William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 2
William M. Thackeray

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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Wäre beinahe das letzte der Geschichte geworden

Doktor Portmans Brief wurde nach seinem Bestimmungsorte London abgeschickt, und der würdige Geistliche versuchte es, Frau Pendennis zu einem Zustande der Gefaßtheit zu besänftigen, bis eine Antwort ankäme, die, wie der Doktor sich zu denken bemühte oder doch auf alle Fälle fortwährend sagte, über Herrn Pens Moralität genügenden Aufschluß geben würde. Wenigstens war Helenes Wunsch, sich nach London aufzumachen und dort in Person als Warnerin ihres Sohnes vor seinem gottlosen Treiben zu erscheinen, für einen oder ein paar Tage unausführbar. Der Arzt verbot ihr, sich am 513 ersten Tage auch nur bis Fairoaks zu begeben, und erst den folgenden Morgen befand sie sich wieder auf ihrem Sofa zu Hause, mit der treuen aber schweigenden Laura als Wärterin zur Seite.

Zum Unglück für ihn und alle Beteiligten las Pen jenes Schriftstück, das Doktor Portman an ihn richtete, erst viele Wochen, nachdem die Epistel verfaßt worden, und Tag auf Tag wartete die Witwe, daß ihr Sohn etwas auf die gegen ihn gerichteten Anklagen erwidern würde, wobei ihre eigene Krankheit mit jedem Tage des Verzugs sich steigerte. Es war eine harte Aufgabe für Laura, die Angst zu ertragen, das Leiden ihrer teuersten Freundin mit anzusehen und, was das schlimmste war, Helenes Entfremdung und den Schmerz zu dulden, der ihr durch Entziehung von Helenes Neigung verursacht wurde. Aber es war die Gewohnheit dieser jungen Dame, nach ihren besten Kräften und mit Hilfe jenes gnädigen Beistandes, den der Himmel ihr auf ihre reinen und anhaltenden Gebete zuteil werden ließ, ihre Pflicht zu tun. Und da diese Pflicht ganz geräuschlos erfüllt wurde, und auch die Gebete, die ihr die erforderliche Kraft zur Erfüllung derselben verliehen, in ihrem Kämmerlein, fern von jedem sterblichen Augen gesprochen wurden, müssen auch wir über diese ihre Tugenden durchaus schweigen, die eine öffentliche Erwähnung ebensowenig ertragen, als eine Blume es ertragen kann, in einem Ballsaale zu blühen. Das nur wollen wir sagen, daß ein gutes Weib die lieblichste Blume ist, die unter dem Himmel blüht, und daß wir mit Liebe und Bewunderung auf ihre schweigsame Anmut, ihren reinen 514 Duft, ihre zart erblühende Schönheit blicken. Süß und schön! Die holdesten und fleckenlosesten Blüten! Ist es nicht ein Jammer, sie niedergebeugt oder von Gram oder vom unerbittlichen Tode verzehrt – dahinschwindend im Siechtum, ächzend vor langer Pein – oder von einem plötzlichen Geschick in ihrer Jugendkraft abgeknickt zu sehen? Wir mögen Kummer verdienen, aber weshalb sollen diese unglücklich sein? – Es wäre denn, damit wir erkennen, daß der Himmel die züchtigt, die er am liebsten hat, indem es ihm gefällt, diese reinen Geister durch wiederholte Prüfungen noch reiner zu machen.

So bekam Pen den Brief nicht, obwohl er richtig aufgegeben und von dem Postboten getreulich in seinen Briefkasten in Lamb Court abgeliefert und von dort durch die Aufwärterin mit dem Reste der Korrespondenz Seiner Lordschaft auf seinen Schreibtisch geschafft wurde.

Diejenigen freundlichen Leser, die Herrn Arthurs Lebenslauf bis hierher beobachtet, und, wie es natürlich ist, Bemerkungen über den sittlichen Charakter und die Eigentümlichkeiten ihres Bekannten gemacht haben, haben während dieser Zeit wahrscheinlich entdeckt, welches der vorherrschendste Fehler in Herrn Pens Gemütsart und wer der auf dem Titelblatt kunstreich erwähnte größte Feind war, mit dem er zu kämpfen hatte. Nicht wenige von uns, mein geliebtes Publikum, haben mit ganz demselben Schufte zu kämpfen, einem Schufte, der jede Gelegenheit ergreift, uns ins Unglück zu stürzen, uns in Händel zu verwickeln, uns in Trägheit und nichtsnutzige 515 Gesellschaft zu führen und dergleichen mehr. Mit einem Wort: Pens größter Feind war er selbst, und da er dies Individuum all sein Leben lang gehätschelt, gestreichelt und alles treiben gelassen hatte, so wurde der Lump unverschämt, wie alle verdorbenen Dienstboten zu sein pflegen, und bei dem leisesten Versuche, ihn mit Gewalt zu etwas zu bringen oder ihn zu etwas zu zwingen, das ihm nicht gefiel, wurde er unbändig grob und störrisch. Eine Person, die gewohnt ist, Opfer zu bringen, Laura zum Beispiel, die sich so daran gewöhnt hatte, ihr eigenes Vergnügen für andere aufzugeben, kann die Sache recht wohl abtun; aber Pen, ungewöhnt wie er an irgendeine Art Selbstverleugnung war, litt wie ein Tiefverwundeter, als er aufgefordert wurde, seinen Anteil zu zahlen, und murrte abscheulich über die Verpflichtung, etwas zu lassen, was ihm gefiel.

