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Die Dichter und die Politik

Als um die Wende der Jahre 1906 und 1907 das durch die Persönlichkeit Bernhard Dernburgs und die Ereignisse im Reichstag neu entfachte Interesse für koloniale Politik eine Reihe von Angehörigen gelehrter und künstlerischer Berufe zu einer gemeinsamen Kundgebung veranlaßte – mit einer unschönen Anleihe an französische Verhältnisse hat man diese Vorgänge wohl eine Bewegung der »Intellektuellen« genannt – wurde von allen am wenigsten die Literatur vertreten. Während alle Wissenschaften, die Technik, die Musik, die bildenden Künste Männer aller Richtungen vorschickten, zeichneten den bekannten Aufruf nur die Dichter Ernst von Wildenbruch und Julius Wolff, neben ihnen der Journalist Ludwig Pietsch. Das älteste Geschlecht war also mit einem Manne nicht eben ersten Ranges, das jüngste gar nicht und nur das mittlere mit einer ausgeprägten, hervorragenden Persönlichkeit erschienen. Dabei handelte es sich hier um nichts ferne Liegendes, auch um keinen Gegenstand errechneter, trockener Politik, sondern um eine Sache, die, wie kaum eine andre, geeignet war, auch die Phantasie, die lebendigen nationalen Instinkte unserer Poeten wachzurufen. Es paßt hierzu durchaus, wenn noch bei jeder politischen Angelegenheit, die zugleich literarisch war, die Betroffenen in ihren gemeinsamen Aktionen weder politisches Augenmaß noch nachhaltige politische Schlagkraft erwiesen. Es fehlte eben Gewöhnung und Interesse für Staatsgeschäfte, Dinge, die nicht eine Woche lang für irgendeine Agitation hervorgeholt werden und im übrigen in der Ecke liegen bleiben können – sie schimmeln dann. 240

Früher war das anders. Schon die Romantiker, obwohl sie recht eigentlich die Literatur der Welt durch meisterliche Verdeutschung uns zu eigen machten, kehrten vom Weltbürgertum nicht nur zum Patriotismus der Befreiungskriege, sondern auch auf den Boden rein praktischer Kleinpolitik und Staatswirtschaft zurück. Das größte unter den Mitgliedern der Christlich-Deutschen Tischgesellschaft, Heinrich von Kleist, hat auch hierin vorangestanden, und mit seinen Dichtungen retten sich auch seine politischen Bestrebungen in die Unsterblichkeit hinüber. Wie diese Dichter und ihre der Romantik abgewandten Zeitgenossen, gleich Immermann, durch ihre freiwillige Teilnahme an den Feldzügen bewiesen, daß sie den Tod für das Vaterland nicht scheuten, so bedeutete ihnen das Leben für das Vaterland zugleich die regste Teilnahme an seinem politischen Geschick, in Wort und Tat. Und darin änderten auch die folgenden Jahrzehnte nichts. In der Paulskirche saßen die deutschen Dichter Ernst Moritz Arndt, Anastasius Grün, Ludwig Uhland, Joseph Rank, Friedrich Theodor Vischer, Paul Pfizer, Wilhelm Heinrich Riehl, Moritz Hartmann, Wilhelm Jordan und Heinrich Laube. Rechnet man Männer wie Jakob Grimm, Karl Biedermann, Rudolf Haym, Gustav Rümelin, G. G. Gervinus, Beda Weber, Gustav Schwetschke, Ignaz Kuranda und Arnold Ruge mit ein und bedenkt man, daß während des wichtigsten Teils der Session ein Mann wie Eduard Simson, also ein Goethekenner und Goetheverehrer Κατ' ἐξοχήν das Präsidium führte, so wird man die Teilnahme der Dichtung und der Literatur an der Politik so großartig finden müssen, wie selten irgendwo. Das Bild wird aber erst vollständig, wenn man sich zugleich die Schicksale Fritz Reuters, Richard Wagners und Theodor Storms vergegenwärtigt und bedenkt, daß der Korrespondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung zu Wien im Jahre 1848 Friedrich Hebbel hieß, daß Hebbel sich als Kandidat für die Nationalversammlung aufstellen ließ und Mitglied einer Deputation an den Kaiser Ferdinand war. Zugleich blieb Bauernfeld einer der Männer 241 des Tages an der Donau, und Grillparzer verfolgte aus der Einsamkeit seines Zimmers wenigstens in spitzen Epigrammen die Dinge, gab aber zugleich auch mit seinem Sang an Radetzky seinem Volk ein, wenigstens außerhalb Wiens, jubelnd begrüßtes Geschenk. Und gleichzeitig das Junge Deutschland, gleichzeitig die politische Poesie liberal-demokratischer Farbe so gut, wie monarchisch-konservativer, jene mehr heimisch im Westen und Süden, wenn sie nicht über das Meer aus der Verbannung ertönte, diese in Preußen, im Tunnel über der Spree ansässig, dessen größter Dichter, Theodor Fontane, – seine Briefe lehren es – bis in seine letzten Tage den politischen Dingen mehr zugewandt blieb, als den Eindrücken der gezwungenermaßen kritisierten Schaubühne.

