William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 2
William M. Thackeray

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Drittes Kapitel

Zank und Sentimentales

Drinnen im Saale raste der Bürgerkrieg, scharfe Worte fielen, die Leute stießen und drängten sich in unschicklicher Weise um ein Fenster in einer Ecke des Ballsaales, dicht neben der Tür, durch welche Chevalier Strong den Weg genommen. Durch das offenstehende Fenster sandten ein Haufen Leute, die unten standen, sarkastische Bemerkungen herauf, wie: »Steck' ihm eine!« »Wo ist die Polizei?« und dergleichen; und ein Ring von Personen, unter denen sich Frau Frisby bemerklich machte, war um Monsieur Alcide Mirobolant auf der einen Seite geschart, während verschiedene Herren und Damen unseren Freund Arthur Pendennis auf der anderen umgaben. Strong trat in diese Gesellschaft ein, schob Frau Frisby mit dem Ellenbogen weg, die über das Erscheinen des Chevaliers äußerst froh war und im pathetischen Tone einer Verzweifelten schrie: »Retten Sie ihn, retten Sie ihn!« 45

Die Ursache dieser Störung war, wie es schien, der bösartige kleine Chef von Sir Francis Claverings kulinarischem Etablissement. Kurz nachdem Strong das Zimmer verlassen, und während Herr Pen, höchst geärgert über seinen Fall beim Walzer, der ihn in den Augen der Nation lächerlich gemacht, und ebenso über Fräulein Amorys Benehmen gegen ihn, das seine Würde noch mehr verletzt hatte, den Versuch machte, sich an Leib und Seele etwas abzukühlen, indem er aus dem Fenster nach der See hinausschaute, die in der Entfernung funkelte und in wundersamer Ruhe da lag, – während er sich wirklich zu fassen versuchte und sich vielleicht eingestand, daß er sich während der Nacht in einer sehr abgeschmackten und einfältigen Weise benommen hätte, fühlte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter, und als er sich umblickte, sah er zu seinem äußersten Erstaunen und Schrecken, daß die fragliche Hand dem Monsieur Mirobolant gehörte, dessen Augen aus seinem bleichen, lockenumwallten Gesichte auf Herrn Pen starrten. Von einem französischen Koch auf die Schultern geklopft zu werden, war ein Stück von Vertraulichkeit, das das Blut der Pendennis in den Adern ihres Sprossen sieden ließ, und er war fast mehr entsetzt als erzürnt über eine solche Unwürdigkeit.

»Sie sprechen Französisch?« sagte Mirobolant in seiner Muttersprache zu Pen.

»Was haben Sie danach zu fragen?« sagte Pen auf englisch.

»Ganz einerlei, Sie verstehen es also?« fuhr der andere mit einer Verbeugung fort. 46

»Ja, mein Herr,« schrie Pen und stampfte mit dem Fuße auf, »ich verstehe es ziemlich gut.«

»Sie werden mich also verstehen, Monsieur Pendennis,« entgegnete der andere auf französisch, indem er die Worte mit der Kraft eines Gascogners herausrollte, »wenn ich Ihnen sage, daß Sie un lâche sind, Monsieur Pendennis – un lâche, verstehen Sie?«

»Was?« sagte Pen, indem er sich nach ihm umdrehte.

»Sie verstehen die Bedeutung des Wortes und seine Folgen unter Männern von Ehre?« sagte der Küchenkünstler, stemmte dabei seine Hand auf die Hüfte und stierte Pen an.

»Die Folgen sind die, daß ich Sie aus dem Fenster werfen werde, Sie – unverschämter Schuft,« brüllte Herr Pen, und, auf den Franzosen eindringend, würde er seine Drohung höchstwahrscheinlich zur Ausführung gebracht haben, denn das Fenster war zur Hand und der Künstler dem jungen Herrn durchaus nicht gewachsen, hätten sich nicht Kapitän Broadfort und ein anderer schwerer Offizier zwischen die Kämpfenden geworfen, – hätten die Damen nicht zu kreischen begonnen, – hätten die Geigen nicht aufgehört, – wären nicht alle Leute nach dieser Richtung hingelaufen, – hätte nicht Laura mit einem sehr bestürzten Gesicht über ihre Köpfe weggesehen und gefragt, was es um Himmelswillen gäbe – wäre der rettende Engel Strong nicht zur rechten Zeit aus dem Erfrischungszimmer herbeigekommen und hätte Alcide dort mit knirschenden Zähnen und auf gascognisch eine Menge Flüche heraussprudelnd gefunden, während Pen über 47 die Maßen wild war, obwohl er, als die Damen und die ganze Gesellschaft herbeikamen, sich bestrebte, so ruhig als nur möglich auszusehen.

»Was ist vorgefallen?« fragte Strong den Küchenchef auf spanisch.

»Ich bin Juliritter,« sagte der andere, indem er sich auf die Brust klopfte, »und er hat mich beleidigt.«

»Was hat er denn zu Ihnen gesagt?« fragte Strong.

»Er hat mich – ›Koch‹ genannt,« zischte der kleine Franzose heraus.

Strong konnte sich nur mit Mühe das Lachen verhalten. »Kommen Sie fort mit mir, mein armer Ritter,« sagte er. »Wir dürfen uns vor den Damen nicht streiten. Kommen Sie fort; ich will Ihr Kartellträger gegen Herrn Pendennis sein. – Der arme Bursche ist nicht richtig im Kopfe,« flüsterte er einigen der Umstehenden zu; und andere, unter denen Lauras ängstliches Gesicht sichtbar war, sammelten sich um Pen und fragten ihn nach der Ursache dieser Störung.

Pen wußte es nicht. »Der Mensch wollte seinen Arm einer jungen Dame geben, worauf ich sagte, er wäre ein Koch, und der Mensch nannte mich einen Feigling und forderte mich zum Duell heraus. Ich gestehe, ich war so erstaunt und entrüstet, daß ich, wenn Sie meine Herren, mich nicht zurückgehalten hätten, ihn aus dem Fenster geworfen haben würde,« sagte Pen.

»Gott verdamme ihn, geben Sie ihm eine gehörige, diesem verd – – unverschämten fremden Schufte,« riefen die Gentlemen.

