläufige groteske Anschauung, nach welcher die Natur selbst ein riesiges, beseeltes Wesen mit einem ungeheuern Menschenantlitz ist, lehnt sich an Vorstellungen der griechischen Mythologie an, in der Pan nicht nur als ländlicher Herdengott, sondern auch als der geheimnisvolle große Naturgeist aufgefaßt ward, dessen plötzlich in der stillen Natur ertönende Stimme die Menschen mit unerklärlichem Schauer (dem »panischen« Schrecken) erfüllt. von allem der Erhalter.« –

    Ein mächt'ger Schauder faßte mich,
Mit Zittern schnell erwachte ich,
Und so bewegt von dem Gesicht
Verkünd' ich's euch, verschweig' es nicht.


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