Ludwig Tieck
Gedichte
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

10. Arion.Der griechische Dichter und Tonkünstler Arion aus Methymna auf Lesbos blühte um 625 v. Chr. Die Landung auf dem Delphin soll am Vorgebirge Tänaron (jetzt Matapan), Südspitze des Peloponnes, erfolgt sein.

    Arion schifft auf Meereswogen
Nach seiner teuren Heimat zu,
Er wird von Winden fortgezogen,
Die See in stiller, sanfter Ruh'.

    Die Schiffer stehn von fern und flüstern,
Der Dichter sieht ins Morgenrot,
Nach seinen goldnen Schätzen lüstern
Beschließen sie des Sängers Tod.

    Arion merkt die stille Tücke,
Er bietet ihnen all sein Gold,
Er klagt und seufzt, daß seinem Glücke
Das Schicksal nicht wie vordem hold. –

    Sie aber haben es beschlossen,
Nur Tod gibt ihnen Sicherheit,
Hinab ins Meer wird er gestoßen;
Schon sind sie mit dem Schiffe weit.

    Er hat die Leier nur gerettet,
Sie schwebt in seiner schönen Hand,
In Meeresfluten hingebettet,
Ist Freude von ihm abgewandt.

    Doch greift er in die goldnen Saiten,
Daß laut die Wölbung widerklingt,
Statt mit den Wogen wild zu streiten,
Er sanft die zarten Töne singt:

        »Klinge, Saitenspiel!
        In der Flut
        Wächst mein Mut;
Sterb' ich gleich, verfehl' ich nicht mein Ziel.

        »Unverdrossen
        Komm' ich, Tod,
        Dein Gebot
Schreckt mich nicht, mein Leben ward genossen.

        »Welle hebt
        Mich im Schimmer,
        Bald den Schwimmer
Sie in tiefer, nasser Flut begräbt.«

    So klang das Lied durch alle Tiefen,
Die Wogen wurden sanft bewegt,
In Abgrunds Schlüften, wo sie schliefen,
Die Seegetiere aufgeregt.

    Aus allen Tiefen blaue Wunder,
Die hüpfend um den Sänger ziehn,
Die Meeresfläche weit hinunter
Beschwimmen die Tritonen grün.

    Die Wellen tanzen, Fische springen;
Seit Venus aus den Fluten kam,
Man dieses Jauchzen, Wonneklingen
In Meeresfesten nicht vernahm.

    Arion sieht mit trunknen Blicken
Laut singend in das Seegewühl,
Er fährt auf eines Delphins Rücken,
Schlägt lächelnd in sein Saitenspiel.

    Des Fisches Sinn zum Dienst gezwungen,Als freie, absolute Partizipialkonstruktion aufzufassen.
Naht er mit ihm der Felsenbank,
Er landet, hat den Fels errungen
Und singt dem Fährmann seinen Dank.

    Am Ufer kniet er, dankt den Göttern,
Daß er entrann dem nassen Tod.
Der Sänger triumphiert in Wettern,
Ihn rührt Gefahr nicht an und Tod.


 << zurück weiter >>