»Es – es tut mir aber doch recht leid, daß ich ihn in seinen Gefühlen verletzt habe,« fügte Pen hinzu, und 48 Laura freute sich, ihn dies sagen zu hören, obwohl einige der jungen Stutzer sagten: »Nein, zum Henker mit dem Burschen, – zum Henker mit diesen unverschämten Fremden, ein bißchen Dresche wird ihm gut tun.«

»Nicht wahr, du wirst hingehen und ihm die Hand zur Versöhnung reichen, ehe du schlafen gehst, Pen?« sagte Laura, die zu ihm herankam. »Fremde mögen leichter etwas übelnehmen, als wir, und andere Sitten haben. Wenn du die Gefühle eines armen Mannes verletzt hast, so bin ich sicher, daß du der erste sein wirst, der ihn um Verzeihung bittet. Nicht wahr, lieber Pen?«

Sie war ganz Vergebung und Milde, wie ein Engel, als sie dies sprach, und Pen nahm ihre beiden Hände, sah in ihr gütiges Gesicht und sagte, daß er das allerdings wollte.

»Wie lieb mich dieses Mädchen hat!« dachte er, als sie ihn so ansah. »Soll ich jetzt zu ihr reden? Nein – jetzt nicht. Ich muß diesen abgeschmackten Handel mit dem Franzosen erst beigelegt haben.«

Laura fragte, ob er nicht dableiben und mit ihr tanzen wolle. Sie war so ängstlich bestrebt, ihn im Saale zu halten, wie er ihn zu verlassen. »Willst du nicht bleiben und mit mir walzen, Pen? Ich fürchte mich nicht, mit dir zu walzen.«

Das war eine gutgemeinte, aber unglückliche Rede. Pen sah sich dabei der Länge nach auf den Boden hingestreckt, nachdem er Fräulein Roundle und den Dragoner umgerannt und Blanche gegen die Mauer geschleudert – sah sich auf dem Boden und alle Leute über sich lachen, – darunter Laura und Pynsent.

»Ich werde nie wieder tanzen,« entgegnete er mit 49 finsterer und entschlossener Miene. »Niemals. Ich wundere mich, daß du mich darum bittest.«

»Ist es, weil du Blanche nicht zur Tänzerin bekommen kannst?« fragte Laura mit bösem unseligen Doppelsinn.

»Weil ich keine Lust habe, mich zum Narren zu machen, damit andere Leute über mich lachen,« antwortete Pen; »denn du lachtest auch über mich, Laura. Ich sah dich und Pynsent. Bei Gott! niemand soll mehr über mich lachen.«

»Pen, Pen, sei nicht so abscheulich!« schrie das arme Mädchen, verletzt von der bissigen Verkehrtheit und wütend gewordnen Eitelkeit Pens. Er sah mit wilden Blicken nach der Richtung hin, wo Herr Pynsent stand, als ob er Lust hätte, mit diesem Herrn in derselben Weise anzubinden, wie mit dem Koch. »Wer denkt etwas Unrechtes von dir, weil du bei einem Walzer hingefallen bist? Wenn es Blanche tut, wir tun es nicht. Warum bist du so empfindlich und immer gleich mit schlimmen Gedanken bei der Hand?«

Hier kam unglücklicherweise wieder Herr Pynsent zu Laura heran und sagte: »Ich bin von Lady Rockminster beauftragt, bei Ihnen anzufragen, ob ich Sie zum Essen hineinführen darf?«

»Ich – ich wollte eben mit meinem Cousin hineingehen,« sagte Laura.

»O bitte, nein!« sagte Pen. »Du bist in so guten Händen, daß ich nichts Besseres tun kann, als dich ihnen zu überlassen; ich gehe nach Hause.«

»Gute Nacht, Herr Pendennis,« sagte Pynsent 50 trocken, auf welche Rede (die tatsächlich besagte: »Geh zum Teufel, unverschämter, eifersüchtiger, impertinenter Bengel, dem ich mit Vergnügen eins hinter die Ohren geben möchte,«) Herr Pendennis keine Antwort zu geben geruhte, ausgenommen eine Verbeugung, und trotz Lauras flehenden Blicken verließ er das Zimmer.

»Wie wunderschön ruhig und hell die Nacht draußen ist!« sagte Herr Pynsent; »und wie die See murmelt! Es würde angenehmer sein, am Ufer umherzuwandeln, als in diesem heißen Saale auf- und abzugehen.«

»Allerdings,« sagte Laura.

»Was für eine wunderliche Versammlung von Leuten!« fuhr Pynsent fort: »Ich habe zu den meisten derselben hingehen und den Angenehmen machen müssen – zu den Winkeladvokatentöchtern – der Apothekerfrau – ich weiß kaum noch zu wem alles. Da war ein Mann im Erfrischungszimmer, der mich durchaus mit Champagner traktieren wollte – ein Mann, der wie ein Seefahrer aussah – seltsam gekleidet und dem Anschein nach halbbetrunken. Als ein Mann, der mit der öffentlichen Meinung zu tun hat, ist man verbunden, sich all diese Leute geneigt zu machen, aber es ist eine schwere Aufgabe, – besonders, wenn man gar zu gern woanders wäre,« – und er errötete sehr, als er dies sprach.

»Ich bitte um Verzeihung,« sagte Laura – »ich – ich habe nicht zugehört. In der Tat – ich war in Angst wegen jenes Streites zwischen meinem Cousin und dem – dem – Franzosen.«

»Ihr Cousin ist diese Nacht sehr unselig gewesen,« sagte Pynsent. »Es sind drei oder vier Leute hier, denen 51 er sich nicht hat angenehm machen können – Kapitän Broadwood, oder wie er heißt – der Offizier – und die junge Dame im roten Kleide, mit der er tanzte – und Fräulein Blanche – und der arme Küchenchef – und ich glaube auch nicht, daß er an mir besonders Gefallen zu finden schien.«

»Hat er mich nicht Ihrer Obhut überlassen?« sagte Laura, indem sie zu Herrn Pynsents Gesicht aufsah, aber wie eine schuldbewußte, kleine, lügnerische Kokette sofort die Augen niederschlug.

