William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 2
William M. Thackeray

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Viertes Kapitel

Babel

Unser Leser muß jetzt so gut sein, die Wälder und die Seeküste des Westens, das Geklatsch von Clavering und das eintönige Leben in dem armen kleinen Fairoaks verlassen und sich mit Arthur Pendennis in der »Eilkutsche« nach London versetzen, wohin er ein für allemal geht, um der Welt entgegenzutreten und sein Glück zu machen. Wie die Kutsche durch die Nacht hinrollt, hinweg von den befreundeten Pforten der Heimat, macht der junge Mann in seinem Gemüte mancherlei Pläne von zukünftigem Leben und Verhalten, klugem Benehmen, möglichem Erfolg und Ruf. Er weiß, daß er besser ist als viele, die ihm bisher im Wettlaufe voraus waren; sein erster Fehlschlag hatte ihm Gewissensbisse gemacht und Ueberlegung eingebracht; er hatte ihm nicht den Mut oder, das wollen wir hinzufügen, die gute Meinung über sich selbst genommen. Hundert hastige Phantasien und lebendige Hoffnungen hielten ihn wach. Wie viel älter hat ihn sein Umgang mit sich selbst während eines Jahres gemacht, als wie er vor zwölf Monaten auf dieser Straße auf seinem Wege nach und von Oxbridge fuhr! Seine Gedanken wenden sich während der Nacht mit unaussprechlicher Zärtlichkeit und Liebe seiner guten Mutter zu, die ihn beim Abschied segnete und die trotz all seiner vergangenen Fehler und Torheiten ihm noch immer vertraut und ihn noch immer liebt. Segne 72 sie, Gott! betet er, als er zu den Sternen über sich aufschaut. O Himmel, gib ihm Kraft zu arbeiten, zu ertragen, rechtschaffen zu sein, die Versuchung zu fliehen, der liebenden Seele würdig zu sein, die ihn so im tiefsten Herzen liebt! Sehr wahrscheinlich ist auch sie in diesem Augenblicke noch wach und schickt zu demselben Vater reinere Gebete als die seinen für das Wohlergehen ihres Knaben empor. Die Liebe dieser Frau ist ein Talisman, an dem er hält, und durch den er zu seinem Heile zu gelangen hoffte. Und Lauras – gern hätte er auch ihre mit sich genommen, aber sie hat sie ihm verweigert, da er derselben nicht würdig wäre. Er gesteht sich dies mit Scham und Gewissensbissen, gesteht, wie viel besser und erhabener ihre Natur ist, als seine eigene, gesteht dies und ist dennoch froh, frei zu sein. »Ich bin nicht gut genug für ein solches Geschöpf,« bekennt er sich selbst. Er zieht sich vor ihrer fleckenlosen Schönheit und Unschuld zurück, wie vor etwas, das ihm unbequem ist. Er fühlt, daß er für solch eine Gattin nicht paßt, gerade wie mancher wilde Wüstling, der in früheren Tagen fromm und schuldlos gewesen ist, sich von der Kirche entfernt hält, die er einst zu besuchen pflegte – sie scheut, aber ihr nicht feindlich gesinnt ist und es fühlt, daß er kein Recht auf diesen reinen Ort hat.

Indem diese Gedanken sich ihm aufdrängten, fiel Pen nicht eher in Schlaf, als beim Aufdämmern eines frostigen Oktobermorgens, und er erwachte beträchtlich erfrischt, als die Kutsche an dem alten Frühstücksorte zu B. anhielt, wo er seit seiner Knabenzeit wohl zwanzigmal fröhlich sein Essen auf seinem Wege nach und von der Schule und Universität eingenommen. Als sie diesen 73 Ort verließen, brach die Sonne hell hervor, der Schritt der Pferde war munter, das Horn blies, die Meilensteine flogen vorüber, Pen rauchte und scherzte mit dem Schaffner und den Mitpassagieren und den Leuten auf der wohlbekannten Straße; diese wurde mit jedem Augenblicke geschäftiger und belebter, der letzte Vorspann von Grauschimmeln geschah zu H., und die Kutsche fuhr in London ein. Welchen jungen Menschen hätte es nicht durchbebt, als er diesen ungeheuren Ort betrat? Hunderte von anderen Wagen, vollgestopft mit Tausenden von Menschen, eilten nach der großen Stadt.

»Hier ist meine Stelle,« dachte Pen; »hier beginnt mein Kampf, in dem ich streiten und siegen oder fallen muß. Ich bin bis jetzt bloß ein Knabe und Schwätzer gewesen. Ach, ich sehne mich danach, ich sehne mich danach, zu zeigen, daß ich ein Mann sein kann.« Und von seinem Platze auf dem Kutschendache schaute der begierige junge Mensch hinunter auf die Stadt mit jener Art von sehnsüchtigem Verlangen, das junge Soldaten am Vorabend einer Schlacht fühlen.

