Ludwig Tieck
Gedichte
Ludwig Tieck

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28. Heimweh.

    Oft schon klang ein Ton herüber,
Als wenn er jenseit der nördlichen Berge käme
Und müde mich und liebevoll grüßte,
Und ich dachte der Heimat
Innig zwar, doch ohne Schmerz.

    Hör' ich auf den Gassen
Im Volksgedräng' ein deutsches Wort,
So faßt es mein Herz mit Rührung an;
Doch es wandelt vorüber
Und läßt den heitern Geist mir frei.

    Aber heut' am frühen Morgen
Wacht' ich auf aus schweren Träumen:
Alle Lieben sah ich trauernd,
Mein KindchenDie sechsjährige Dorothea, die mit der Mutter in Ziebingen weilte. sprach in süßen Tönen
Und rief nach mir –
Da weint' ich heftig,
Ein mächtiger Schmerz ergriff mein Herz
Und drückt' und preßt' es,
Als sollt' es zerbrechen;
Ein Schwindel ergriff mich,
Mein Leben zerrann,
Nichts war Wirklichkeit mehr um mich her,
Alles zerfloß in Tod,
Nur fern stand das Leben –
Da wußt' ich, was Heimweh sei,
Da fühlt' ich, wie der Sohn der Alpen
Sterben könne in der Fremde
An dem mächtig-schmerzlichen Gefühl.


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