»Allerdings, dafür kann ich ihm viel vergeben,« rief Pynsent hastig aus, und sie nahm seinen Arm, und er führte seinen kleinen Siegespreis in der Richtung des Speisezimmers ab.

Sie hatte kein großes Verlangen nach diesem Essen, obschon es, wie die Grafschaftszeitung bei der Beschreibung des Festes später sagte, in Rincers wohlbekannten Stile aufgetragen war; denn sie war wirklich sehr zerstreut und über die Maßen schmerzlich bewegt und unglücklich über Pen. Spitzig und zanksüchtig, eifersüchtig und egoistisch, übelnehmerisch, heftig und ungerecht, wenn ihn sein Aerger überkam, – wie konnte ihre Mutter (was Helene allerdings durch tausend Worte und Andeutungen getan hatte) sie nur bitten, ihr Herz solch einem Mann zu schenken? Und, vorausgesetzt, daß sie dazu geneigt wäre, würde es ihn denn glücklich machen?

Aber sie fühlte sich endlich etwas erleichtert, als nach Verlauf einer halben Stunde – einer sehr langen halben Stunde schien ihr – ein Kellner ein mit Bleistift geschriebenes Billetchen von Pen brachte, der darin sagte: »Ich traf den Koch unten, zum Duell mit mir fix 52 und fertig, und ich bat ihn um Verzeihung. Ich freue mich, daß ich's tat. Ich wollte mit dir heut abend etwas sprechen, aber ich will, was ich zu sagen hatte, aufheben, bis du nach Haus kommst. Gott segne dich! Tanze hübsch die ganze Nacht mit Pynsent und sei recht vergnügt. Pen.« – Laura war sehr dankbar für diesen Brief, und auch weil sie denken konnte, daß Güte und Vergebung noch im Herzen des Sohnes ihrer Mutter wohnten.

Pen ging die Treppe hinunter, während ihm sein Herz Vorwürfe machte über sein abgeschmacktes Benehmen gegen Laura, deren sanfte und flehende Blicke ihm folgten und ihn tadelten; und kaum war er aus der Tür des Ballzimmers heraus, als er sich auch schon danach sehnte, zurückzukehren und sie um Verzeihung zu bitten. Aber er erinnerte sich, daß er sie mit diesem verfluchten Pynsent zurückgelassen hatte. Er konnte sich in seiner Gegenwart nicht entschuldigen. Er wollte ein Kompromiß machen, seine Wut vergessen und mit dem Franzmann Frieden schließen.

Der Chevalier ging mit großen Schritten unten in der Halle des Gasthofs herum, als Pen von dem Ballsaale herabkam, und er ging auf Pen zu, indem sein lustiges Gesicht von allerhand Spaß und Unsinn erglänzte, die er im Sinne hatte.

»Ich habe ihn ins Kaffeezimmer geschafft,« sagte er, »und ein paar Pistolen nebst einem Lichte hineinbesorgt. Oder sollten Sie ein Duell auf Degen am Meeresufer vorziehen? Mirobolant ist ein wahrer Neuntöter mit dem Rapier und brachte mit seiner eigenen Degenspitze auf den Julibarrikaden vier Leibgardisten um.« 53

»Verdammt,« schrie Pen in höchster Wut, »ich kann mich doch nicht mit einem Koche schlagen!«

»Er ist ein Juliritter,« entgegnete der andere. »Man präsentiert das Gewehr vor ihm in seiner Heimat.«

»Und so verlangen Sie denn von mir, Kapitän Strong, daß ich mit einem Domestiken losgehen soll?« fragte Pen stolz; »ich werde einen Polizisten für ihn rufen, aber – aber –«

»Sie wollen mich einladen, mit Ihnen blaue Bohnen zu wechseln?« rief Strong lachend. »Danke schön, mache ich aber nicht, ich spaßte ja bloß. Ich kam, um Händel zu schlichten, nicht, um welche auszufechten. Ich habe Mirobolant beschwichtigt, ich habe ihm gesagt, daß Sie das Wort ›Koch‹ nicht in beleidigendem Sinne auf ihn angewendet, daß es aller Landessitte entgegen sei, wenn ein gemieteter Beamter eines Haushalts, wie ich es nannte, der Tochter vom Hause den Arm geben wollte.« Und dann erzählte er Pen das große Geheimnis, das er von Madame Frisby hatte, das Geheimnis heftiger Leidenschaft, unter der der arme Künstler litt.

Als Arthur diese Geschichte hörte, brach er in ein herzliches Gelächter aus, in das Strong einstimmte, und sein Aerger über den armen Koch verschwand plötzlich. Er war selbst den ganzen Abend über eifersüchtig gewesen und hatte sich nach einem Anlasse gesehnt, Pynsent beleidigen zu können. Er besann sich, wie eifersüchtig er auf Oaks in seiner ersten Liebesaffäre gewesen war; er war bereit, einem von einer solchen Leidenschaft überwältigten Manne alles Mögliche zu vergeben, und so ging er in das Kaffeezimmer, wo Mirobolant wartete, mit ausgestreckter Hand, und hielt ihm eine Rede in 54 französischer Sprache, in welcher er erklärte, er wäre »aufrichtig betrübt, einen Ausdruck gebraucht zu haben, der Herrn Mirobolant hätte verletzen können und er gäbe sein Wort als Gentleman, daß er es niemals, niemals beabsichtigt hätte,« sagte Pen, der sich aus ›intendiert‹ schnell ein französisches Wort der Art zurecht machte, und insgeheim sehr zufrieden war, daß er diese Sprache so fließend und richtig spreche.

»Bravo, bravo!« schrie Strong, ebenso sehr vergnügt über Pens Rede, als über seine freundliche Art und Weise. »Und der Chevalier Mirobolant nimmt natürlich mit aufrichtigem Bedauern den Ausdruck zurück, dessen er sich bedient.«

»Monsieur Pendennis hat meine Worte selbst Lügen gestraft,« sagte Alcide mit großer Höflichkeit; »er hat gezeigt, daß er ein Gentleman ist.«

Und so schüttelten sie sich die Hände und trennten sich, Arthur besorgte zuallererst noch sein Billet an Laura, ehe er und Strong sich dem »Fleischerjungen« anvertrauten. Als sie so ihres Weges fuhren, machte Strong Pen Komplimente über sein Benehmen und sein Geschick im Französischen im allgemeinen. »Sie sind ein guter Junge, Pendennis, und Sie sprechen, weiß Gott, Französisch wie Chateaubriand.«

»Ich bin daran von Jugend auf gewöhnt worden,« sagte Pen; und Strong war so gutherzig, daß er fünf Minuten lang nicht darüber lachte; nach Ablauf derselben explodierte er aber in eine donnernde Heiterkeit, die Pendennis vielleicht bis auf den heutigen Tag nicht begriffen hat.