Während sie die Straße entlang fuhren, hatte Pen mit einem lustigen Mitpassagier in einem schäbigen Mantel Bekanntschaft gemacht, der viel von Schriftstellern sprach, mit denen er auf sehr vertrautem Fuße stehe, und der in der Tat der Berichterstatter einer Londoner Zeitung war, als deren Vertreter er einem großen Ringkampfe im Westen beigewohnt hatte. Dieser Gentleman kannte, wie es schien, alle die Hauptschriftsteller seiner Zeit genau und redete von Tom Campbell und Tom Hod und Sydney Smith und diesem und jenem, als ob er ihr intimster Freund gewesen wäre. Als sie bei 74 Brompton vorbeifuhren, zeigte dieser Herr Pen Herrn Hurtle, den Redakteur, der mit seinem Regenschirm daher gewandelt kam. Pen machte einen langen Hals von der Kutsche herunter, um den großen Hurtle recht lange zu sehen. Er hätte in Bonifaz studiert, sagte Pen; und Herr Doolan von der Zeitung »Tom und Jerry« (denn so war des Gentlemans Name und Adresse auf der Karte, die er Pen einhändigte) sagte: »Richtig, er studierte da, und ich kannte ihn sehr gut.« Pen dachte, es wäre eine große Ehre, den großen Herrn Hurtle gesehen zu haben, dessen Werke er bewunderte. Er glaubte damals noch fest an Autoren, Redakteure und Zeitungsherausgeber. Selbst Wagg, dessen Bücher ihm gerade nicht Meisterstücke menschlichen Geistes zu sein schienen, verehrte er dennoch heimlich als einen Schriftsteller von Erfolg. Er erwähnte, daß er Wagg auf dem Lande getroffen hätte, und Doolan erzählte ihm, wie dieser berühmte Novellist dreihundert Pfund für jeden Band seiner Novellen bekäme. Pen begann sofort sich auszurechnen, ob er nicht fünftausend das Jahr verdienen könnte.

Der allererste Bekannte, den Arthur traf, als die Kutsche am Gloster-Kaffeehause anhielt, war sein alter Freund Harry Foker, der die Arlingtonstraße hinter einem ungeheuren Cabpferde herabgeprunkt kam. Er hatte weiße Lederhandschuhe und weiße Zügel, und die Natur hatte ihn während dieser Zeit mit einem stattlichen Kinnbart geschmückt. Ein sehr kleiner Reitknecht, statt des seligen Schafskopf, schaukelte sich hinten auf Fokers Fahrzeug; er trug die engsten Lederhosen, und seine Knie schlugen alle Augenblicke an den Kutschkasten an. Foker blickte nach der staubigen Kutsche und den dampfenden 75 Pferden derselben, mit der er früher auch seine Reisen gemacht. – »Was, Foker!« schrie Pendennis heraus. »Hollah! Pen, mein Junge!« sagte der andere und schwenkte freundschaftlich grüßend mit seiner Peitsche Arthur zu, der sehr froh war, seines wunderlichen Freundes gutes, altes Gesicht zu sehen. Herr Doolan hatte großen Respekt vor Pen, der einen Bekannten in solch großartigem Cab hatte und außer sich vor Freude war, frei zu sein und sich in London zu befinden. Er forderte Doolan auf, mitzukommen und mit ihm im Convent Garden-Kaffeehause zu speisen, wo er abstieg; er rief ein Cab und rasselte in der besten Laune dorthin. Er freute sich, den geschäftigen Kellner und den sich höflich verneigenden Wirt wieder zu sehen, fragte nach der Wirtin und vermißte den alten Boots und hätte gern jedermann die Hand geschüttelt. Er hatte hundert Pfund in seiner Tasche. Er machte aufs allersorgfältigste Toilette, speiste im Kaffeezimmer bei einer bescheidenen halben Flasche Sherry (denn er war entschlossen, sehr ökonomisch zu leben), und ging dann ins nahegelegene Theater.