Er hatte sich damals in seinem erhabenen Gemüt entschlossen, daß er Fanny nicht sehen wollte, und er wollte wirklich nicht. Er versuchte es, sich die Gedanken an diese bezaubernde kleine Person aus dem Kopfe zu treiben durch stete Beschäftigung, durch körperliche Uebungen, durch Schwelgen und durch Gesellschaft. So arbeitete er denn zu viel, ging und ritt zu viel, aß, trank und rauchte zu viel, und dennoch vermochten alle Zigarren und der Punsch, den er zu sich nahm, das Bild der kleinen Fanny nicht aus seinem erhitzten Gehirn zu vertreiben, und am Ende einer in solchem Zwange und solcher Selbstverleugnung verlebten Woche befand sich unser junger Herr im Bette mit starkem Fieber. Möge der Leser, der nie ein Fieber in 516 einer Mietswohnung gehabt hat, den Unglücklichen bedauern, welcher gezwungen ist, diese Not auszustehen.

Ein Komitee heiratsfähiger Damen oder irgendwelcher christlichen Personen, welche sich für die Verbreitung christlicher Tugenden interessierten, sollten Cruikshank oder Leech oder sonst einen freundlichen Darsteller der Torheiten des Tages beschäftigen, daß er eine Reihe Zeichnungen entwürfe, die die Schrecken des Junggesellenlebens in Mietswohnungen vor Augen führten und den Beschauer anregten, über etwas besseres und ein zuträglicheres Verhältnis nachzudenken. Was kann unbehaglicher sein als das einsame Frühstück des Junggesellen? Mit dem schwarzen Kessel über dem düstern Feuer mitten im Sommer oder, noch schlimmer, mit dem erloschenen Feuer um Weihnachten, eine halbe Stunde, nachdem die Aufwärterin das Wohnzimmer verlassen hat? In diese Einsamkeit tritt der Zimmerbewohner, schauernd vor Frost, und hat seinen Tag damit zu beginnen, daß er nach Kohlen und Holz herumjagt, und ehe er seine Studien anfängt, muß er sich erst der Pflichten einer Hausmagd entledigen, zum Beispiel derer von Frau Flanagan, die ohne Erlaubnis abwesend ist. Oder weiter, was kann einen schöneren Gegenstand für den klassischen Zeichner abgeben als das Hemd des Junggesellen, dieses Kleidungsstück, das er gerade um die Zeit des Mittagessens anzulegen wünscht und welches er ohne Knöpfe findet, um es zuzumachen? Dann ist da die Rückkehr des Junggesellen in seine Wohnung nach einigen frohen Weihnachtsfeiertagen, verlebt in einem schmucken Landhause voll niedlicher Gesichter und 517 freundlichen Bewillkommnungen und Aufmerksamkeiten. Er läßt seinen Mantelsack beim Barbier im Hofe, er zündet seine traurige alte Lampe an dem flackernden Lämpchen auf der Treppe an, er tritt in das öde wohlbekannte Zimmer, wo die einzigen Zeichen der Begrüßung, die ein Interesse an seinem persönlichen Wohlergehen haben, die um Weihnachten eingesandten Rechnungen sind, die liebenswürdig auf dem Studiertische ausgebreitet liegen und ihn erwarten. Füge man diesen Szenen noch ein herzzerreißendes Bild von der Krankheit des Junggesellen hinzu, und die Miete im Tempel wird von dem Tage der Veröffentlichung dieses kläglichen Dioramas an herunterzugehen beginnen. Gesund zu sein in einer Mietswohnung ist melancholisch und einsam und egoistisch genug; aber krank zu sein in einer Mietswohnung – Nächte voll Schmerz und Schlaflosigkeit zu verbringen – sich nach dem Morgen und der Aufwärterin zu sehnen – sich seine Medizin mit der eigenen Hand und nach der eigenen Uhr zu reichen – lange Stunden keinen anderen Gesellschafter als seine eigene kranke Phantasie und seine fiebernden Gedanken zu haben, keine freundliche Hand, die uns etwas zu trinken gibt, wenn wir durstig sind, oder das heiße Kopfkissen glättet, das sich unter uns zerknüllt, dies ist in der Tat ein Schicksal, so traurig und tragisch, daß wir uns nicht weiter über seine Schrecken auslassen und nur herzlich jene Junggesellen im Tempel bedauern wollen, die ihm alle Tage trotzen.