Es war schon Tagesanbruch, als sie an den Brawl 55 kamen, wo sie sich trennten. Um dieselbe Zeit ging auch der Ball in Baymouth zu Ende. Frau Frisby und Mirobolant waren auf ihrem Wege nach Hause in einem Mietswagen aus Clavering; Laura befand sich leichten Herzens und schlafend in Lady Rockminsters Wohnung und die Claverings waren in dem Gasthause zu Baymouth im Bette, wo sie sich für die Nacht einquartiert hatten. Kurze Zeit nach dem Streite zwischen Pen und dem Küchenchef war Blanche so bleich wie ein Glas Zitroneneis aus dem Erfrischungszimmer gekommen. Sie erzählte ihrem Kammermädchen, – in Ermanglung einer andern zur Hand befindlichen Vertrauten – daß sie einem höchst romanhaften Abenteuer – dem eigentümlichsten Mann, – einem, der den Urheber ihres Daseins gekannt hatte – ihren verfolgten – ihren unglücklichen – ihren heldenmütigen – ihren schändlich ermordeten Vater – begegnet sei; und sie begann ein Sonett an dessen Manen, ehe sie sich schlafen legte.

So kehrte Pen denn in Gesellschaft seines Freundes, des Chevaliers, nach Fairoaks zurück, ohne ein Wort von der Botschaft, die er Laura in Baymouth zu überbringen so eifrig bestrebt gewesen, zu äußern. Er konnte indes bis zu ihrer Rückkehr nach Hause warten, die den folgenden Tag stattfinden sollte. Er war nicht ernstlich eifersüchtig auf die Fortschritte, die Herr Pynsent in ihrer Gunst gemacht haben könnte, und er fühlte sich ziemlich sicher, daß er in dieser, wie in jeder anderen Familienangelegenheit nur zu verlangen brauche, um zu bekommen, und daß Laura, wie seine Mutter, ihm nichts abschlagen könnte.

Als Helenes ängstliche Blicke sich bei ihm 56 erkundigten, was sich zu Baymouth zugetragen, und ob ihr Lieblingsplan erfüllt wäre, erzählte ihr Pen heiteren Tones von dem unangenehmen Vorfalle, der passiert war, und sagte lachend, daß kein Mensch bei so einem Mißgeschick an Erklärungen denken könnte, und zog die Sache ins Scherzhafte: »Es wird vollauf Zeit sein, sich auszusprechen, liebe Mutter, wenn Laura zurückkommt,« sagte er und sah mit einem bezaubernden Blicke in sein Glas; und seine Mutter strich ihm das Haar aus der Stirn und küßte ihn und dachte natürlich ihrerseits, daß kein Weib ihm widerstehen könnte, und war diesen Tag ganz außerordentlich glücklich.

Als Herr Pen nicht mehr mit ihr zusammen war, beschäftigte er sich mit Packen von Büchern und Koffern, mit dem Verbrennen und Ordnen von Papieren, mit der Reinigung seiner Flinte und damit, daß er sie in ihr Futteral steckte; kurz, damit, daß er Vorbereitungen für die Abreise traf. Denn obwohl er bereit war zu heiraten, so war dieser junge Herr doch zugleich darauf begierig, nach London zu gehen, indem er die sehr richtige Ansicht hatte, daß es im dreiundzwanzigsten Jahre nun nachgerade Zeit für ihn wäre, das erste Geschäft des Lebens zu beginnen und darauf bedacht zu sein, sich so bald als möglich ein Vermögen zu erwerben.

Die Mittel zu diesem Zwecke hatte er sich bereits selbst ausgedacht. »Ich werde ein möbliertes Zimmer nehmen,« sagte er, »und in einen Gerichtshof eintreten. Mit ein paar hundert Pfund werde ich imstande sein, ganz gut das erste Jahr durchzukommen; danach zweifle ich kaum daran, daß meine Feder mir meinen Unterhalt erwerben wird, wie dies mit mehreren Leuten aus 57 Oxbridge, die jetzt in der Stadt sind, der Fall ist. Ich habe ein Trauerspiel, eine Komödie und eine Novelle, die alle miteinander fast beendet sind, und für die es mir nicht fehlen kann, einen Preis zu bekommen. Und so werde ich imstande sein, ziemlich gut zu leben, ohne meiner armen Mutter zur Last zu liegen, bis ich meine Advokatenlaufbahn beginnen kann. Dann will ich eines Tages zurückkehren und ihre teure Seele dadurch glücklich machen, daß ich Laura heirate. Sie ist ein ebenso gutes wie sanftes Mädchen, wie nur je eins lebte, außerdem sieht sie wirklich sehr hübsch aus, und die Verbindung wird dazu dienen, mich ordentlicher zu machen, – nicht wahr, Ponto?« So, indem er seine Pfeife schmauchte und mit seinem Hunde schwatzend durch die Blumen- und Obstgärten der kleinen Domäne Fairoaks schlenderte, baute sich dieser junge Träumer seine Luftschlösser. »Ja, sie wird mich ordentlicher machen, nicht wahr? Und du wirst mich vermissen, wenn ich fort bin, nicht wahr, alter Junge?« fragte er Ponto, der mit seinem Schwanze wedelte und seine braune Nase in die Hand seines Herrn steckte. Ponto leckte seine Hand und seine Schuhe, wie sie es in diesem Hause alle taten, und Herr Pen nahm ihre Huldigungen auf, wie andere Leute die Schmeicheleien, die sie empfangen.