Die Lichter und die Musik, die vielen Leute und die allgemeine Fröhlichkeit entzückten und erheiterten Pen, wie derartige Dinge nun einmal auf junge Leute von der Universität und vom Lande, denen sie ziemlich neu sind, zu wirken pflegen. Er lachte über die Späße, er applaudierte den Liedern zum Entzücken einiger verknöcherter alter Habitués der Logen, die längst schon aufgehört hatten, auch nur die geringste Anregung an ihrem nächtlichen Zufluchtsorte zu finden, und sich freuten, daß sie jemand so Frisches und so sehr Vergnügtes sahen. Am 76 Ende des ersten Stückes ging Pen hinaus und schlenderte in den Vorsälen des Theaters herum, als ob er einen Besuch in der feinsten Gesellschaft mache. Welcher müde Londoner Pflastertreter kann sich nicht ähnlicher jugendlicher Selbsttäuschungen erinnern und riefe sie sich nicht gern zurück? Hier war der junge Foker wieder der glühende Verehrer des Vergnügens. Er promenierte mit Granby Tiptoff von der Königlichen Leibgarde, Lord Tiptoffs Bruder, und Lord Colchicum, Kapitän Tiptoffs Onkel, einem ehrwürdigen Peer, der seit der ersten französischen Revolution ein Lebemann gewesen war. Foker stürzte eifrig auf Pen los und bestand darauf, daß der letztere in seine Privatloge kommen sollte, wo eine Dame mit den längsten Locken und den schönsten Schultern saß. Es war Fräulein Blenkinsop, die hervorragende Schauspielerin im feinen Lustspiel; und im Hintergrunde der Loge saß, mit einer Perücke bedeckt, der alte Blenkinsop, ihr Papa. Er wurde in der Theatersprache beschrieben als der »Veteran Blenkinsop« – »der nützliche Blenkinsop« – »Blenkinsop, der alte Liebling des Publikums«; diejenigen Rollen des Dramas, die man »schwerfällige Väter« nennt, wurden diesem Veteranen gewöhnlich zugeteilt, der den schwerfälligen Vater allerdings nicht bloß im öffentlichen, sondern auch im Privatleben spielte. Um diese Zeit, es war gegen elf Uhr, war Frau Pendennis in Fairoaks zu Bett gegangen und fragte sich, ob ihr teuerster Arthur nach seiner Reise wohl schon zur Ruhe gegangen wäre. Um diese Zeit war Laura ebenfalls noch wach. Und um diese Zeit, gestern Nacht, als die Kutsche über schweigende Wiesen, wo die Fenster von Hütten blinkten, und durch dunkle Wälder, unter dem 77 ruhigen sternhellen Himmel hinrollte, hatte Pen das Gelübde getan, sich zu ändern und der Versuchung zu widerstehen, und sein Herz war in Frieden . . . Indes ging die Posse unter großem Beifall weiter, und Frau Leary in einer Husarenjacke und verschnürten Hosen bezauberte das Publikum mit ihrer Pikanterie, ihrer lieblichen Gestalt und ihren prickelnden, entzückenden Liedchen.

Pen, der Neuling in der Stadt, würde gern der Leary zugehört haben, aber die anderen in der Loge kümmerten sich nicht um ihre Lieder und ihre Hosen und schnatterten unaufhörlich. Tiptoff wußte, wo ihre Trikots herkamen. Colchicum sah sie, als sie Anno 14 zum ersten Male auftrat. Fräulein Blenkinsop sagte, sie sänge keinen Ton richtig, zum Schmerz und Verwunderung Pens, der meinte, sie wäre so schön wie ein Engel und sänge wie eine Nachtigall; und als Hoppus als Sir Harcourt Featherby, der Liebhaber des Stückes, auftrat, erklärten die Herren in der Loge, daß Hoppus auch zu ledern zu werden anfinge, und Tiptoff war der Meinung, man sollte ihm Fräulein Blenkinsops Strauß hinunterwerfen.

»Nicht um alles in der Welt,« schrie die Tochter des Veteranen Blenkinsop, »Lord Colchicum gab ihn mir.«

Pen erinnerte sich an den Namen dieses Edelmanns, und mit einer Verbeugung und einem Erröten sagte er, er glaube, dem Lord Colchicum seinen Dank aussprechen zu müssen, daß er ihn auf die Bitte seines Onkels, Major Pendennis, im Polyanthusklub vorgeschlagen. 78

»Was, Sie sind Wigsbys Neffe, wirklich?« fragte der Peer. »Ich bitte um Verzeihung, wir nennen ihn immer Wigsby.« Pen errötete, seinen ehrwürdigen Onkel mit einem solchen Spitznamen nennen zu hören. »Wir stimmten über Sie die letzte Woche ab, nicht? Ja, letzten Mittwoch, abends. Ihr Onkel war nicht da.«

Das waren prächtige Neuigkeiten für Pen! Er sagte Lord Colchicum, wie sehr er wirklich sich ihm verbunden fühlte, und hielt ihm eine schöne Dankrede, der der andere zuhörte, während er sein doppeltes Opernglas an die Augen hielt. Pen war ganz außer sich vor Freude bei dem Gedanken, ein Mitglied dieses feinen Klubs zu sein.

»So gucken Sie doch nicht immerzu nach jener Loge, Sie nichtsnutziger Mensch,« schrie Fräulein Blenkinsop.

»Sie ist ein verteufelt hübsches Frauenzimmer, diese Mirabel,« sagte Tiptoff, »obwohl Mirabel ein verd– Narr war, sie zu heiraten.«

»Ein dummer, alter Laffe,« sagte der Peer.

»Mirabel!« rief Pendennis aus.

»Ha! ha!« lachte Harry Foker. »Wir haben schon vordem von ihr gehört, nicht, Pen?«

Es war Pens erste Liebe. Es war Fräulein Fotheringay. Das Jahr zuvor war sie von Sir Charles Mirabel, Ritter des Bathordens und früherem Geschäftsträgers am Hofe von Pumpernickel, der so tätigen Anteil an den Verhandlungen vor dem Kongreß von Swammerdan genommen und im Namen Seiner Britischen Majestät den Frieden von Pultusk unterzeichnet hatte, zum Altar geführt worden. 79

»Emilie war stets so einfältig, wie eine Eule,« sagte Fräulein Blenkinsop.