Dieses Los befiel Arthur Pendennis nach den verschiedenen Ausschweifungen, die wir erwähnt haben 518 und denen er sein unglückliches Gehirn unterworfen hatte. Eines Abends ging er krank zu Bett und erwachte am nächsten Tage noch kränker. Sein einziger Besuch an diesem Tage war außer der Aufwärterin der Druckerjunge der ›Pall Mall Gazette‹, den der Schriftsteller, so gut er es vermochte, zufrieden zu stellen versuchte. Seine Bemühungen, seine Arbeit zu vollenden, machten sein Fieber nur desto heftiger, er konnte nur einen Teil der Manuskriptmasse liefern, die er gewöhnlich schickte, und da Shandon abwesend und Warrington nicht in London war, ihm Beistand zu leisten, so sahen die politischen, dem Redakteur zufallenden Spalten der ›Gazette‹ in der Tat sehr leer aus und der Unterredakteur wußte auch nicht, wie er sie füllen sollte.

Herr Finucane rannte hinauf in Pens Wohnung und fand ihn so außerordentlich unwohl, daß der gutmütige Irländer sich daran machte, seinen Platz, wenn möglich, zu ersetzen, und eine Reihe politischer und kritischer Aufsätze hervorbrachte, die ohne Zweifel die Leser des Blattes, bei dem er und Pen beschäftigt waren, höchlichst erbauten. Anspielungen auf die Größe Irlands, das Genie und die Tugend der Einwohner dieses vielgeschmähten Landes flossen prächtig aus Finucanes Feder, und Shandon, der Chef des Blattes, der sich in Boulogne-sur-Mer gemächlich des Lebens erfreute und die Spalten des ihm zugeschickten Journals überblickte, erkannte auf der Stelle die Hand des großen Unterredakteurs und sagte lachend, indem er die Zeitung seiner Frau zuwarf: »Sieh, Mary, meine Liebe, da ist Jack mal 519 wieder an der Arbeit.« In der Tat, Jack war ein warmer Freund und kühner Parteigänger, und wenn er die Feder in der Hand hatte, ließ er sich selten die Gelegenheit entgehen, die Welt wissen zu lassen, daß Rafferty der größte Maler Europas wäre und er sich über die kleinliche Eifersucht der Akademie wunderte, die sich weigerte, ihn zum Mitgliede zu machen, oder anzuzeigen, wie man in West End allgemein davon spräche, daß Herr Rooney, Parlamentsmitglied, zum Gouverneur von Batavia bestimmt wäre, oder in den Gegenstand, der ihm gerade vorlag, welcher Art er auch sein mochte, ein Kompliment über die runden Türme oder die Riesenstraße einzuflechten. Und abgesehen davon, daß er Pens Arbeit nach seinen besten Kräften für ihn tat, bot sein gutherziger Kollege ihm auch an, auf seine sonnabendlichen und sonntäglichen Freistunden zu verzichten und als Wärter bei Arthur zu bleiben, der indes darauf bestand, daß jener nicht auf sein Vergnügen Verzicht leisten sollte, und ihm dankbar versicherte, daß er seine Krankheit am besten allein ertragen könnte.

Indem nun Finucane im Küchenstübchen am Freitag abend nach Vollendung der für die Zeitung nötigen Arbeiten sein Abendessen einnahm, benachrichtigte er den Kapitän Costigan von der Krankheit ihres jungen Freundes im Tempel, und da sich der Kapitän der Sache zwei Tage später erinnerte, ging er nach Lamb Court und stattete dem Invaliden am Sonntagnachmittag seinen Besuch ab. Er fand Frau Flanagan, die Aufwärterin, in Tränen im Wohnzimmer und bekam einen schlimmen Bericht über den 520 armen lieben jungen Herrn drinnen. Pens Zustand hatte sie so sehr geängstigt, daß sie genötigt war, ihre Zuflucht bei dem Reizmittel des Branntweins zu nehmen, um nur imstande zu sein, den Kummer zu ertragen, den seine Krankheit ihr verursachte. Da sie sich um sein Bett herumtrieb und sich bestrebte, ihm behilflich zu sein, wurden ihre Aufmerksamkeiten dem Kranken unerträglich, und er bat sie verdrießlich, ihm nicht nahe zu kommen. Daher die Tränen der Aufwärterin, ihr verdoppelter Kummer und ihre erneute Zufluchtnahme zu der Flasche, die sie als schmerzstillendes Mittel zu gebrauchen gewohnt war. Der Kapitän hielt der Frau eine tüchtige Strafpredigt wegen ihrer Unmäßigkeit und setzte ihr die verhängnisvollen Folgen auseinander, die sich herausstellen würden, falls sie bei ihrem unklugen Wandel beharren sollte.

Pen, der sich gerade in einem recht fieberhaften Zustande befand, war dennoch äußerst erfreut, Costigans Besuch zu empfangen. Er hörte die wohlbekannte Stimme in seinem Wohnzimmer, als er drinnen in der Schlafkammer lag, und rief den Kapitän hastig zu sich, dankte ihm für sein Kommen und bat ihn, sich einen Stuhl zu nehmen und mit ihm zu plaudern. Der Kapitän fühlte dem jungen Manne mit großer Würde den Puls – (wobei seine eigene zitternde und klebrige Hand für den Augenblick, wo er mit seinem Finger Arthurs pochende Ader preßte, fest wurde) – der Puls schlug sehr heftig – Pens Gesicht war hager und heiß – seine Augen blutunterlaufen und düster; sein »Barrrt«, wie der Kapitän 521 das Wort aussprach, als er später eine Beschreibung seines Zustandes gab, war fast eine Woche lang nicht rasiert worden. Pen ließ seinen Besucher Platz nehmen und indem er sich in seinem trostlosen Bette herumwarf und herumwälzte, begann er den Versuch, sich mit dem Kapitän in lebhafter Weise über das Küchenstübchen, über Vauxhall, und wann sie wieder dorthin gehen würden, und über Fanny zu unterhalten – wie ging es der kleinen Fanny eigentlich?

