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Rom ist auch nicht an einem Tag gebaut worden

Der Direktor der Giselaschule in Krems ist ein kleiner, dicker Mann, der, was ihm an Körpergröße fehlt, durch Würde ersetzt: jeder Zoll ein Pestalozzi.

»Es ist Ihre erste Stellung«, sagt er zu Marianne, »ich glaube, ohne Selbstlob sagen zu können, daß Sie an eine Musteranstalt kommen. Nehmen Sie es nicht für Überhebung, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache, daß noch keine Inspektion vorübergegangen ist, ohne uns uneingeschränkte Anerkennung eingetragen zu haben. Sie werden hier einen Lehrkörper finden, der jedem anderen, in Niederösterreich zumindest, ebenbürtig ist, ich hoffe, daß Sie sich gut in ihn einfügen werden, und heiße Sie in diesem Sinne herzlich willkommen.«

Nach dieser Ansprache reicht er Marianne den kleinen, feuchten Schwamm, der seine Hand vorstellen soll, und das hat Marianne nur der persönlichen Empfehlung zu verdanken, mit der ihr der Herr Landesschulinspektor Fieber hier den Weg geebnet hat. Sonst pflegt der Herr Direktor Wösel den Herren und Damen vom Lehrkörper nämlich nicht die Hand zu reichen, wenn er mit jemandem spricht, so legt er seine beiden Schwämme auf den Rücken und knetet den einen mit dem andern, als wolle er die Feuchtigkeit aus ihnen herausdrücken, und wenn er jemanden verabschiedet, so genügt ein kurzes Kopfnicken.

Aber man muß auch Unterschiede zu machen wissen.

Marianne ist also an der Giselaschule gut eingeführt, und der Lehrkörper merkt es auch gleich in der ersten Vorbesprechung.

Der Herr Direktor stellt die neue Lehrkraft mit geradezu verbindlichen Worten vor und betont, er wünsche, daß man ihr in jeder Weise entgegenkomme und ihr bei Überwindung der ersten Schwierigkeiten behilflich sei. Er gibt auch seiner Überzeugung Ausdruck, daß sie dazu beitragen werde, den guten Ruf der Anstalt zu mehren.

Der Lehrkörper weiß also, wie er sich zu verhalten hat. Während der Ansprache des Direktors sieht Marianne allgemeines Wohlwollen aufkeimen, und selbst Fräulein Pöpperl, die »saure Gurke«, wie sie von ihren Schülern genannt wird, verzieht ihr Gesicht zu etwas, was sie für ein Lächeln hält. Es ist aber vor allem ein Augenpaar, das Marianne einfangen und für sich haben möchte und um ein Erkennungszeichen bettelt, um eine Bekundung, daß Othmar Haberdietzl Marianne nähersteht als irgendein Unbekannter.

Marianne aber macht nichts dergleichen. Sie meint, es schicke sich nicht, gleich von vornherein mit Haberdietzl vertraut zu sein. Und erst als sie der Herr Direktor von einem der Kollegen zum andern führt und die Namen genannt werden, muß sie Haberdietzl ihre Hand länger überlassen als den anderen.

»Ich freue mich, ich freue mich ja so sehr«, stottert Haberdietzl und ist sehr erregt.

»Ich freue mich auch«, sagt Marianne und ist nett und verbindlich.

Und die Herren und Damen vom Lehrkörper lächeln. Denn nun bestätigt sich ja die Richtigkeit dessen, was ihnen Haberdietzl oft genug erzählt hat.

»Ach ja«, besinnt sich nun auch der Direktor Wösel leutselig, »Sie waren es ja, die unseren Haberdietzl gepflegt hat, als er auf der Hütte, wie hieß sie doch ...«

»Jahnhütte«, wirft Haberdietzl eilig ein.

»Richtig: Jahnhütte – krank gelegen ist. Ja, ja, die Berge haben ihre Tücken.«

Und dann setzt der Herr Direktor hinzu: »Aber auch das Wasser hat sie ...«

Da dürfen die Herren und Damen vom Lehrkörper mit dem Lachen laut herausplatzen, ja, sie müssen es, denn der Herr Direktor hat einen Witz gemacht; und auch Othmar Haberdietzl meckert ein wenig mit und wird sehr rot dabei.

Dann gehen die Lehrkräfte in ihre Klassen, und Marianne Mack wird vom Herrn Direktor in die erste Klasse geführt und den Kindern vorgestellt. Und dann findet der Schulgottesdienst statt. Marianne sitzt in der ersten Bank der Abteilung rechts, und immer, wenn sie den Blick hebt und nach links richtet, dann sieht sie einen ergebenen und maßlos beglückten Menschen in der ersten Bank der Abteilung links. Ja, Othmar Haberdietzl kann sich sogar in der Kirche nicht beherrschen. Es ist zuviel für ihn. Da ist ihm nun der erste Wunschtraum Krems in Erfüllung gegangen und sobald darauf auch der zweite. Er muß dort oben, wo die Menschenschicksale entschieden werden, offenbar einen besonderen Stein im Brett haben.