Nun soll aber grade die Nationalversammlung in Frankfurt am Main nichts politisch Greifbares geleistet haben und soll es nicht geleistet haben wegen der übergroßen Zahl von »Ideologen«. Abgesehen davon, daß ja auch in der Paulskirche neben den Professoren und Poeten geschulte Verwaltungsbeamte und Männer des sogenannten praktischen Lebens saßen und Einfluß hatten (ich denke z. B. an Mevissen, Merck und Lette), so ist dieses Urteil, das man immer noch einmal hört, historisch nicht haltbar. Es ist hier nicht der Ort, die Gegengründe des Näheren zu belegen. Aber jeder Kenner unserer staatsrechtlichen Entwicklung weiß, wieviel aus der Reichsverfassung vom 28. März 1849 in die des Norddeutschen Bundes und damit in die des Deutschen Reiches, zum Teil selbst wörtlich, übergegangen ist; entstammt ihr ja auch das geltende Reichstagswahlrecht ganz und gar. Und manche rein praktische Bestimmungen jenes Werkes der Paulskirche vermissen wir schmerzlich in der Verfassung des neuen Reichs – ich denke z. B. an die §§ 2 bis 5 über die Regierung deutscher Länder durch Fremde. Und darüber hinaus war es doch kein Kleines, daß die erste offizielle Versammlung des politischen Deutschlands soviel geistige Größe und Energie umfaßte, Kräfte, 242 deren Wirkungen unberechenbar, aber darum nicht minder lebendig sind.

Und dabei ist es nicht geblieben. Ich erinnere an Gustav Freytags praktisch-politische Wirksamkeit, die bis in seine letzten Jahre, bis zu jener viel verkannten Schrift über Kaiser Friedrich, andauerte, erinnere daran, daß die große politische Frage unserer Tage, die der deutschen Flotte, in der Paulskirche schon mit am tapfersten und nachdrücklichsten von Wilhelm Jordan beantwortet wurde, und ich unterstreiche, daß ein deutscher Dichter (er lebt noch und heißt Wilhelm Raabe) als echter Prophet schon im Jahre 1863 die jetzige Weltstellung Japans und die Bedeutung des Stillen Ozeans erkannte und ankündigte. Derselbe Raabe machte die Bekanntschaft Wilhelm Jensens dadurch, daß sie gemeinsam von partikularistischen Schwaben zu Stuttgart aus einer Versammlung des National-Vereins hinausgeworfen wurden und sich draußen buchstäblich unfreiwillig in die Arme fielen. Gustav Freytag gehörte auch dem konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes an, und er hat in seiner behaglichen Art nicht gezögert, seine Kollegen auch unter den Gesichtspunkten der Poetik zu betrachten.