Ja, in der Tat, wie ging es ihr? Wir wissen, wie sie an dem vorhergehenden Sonntagabende sehr betrübt nach Hause ging, nachdem sie Arthur in seiner Stube seine Lampe hatte anzünden sehen, während er jene Zusammenkunft mit Bows hatte. Bows kam bald in seine eigene Wohnung zurück, schritt an der Tür der Portiersstube vorbei und blickte, wie er gesagt hatte, in Frau Boltons Stube, aber mit einem sehr melancholischen Gesichte. Sie fand diese Nacht wieder keinen Schlaf. Ihre Ruhelosigkeit erweckte ihre kleinen Bettkameradinnen mehr als einmal. Sie wagte es nicht, ›Walter Lorraine‹ weiterzulesen; denn der Vater war zu Hause und wollte kein Licht dulden. Sie hatte das Buch unter ihrem Kopfkissen liegen und fühlte während der Nacht danach. Sie war kaum erst eingeschlafen, als die Kinder sich mit dem anbrechenden Morgen zu regen begannen, schier so früh wie die Vögel. Obwohl sie auf Bows sehr böse war, ging sie doch zur gewohnten Tagesstunde auf sein Zimmer, und hier begann der gutherzige Musikus zu ihr zu sprechen. 522

»Ich sah Herrn Pendennis gestern Abend, Fanny,« sagte er.

»So? Das dachte ich mir,« antwortete Fanny mit einem ingrimmigen Blicke auf den melancholischen alten Herrn.

»Ich habe Sie immer lieb gehabt, seit wir hier zusammenwohnen,« fuhr er fort. »Sie waren noch ein Kind, als ich hierher kam, und Sie waren mir gut, Fanny, bis vor drei oder vier Tagen, bis Sie diesen Herren sahen.«

»Und jetzt wollen Sie ihn wohl schlecht machen,« antwortete Fanny. »Tun Sie das nur, Herr Bows – das wird bewirken, daß ich Sie besser leiden kann.«

»Ich werde wirklich nichts Derartiges tun,« antwortete Bows; »ich glaube, er ist ein sehr guter und anständiger junger Mann.«

»Ei! Na, Sie wissen, daß, wenn Sie ein Wort gegen ihn sagten, ich nie, nie wieder ein Wort mit Ihnen sprechen würde!« schrie Fräulein Fanny, und sie ballte ihr Händchen und schritt im Zimmer auf und ab. Bows bemerkte, beobachtete und verfolgte das glühende kleine Geschöpf mit Bewunderung und düsterer Sympathie. Ihre Wange überflog eine dunkle Röte, ihre Gestalt bebte, ihre Augen strahlten Liebe, Zorn und Verachtung aus. »Sie würden ihn gerne schlecht machen,« sagte sie; »aber Sie getrauen sich's nicht – Sie wissen, daß Sie sich's nicht getrauen!«

»Ich kannte ihn vor vielen Jahren,« fuhr Bows fort, »als er beinahe noch so jung war, wie Sie, und er ein romantisches Verhältnis mit der Tochter unseres 523 Freundes, des Kapitäns, hatte, – die jetzt Lady Mirabel ist.«

Fanny lachte. »Ich glaube, es gab auch noch andere Leute, die ein romantisches Verhältnis mit Fräulein Costigan hatten,« sagte sie, »ich mag nichts von ihnen hören.«

»Er wollte sie heiraten, aber ihre Jahre paßten durchaus nicht zueinander und ebensowenig ihre gesellschaftliche Stellung. Sie wollte ihn nicht haben, weil er kein Geld hatte. Sie handelte sehr klug, daß sie ihm einen Korb gab, denn die beiden würden sehr unglücklich geworden sein, und sie war nicht die Person, hinzugehen und mit seiner Familie zu leben und ihm sein Haus behaglich zu machen. Herr Pendennis hat seinen Weg in der Welt zu machen und muß eine Dame von seinem eigenen Range heiraten. Ein Frauenzimmer, das einen Mann liebt, darf ihm seine Aussichten nicht vernichten, ihn nicht in Streit mit seiner Familie bringen, ihn nicht zu ihren Gunsten zu Armut und Elend verleiten. Ein wackeres Mädchen würde das weder ihretwegen noch des Mannes wegen tun.«

Fannys Aufregung, die bis jetzt herausfordernder und zorniger Art gewesen war, verwandelte sich hier in Betrübnis und flehentliches Bitten.