Nachdem der Gottesdienst zu Ende ist, taucht an Mariannes Seite auch sogleich der Kollege Haberdietzl auf.

»Haben Sie schon eine Wohnung?« fragt er.

Marianne hat schon eine Wohnung, bei einem Kanzleidirektor Wunsch. Von seinen vier Kindern studiert nun das älteste in Wien, da ist ein eingerichtetes Zimmerchen frei geworden.

»Wunsch!« sagt Haberdietzl, »das ist doch merkwürdig.«

»Was ist da merkwürdig? Warum soll er nicht Wunsch heißen?«

»Ich meine nur ...«, stottert Haberdietzl verlegen. Er hat sich selbst in die Verlegenheit geritten, denn nun kann er es durchaus nicht ausquetschen, was er meint; es ist eine in Worten gar nicht ausdrückbare Verbindung zwischen ihm und Marianne vorhanden dadurch, daß sie nun ausgerechnet bei einer Familie namens Wunsch wohnt.

»Darf ich Sie heimbegleiten?« erkundigt sich Haberdietzl geradezu tollkühn.

Warum soll Haberdietzl Marianne nicht heimbegleiten? Gewiß darf er es! Aber Marianne muß vorher noch auf die Post gehen. Es ist ein Umweg. Du lieber Gott, Haberdietzl wüßte nicht, was er jetzt lieber machte als Umwege.

Sie gehen auf die Post. Marianne kauft eine Postanweisung und gibt Geld auf, und die Postanweisung hat sie mit Archibald Douglas unterzeichnet. So, das wäre in Ordnung, und nun kann Othmar Haberdietzl Marianne heimbegleiten.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich ich bin«, versichert er überflüssigerweise.

»Ich freue mich ja auch, hier einen Bekannten gefunden zu haben«, glaubt Marianne dämpfen zu müssen.

»Wissen Sie ... die Kollegen lachen über mich. Sie haben es ja gehört. Sie machen sich lustig über meine Wasserskier. Ich habe unlängst wieder eine Fahrt auf der Donau unternommen und bin mit den Skiern umgekippt, aber ich schwimme ja wie eine Wasserratte. Es gibt Rückschläge ... natürlich ... kein vernünftiger Mensch wird sich darüber wundern. Rom ist auch nicht an einem Tag gebaut worden. Und eine solche Erfindung steht nicht sofort fix und fertig da, wie Pallas Athene aus dem Haupt des Zeus gesprungen ist. Man muß Geduld haben. Einmal bin ich doch schon mit meinen Skiern bis zum Donauknie bei Hollenburg gekommen. Aber das zählt nicht, wenn man einen solchen Teilerfolg hat. Die meisten Leute freuen sich darüber, wenn etwas mißlingt ... das wird dann breitgetreten. Ach was, sollen sie lachen ... das alles hat ja jetzt nichts zu sagen, da ... da ja nun Sie hier sind.«

Marianne merkt, daß sich Haberdietzl an sie klammern wird und daß sie ihm Halt und Bestätigung geben soll. Und sie hat auch schon heraus, wie es sich mit ihm verhält und welche Stellung er hier einnimmt: es ist eine komische Rolle, die man ihn spielen läßt, im besten Fall eine tragikomische Rolle.

Er tut Marianne leid, der arme Kerl. Er ahnt in seiner Seligkeit nicht, daß dies hier für Marianne nur ein Übergang ist, ein Zwischenspiel, eine Sache ohne langen Bestand. Wie lange es dauern wird, kommt nicht auf sie an und nicht auf Othmar Haberdietzl, sondern auf jemand anderen.

Mariannes Wohnung liegt in einer der nichtssagenden neuen Straßen, die vor lauter schnurgerader Protzigkeit unsagbar nüchtern sind. Die Häuser sehen so aus, als hätte der Baumeister ihre Zierformen im Resteausverkauf eines Baustilgeschäftes erworben.

Haberdietzl maßt sich natürlich kein Urteil an. Im Gegenteil, er äußert sich anerkennend darüber, wie licht und luftig es sich da wohnen müsse. »Sehen Sie«, meint er, »das ist es ja, was mir in meiner Wohnung fehlt ... ich wohne nämlich ziemlich düster und beengt. Aber dafür wohne ich im romantischsten Winkel von ganz Krems. Was glauben Sie, wo?« Er macht eine Pause und spielt dann seinen Trumpf aus: »Im Sängerhof ...«

Marianne weiß nicht, was es mit dem Sängerhof für eine Bewandtnis hat, dazu kennt sie die Stadt noch zuwenig, aber sie versteht, daß Haberdietzl damit wieder auf einen besonderen Glücksfall anspielt.

»Das müssen Sie sich ansehen«, fährt er begeistert fort, »Sie müssen mich einmal besuchen ... man hat mir im Hof auch eine Werkstätte eingeräumt ...«

»Ja«, sagt Marianne, »gewiß werde ich Sie einmal besuchen.«

Mit diesem Versprechen in der Tasche geht Haberdietzl ab, beglückt und erwartungsfroh wie das Kind vor Weihnachten.