»Ei! ei! pas si bête,« sagte der alte Peer.

»Oh, schämen Sie sich,« schrie die Schauspielerin, die nicht eine Spur davon verstand, was er meinte.

Und Pen schaute hin und sah seine erste Liebe noch einmal; er wunderte sich, wie er sie je hatte lieben können.

So sah sich denn Herr Arthur Pendennis schon in der ersten Nacht nach seinem Eintreffen in London in einen Klub, bei einer Schauspielerin des feinen Lustspiels, bei einem schwerfälligen Bühnenvater und in eine lärmende Gesellschaft lustiger Gesellen, alter und junger, eingeführt; denn Mylord Colchicum war, obwohl die Jahre schon auf ihm lasteten, er kahlköpfig und schwächlich von Person war, doch noch unermüdlich auf der Jagd nach Vergnügungen, und es war der Stolz des verehrungswürdigen Viscount, daß er so viel Claret trinken könnte, wie das jüngste Glied der Gesellschaft, die er frequentierte. Er lebte mit den jungen Stutzern der Stadt, er gab ihnen zahllose Diners in Richmond und Greenwich, er war erleuchteter Gönner des Dramas in allen Sprachen und der Kunst Terpsichorens und lud die dramatischen Künstler aller Nationen zu seinen Banketten: die Engländer vom Covent Garden und den Häusern am Strande, die Italiener vom Haymarkettheater, die Franzosen von ihrem eigenen hübschen kleinen Theater oder den Brettern der Oper, wo sie tanzten. Und in seiner Villa an der Themse gab dieser Pfeiler des Staates kostbare Gastmähler für volle halbe Schocks von jungen vornehmen Leuten, die mit den Damen und 80 Herren von den Brettern sehr zärtlich umgingen, besonders mit den ersteren, denn Viscount Colchicum zog deren Gesellschaft als feiner und heiterer als die ihrer männlichen Kollegen vor.

Pen ging am nächsten Tage nach dem Klub und bezahlte sein Eintrittsgeld, welche Operation gerade ein Dritteil seiner hundert Pfund hinwegtrug, ergriff Besitz von dem Gebäude und aß sein zweites Frühstück dort mit ungeheurer Genugtuung. Er sank in einen Polsterstuhl in der Bibliothek und versuchte es, alle Magazine durchzulesen. Er hätte wissen mögen, ob all die Mitglieder auf ihn blickten, und wie sie es wagen konnten, in so schönen Zimmern ihre Hüte aufzubehalten. Er setzte sich hin und schrieb einen Brief nach Fairoaks auf dem Klubpapiere und sagte darin, was für eine Erholung dieser Ort für ihn sein würde, wenn er sein Tagewerk beendet. Er ging dann in die Wohnung seines Onkels in Bury Street mit ziemlich beträchtlichem Herzklopfen hinüber, aber er gehorchte dem dringenden Wunsche seiner Mutter, daß er sofort Major Pendennis seinen Besuch machen solle; aber er fühlte sich nicht wenig erleichtert, zu finden, daß der Major noch nicht in die Stadt zurückgekehrt wäre. Seine Zimmer waren leer. Braunes Leinen bedeckte seinen Büchertisch, und Rechnungen und Briefe lagen auf dem Kaminsims, verdrießlich die Rückkehr ihres Eigentümers erwartend. Der Major war auf dem Kontinent, wie die Wirtin des Hauses sagte, »in Baden-Baden mit Marcus von Steyne.« Pen ließ seine Karte auf dem Simse bei den übrigen. Noch immer stand Fairoaks darauf geschrieben. Als der Major nach London zurückkehrte, was 81 er wegen der Novembernebel beizeiten tat, nach deren Genuß er die Weihnachtszeit mit einigen Freunden auf dem Lande zu verbringen sich vornahm, fand er eine zweite Karte Arthurs, auf welcher »Lamb Court, Temple« eingraviert war, und ein Billet von diesem jungen Herrn und seiner Mutter vor, worin ihm gemeldet wurde, daß er in die Stadt gekommen, als Mitglied des obern Tempels eingetreten wäre und sehr fleißig dem Studium der Rechtswissenschaft obläge.

Lamb Court, Temple – wo war das? Major Pendennis erinnerte sich, daß einige vornehme Damen davon gesprochen hatten, daß sie mit Herrn Ayliffe, dem Sachwalter, gespeist, der zur »Gesellschaft« gehöre und in Kings Bench wohnte, von welchem Gefängnisse im Tempel wahrscheinlich eine Zweiganstalt und Ayliffe ein Beamter war. Herr Deuceace, der Sohn Lord Crabs, hatte auch dort gelebt, wie er sich erinnerte. Er schickte Morgan aus, um ausfindig zu machen, wo Lamb Court läge, und um Bericht über die von Herrn Arthur gewählte Wohnung zu erstatten. Dieser gewitzigte Bote hatte wenig Schwierigkeit, Herrn Pens Wohnung aufzufinden. Der verschwiegene Morgan hatte seinerzeit Leute ausgespürt, die bei weitem schwieriger aufzufinden waren, als Arthur.