»Was verstehe ich vom Heiraten, Bows?« sagte sie. »Wann ist jemals davon die Rede gewesen? Was ist denn zwischen diesem jungen Herrn und mir vorgefallen, daß die Leute so grausam sprechen könnten? Es war nicht meine Schuld noch Arthurs – Herrn Pendennis', daß ich ihn in Vauxhall traf. Es war der 524 Kapitän, der mich und Mama dahin brachte. Wir dachten uns wahrhaftig nichts Böses dabei. Er kam und half uns aus der Klemme und war so sehr freundlich. Dann kam er und besuchte uns und fragte, wie es uns bekommen wäre, und das war so sehr, sehr gut von solchem vornehmen Herrn, so artig gegen so geringe Leute, wie wir sind, zu sein! Und gestern gingen Mama und ich zufällig auf einen Spaziergang im Tempelgarten, und – und« – hier brach sie mit jenem üblichen nicht zu beantwortenden weiblichen Argument der Tränen heraus – und schluchzte: »Oh! ich wollte, ich wäre tot! Ich wollte, ich läge im Grabe und hätte ihn nie, nie gesehen!«

»Ganz dasselbe sagte er auch, Fanny,« meinte Bows, und Fanny fragte ihn durch ihr Schluchzen hindurch, warum, ach, warum er denn nur wünschen sollte, sie nie gesehen zu haben? Ob sie ihm je ein Leid getan? Oh, sie wollte lieber untergehen, als ihm etwas zuleide tun. Hierauf berichtete ihr der Musikus von der Unterhaltung am vorhergehenden Tage, zeigte ihr, daß Pen nicht an sie als an eine für ihn passende Frau denken könnte und dürfte, und daß auch sie, wenn sie etwas auf ihren guten Ruf hielte, danach streben müßte, ihn zu vergessen. Und Fanny verließ den Musikus, überzeugt, aber immer noch derselben Ansicht, versprach aber die Gefahr zu fliehen, die ihr drohte, ging in die Portiersstube zurück und erzählte ihrer Mutter alles. Sie sprach von ihrer Liebe zu Arthur und beklagte in ihrer ungekünstelten Weise die Ungleichheit ihrer Verhältnisse, die eine Schranke zwischen sie setzte. »Da ist die Dame von Lyon,« sagte Fanny. »O, 525 Mama, wie liebte ich den Herrn Macready, als ich ihn darin auftreten sah, und Pauline, daß sie dem armen Claude so getreu war und immer an ihn dachte, und wie er als Offizier durch alle Gefahren zu ihr zurückkam! Und wenn jedermann die Pauline bewundert – und ich bin überzeugt, daß das jedermann tut, weil sie einem armen Mann so treu ist – warum solle ein vornehmer Herr sich schämen, ein armes Mädchen zu lieben? Nicht, daß Herr Arthur mich liebt – Oh, nein, nein! Ich bin seiner nicht wert, nur eine Prinzessin ist solch eines vornehmen Herren wert wie er! Solch ein Dichter! – der so schön schreibt und so vornehm aussieht! Gewiß ist er von Adel und von alter Familie und hat nur seine Güter nicht. Vielleicht hat sie sein Onkel. Ach, wenn's anginge, o wie wollte ich ihm dienen und für ihn arbeiten und seine Magd machen, ja, das würde ich. Ich würde nicht nach mehr als das fragen, Mama, – nur die Erlaubnis, ihn des Morgens zu sehen, und daß er manchmal sagte: »Wie geht's, Fanny?« oder: »Gott segne dich, Fanny!« wie er's am Sonntag sagte. Und ich wollte arbeiten und arbeiten und die ganze Nacht aufbleiben und lesen und lernen, um mich seiner würdig zu machen. Der Kapitän sagt, seine Mutter lebt auf dem Lande und ist dort eine vornehme Dame. Oh, wie wollte ich gerne hingehen und ihre Magd sein, Mama! Ich kann viele Dinge und verstehe, sehr sauber zu arbeiten; und – und manchmal würde er dann nach Hause kommen, und ich würde ihn sehen!«

Der Kopf des Mädchens fiel auf ihrer Mutter Schulter, als sie dies sprach, und sie überließ sich einem 526 reichlichen Erguß mädchenhafter Tränen, mit denen die Matrone natürlich die ihren vermischte.

»Du mußt gar nicht mehr an ihn denken, Fanny,« sagte sie. »Wenn er nicht mehr zu dir kommt, so ist er eben ein abscheulicher, schändlicher Mensch.«

»Oh, nenne ihn nicht so, Mutter,« entgegnete Fanny. »Er ist der beste Mensch, der beste und der gütigste. Bows sagte, er glaubt, daß er unglücklich ist, weil er die arme kleine Fanny verlassen muß. Es war nicht seine Schuld, nicht wahr, daß wir ihm begegneten? – Und auch nicht, daß ich ihn nicht wiedersehen darf! Er sagt, ich dürfte es nicht – und ich darf es wirklich nicht, Mutter. Er wird mich vergessen, aber ich werde ihn nie vergessen. Nein! Ich werde für ihn beten und ihn ewig lieben – bis ich sterbe – und ich werde sterben, ich weiß es, daß ich sterben werde – und dann soll mein Geist ewig umgehen und bei ihm sein.«