Am nächsten Tag beginnt der Unterricht, und das gelinde Bangen, mit dem Marianne der ersten Stunde entgegengesehen hat, weicht bald einer guten Zuversicht und einem freudigen Eifer. Sie hat es zumeist mit gutartigen Kindern zu tun. Nicht ein einziger Fred, nicht eine einzige Margot ist darunter. An denen hat ja Marianne damals eine harte Vorschule durchgemacht.

Jetzt schauen soundso viele klare Augenpaare zu ihr auf. Es ist ein Vergnügen, sie zum Leuchten zu bringen. Muß man denn die Schule zu einem düsteren Ort des Schreckens machen? Geht es nicht auch mit Heiterkeit und ein wenig Lachen?

»Nun, wie sind Sie mit Ihren Rangen ausgekommen?« fragt Fräulein Pöpperl, die »saure Gurke«, im Lehrerzimmer.

»Ich finde die Kinder reizend ... und ich glaube, wir werden uns bald sehr gut verstehen.«

Der Kollege Bretschneider hebt seinen graugemengten Rauschebart von dem Stoß heften auf, in denen er mit dem Rotstift herumsäbelt: »Auf das Verstehen kommt es nicht an, mein liebes Fräulein Mack«, sagt er, »worauf es ankommt, das ist der Respekt, den die Fratzen vor uns haben müssen. Man muß die Zügel fest in der Hand halten. Respekt! Respekt!! Sie sind eben noch sehr jung, mein liebes Fräulein Mack!«

»Das ist es eben«, sagt der Kollege Zangerl, »die Kinder haben eben nun einmal eine Vorliebe für junge, hübsche Lehrerinnen. Die haben es leichter ...«

Klaps, haben die Kolleginnen Pöpperl und Strippe eins weg. Der Lehrer Zangerl zündet sich seine Zigarette an und bläst herausfordernd den Rauch über den grünen Tisch. Er ist der Turnlehrer, selber nicht viel älter als Marianne, und es bereitet ihm ein Vergnügen, sich durch solche Klapse unbeliebt zu machen.

Othmar Haberdietzl platzt in die Schwüle, steuert auf Marianne los und zieht sie ans Fenster: »Da habe ich etwas für Sie!« Es ist ein Zeitungsblatt, und gleich auf der zweiten Seite steht ein langes und breites über den Erstdurchstieg der Totenhorn-Südwand, verfaßt von Franz Saliger. Er muß sich nun endlich sehr beeilt haben, den Bericht zu schreiben, »Auf Aufforderung der Schriftleitung«, wie es im Eingang heißt, und das Blatt hat sich ebenso beeilt, den Bericht zu bringen. Sogar ein Bild ist dabei; zwar nicht aus der Wand selbst, das ist ja unwiederbringlich versäumt, aber sie sind ja nachher von allerhand Leuten oft genug geknipst worden. Es ist eigentlich ein entsetzliches Bild, eine Ehrenbeleidigung von Bild, Saliger und Marianne stehen da nebeneinander, zwei Mohren, gräßlich anzusehen, die eigenen Eltern würden sie ohne die Unterschrift nicht erkannt haben.

Über Mariannes linke Schulter reckt sich der Entenschnabel des Fräulein Pöpperl, und über ihrer rechten weht der Rauschebart des Kollegen Bretschneider. »Wir haben ja jetzt eine sehr berühmte Kollegin unter uns!« säuert Fräulein Pöpperl.

»Machen Sie sich nichts daraus«, meint Haberdietzl beim Heimgang, als ihm Marianne ein wenig kleinlaut Bericht erstattet, »lassen Sie sich nur nicht irremachen. Die Kollegen meinen es gewiß nicht schlecht, sie sind vielleicht nur ein klein wenig verkalkt. Sie sind schon auf dem rechten Weg, Marianne, ich mache es genau so. Jetzt lassen sie mich in Ruhe.«

Und ob Marianne nicht morgen am schulfreien Samstagnachmittag Lust hätte, sich von ihm ein wenig das alte Krems zeigen zu lassen.

Marianne hat Lust dazu, und nun wird ihr das alte Krems gezeigt. Haberdietzl macht es ganz ähnlich wie Saliger mit dem alten Salzburg, darin haben sie beide denselben Geschmack. Sie bekommt die alte Burg zu sehen und die Häuser mit den Sgraffito-Malereien, ganze Bilderbücher stehen da auf den Wänden; und alle die lieben engen Gäßchen mit den lustigen Schwibbogen, und dann muß sie von der Höhe der Piaristenkirche den Blick auf die Donau machen mit der Langen Brücke von Stein nach Mautern und dem Stift Göttweig auf seinem Berg drüben am andern Ufer.

Othmar Haberdietzl aber, der Schlaumeier, hat seinen Rundgang so geführt, daß sie ganz zuletzt vor dem Sängerhof stehen, wo er wohnt. Es dämmert schon, und so liegt der alte Winkel ganz in der Düsternis. Hier ist das leibhaftige Mittelalter daheim. Auf Kragsteinen schieben sich Erker vor, winzige Fensterluken sitzen in den Wänden, und die Häuser stehen so gedrängt, daß nur gerade im Winkel, wo sie zusammenstoßen, unter einem Bogen ein schmaler Eingang bleibt.