»Was für eine Art Platz ist es, Morgan?« fragte der Major am nächsten Morgen aus den Bettvorhängen in Bury Street hervor, als der Kammerdiener seinen Anzug in dem dicken gelben Londoner Nebel ordnete.

»Ich möchte sagen, ein Ort, wo man nicht gerne hingeht,« sagte Herr Morgan. »Die Advokaten wohnen dort und haben ihren Namen an den Türen. Herr 82 Harthur wohnt drei Treppen hoch, Herr. Herr Warrington wohnt auch dort.«

»Die Warringtons von Suffolk! Sollte mich nicht wundern, eine gute Familie,« dachte der Major. »Die jüngeren Söhne vieler unserer guten Familien streben jetzt nach der Robe und dem Advokatenberufe. Schöne Zimmer, wie?«

»Sah bloß die Außenseite der Tür, Herr, wo Herrn Warringtons und Herrn Harthurs Name drauf geschrieben stand, und ein Stück Papier mit ›Hinten auf Nr. 6‹; aber ich konnte keinen Bedienten sehen, Herr.«

»Jedenfalls also sparsam eingerichtet,« sagte der Major.

»Sehr, Herr. Drei Treppen, Herr. Häßliche schwarze Treppen, wie ich sie in meinem Leben nicht gesehen. Wundre mich, wie ein Gentleman an so einem Orte leben kann.«

»Willst du mir wohl gefälligst sagen, Morgan, wer dich gelehrt hat, wo ein Gentleman wohnen oder nicht wohnen kann? Herr Arthur, mein Lieber, will sich zum Advokaten ausbilden,« sagte der Major sehr würdevoll und schloß damit die Unterhaltung und begann sich in dem gelben Nebel anzukleiden.

»Jungens bleiben Jungens,« dachte der besänftigte Onkel bei sich. »Er hat mir einen verteufelt netten Brief geschrieben. Colchicum sagt, er hätte ihn bei Tische gehabt und hält ihn für einen jungen Gentleman. Seine Mutter ist eins der besten Geschöpfe der Welt. Wenn er sich die Hörner abgelaufen hat und bei seinem Beruf bleibt, so kann doch noch etwas Gutes aus ihm werden. Brauche nur an Charles Mirabel, den alten 83 Narren, zu denken, der seine Flamme geheiratet hat, diese Fotheringay! Er mag nicht hierherkommen, bis ich ihm nicht Erlaubnis gebe, und setzt mir das in einer recht männlichen netten Art auseinander. Ich war verteufelt böse auf ihn nach seinen Dummheiten in Oxbridge und habe es ihm auch gezeigt, als er das letzte Mal hier war – weiß Gott, ich will hingehen und ihm einen Besuch machen, ich will mich hängen lassen, wenn ich's nicht tue.«

Und nachdem er sich von Morgan hatte versichern lassen, daß er den Tempel ohne große Schwierigkeit erreichen könnte und daß ein Cityomnibus ihn an dem Tore absetzen würde, stieg der Major eines Tages nach dem Frühstück in seinem Klub – nicht dem Polyanthus, von dem Herr Pen eben Mitglied geworden, sondern einem anderen Klub, denn der Major war zu klug, um einen Neffen zum steten Genossen in einem Hause zu haben, wo er seine Zeit zu verbringen pflegte – stieg also der Major eines Tages in eins jener öffentlichen Vehikel und hieß den Schaffner ihn am Tor des oberen Tempels absetzen.

Als Major Pendennis dieses verräucherte Portal erreichte, war es etwa zwölf Uhr mittags, und er wurde von einer höflichen Person mit einem Amtszeichen und einer weißen Schürze durch verschiedene düstere Gänge, und unter mehreren melancholischen Schwibbögen im Hofe geführt, von denen einer immer noch trauriger als der andere war, bis er endlich Lamb Court erreichte. Wenn es aber dunkel in Pall Mall war, wie dunkel war es erst in Lamb Court. Kerzen brannten in vielen Stuben dort – in der Rechtsschule des Herrn Hodgeman, 84 des Stubenadvokaten, dessen sechs Schüler bei Talglicht Deklarationen kritzelten; in Sir Hokey Walkers Schreiberstube, wo der Schreiber, eine bei weitem noblere und angenehmer anzuschauende Persönlichkeit, als der berühmte Anwalt, sein Prinzipal, sich mit gönnerhafter Miene mit dem Geschäftsführer eines Sachwalters an der Tür unterhielt, und in Curlings, des Perückenmachers düsterem Laden, wo hinter dem schwachen Schimmer von ein paar Lichtern gewaltige Perücken von Sachwaltern erster Klasse und Richtern trübselig sichtbar waren, während die von ihnen nicht bedeckten Stöcke nach dem Laternenpfahle in den Hof hinausschauten. Zwei kleine Schreiber spielten Pennywerfen unter dieser Lampe. Eine Waschfrau in Holzschuhen ging in die eine Tür hinein, ein Zeitungsjunge kam aus der anderen heraus. Ein Portier, dessen weiße Schürze schwach sichtbar war, schritt auf und ab. Es würde unmöglich sein, sich einen trostloseren Ort zu denken, und der Major schauderte bei dem Gedanken, daß eine Menschenseele sich solche Wohnung ausgesucht haben sollte. »Guter Gott!« sagte er, »der arme Junge darf hier nicht wohnen bleiben.«