Laura kam ziemlich spät am Abend des zweiten Tages nach Hause, und Herr Pynsent fuhr sie, wie ein böses Verhängnis es wollte, nach Clavering heraus. Das arme Mädchen konnte sein Anerbieten nicht ausschlagen, aber sein Erscheinen rief auf der Stirn Arthur Pendennis' eine finstere Wolke hervor. Laura sah dies und es tat ihr weh; die besorgte Witwe sah jedoch nichts, 58 und da sie ohne Zweifel gern wünschte, daß die delikate Frage schnell getan würde, so wollte sie sehr bald nach Lauras Ankunft zu Bette gehen, und stand zu diesem Zwecke auf, um das Sofa zu verlassen, wo sie jetzt gewöhnlich lag, und wohin Laura zu kommen und sich niederzusetzen und bei ihr zu arbeiten oder zu lesen pflegte. Aber als Helene aufstand, sagte Laura errötend, doch mit ziemlich aufgeregter Stimme, sie wäre auch sehr müde und müßte zu Bett gehen, sodaß die Witwe wenigstens für diese Nacht ihren Plan fehlgeschlagen sah und Herr Pen noch einen Tag in bezug auf sein Schicksal in der Schwebe gelassen wurde.

Seine Würde war verletzt, indem er in dieser Weise im Wartezimmer zu bleiben gezwungen war, wo er doch Audienz zu haben wünschte. Solch ein Sultan wie er konnte es nicht ertragen, daß man ihn warten ließ. Indes ging er doch zu Bett und schlief trotz seines Fehlschlages ziemlich ruhig und erwachte nicht eher, als am frühen Morgen, wo er, als er die Augen aufschlug, seine Mutter in seinem Zimmer stehen sah.

»Steh auf, lieber Pen,« sagte die Dame, »sei nicht faul. Es ist der schönste Morgen der Welt. Ich habe seit Tagesanbruch nicht mehr schlafen können, und Laura ist schon eine Stunde draußen. Sie ist im Garten. Jeder sollte an einem Morgen wie dieser im Garten und überhaupt auf sein.«

Pen lachte. Er sah, welche Gedanken im Herzen der einfachen Frau die Oberhand hatten. Sein gutmütiges Lachen erfreute die Witwe. »O du verwünschte Heuchlerin,« sagte er, indem er seine Mutter küßte. »O du listiges Geschöpf! Kann denn niemand deinen 59 gottlosen Kniffen entgehen? und willst du denn durchaus deinen einzigen Sohn zu deinem Opfer haben?« Helene lachte ebenfalls, sie wurde rot, sie stotterte und war sehr erregt. Sie war so glücklich wie sie nur sein konnte, eine gute zärtliche, gern Heiraten stiftende Frau, deren teuerster Herzensplan der Erfüllung nahe war.

So verließ denn Helene, nachdem beide noch einige vielsagende Blicke und hastige Worte gewechselt, ihren Arthur, und dieser junge Held erhob sich aus seinem Bette und begann seine schöne Person zu putzen und sein ambrosisches Kinn zu rasieren, und nach einer halben Stunde ging er aus seinem Gemache in den Garten, um Laura aufzusuchen. Seine Gedanken, als er seine Toilette machte, waren ziemlich trauriger Art. »Ich stehe im Begriffe, mich auf Lebenszeit zu binden,« dachte er, »meiner Mutter zu Gefallen. Laura ist das beste aller Mädchen, und – und sie hat mir ihr Geld gegeben. Ich wollte, beim Himmel, ich hätte es nicht angenommen, ich wünschte, ich hätte diese Pflicht noch nicht zu erfüllen. Da aber beide Frauen ihr Herz an diese Heirat gehängt haben, ei, nun so muß ich ihnen wohl den Willen tun – und nun vorwärts. Ein Mann kann Schlechteres tun, als zwei der besten Geschöpfe der Welt glücklich zu machen.« So war es denn Pen, als er einmal wirklich auf diesem Punkte angelangt war, sehr ernst damit, und er fühlte sich keineswegs in sehr erhobener Stimmung, hielt es sogar für ein großes Opfer, das er zu bringen im Begriff wäre.

Es war Fräulein Lauras Gewohnheit, auf ihren Streifzügen durch den Garten eine Art Uniform zu tragen, die, wenn sie auch sehr einfach war, von vielen 60 Leuten für nicht unkleidsam gehalten wurde. Sie hatte einen großen Strohhut mit einem Streifen von breitem Bande auf, und wenn letzteres vielleicht unnütz war, so schützte doch der Hut das hübsche Gesicht der Besitzerin hinreichend vor der Sonne. Ueber ihrem gewöhnlichen Kleide trug sie eine Bluse oder ein Staubhemd, das, um ihre schmale Taille mit einem hübschen Gürtel befestigt, sehr gut aussah, und ihre Hände waren vor den Dornen ihrer Lieblingsrosenstöcke durch ein Paar Stulpenhandschuhe bewahrt, die dieser jungen Dame ein militärisches und entschlossenes Aussehen gaben.

Auf ihrem Gesichte lag irgendwie genau dasselbe Lächeln, mit dem sie die vergangene Nacht über ihn gelacht hatte, und diese Erinnerung an sein Mißgeschick verdroß Pen von neuem. Aber Laura wandte ihm, obwohl sie ihn mit so düsterem und sorgenvollem Gesichte den Gang herunterkommen sah, ein lächelndes Antlitz voll der vollkommensten und herausforderndsten guten Laune zu und ging ihm entgegen, indem sie ihm einen der Stulpen hinhielt, damit er ihn schüttle, wenn er wollte – und Herr Pen ließ sich herab, dies zu tun. Sein Gesicht verlor indessen infolge dieser Gunstbezeugung seinen tragischen Ausdruck nicht, und er fuhr fort, sie mit einer traurigen und feierlichen Miene anzusehen.

»Entschuldige meinen Handschuh,« sagte Laura lachend, indem sie Pens Hand freundlich damit drückte. »Wir sind nicht mehr böse, nicht wahr, Pen?«

»Warum lachst du über mich?« fragte Pen. »Vorige Nacht tatest du es auch und machtest mich vor den Leuten in Baymouth lächerlich.«

»Mein lieber Arthur, ich wollte dich damit nicht 61 beleidigen,« antwortete das Mädchen. »Du und Fräulein Roundle, ihr saht so drollig aus, als ihr – als ihr den kleinen Unfall hattet, daß ich wirklich kein Trauerspiel daraus machen konnte. Lieber Pen, es war kein gefährlicher Fall. Und übrigens war es Fräulein Roundle, die am unglücklichsten dabei wegkam.«

»Hol der Teufel Fräulein Roundle!« polterte Pen heraus.