Das Ganze steht auf einer Rampe wie auf einer Bühne, und Haberdietzl hat es mit aller Tücke so eingerichtet, daß eben, als sie die Stufen der Rampe hinaufsteigen, da und dort ein Licht in den Fenstern angeht.

»Ach«, sagt Marianne, indem sie stehenbleibt, »Sie wissen gar nicht, wie sonderbar mich das berührt, wissen Sie ... es war mir eben, als sähe ich meinen Lampenschirm vor mir ... da habe ich nämlich einmal als Kind meinem Vater zum Geburtstag einen Lampenschirm geklebt. Er hat auch eine alte Stadt mit solchen alten Häuschen vorgestellt. Die Fenster waren ausgeschnitten und mit rotem und gelbem Seidenpapier verklebt, wenn dann das Licht dahinter anging, dann leuchteten die vielen Fensterchen auf, genau so wie hier. Der Schirm war für meines Vaters Schreibtischlampe bestimmt ... er war natürlich ein Scheusal ... aber mein Vater hat ihn jahrelang benützt, bis er alt und morsch auseinandergefallen ist.«

Gut – Mariannes Lampenschirm mag ein Scheusal gewesen sein, aber in diesem Augenblick trägt die verklärte Erinnerung an ihn sehr dazu bei, daß Marianne dieser Sängerhof und seine Umgebung ganz wie ein Stück Kinderland vorkommt.

Und es zeigt sich in diesem Augenblick, daß Haberdietzl auch ein Schelm ist, der Gelegenheiten beim Schopf zu ergreifen versteht, »wollen wir nicht«, fragt er lächelnd, »in Ihren ... in Ihren Lampenschirm hineingehen? Wie wäre es? Sehen Sie sich doch gleich meine Bude an ... wenn wir schon einmal hier sind ...«

Es ist natürlich kein triftiger Grund vorzubringen, warum Marianne nicht ebensogut heute wie ein anderes Mal Haberdietzls Bude besichtigen sollte.

Zunächst treten sie unter dem Bogen in den Hof, und dort ist es eben so, wie es Raumenge und Lebensbedürfnisse kleiner Leute mit sich bringen. Allerhand Verschläge und Schuppen beherbergen Holzvorräte und Gerümpel, und dazwischen sind richtige Mistwinkel, die nicht nach Veilchen und Rosmarin duften. Eine hölzerne Treppe führt zu einem Laubengang im ersten Stock, und unter der Treppe ist eine feste Tür mit einem Vorhängeschloß, das Haberdietzl aufsperrt.

»Zuerst müssen Sie meine Werkstätte ansehen«, sagt er und knipst das Licht an. Das scheint nun eine kleine Schlosserei und Tischlerei zu sein mit einem für den Laienblick unentwirrbaren Durcheinander von Geräten; und was da an dem Werktisch lehnt, das sind wohl die berühmten Wasserskier. Marianne erkennt sie nach den Zeichnungen und Lichtbildern, die ihr Haberdietzl gesandt hat. Es sind eigentlich bloß zwei kleine, lange, schlanke Kähne.

»Sie ahnen nicht«, sagt Haberdietzl, der Mariannes Gedanken errät, ganz aufgeregt, »... nun ja, es sieht ja nach nichts Besonderem aus ... aber Sie ahnen nicht, welche Mühe das gemacht hat, bevor ich soweit war. Der richtige Baustoff, Länge und Gewicht, Wasserverdrängung ... das mußte erst alles erprobt werden. Jetzt bestehen sie der Hauptsache nach aus Rohr, einem ganz bestimmten Rohr aus Indochina, und aus Fell ... Und die Dichtung ... ach, ich langweile Sie wohl.«

»Nein ... nein«, sagt Marianne gutmütig.

»Sehen Sie ... so trete ich hinein, und so ziehe ich das Fell um den Fuß zusammen ... nun schließt der Skier wasserdicht ab ... aber es gehört auch viel Übung dazu, eine ganz besondere Art von Technik ... Ach«, unterbricht er sich und hat auf einmal wieder seine bittenden Hundeaugen, »wenn ich sie Ihnen doch einmal vorführen dürfte ... würden Sie wohl morgen zur Donau kommen? Gleich morgens, wenn noch nicht so viele Leute um die Wege sind ... es ist Sonntag, da schlafen die Leute hier immer länger ... und wir sind beide morgen kirchenfrei ... dürfte ich Sie wohl abholen?«

Wirkt nun die Erinnerung an den Lampenschirm vielleicht noch immer in Marianne nach? Warum soll sie sich morgen Haberdietzls Wasserskier nicht vorführen lassen? Sie sagt zu und hat plötzlich ihre Hand zwischen Haberdietzls' beiden Händen und fühlt sie heftig gedrückt.