Die matt und spärlich brennenden Oellampen, mit denen die Treppen des oberen Tempels bei Nacht erleuchtet sind, erhellten natürlich die Stufen nicht bei Tage, und nachdem Major Pendennis auf der Mauer von Nr. 6 mit Mühe den Namen seines Neffen unter dem von Herrn Warrington gelesen, hatte er noch größere Mühe, die entsetzlich dunkle Treppe heraufzuklimmen. Von schmerzlichen Gefühlen übermannt, griff er sich an dem Geländer, dessen feuchte Ausschwitzungen sich seinen Handschuhen mitteilten, bis in den dritten Stock hinauf. 85 Ein Licht brannte hier in dem Gange zwischen den beiden Zimmerreihen; die Türen waren offen und die Namen von Herrn Warrington und Herrn A. Pendennis wurden dem Major beim Eintreten deutlich sichtbar. Eine irische Aufwärterin mit einem Mülleimer und einem Besen öffnete die Tür für den Major. »Ist das das Bier?« schrie eine laute Stimme, »her mit dem Stoff!«

Der Gentleman, der sprach, saß auf einem Tische, unrasiert, und eine kurze Pfeife rauchend; in einem entfernteren Stuhle saß Pen mit einer Zigarre und hielt die Beine nach dem Feuer ausgestreckt. Ein kleiner Junge, der als Schreiber dieser Gentlemen fungierte, grinste dem Major bei dem Gedanken, daß man ihn irrtümlicherweise für das Bier gehalten, ins Gesicht. Hier im dritten Stock waren die Zimmer etwas heller, und der Major konnte den Ort erkennen.

»Pen, mein Junge, ich bin es – dein Onkel ist es,« sagte er, indem er vor dem Rauche zurückfuhr. Aber da die meisten jungen Leute von Welt sich des Knasters zu bedienen pflegten, so verzieh er den Gebrauch desselben ziemlich leicht.

Herr Warrington sprang vom Tische, und Pen mit sehr verlegener Miene von seinem Stuhle. »Bitte um Verzeihung, daß ich Sie für etwas anderes gehalten habe,« sagte Warrington mit aufrichtiger lauter Stimme. »Wollen Sie eine Zigarre annehmen, mein Herr? Nimm diese Dinge da vom Stuhle fort, Pidgeon, und schieb ihn nach dem Feuer hin.«

Pen warf seine Zigarre in den Kamin und freute sich über die Herzlichkeit, mit welcher sein Onkel ihm die Hand schüttelte. Sobald der Major nach dem 86 Treppensteigen und dem Rauche wieder sprechen konnte, begann er Pen sehr freundlich über sich und seine Mutter auszufragen, denn Blut ist nun einmal Blut, und er freute sich, den Jungen wiederzusehen.

Pen berichtete ihn und stellte ihm dann Herrn Warrington vor – einen alten Bonifazer – dessen Zimmer er mit ihm teilte.

Der Major war sehr zufrieden, als er hörte, daß Herr Warrington ein jüngerer Sohn von Sir Miles Warrington aus Suffolk sei. Er hatte mit einem Onkel von ihm vor Jahren in Indien und Neu-Südwales gedient.

»Legte eine Schäferei dort an, Herr Major, erwarb sich ein Vermögen – besseres Ding das, als Advokat oder Soldat zu sein,« sagte Warrington. »Denke, ich werde noch selber hingehen.« Und da hier das erwartete Bier in einem Deckelkruge mit Glasfuß hereinkam, sagte Herr Warrington lachend, er setze voraus, der Major wolle nichts davon haben, und tat selbst einen langen und tiefen Zug, nach welchem er sich seinen Bart mit großem Behagen mit der Hand strich. Der junge Mann war vollkommen ungezwungen und ohne alle Verlegenheit. Er war in eine zerschlissene alte Jagdjoppe gekleidet und hatte einen starken blauschwarzen Bart. Er trank Bier wie ein Kohlenträger, und doch mußte man ihm zugestehen, daß er ein Gentleman war.