»Du vergißt deine arme Mutter, Fanny, und du wirst mir das Herz brechen, wenn du so fortfährst,« sagte Frau Bolton. »Vielleicht wirst du ihn sehen. Gewiß wirst du ihn sehen! Gewiß wird er heute kommen! Wenn ich je einen Mann verliebt gesehen habe, so ist er's. Als Emilie Budds junger Mann zuerst hinter ihr her war, wurde er vom alten Budd, einem sehr achtbarer Mann und Violincellisten im Wellsschen Orchester, weggeschickt, und seine eigene Familie wollte auch nichts von ihr hören. Aber er kam wieder. Wir wußten alle, daß er wiederkommen würde. Emilie sagte immer so, und er heiratete sie, und dieser hier wird auch wiederkommen, und merk dir deiner Mutter Worte und sieh, ob er nicht wiederkommt, Liebling.« 527

Bei diesem Punkte der Unterhaltung trat Herr Bolton zu seiner Abendmahlzeit in die Stube. Bei des Vaters Erscheinen hörte das Gespräch zwischen Mutter und Tochter sofort auf. Frau Bolton umschmeichelte und liebkoste den Adjutanten des trübseligen Leichenbitters und sagte: »Herrjes, Bolton, wer hätte gedacht, daß du in einer Sonnabendnacht vom Klub wegbleiben würdest! Fanny, Herzchen, mach deinem Papa etwas zum Abendessen zurecht. Was willst du haben, Bolton? Das arme Mädel bekommt ein Gerstenkorn am Auge, oder es ist ihr etwas hineingekommen – ich sah grade nach, als du reinkamst.« Und sie preßte ihrer Tochter die Hand zum Zeichen, klug und verschwiegen zu sein, und da trockneten sich auch Fannys Tränen, und durch jene wundersame Heuchelkunst und Macht der Verstellung, die Frauen anwenden und womit sie die Natur als Verteidigungswaffe ausgerüstet hat, verschwanden die Spuren ihrer Aufregung; sie ging, nahm ihre Arbeit und setzte sich so ruhig und still in den Winkel, daß der sorglose Vater nimmermehr auf den Verdacht kam, daß ihr irgend etwas fehlte.

So kam es denn, als ob das Schicksal entschlossen sei, die krankhafte Leidenschaft des armen Mädchens mehr und mehr zu entflammen und zu steigern, daß alle Umstände und alle Personen rings um sie dieselbe anspornten. Ihre Mutter ermutigte und billigte sie; und selbst die Worte, welche Bows gebrauchte, als er die Flamme in ihr zu unterdrücken versucht hatte, vermehrten nur dies unglückliche Feuer. Pen war kein gottloser Mensch und Verführer, Pen war edlen Sinnes und wünschte sie zu fliehen. Pen liebte sie, der gute 528 vornehme, prächtige Jüngling mit den goldenen Ketten und dem parfümierten kastanienbraunen Haar! Und er liebte sie auch wirklich, oder er würde sie vielleicht vor fünf Jahren geliebt haben, ehe die Welt den feurigen und ungestümen Knaben verhärtet hatte; ehe er sich einer törichten und unüberlegten Leidenschaft schämte und sie erwürgte, wie arme Mädchen es mit ihren unehelichen Kindern machen, nicht wegen des Unrechts, sondern wegen der Schande und aus Furcht, daß die Welt mit dem Finger auf sie zeigen könnte. Welcher achtbare Mann der Welt wird nicht sagen, daß er völlig recht hatte, wenn er eine Heirat mit einer schlechterzogenen Person niedern Standes vermied, deren Verwandte ein anständiger Mann nicht gut anerkennen konnte, und deren Manieren nicht zu ihrem neuen Stande passen würden? – Und welcher Philosoph würde ihm nicht sagen, daß das beste, was man mit solchen kleinen Leidenschaften tun kann, wenn sie im Gemüte entstehen, ist, wenn man sich ihrer entledigt, sie vorübergehen läßt und sie heilt; daß kein Mann wegen eines Frauenzimmers stirbt und umgekehrt, und daß der eine wie der andere, nachdem sie die Unmöglichkeit gefunden, seinem oder ihrem Wunsche in dem besonderen Falle zu fröhnen, die Sache so gut wie möglich machen, den Gegenstand ihrer Neigung vergessen, sich anderswo umsehen und von neuem wählen müssen? Und doch kann vielleicht auch irgend etwas dagegen gesagt werden. Vielleicht hatte Bows recht, daß er jene Leidenschaft Pens in ihrer Blindheit und Unüberlegtheit bewunderte, die ihn bereit machte, alles für seine Liebe hinzugeben; vielleicht, wenn 529 Selbstaufopferung eine lobenswerte Tugend ist, ist bloße weltliche äußere Aufopferung nicht sehr zu loben; – kurz und gut, überlassen wir diesen Punkt als eine offene Frage dem Moralisten, dem es beliebt, sie durchzufechten.

So viel ist gewiß, daß Herr Pen mit der Welterfahrung, die er jetzt hatte, über die Idee gelacht und gespottet haben würde, ein blutarmes Mädchen aus einer Küche zu heiraten. Und da dieser Punkt in seiner Seele feststand, tat er bloß seine Pflicht als rechtschaffener Mann, indem er jedwede unglückliche Zärtlichkeit, die er etwa gegen die arme kleine Fanny fühlen mochte mit Gewalt unterdrückte.