Und nun ist ja hier Haberdietzls Zweck erreicht, und sie steigen die hölzerne Treppe zum Laubengang hinauf, wo sich eine kleine elektrische Birne Mühe gibt, Beleuchtung vorzutäuschen. Auch hier steht allerhand Gerümpel herum, wie es die kleinen Leute vor die Tür stellen, um drinnen mehr Raum zu bekommen.

Eine alte Frau mit einem Kopftuch kommt irgendwoher aus der Dunkelheit und trägt einen verdeckten irdenen Topf an ihnen vorüber.

»Guten Abend, Frau Sammtband!« grüßt Haberdietzl, und die alte Frau schaut Marianne verwundert an und knurrt etwas.

»Das war meine Wirtin, Frau Sammtband«, flüstert Haberdietzl hinter ihr drein, »Hier, bitte!«

Da ist nun seine Bude, altväterlicher Hausrat verstellt die Wände, ein Schrank ist an die Verbindungstür zu Frau Sammtbands Zimmer gerückt, über dem Sofa hängt der verstorbene Herr Sammtband in zweifacher Ausführung. Einmal als Brustbild in voller Briefträgeruniform, zur Erinnerung an sein fünfundzwanzigjähriges Dienstjubiläum. Und das andere Mal inmitten vieler Kollegen mit Musikinstrumenten, als Mitglied der Postkapelle. Das Flügelhorn, das er geblasen hat, krümmt sich, von einem Lorbeerkranz umwunden, darüber an der Wand.

Marianne muß sich setzen, Haberdietzl rückt den Stuhl an den Tisch und kramt in einem Wandschränkchen. Mit einer Flasche und zwei Gläschen kommt er angerückt. »Echter Wachauer Marillenbrand«, sagt er und gießt ein, zu voll natürlich und ist nun ratlos, was zu tun sei.

»Das muß man so machen!« lacht Marianne, neigt sich vor und schlürft ab. »Jetzt geht's ... also prost!«

»Prosit, prosit, Fräulein Marianne! ... und ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind.«

»Und dies hier«, sagt Marianne und deutet auf die Zeichnungen, die den Tisch bedecken, »alles Wasserskier?«

Haberdietzl ist über den hohen Besuch unsagbar aufgeregt. »Ja – eine Junggesellenwirtschaft, nicht wahr?« Er schiebt den papierenen Wust vor Mariannes Platz zurück und schüttet natürlich sein zweites Gläschen aus. Auf Frau Sammtbands »brokatene« Tischdecke, du lieber Gott!

Aber Marianne weiß Rat. Sie holt Wasser aus der Kanne auf dem Waschtisch und reibt ein wenig und zaubert den Fleck weg. »Lassen Sie das jetzt trocken werden, dann merkt kein Mensch etwas. Ist Frau Sammtband so streng?«

»Nun ja ... sie hält auf ihre Sachen ... aber immer noch besser die Decke als dies hier.« Und Haberdietzl nimmt etwas aus dem papierenen Tischbelag, das ganz wie ein Lotterielos aussieht.

»Ein Los?«

»Ja ... ein Klassenlos. Sehen Sie: dies hier!« Haberdietzl tippt auf die Losnummer, als wolle er sie mit dem Finger aufspießen.

Eine Nummer, eine Losnummer wie jede andere. Marianne schaut Haberdietzl an und wartet auf die Erklärung.

»65 798«, sagt Haberdietzl strahlend, »wie gefällt Ihnen die Nummer?«

»Sagen Sie mir erst, was ich Besonderes daran finden soll.«

»Fällt Ihnen nichts daran auf?«

»Nein«, sagt Marianne etwas ungeduldig, »aber vielleicht wollen Sie es mir nicht sagen.«

»O ja, o doch ... nun der 6. 5., das ist Ihr Geburtstag, und der 7. 9., das ist mein Geburtstag, und der 8. Februar, das ist der Tag, an dem ich Ihre erste liebe Karte erhalten habe.«

Was das für eine auffallend liebe Karte gewesen sein soll, weiß Marianne nicht. Aber es ist jedenfalls ein großartiges Zahlengeheimnis! Eine magische Zahl sozusagen, die unbedingt das Glück herbeiziehen muß.

»Und woher wissen Sie denn meinen Geburtstag?« erkundigt sich Marianne.

»Aus den Akten!« Und Haberdietzl strahlt noch mehr, glücklicher Besitzer des Wissens um Mariannes Geburtstag. Der Schlaumeier, also in den Schulakten hat er geschnüffelt und den Direktor überlistet, alles, um Mariannes Geburtstag herauszubekommen.

»Glauben Sie nicht auch, daß dieses Los gewinnen muß? Es muß wohl gewinnen. Und wenn ich gewinne, so kann ich dann meine Überquerung des Kanals ausführen ... alle Welt wird dann von meinen Wasserskiern reden.«

Du lieber Himmel, wie kann all das in einem einzigen Menschen vereinigt sein, so viel Güte und Einfalt und Zuversicht? »Gewiß werden Sie dann in aller Leute Mund sein«, sagt Marianne und denkt, daß es ja darauf nicht ankomme, sie kann ja da ein wenig mitreden.