Nachdem er nach seinem Zuge noch ein paar Minuten sitzen geblieben war, ging er aus dem Zimmer, um es Pen und seinem Onkel zu überlassen, damit sie, falls sie Lust dazu hätten, sich über Familienangelegenheiten unterhalten könnten. 87

»Rauh und gerade scheint dein Stubengenosse zu sein,« sagte der Major. »Etwas verschieden von deinen stutzerhaften Freunden, die du in Oxbridge hattest.«

»Die Zeiten haben sich geändert,« entgegnete Arthur errötend. »Warrington ist eben erst Advokat geworden, und hat nichts zu tun, aber er kennt sein Fach ziemlich gut, und ehe ich's dahin bringe, bei einem Sachwalter zu studieren, benutze ich seine Bücher und lasse mir von ihm helfen.«

»Ist das eines von den Büchern?« fragte der Major mit einem Lächeln. Eine französische Novelle lag zu den Füßen von Pens Stuhl.

»Heut ist kein Arbeitstag, Herr Onkel,« sagte der junge Mann. »Wir waren gestern nacht sehr lange in einer Gesellschaft – bei Lady Whiston,« fügte Pen hinzu, der seines Onkels schwache Seite kannte. »Die ganze Stadt war dort, außer Ihnen, Onkel; Grafen, Gesandte, Türken, Hosenbandritter – ich weiß nicht, wer noch alles – es steht alles in der Zeitung – auch mein Name,« sagte Pen mit großem Stolze. »Ich traf eine alte Flamme von mir dort,« setzte er lachend hinzu. »Sie wissen, wen ich meine, Onkel – Lady Mirabel – zu der ich wieder eingeladen wurde. Sie gab mir die Hand und war sehr gnädig. Ich muß Ihnen danken, daß Sie mich aus dieser Patsche herausbrachten. Sie stellte mich auch ihrem Gemahl vor – einem alten beau mit einem Ordenssterne und einer blonden Perücke. Er sieht nicht sehr klug aus. Sie hat mich gebeten, sie zu besuchen, und ich kann jetzt hingehen, ohne zu fürchten, daß ich mein Herz verliere.«

»Was, wir haben etliche neue Liebesgeschichten 88 gehabt, nicht wahr?« fragte der Major in der besten Laune der Welt.

»So etwa zwei oder drei Stück,« sagte Herr Pen lachend. »Aber ich lege meinen allerfeierlichsten Ernst nicht mehr hinein. Das geht nach der ersten Flamme weg.«

»Sehr richtig, mein lieber Junge. Flammen und Seelenschmerzen und Leidenschaftlichkeit und dgl. mehr machen sich bei einem Jungen recht gut, und du warst noch ein Junge, als die Geschichte mit der Fotheringill-Fotheringay (wie hieß sie doch?) passierte. Aber ein Mann von Welt gibt diese Torheiten auf. Es kann sich mit dir immer noch recht gut machen. Du bist einmal getroffen, aber du kannst wieder gesund werden. Du bist Erbe von einem kleinen Besitztum, von dem jeder sich einbildet, daß es zehnmal größer ist, du hast einen guten Namen, guten Verstand, gutes Benehmen und ein gutes Aussehen – und, weiß Gott! ich sehe nicht ein, warum du nicht eine reiche Frau heiraten – ins Parlament kommen – dich auszeichnen, und – und, kurz dgl. mehr solltest. Bedenke, es ist ebenso leicht eine reiche Frau zu heiraten, als eine arme, aber ein verteufeltes bißchen angenehmer, sich zu einem guten Diner niederzusetzen, als zu einer Portion Hammelkotelettes in einer Mietswohnung. Das laß dir gesagt sein. Ein Frauenzimmer mit einer guten Mitgift ist ein zehnmal leichterer Beruf, als die Advokatur, das kannst du mir glauben. Sieh dich um, ich werde für dich acht geben, und ich werde zufrieden sterben, mein Junge, wenn ich dich mit einer netten vornehmen Frau, einer hübschen Kutsche mit einem Paar hübscher Pferde in der guten Gesellschaft 89 leben und deine Freunde als Gentleman empfangen sehen kann.« So sprach dieser liebevolle Onkel und setzte Pen seine einfache Philosophie auseinander.

»Möchte wissen, was meine Mutter und Laura dazu sagen würden,« dachte der junge Mensch. Und in der Tat, die Moral des alten Pendennis war nicht die ihre, noch war seine Weisheit die ihre.