»Wahrhaftig, sie sah so aus,« sagte Laura listig. »Du warst im Augenblicke in die Höhe, aber diese arme Dame, wie sie in ihrem roten Kreppkleide auf dem Boden saß und mit diesem jämmerlichen Gesicht um sich schaute – das kann ich doch nie vergessen!« und Laura zog eine Miene, die Fräulein Roundles Gesicht bei dem Unfall nachahmte, aber sie unterbrach sich selbst reuig darin, indem sie sagte: »Nein, wir dürfen nicht über sie lachen, aber wahrhaftig, wir sollten über dich lachen, Pen, wenn du dich über solch eine Geringfügigkeit ärgerst.«

»Du solltest gar nicht über mich lachen, Laura,« sagte Pen mit einiger Bitterkeit, »du von allen Leuten am wenigsten.«

»Und warum denn nicht? Bist du denn ein so großer Mann?« fragte Laura.

»O, nein, Laura, weil ich ein so armer bin,« entgegnete Pen. »Hast du mich nicht schon genug verspottet?«

»Mein lieber Pen, wie denn nur?« rief Laura aus. »Wahrhaftig, wahrhaftig, ich dachte nicht daran, dich durch eine solche Kleinigkeit zu ärgern. Ich dachte, ein so gescheiter Mensch wie du könnte einen 62 harmlosen kleinen Scherz von seiner Schwester vertragen,« sagte sie, indem sie ihm wieder ihre Hand hinhielt. »Lieber Arthur, wenn ich dich beleidigt habe, so bitte ich dich um Verzeihung.«

»Deine Freundlichkeit demütigt mich sogar noch mehr als dein Gelächter, Laura,« sagte Pen. »Du bist mir stets über.«

»Was! Dem großen Arthur Pendennis über? Wie kann das möglich sein?« sagte Fräulein Laura, die ebensowohl ein bißchen Bosheit als eine Menge Güte in ihrer Natur gehabt haben mag. »Du meinst doch nicht, daß irgendein Weib dir gleichkommt?«

»Die, welche jemand Wohltaten erzeigen, sollten nicht höhnisch über ihn lachen,« sagte Pen. »Ich sehe es nicht gern, wenn mein Wohltäter über mich lacht, Laura; es macht die Verpflichtung sehr hart zu ertragen. Du verspottest mich, weil ich dein Geld genommen habe, und ich bin wert, daß man meiner spottet; aber es tut weh, daß der Schlag von dir kommt.«

»Geld! Verpflichtung! Schäme dich, Pen, das ist unedel,« sagte Laura, die über und über errötete. »Kann unsere Mutter denn nicht Anspruch auf alles machen, das uns gehört? Schulde ich ihr nicht all mein Glück in dieser Welt, Arthur? Was handelt sich's um ein paar elende Guineen, wenn wir damit ihr zärtliches Herz beruhigen und ihre Sorge um dich erleichtern können? Ich wollte für sie auf dem Felde graben und für sie weggehen und als Magd dienen – ich wollte für sie sterben. Du weißt, das ich's tun würde,« sagte Fräulein Laura strahlend; »und du nennst dies erbärmliche Geld eine Verpflichtung? Oh, Pen, das ist grausam – es ist deiner 63 unwürdig, es so aufzufassen! Wenn mein Bruder nicht meinen Ueberfluß mit mir teilen will, wer denn sonst? – Meinen? – ich sage dir, es war nicht meiner, es gehörte alles der Mama, die konnte damit tun, was sie wollte, und das kann sie mit allem, was ich habe,« sagte Laura; »mein Leben gehört ihr.« Und das enthusiastische Mädchen blickte nach den Fenstern des Zimmers der Witwe und segnete in ihrem Herzen dieses gute Wesen darin.

Helene aber lugte ungesehen aus dem Fenster, nach dem Lauras Augen und Herz gerichtet waren, als sie sprach, und sie beobachtete ihre beiden Kinder mit dem tiefsten Interesse und der tiefsten Bewegung, sehnend und hoffend, daß das Gebet ihres Lebens erfüllt werden möge, und wenn Laura gesprochen hätte, wie Helene hoffte, wer weiß, wie viele Versuchungen Arthur Pendennis erspart worden wären, oder was für verschiedene Prüfungen er doch durchzumachen gehabt haben würde? Er würde vielleicht sein ganzes Leben lang in Fairoaks geblieben und als Landgutsbesitzer gestorben sein. Aber würde er der Versuchung dann entgangen sein? Die Versuchung ist eine auf Schritt und Tritt folgende Dienerin, die nichts dagegen hat, mit aufs Land zu gehen, und wir wissen, daß sie ihre Wohnung ebenso gut in Einsiedeleien wie in Städten aufschlägt, und daß sie in der entlegensten und unzugänglichsten Wüste die Gesellschafterin des einsamen Flüchtlings ist.

»Gehört dein Leben wirklich meiner Mutter?« sagte Pen, der zu zittern und in sehr erregter Weise zu sprechen anfing. »Du weißt, Laura, was das größte Ziel des ihren ist?« Und er ergriff abermals ihre Hand. 64

»Was, Arthur?« entgegnete sie, indem sie die Hand sinken ließ und ihn anblickte, dann wieder nach dem Fenster sah und dann ihre Augen an den Boden heftete, so daß sie Pens Blick vermieden. Auch sie zitterte, denn sie fühlte, daß die Krisis, auf die sie sich insgeheim vorbereitet, gekommen sei.