Und da sagt auch Haberdietzl schon: »Glauben Sie nicht, daß es mir darum zu tun ist ... es ist mir um die Sache.«

»Ja, das glaube ich Ihnen ... aber nun muß ich gehen.«

Haberdietzl darf nicht unbescheiden sein, er darf seinen hohen Gast nicht zurückhalten, Gott sei gepriesen, daß er überhaupt gekommen ist.

Marianne tritt ans offene Fenster. Es ist eine laue, stille Herbstnacht, unter dem Fenster liegt eine dunkle, steil abfallende Gasse, unten sieht man ein Stück der hell erleuchteten Hauptstraße, in die sie endet. Ein paar Mädchen kommen leise singend, langsamen Schrittes das Gäßchen hinauf. So eng benachbart ist hier das kleine Leben dem großen – was eben hier in Krems großes Leben heißt. Aber warum nicht – es reichen ja Fäden von hier über den Kanal bis nach England hinüber.

»Auf morgen also!« sagt Marianne und gibt Haberdietzl die Hand.

»Auf morgen!« Und damit verschwindet der Glanz aus Haberdietzls Bude, und der verstorbene Herr Sammtband schaut gekränkt und vorwurfsvoll auf den nassen Fleck auf seiner Gattin brokatener Decke um 3 Schilling 80 aus dem Ausverkauf bei Samuel Löwenbein. Jetzt, da Othmar Haberdietzl ohne Halt und Stütze ist, wird er ganz zerknirscht unter diesem Blick.

Übrigens hätte die Vorführung der Wasserskier anderen Tages vielleicht einen anderen Ausgang genommen, wenn es Haberdietzl nicht so eilig gehabt hätte, in die Anastasius-Grün-Gasse zu kommen. Er marschiert mit seinen Wasserskiern drauflos und denkt nicht daran, die Anschläge an den Straßenecken zu lesen. Ja, leider nimmt sich Othmar Haberdietzl nicht die Zeit, die Anschlagtafeln auch nur flüchtig anzusehen. Es hätte ja immerhin irgendein wohlmeinender Geist zur Stelle sein können, der Haberdietzl auf den Anschlag der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft aufmerksam gemacht hätte, auf dem zu lesen ist, daß an diesem Sonntag laut Fahrplan der letzte Dampfer fährt, ehe der Verkehr eingestellt wird.

Aber Haberdietzl hat es sehr eilig, er schaut nicht rechts und nicht links, und es ist kein wohlmeinender Geist da, der seine Aufmerksamkeit auf den Fahrplan lenkt. Die Wasserskier liegen auf einem kleinen zweirädrigen Wägelchen, das Haberdietzl hinter sich herzieht. Es macht immerhin einiges Aufsehen, wenn Haberdietzl mit seinem Wägelchen daherkommt, und das ist auch ein Grund, aus dem er so auf dem Trab ist. Die Erwachsenen sind freilich in dieser frühen Stunde nicht viel um die Wege, aber es ist doch schon eine ganze Anzahl Kinder auf den Beinen, und die freuen sich immer sehr, wenn sie Haberdietzl mit seinem Wägelchen zu sehen bekommen.

Sie rennen hinterdrein und schreien: »Wasserlaufer! Wasserlaufer!« Und wie Haberdietzl bei Mariannes Haus ankommt, hat er schon ein ansehnliches Häuflein hinter sich.

Marianne steht am Fenster und wartet, und wie sie Haberdietzls und seines Wägelchens und seiner Begleitung ansichtig wird, da beginnt ihr die Sache ein wenig peinlich zu werden. Dieser Haberdietzl ist ja offenbar eine stadtbekannte komische Figur, eine Art öffentlicher Belustigung.

Haberdietzl steht unten und kann nicht ordentlich grüßen, denn er hat eine Gummihaube auf dem Kopf, und so wedelt er nur ein verlegenes Winke-Winke zum Fenster hinauf.

Ja, nun bleibt wohl nichts andres übrig, als hinunterzugehen.

»Sie bringen sich ja gleich eine Menge Publikum mit«, sagt Marianne heiter.

Haberdietzl schaut schrecklich demütig und kläglich drein. »Das ist nun leider immer so«, gesteht er zaghaft. Was wird nun geschehen? Wird nun Marianne nicht vielleicht sagen: »Nein, ich danke, ich möchte mich nicht gern lächerlich machen, gehen Sie nur allein!«? Könnte ihr Haberdietzl das verdenken?

Marianne mustert die Schar hinter Haberdietzl, und dann geht sie auf die Kinder los. Sie hat zwei Rangen aus ihrer Klasse entdeckt. »Schämt ihr euch nicht«, sagt sie mit vorwurfsvoller Miene, »da hinterherzulaufen und über eine Sache zu lachen, die ihr nicht versteht? Gleich geht ihr nach Haus!«

Ihre zwei Rangen senken schuldbewußt die Köpfe und verdrücken sich schnell, und auch einige andere bröckeln von dem Haufen ab.