Diese zärtliche Unterhaltung zwischen Onkel und Neffen war kaum beendigt, als Warrington aus seinem Schlafzimmer kam, nicht länger armselig, sondern wie ein Gentleman gekleidet, hoch und schlank und vollkommen ungezwungen und gutgelaunt. Er benahm sich gegen den Besuch in seinem armseligen Wohnzimmer mit so viel Gewandtheit, als ob es das feinste Gemach in ganz London gewesen wäre. Und es waren allerdings wunderliche Zimmer, in denen der Major seinen Neffen fand. Der Teppich war voller Löcher – der Tisch mit einer Menge von Kreisen befleckt, die von Warringtons Aletöpfen herrührten. Es war da eine kleine Bibliothek von Rechtsbüchern, Dichtungswerken und Mathematikbüchern, die er sehr liebte. (Er war einer der tüchtigsten Trinker, aber auch der tüchtigsten Arbeiter seiner Zeit in Oxbridge gewesen, wo der Name »Haupthahn Warrington« noch jetzt berühmt war wegen seiner Geschicklichkeit im Prügeln von Bootsknechten, in Spielen aller Art, im Gewinnen von Preisen und Trinken von Milchpunsch.) Ein Kupferstich, der das alte Kollegiat darstellte, hing über dem Kaminsims und verschiedene abgeschabte Bände von Platos Schriften, die sein wohlbekanntes Wappen trugen, standen auf dem Bücherbrette. Es befanden sich im Zimmer zwei 90 Lehnstühle, ein Stehpult, auf dem ein Haufen Rechnungen lag, und ein paar sehr magere Aktenhefte auf einem Studiertische mit zerbrochenen Beinen. Tatsächlich war kaum ein Stück des Meublements, das nicht in der Schlacht gewesen und verwundet worden war. »Sehen Sie aber hier, mein Herr, hier ist Pens Zimmer. Er ist ein feines Herrchen und hat Vorhänge an seinem Bett, trägt glänzende Stiefel und hat ein silbernes Toilettennecessaire.« In der Tat war Pens Zimmer etwas kokett geordnet, und ein paar hübsche Kupferstiche, Operntänzerinnen darstellend, sowie eine Zeichnung von Fairoaks hingen an der Wand. In Warringtons Zimmer befand sich kaum ein Stück Hausgerät, ausgenommen eine große Douche und ein Haufen Bücher neben dem Bette, wo er auf Stroh lag wie Margery Daw, seine Pfeife schmauchte und die halbe Nacht hindurch seine Lieblingsdichter oder Mathematiker studierte.

Als er seinen einfachen Anzug vollendet, trat Herr Warrington aus seinem Zimmer und schritt zu dem Speiseschranke, um sein Frühstück zu suchen.

»Darf ich Ihnen ein Hammelkotelette anbieten, Herr? Wir bereiten sie selbst, und ich lehre Pen zu gleicher Zeit die ersten Prinzipien der Rechtskunde, der Kochkunst und der Moralität. Er ist ein fauler Schlingel, Herr Major, und zu sehr Stutzer.«

Und mit diesen Worten wischte Herr Warrington ein Kasserolle mit einem Stück Papier aus, setzte es aufs Feuer, legte zwei Hammelkoteletten hinein und nahm aus dem Speiseschranke ein paar Teller und einige silberne Messer und Gabeln und andre Speisegeräte.

»Brauchen nur ein Wort zu sagen, Major 91 Pendennis,« sagte er, »es ist noch ein Kotelette im Speiseschranke, oder Pidgeon soll gehen und Ihnen holen, was Sie wollen.«

Major Pendennis saß verwundert und belustigt da, aber er sagte, er hätte eben erst gefrühstückt und wollte durchaus nichts essen. So bereitete denn Warrington die beiden Koteletten und legte sie zischend heiß auf die Teller. Pen fiel, nachdem er seinen Onkel angesehen und bemerkt hatte, daß der Gentleman noch immer guter Laune war, mit gutem Appetit über seine Koteletten her.

»Sie sehen, Herr,« sagte Warrington, »Frau Flanagen ist nicht hier, um die Koteletten zu machen, und wir können den Jungen nicht dazu benutzen, denn der kleine Wicht ist den ganzen Tag damit beschäftigt, Pens Stiefel zu putzen. Und nun noch einen Trunk Bier. Pen trinkt Tee, aber der taugt nur für alte Weiber.«

»Also Sie waren gestern Abend im Hause der Lady Whiston,« sagte der Major, der in Wahrheit nicht wußte, welche Bemerkung er zu diesem ungeschliffenen Diamanten machen sollte.

»Ich bei der Lady Whiston! Solch ein Geck bin ich nicht, Herr. Ich kümmere mich nicht um Weibergesellschaft. Sie langweilt mich tatsächlich. Ich verbrachte meinen Abend philosophisch im Küchenstübchen.«

»Im Küchenstübchen? Was Sie sagen!« sagte der Major.

»Ich sehe, Sie wissen nicht, was es bedeutet,« sagte Warrington. »Fragen Sie Pen. Er war nach der Gesellschaft bei Lady Whiston dort. Erkläre Major Pendennis, was das Küchenstübchen ist, Pen – brauchst dich nicht zu schämen.« 92

So sagte denn Pen, es wäre eine kleine ausgelassene Gesellschaft von Schriftstellern und Modeleuten, in die er eingeführt worden, und der Major begann zu begreifen, daß der junge Mann ein hübsches Stück Welt gesehen hätte, seit er in London angekommen.



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