»Unsere Mutter hat einen Wunsch, der ihr über alles in der Welt geht, Laura,« sagte Pen, »und ich glaube, du kennst ihn. Ich bekenne dir, daß sie zu mir darüber gesprochen hat, und wenn du ihn erfüllen willst, liebe Schwester, so bin ich bereit. Ich bin zwar noch sehr jung, aber ich habe so viel Schmerzen und Enttäuschungen erlitten, daß ich alt und lebenssatt bin. Ich glaube, daß ich kaum ein Herz zu verschenken habe. Fast früher, als ich den Lauf des Lebens begonnen habe, bin ich schon matt und müde. Mein ganzer Lauf ist ein einziger Fehlschlag gewesen, ich bin von denen begönnert worden, deren Gönner ich von Rechts wegen hätte sein sollen. Ich gestehe, daß dein Edelmut und deine Großmut, liebe Laura, mich beschämen, während sie mich zugleich mit Dankbarkeit erfüllen. Als ich von unserer Mutter erfuhr, was du für mich getan, daß du es warst, die mich ausrüstete und aussandte zu einem neuen Kampfe mit dem Schicksale, da sehnte ich mich danach, mich dir zu Füßen zu werfen und zu sagen: ›Laura, willst du mit mir kommen und mit mir zusammen kämpfen? Deine Teilnahme wird mich trösten, so lange ich kämpfe. Ich werde eines der zärtlichsten und edelmütigsten Geschöpfe unter dem Himmel zu meiner Hilfe und Gesellschaft haben.‹ Willst du mich also nehmen, liebe Laura, und unsere Mutter glücklich machen?« 65

»Denkst du, Mama würde glücklich sein, wenn du anders wärst, Arthur?« sagte Laura mit leiser trauriger Stimme.

»Und warum sollte ich's nicht sein,« fragte Pen hastig, »mit einem so lieben Geschöpf wie du an meiner Seite? Ich habe dir nicht meine erste Liebe zu schenken. Ich bin ein gebrochener Mann. Aber wahrlich, ich würde dich zärtlich und treu lieben. Ich habe manche Illusion und manchen Ehrgeiz verloren, aber ich bin noch nicht ganz hoffnungslos. Ich weiß, daß ich Fähigkeiten habe, so übel und falsch ich sie auch angewendet; sie können mir doch jetzt dienen, sie würden es, wenn ich einen Beweggrund zum Handeln hätte. Laß mich fortgehen und denken, daß ich verpflichtet sei, zu dir zurückzukehren. Laß mich fortgehen und arbeiten und hoffen, daß du meinen Erfolg, wenn ich ihn erlange, mit mir teilen willst. Du hast mir so viel gegeben, teure Laura, willst du nichts von mir annehmen?«

»Was hast du denn zu verschenken, Arthur?« sagte Laura mit tiefer Trauer im Tone, die Pen zusammenfahren und sehen ließ, daß er sich durch seine Worte bloßgestellt hatte. In der Tat, seine Erklärung war keine solche gewesen, wie er sie zwei Tage früher gemacht haben würde, wo er so voll von Hoffnung und Dankbarkeit zu Laura, seiner Befreierin, hinübergeeilt war, um ihr für seine wiedererlangte Freiheit zu danken. Wäre es ihm damals gestattet worden, zu sprechen, so hätte er anders gesprochen, und sie hätte vielleicht mit anderen Gefühlen zugehört. Es würde ein dankbares Herz um das ihre gebeten haben, nicht ein lebensmüdes ihr angetragen sein, um es anzunehmen oder auszuschlagen. Laura war 66 beleidigt von den Ausdrücken, mit denen Pen sich ihr antrug. Er hatte tatsächlich gesagt, daß er keine Liebe fühle, und wollte doch auch keine Weigerung annehmen. »Ich gebe mich dir, um meiner Mutter einen Gefallen zu tun,« hatte er gesagt, »nimm mich, da sie wünscht, daß ich dies Opfer bringen soll.« Der Stolz des Mädchens wollte keinen Gatten unter solchen Bedingungen ertragen, sie war nicht gewillt, hinzulaufen, weil Pen ihr das Taschentuch hinzuhalten geruhte, und ihr Ton bei ihrer Erwiderung zu Arthur zeigte, daß ihr Entschluß unabänderlich wäre.

»Nein, Arthur,« sagte sie, »unsere Heirat würde Mama nicht glücklich machen, wie sie sich einbildet; denn sie würde dich nicht sehr lange zufriedenstellen. Auch ich habe erfahren, welcher Art ihre Wünsche waren, denn sie ist zu offen, um irgend etwas zu verheimlichen, das sie auf dem Herzen hat, und einst dachte ich vielleicht – aber das ist nun vorbei – daß ich dich hätte – daß es hätte sein können, wie sie es wünschte.«

»Du hast jemand anders gesehen,« sagte Pen, verdrießlich über ihren Ton und sich der Vorfälle der vergangenen Tage erinnernd.

»Diese Anspielung hättest du dir ersparen können,« entgegnete Laura, den Kopf aufwerfend: »Ein Herz, das im Alter von dreiundzwanzig Jahren mit der Liebe fertig ist, wie du von deinem sagst, sollte auch die Eifersucht hinter sich haben. Ich lasse mich nicht dazu herab, zu sagen, ob ich jemand anders kennen gelernt oder ermutigt habe. Ich werde diese Anschuldigung weder zugeben noch ableugnen und bitte dich zugleich, nie wieder derartige Anspielungen zu machen.« 67

»Ich bitte dich um Verzeihung, Laura, wenn ich dich beleidigt haben sollte, aber, wenn ich eifersüchtig bin, beweist das nicht, daß ich ein Herz habe?«

»Nicht für mich, Arthur. Vielleicht denkst du, daß du mich jetzt liebst, aber es ist nur für einen Augenblick, und weil du ein Hindernis im Wege siehst. Wenn kein Hindernis wäre, so würdest du keinen Eifer fühlen, es zu überwinden. Nein, Arthur, du liebst mich nicht. Du würdest meiner in drei Monaten überdrüssig sein, wie – wie du es mit den meisten Dingen machst, und Mama, wenn sie sähe, daß du mich satt hättest, würde unglücklicher sein, als über eine Weigerung, dir anzugehören. Laß uns Bruder und Schwester sein, Arthur, wie bisher – aber nichts weiter. Du wirst über diese kleine Enttäuschung wegkommen.«

»Ich will es versuchen,« sagte Arthur in höchstem Verdruß.