Aber es bleiben immerhin noch genug andere übrig, über die Marianne keine Befehlsgewalt hat. Der Haufen lichtet sich, in einiger Entfernung sammelt er sich wieder, und es kommen noch andere hinzu, und nach einiger Zeit zieht die Bande wieder geschlossen hinterher und hat sogar einen Sprechchor, rührend und schlicht wie alle Volkspoesie:

»Wasserlaufen! Wasserlaufen!
Wasser saufen! Wasser saufen!«

Es gehört allerhand Tapferkeit dazu, mit Haberdietzl und dem Wägelchen dieser Horde voranzumarschieren, aber Marianne glaubt es Haberdietzl schuldig zu sein. Er brauchte sie gar nicht so scheu und todunglücklich von der Seite anzusehen.

Sie kommen in die Donauauen, und Haberdietzl fährt sein Wägelchen zwischen alten Bäumen und herbstfarbig buntem Gebüsch über raschelndes Laub auf immer schmäleren Wegen bis zum Ufer. Hier rauscht der große Strom, gelb vom Regenwasser aus den Bergen, gewaltig rauscht er vorbei, unabänderlich in Weg und Ziel. Sie gehen noch eine Strecke über Sand und Kies zu einem Steg, der ins stillere Uferwasser vorragt; die Weiber aus den benachbarten Uferhäusern mögen da wochentags die Wäsche schweifen.

Haberdietzl wirft die Oberfläche der bürgerlichen Kleidung ab und steht im Schwimmanzug da, den er schon daheim unterirdisch angelegt hat; und Marianne unternimmt indessen zwei Sturmangriffe auf die versammelte Jugend und schlägt sie zweimal in die Flucht.

Jetzt setzt sich Haberdietzl rittlings auf den Steg und schnürt erst den linken, dann den rechten Fuß in den langen Kähnen seiner Skier fest.

Mittlerweile hat sich die Jugend wieder ein Stück weiter oben auf dem Strand gesammelt, und Marianne sieht ein, daß sie anders mit ihr zurechtkommen muß. Handelt es sich nicht um Sport, um einen ungewöhnlichen, neuartigen Sport, warum soll man dabei der Jugend das Zuschauen verwehren?

»Ihr dürft zusehen«, verhandelt sie, »aber ihr dürft das dumme Lied nicht mehr singen. Wenn ihr so herumbrüllt, so macht ihr den Herrn Lehrer irre. Wollt ihr schweigen?«

»Ja«, piepsen ein paar dünne Stimmen, und dann halten sie den Vertrag ehrlich. Haberdietzl ist fertig und sieht sich nach Marianne um.

»Wasserski Heil!« sagt sie, da ein besonderer Gruß für diesen neuen Sport noch nicht geboren ist.

Der große Augenblick ist da. Haberdietzl schiebt sich auf der schmalen Planke des Steges im Reitsitz bis ans Ende, dann steht er im Grätschschritt auf, nähert die Kähne einander, und nun wandelt er ... wahrhaftiger Gott: er wandelt auf den Wassern.

Die versammelte Jugend brüllt los. Aber nun brüllt nicht mehr der Hohn, sondern die Begeisterung aus ihr. Es ist auch wirklich großartig anzusehen, wie Othmar Haberdietzl dahingleitet, nachdem die ersten Gleichgewichtsstörungen überwunden sind. Ist es nicht so, als ereigne sich hier auf den Donauwellen ein biblisches Wunder?

Es sind noch einige Erwachsene hinzugekommen, frühe Sonntagsspaziergänger, die daherschlendern, um den Strom zu sehen, und die nun Zeugen von Haberdietzls Wandeln auf den Wassern werden. Sie alle starren gebannt auf die wundersame Erscheinung.

»Nun also«, sagt jemand neben Marianne, »es geht ja ganz prächtig. Der Kollege Haberdietzl macht sich den Nibelungenstrom dienstbar.«

Es ist der Kollege Zangerl, der neben Marianne steht. »Ob diese Erfindung praktisch etwas bedeutet? Aber als Sport könnte sie vielleicht eine Zukunft haben.« Zangerl ist Turnlehrer und als solcher vielleicht geneigt, alles zu überschätzen, das irgendwie nach Sport aussieht.

»Meinen Sie?« fragt Marianne.

Jedenfalls wirkt die Sache eigenartig genug. Haberdietzl ist aus den stillen Uferwassern und den kleinen Wirbeln heraus und in die Strömung geraten und kommt nun in Schuß.

Es ist ein kühler Herbsttag, eine blasse Sonne steht hinter den dünnen Nebeln über dem Strom, und in einem silbernen Licht gleitet Haberdietzl jetzt sieghaft und immer rascher und rascher dahin.

Die Leute am Ufer und Marianne und Zangerl mit ihnen haben sich in Bewegung gesetzt und laufen mit, sie können kaum nachkommen, so schnell geht es jetzt.