So wartete und wartete sie denn in der Hoffnung, daß Arthur wiederkommen würde. Sie wartete eine ganze Woche lang, und erst am Ende dieser Zeit erfuhr das arme Geschöpfchen durch Costigan von der Krankheit, an der Arthur litt.

Es begab sich an eben demselben Abend, nachdem Costigan Pen seinen Besuch gemacht hatte, daß Arthurs Onkel, der treffliche Major, in die Stadt von Buxton zurückkehrte, wo es sich mit seiner Gesundheit gebessert hatte, und seinen Kammerdiener Morgan aussandte, um sich nach Arthur zu erkundigen und diesen Gentleman für den nächsten Morgen zum Major zum Frühstück zu bitten. Der Major passierte London auf seinem Wege nach dem Hause des Marquis von Steyne in Stillbrook, wo er zur Rebhühnerjagd eingeladen war.

Morgan kam mit sehr langem Gesichte zu seinem Herrn zurück. Er hätte Herrn Arthur gesehen; Herr 530 Arthur wäre wirklich sehr krank; Herr Arthur läge mit Fieber zu Bette. Ein Doktor müßte zu ihm gesandt werden und Morgan hielt seinen Fall für sehr beunruhigend.

Gütiger Himmel! Das waren allerdings betrübende Nachrichten. Er hatte gehofft, daß Arthur mit nach Stillbrook kommen könnte, er hatte es arrangiert, daß er gehen sollte, und hatte für seinen Neffen eine Einladung von Lord Steyne besorgt. Er selbst mußte gehen, er konnte Lord Steyne nicht über Bord werfen; das Fieber könnte ansteckend sein, vielleicht waren es die Masern; er selbst hatte nie die Masern gehabt, sie waren gefährlich, wenn man sie in seinem Alter bekam. War denn irgend jemand bei Herrn Arthur?

Morgan sagte, es wäre jemand da, Herrn Arthur aufzuwarten.

Der Major fragte hierauf, ob sein Neffe ärztlichen Rat eingeholt hätte? Morgan sagte, er hätte danach gefragt, und es wäre ihm gesagt worden, Herr Pendennis hätte keinen Arzt.

Morgans Herr war aufrichtig geängstet, als er von Arthurs Kranksein hörte. Er würde zu ihm gegangen sein, aber was konnte es Arthur nützen, daß er, der Major, vom Fieber angesteckt wurde? Seine eigene Kränklichkeit machte es absolut unmöglich, daß er sich irgend jemand anders widmete, als sich selbst. Aber der junge Mann mußte ärztlichen Rat haben, den besten Rat haben; und Morgan wurde spornstreichs mit einem Billet von Major Pendennis zu seinem Freunde Doktor Goodenough geschickt, der sich glücklicherweise gerade in London und zu Hause befand, sogleich sein 531 Mittagessen im Stiche ließ und dessen Wagen in einer halben Stunde im Obern Tempel Lane, in der Nähe von Pens Wohnung war.

Der Major hatte den gutherzigen Arzt gebeten, ihm Nachricht von seinem Neffen in den Klub zu bringen, wo er selbst speiste, und im Laufe der Nacht erschien der Doktor. Die Sache wäre sehr ernsthaft, der Patient hätte hohes Fieber; er hätte Pen sogleich zur Ader gelassen und sein erster Besuch am nächsten Morgen sollte bei ihm sein. Der Major ging trostlos zu Bett mit diesen unglückseligen Neuigkeiten. Als Goodenough am nächsten Tage, wie er versprochen, ihn besuchte, mußte der Doktor eine Viertelstunde lang einem Bericht über die eigene Kränklichkeit des Majors zuhören, ehe der letztere Muße hatte, etwas von Arthur zu hören.

Er hätte eine sehr üble Nacht gehabt – seine – seine Wärterin hätte gesagt, er hätte eine Stunde lang phantasiert. Es könnte schlecht ablaufen, es wäre besser, auf der Stelle nach seiner Mutter zu schicken. Der Major schrieb den Brief an Frau Pendennis mit der größesten Eile und zugleich mit den feinsten Wendungen der Vorsicht. Selbst einen Besuch bei dem jungen Menschen zu machen, war bei seinem Zustande unmöglich. »Könnte ich ihm irgendwie von Nutzen sein, lieber Doktor?« fragte er.

Der Doktor sagte mit eigentümlichen Lachen: Nein, er glaubte nicht, daß der Major irgendwie von Nutzen sein könnte, seine eigene kostbare Gesundheit erforderte die zarteste Behandlung, und er täte am besten, an Land zu gehen und dort zu bleiben, er selbst würde besorgt sein, den Patienten zweimal des Tages zu sehen 532 und alles für ihn zu tun, was in seinen Kräften stände.

Der Major erklärte bei seiner Ehre, daß er, wenn er irgend von Nutzen sein könnte, auf der Stelle in Pens Wohnung eilen würde. Wie die Sachen stünden, sollte Morgan gehen und sehen, ob alles in Ordnung wäre. Der Doktor müßte ihm mit jeder Post nach Stillbrook schreiben; es wäre ja bloß vierzig Meilen von London entfernt, und wenn irgend etwas passierte, würde er kommen, koste es, was es wollte.