»Hast du es nicht schon einmal versucht?« fragte Laura etwas ärgerlich, denn sie war schon recht lange Zeit auf Arthur böse gewesen und nun vermutlich entschlossen, von der Leber weg zu reden. »Und das nächstemal, Arthur, wenn du dich einem Mädchen anträgst, so sage nicht, wie du es bei mir getan hast, ›Ich habe kein Herz – ich liebe dich nicht; aber ich bin bereit, dich zu heiraten, weil meine Mutter diese Heirat wünscht.‹ Wir verlangen mehr als dies für unsere Liebe – das heißt, ich denke so. Ich habe bisher keine Erfahrung gehabt und nicht die – die Praxis, die du bei mir voraussetztest, als du eben erst davon sprachst, daß ich jemand anders gesehen hätte. Sagtest du zu deiner ersten Liebe, daß du kein Herz habest, Arthur? 68 oder zu deiner zweiten, daß du – sie nicht liebtest, daß sie dich aber haben könnte, wenn sie wollte?«

»Was – was meinst du damit?« fragte Arthur errötend und immer noch in höchstem Aerger.

»Ich meine Blanche Amory, Arthur Pendennis,« antwortete Laura stolz. »Es ist erst zwei Monate her, seit du zu ihren Füßen seufztest – Gedichte auf sie machtest und diese in einen hohlen Baum am Flusse stecktest. Ich erfuhr alles. Ich beobachtete euch – das heißt, sie zeigte sie mir. Weder der eine noch der andere meinte es vielleicht ernst; aber es ist jetzt noch zu früh, Arthur, um ein neues Verhältnis anzuknüpfen. Mache wenigstens erst die Zeit deiner – deiner Witwenschaft durch und denke nicht ans Heiraten, ehe du aus der Trauer heraus bist.« (Hier füllten sich die Augen des Mädchens mit Tränen, und sie fuhr mit der Hand darüber.) »Ich bin ärgerlich und verletzt, und ich habe kein Recht, so zu sein, und ich bitte dich nun meinerseits um Vergebung, lieber Arthur. Du hattest ein Recht, Blanche zu lieben. Sie war tausendmal hübscher und gebildeter, als – als irgendein anderes Mädchen in unserer Nähe; und du konntest nicht wissen, daß sie kein Herz hatte; und damit hattest du auch Recht, sie zu verlassen. Ich hätte dich wegen Blanche Amory, und weil sie dich täuschte, nicht tadeln sollen. Verzeih mir, Pen,« – und nochmals hielt sie Pen ihre gütige Hand hin.

»Wir waren beide eifersüchtig,« sagte Pen. »Liebe Laura, laß uns beide einander verzeihen« – damit ergriff er ihre Hand und würde sie an sich gezogen haben. Er dachte nämlich, daß sie bereue und nahm bereits die Miene eines Siegers an. 69

Aber sie wich zurück, ihre Tränen versiegten, und sie heftete einen so melancholischen und ernsten Blick auf ihn, daß der junge Mann seinerseits davor zurückschrak. »Verstehe mich nicht falsch, Arthur,« sagte sie, »es kann nicht sein. Du weißt nicht, was du verlangst, und deshalb sei nicht böse auf mich, wenn ich sage, daß du es meiner Meinung nach nicht verdienst. Was bietest du einem Weibe als Entgelt für ihre Liebe, ihre Ehre und ihren Gehorsam an? Wenn ich jemals diese Worte sage, lieber Pen, so hoffe ich, daß ich sie im Ernste brauche und mit Gottes Hilfe mein Gelübde halte. Aber du – welches Band fesselt dich denn? Du kümmerst dich um viele Dinge nicht, die wir armen Frauen heilig halten. Ich mag gar nicht daran denken oder dich danach fragen, wie weit dein Unglaube dich führt. Du bietest mir an, mich unserer Mutter zu Gefallen zu heiraten, und gestehst doch, daß du kein Herz zu verschenken hast. Oh, Arthur, was ist's, daß du mir zu bieten hast? In welche rasche Verbindung willst du so leichtsinnig eintreten? Kaum ist ein Monat vorbei, wo du dich einer anderen geschenkt haben würdest. Ich bitte dich, spiele nicht so achtlos mit deinem eigenen und anderer Herzen. Geh und arbeite, geh und bessre dich, lieber Arthur, denn ich sehe deine Fehler und wage jetzt von ihnen zu sprechen, geh und erwirb dir einen Namen, wie du zu können behauptest, und ich will für meinen Bruder beten und über unsere teure Mutter zu Hause wachen.«

»Ist das deine letzte Entscheidung, Laura?« schrie Arthur auf.

»Ja,« sagte Laura und neigte den Kopf, dann gab sie ihm nochmals ihre Hand und ging fort. Er sah sie 70 unter den Schlingpflanzen der kleinen Tür durchgehen und im Hause verschwinden. Die Vorhänge am Fenster seiner Mutter fielen im selben Augenblick, aber er bemerkte es nicht oder argwöhnte auch nicht einmal, daß Helene Zeuge der Szene gewesen war.

War er froh oder ärgerlich über seinen Ausgang? Er hatte sie gefragt, und ein geheimer Triumph erfüllte sein Herz bei dem Gedanken, daß er noch frei war. Sie hatte ihn ausgeschlagen, aber liebte sie ihn nicht? Jenes Eingestehen der Eifersucht ließ ihn immer noch glauben, daß ihr Herz ihm gehöre, was ihre Lippen auch äußern mochten.

Und nun sollten wir vielleicht einen anderen Auftritt beschreiben, der zu Fairoaks zwischen der Witwe und Laura stattfand, als die letztere Helenen zu erzählen hatte, daß sie Arthur Pendennis ausgeschlagen. Vielleicht war es das schwerste von allem, was Laura in dieser Angelegenheit durchzumachen hatte, und dasjenige, was ihr den meisten Schmerz bereitete. Aber da wir eine gute Frau nicht gern ungerecht sehen, so wollen wir kein Wort mehr von dem Streite sagen, der nun zwischen Helene und ihrer Adoptivtochter vorfiel, noch von den bitteren Tränen, die das arme Mädchen vergießen mußte. Es war der einzige Streit, den sie und die Witwe bis jetzt jemals gehabt hatten, und aus diesem Grunde um so peinvoller. Pen verließ die Heimat, als dieser Streit noch schwebte; und Helene, die fast alles vergeben konnte, konnte eine Handlung der Gerechtigkeit bei Laura nicht vergeben. 71



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