Aber nun ist der Augenblick da, in dem es sich erweist, daß es gut gewesen wäre, wenn Haberdietzl dem Fahrplan der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft einige Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Es wird ein Schnaufen und Pusten hörbar, und ein dicker, schwarzer Rauchballen hinter der Biegung kündigt an, daß ein Dampfer auf dem Weg stromauf ist.

Der letzte Dampfer des heurigen Sommerfahrplanes.

Nicht, daß etwa nun Haberdietzl leichtsinnig weiter drauflosgefahren wäre und es sich in den Kopf gesetzt hätte, mit dem Dampfer anzubinden. Im Gegenteil, er bemüht sich aus Leibeskräften, aus der Fahrrinne zu kommen, aber die Strömung läßt ihn nicht los, und als der Dampfer sichtbar wird, zeigt es sich, daß der Zusammenstoß nur durch himmlisches Einschreiten zu vermeiden ist.

Der Mensch und die Maschine, nicht wahr, kein Zweifel, wer da den kürzeren ziehen wird.

Als der Dampfer um die Biegung kommt, hat er den Waller auf den Wassern hundert Meter vor seinem Bug. Die Leute am Ufer schreien, und die Leute auf dem Dampfer schreien, aber mit Gebrüll ist das Geschick nicht mehr abzuwenden. Vielleicht, daß der Steuermann noch im letzten Augenblick die Richtung des Schiffes ein wenig ändern konnte. Der Dampfer bohrt also Haberdietzl nicht gerade in den Grund, Haberdietzl gleitet knapp am Bug vorbei, aber dann kommt er in den Wirbel unter dem Radkasten und verschwindet in dem Schaum, den der Dampfer aus dem Strom aufpeischt.

Die Leute sind verstummt, ein Unglück ist geschehen, vor ihren Augen ist ein Mensch unter einen Dampfer geraten.

»Da ist er«, ruft Zangerl nach einer bangen Minute.

Der Kopf eines Schwimmers ist im Kielwasser des Dampfers aufgetaucht. Er hebt und senkt sich mit den Wellen, aber er arbeitet sich heraus, strebt dem Ufer zu. Mariannes heftig stampfendes Herz wird ruhiger; wenn es nun wahr ist, daß er wie eine Wasserratte schwimmt, so kann alles noch gut ausgehen.

Es stimmt, das mit der Wasserratte, natürlich nimmt ihn der Strom ein Stück mit, aber nach zwanzig Minuten steigt er an einer sandigen Stelle ans Ufer.

»Es sind noch einige kleine Verbesserungen nötig«, sagt Haberdietzl mit einem flehenden Blick auf Marianne, und dann beginnt er mit den Zähnen zu klappern und am ganzen Körper zu zittern. Das Bad, das er in der Donau genommen hat, mag reichlich frisch gewesen sein.

Ja, das scheint so, daß Verbesserungen nötig sind.

»Wo sind Ihre Skier?« fragt Zangerl.

Ja, Haberdietzl ist mit seinen nackten, gottgeschaffenen Füßen ans Land gestiegen, diesen braven Schwimmflossen, die ihn gerettet haben. »Gebrochen«, klappert er, »ich habe sie unter Wasser abbinden müssen.«

So ist es, und nun schwimmen die Trümmer von Haberdietzls Wasserskiern donauabwärts ins Schwarze Meer, um in fernen Ländern als Strandgut Kopfschütteln zu erregen; aber darauf soll es bei diesem Schiffbruch schon nicht mehr ankommen.

»Die Wendigkeit«, sagt Haberdietzl, und sein Blick auf Marianne ist eine bebende Frage, ob ihm nun das Gelächter der Verdammnis oder Freispruch zuteil wird ... »die Wendigkeit hab' ich halt noch nicht ganz heraus.«

»Hier sind Ihre Kleider«, sagt Marianne und wirft ihm Hemd und Hose zu, »jetzt ziehen Sie sich vor allem einmal rasch an.«

Nun zeigt es sich wieder, welches Gottesgeschenk eine geistesgegenwärtige Freundin ist. Marianne hat, als sie zu laufen begannen, sich und Zangerl mit Haberdietzls Kleidern beladen, aus ahnender Voraussicht oder aus Fürsorge für alle Fälle, jedenfalls sind sie jetzt zur Stelle und sehr zur rechten Zeit.

»Ich danke Ihnen!« sagt Haberdietzl mit seinem treuherzigen Hundeblick.

»Tun Sie doch erst das nasse Schwimmgewand herunter«, befiehlt Marianne, »drüben im Gebüsch! Na den Schnupfen, den Sie kriegen werden, möchte ich nicht haben.«

Haberdietzl verschwindet im Gebüsch und kommt nach einer Weile wieder, in feuchter Packung, aber trotz mangelnder Wendigkeit und Schiffbruch ein überaus beglückter Mann.

Marianne hat völlig den Oberbefehl übernommen: »Und jetzt dort hinüber ins Wirtshaus. Sie trinken jetzt einen heißen Tee mit Rum.«

Haberdietzl hat es bisher nicht gewußt, daß ein heißer Tee mit Rum ein solches Göttergetränk sein könnte.


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