Ludwig Tieck
Gedichte
Ludwig Tieck

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35. Lucca.In der Landschaft Toscana, nordnordöstlich von Pisa.

    Ein Kirchenfest versammelt vor das Thor
Zum regen Gedränge die Bewohner der Stadt,
Da glänzt Atlas- und Seidenkleid
Im Abendschimmer auf dem grünen Rasen.
Frohes Getümmel und Kinderjauchzen,
Und Jünglinge wandeln und suchen den Blick
Der schöneren Augen.

    Ha! diese edle Gestalt in grüner Seide,
Wandelnd an der Seite des entzückten Bräutigams,
Überglänzt sie alle an Frische, Schönheit und Augenglanz.
Wie sie im leichten Gespräch die vollen Lippen
Holdselig lächelnd öffnet,
Sprühen blitzend durch das Korallenrot die Lichter der Perlenzähnchen,
Und alles an ihr, Gebärde, Gang und Stimme,
Erklingt wie Musik und nimmt mein Herz gefangen,
Daß ich, den Bräutigam beneidend, fast ihn hasse.

    Da nimmt die Himmlische aus ihrem Körbchen
Große lombardische Nüsse
Und beißt sie laut krachend hinter roter Lippenglut
Mit den Perlenzähnchen auf.

    »O Bräutigam! ärmster der Menschen!«
So rief ich entfliehend. –
Wohl hört man von Sirenen, Vampyren, EmpusenDer Vampyr, nach slawischem Volksglauben ein nachts dem Grabe entsteigender Toter, soll, wie die Empusa (griechisch), ein weibliches Gespenst, Lebenden das Blut aussaugen.
Und anderm tollen Zaubergespuk,
Das dämonisch sich der Männerherzen
In täuschender Gestalt bemächtigt!
Und ich war (furchtbar!) nahe der grausen Gefahr,
Bethört zu lieben eine Nußknackerin!


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