Major Pendennis bezeigte sein Wohlwollen durch Abgesandte und die Post. »Was kann ich anders tun?« sagte er. »Gott, Sie wissen ja, in solchem Falle ist es das beste, jemand nicht zu stören. Wenn es mit einem armen Menschen zum schlimmsten kommt, ei, Gott, da ist es eben mit ihm aus. Aber um gesund zu werden (und hierin, mein lieber Doktor, werden Sie sicherlich mit mir übereinstimmen), ist das beste Mittel, ihn ruhig zu halten – vollkommen ruhig.«

In solcher Weise versuchte der alte Herr, sein Gewissen zu beschwichtigen, und er ging noch diesen Tag seiner Wege nach Stillbrook, und zwar fuhr er mit der Eisenbahn (denn die Eisenbahnen sind im Laufe dieser Erzählung aufgekommen, obwohl sie sich noch heute nicht bis in Pens Heimat erstrecken), und erschien, schmuck wie gewöhnlich gekleidet und mit schön gelockter Perücke an der Speisetafel des Marquis von Steyne. Aber wir müssen dem Major die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu sagen, daß er in seinem Benehmen sehr unglücklich und niedergeschlagen war. Wagg und Wenham neckten ihn mit seiner übeln Laune, fragten 533 ihn, ob ihm in der Liebe etwas in die Quere gegangen wäre, und ergötzten sich anderweitig auf seine Kosten. Er verlor nach Tische sein Geld im Whist und spielte tatsächlich Trumpf gegen seines Partners höchsten Stich. Und die Gedanken an den leidenden Jungen, auf den er stolz war, und den er auf seine Weise liebte, hielten den alten Herrn die halbe Nacht hindurch wach und machten ihn fieberisch und ungemütlich.

Am Morgen empfing er ein Billet, von einer Hand geschrieben, die er nicht kannte; es kam nämlich von Herrn Bows, der ihm mitteilte, daß Herr Arthur Pendennis eine erträgliche Nacht gehabt hätte, und daß, da Doktor Goodenough bemerkte, der Major wünschte von der Gesundheit seines Neffen Nachricht zu erhalten, er, Robert Bows, ihm die Nachricht per Eisenbahn zugesandt hätte.

Den nächsten Tag wollte er eben mit einigen der Herren, die sich im Hause Lord Steynes aufhielten, gegen Mittag auf die Jagd gehen, und die Gesellschaft, auf die Wagen wartend, war schon auf der Terrasse vor dem Schlosse versammelt, als ein Fiaker von der benachbarten Station hergefahren kam und ein grauköpfiger, ziemlich schäbig gekleideter alter Herr heraussprang und nach Major Pendennis fragte. Es war Herr Bows. Er nahm den Major beiseite und redete mit ihm; die meisten der Herren ringsum sahen an dem ängstlichen Ausdruck auf dem Gesichte des Majors, daß sich etwas Ernsthaftes ereignet hätte.

Wagg sagte: »Es ist ein Gerichtssheriff, der herübergekommen ist, um den Major festzulegen;« aber niemand lachte über den Witz. 534

»Hollah! Was gibt's, Pendennis?« schrie Lord Steyne mit seiner durchdringenden Stimme. »Steht's schlimm?«

»Es ist – es ist – mein Junge ist tot,« sagte der Major und brach in Schluchzen aus – der alte Mann war ganz überwältigt von seinen Gefühlen.

»Nicht tot, Mylord, aber sehr schlecht, als ich London verließ,« antwortete Herr Bows mit gedämpfter Stimme.

Eine Kutsche kam in diesem Augenblicke herzu, als die drei Männer so sprachen. Der Peer sah auf seine Uhr. »Sie haben zwanzig Minuten zum Postzuge Zeit, hineingesprungen, Pendennis, und fahren Sie fort, in drei Teufels Namen, hören Sie, Herr?«

Der Wagen fuhr eilends mit Pendennis und seinem Gefährten davon, und wir wollen hoffen, daß dem Marquis von Steyne sein Fluch vergeben werden wird.

Der Major jagte vom Bahnhof hastig nach dem Tempel und fand eine Reisekutsche bereits vor sich, die die enge Tempelgasse versperrte. Zwei Damen stiegen heraus und erfragten sich ihren Weg von der Portiersfrau; der Major warf zufällig einen Blick auf den Wagenschlag und sah das abgeriebene Wappenbild des Adlers, der nach der Sonne schaut und das Motto: »Nec tenni penna« darunter gemalt. Es war der alte Wagen seines Bruders, vor vielen vielen Jahren gebaut. Es waren Helene und Laura, die sich den Weg nach der Stube des armen Pen erfragten.

Er lief auf sie zu, ergriff hastig den Arm seiner Schwägerin und küßte ihr die Hand, und die Drei 535 traten in Lamb Court ein und stiegen die lange dunkle Treppe hinauf.

Sie pochten sehr leise an die Tür, an der Arthurs Name stand, und dieselbe wurde geöffnet von – Fanny Bolton.

 

Ende des zweiten Bandes

 


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