»Man kann unter den Vertretern des Volkes leicht dieselben Anlagen erkennen wie an den Dichtern, und es ist mehr als spielender Vergleich, wenn man bei ihnen eine epische, dramatische und lyrische Begabung unterscheidet. Die Konservativen sind unsere Epiker, in den Männern der mittleren Parteien ist die Naturanlage vorherrschend, die den Dichter zum Dramatiker formt, das heißt eine verhältnismäßig unbefangene und gerechte Würdigung der kämpfenden Interessen, dazu die Fähigkeit, diese miteinander verhandeln zu lassen und den großen Ideen des Staates dienstbar zu machen. Auf der linken Seite stehn die Lyriker, von denen sicher mancher in seiner Jugend in einem Bändchen Gedichte auch dichterische Wallungen abgelagert hat. Aber freilich sind solche Naturen in der Politik nicht mehr von der Harmlosigkeit meines 243 jungen Kollegen Bellmaus, sie fühlen lebhaft, oft leidenschaftlich, was sie in ihrem Privatleben einmal wund gedrückt hat, und was sie leitet und aufregt, sind im letzten Grunde fast immer einige schmerzliche Eindrücke ihrer eignen Vergangenheit. Solch Verletzendes wirkt in den Seelen übermächtig und beeinträchtigt eine billige und gerechte Beurteilung der Zustände, welche ihnen beschwerlich sind. Mit den Männern von dieser Anlage, welche in den kleinen Kreisen unseres Volkes gewöhnlich ist, verbinden sich andre Naturen: harte Doktrinäre, welche die Wirklichkeit gegenüber dem Idealbild des Staates, wie sie es konstruiert haben, als unleidlich betrachten, herrschsüchtige und gewissenlose Demagogen, und manche, denen der Wurm der Eitelkeit allzuviel von dem gesunden Kern ihres Lebens abgenagt hat.«

Nach Freytag hatte der Reichstag wenigstens in Treitschke, der, ähnlich wie Lassalle, in jungen Jahren selbst Dichtungen veröffentlicht hatte, eine volle Künstlernatur. Heute ist seit M. G. Conrads Ausscheiden wohl Albert Träger der einzige parlamentarisch tätige Dichter, dem dann noch Johannes Trojan im Kladderadatsch mit seinem politischen Liede anzuschließen wäre. Die dichterische Ausbeute des Krieges von 1870 war ja im Verhältnis zu früheren Schicksalstagen nicht sehr stark und ohne große innere Dauer, und es ist bezeichnend, daß auch da zwei damals schon ergraute Poeten, Freiligrath und Geibel, am besten abschnitten. Die eigentliche Ernte jener blutigen Zeit fiel freilich einem Dichter zu, der unter allen der denkbar unpolitischste ist: dem reitenden Adjutanten und Kriegsnovellisten Detlev von Liliencron, der sich, wie seine Briefe lehren, in der Jugend nach politischem Verständnis gesehnt, sich dann aber mit schlichtem Royalismus abgefunden hat. Hier liegt eben der tiefe Unterschied gegenüber den Romantikern der napoleonischen Zeit, die nicht nur in schweren und hellen Tagen den Herzenston des nationalen Empfindens trafen, sondern auch politisch, in Tagesarbeit und Tageskampf, als Dichter und Patrioten mittaten. 244

Wo aber sind heute die Poeten in Deutschland, die sich in solche Beobachtungen versenken, wie sie einst Freytag machte, die den starken politischen Instinkt haben, wie ihn Spielhagen zum Beispiel noch in einem schönen und abgeklärten Alterswerk »Frei geboren« aufweist? Sie brauchen ja deshalb – das Beispiel Raabes zeigt es – nicht alle in eine Kerbe zu hauen und Zeitromane oder, wie Wilbrandt, zeitpsychologische Dichtungen zu schreiben. Aber daß man auch Standesromane unter Erfassung aller politischen Fragen aus modernem deutschen Empfinden heraus schreiben kann, lehrt Wilhelm von Polenz, der leider viel zu früh vollendete. In seinen Büchern vielleicht am ehesten wird der künftige Literarhistoriker finden, daß Dichter der Gegenwart über die unbestimmte soziale Sehnsucht der jetzt auch längst wieder überwundenen jüngstdeutschen Lyrik (Karl Henckell, Arno Holz) hinaus die harten Kämpfe der Zeit auch in ihrer politischen Gestaltung mitstreitend verfolgten. Und auch unter unsern weiblichen Schriftstellerinnen von Bedeutung ist es nur eine, Clara Viebig, die mit wechselndem Glück, aber mit ungewöhnlichem Elan, nicht unbeeinflußt von Spielhagen, die Politik im Großen zu sehen und in ihren Werken politische Probleme zu lösen anstrebt. Das lebenswarme, stürmische Talent der Gräfin Adeline Rantzau rankt sich erst vom religiösen Boden her auch in das Gebiet der mit dem Herzen sozial durchempfundenen Politik hinüber. Mehr aus der Perspektive des »Gesandtenweibes«, nach Gabriele von Bülows Ausdruck, hat dann noch die feine Elisabeth von Heyking das weltpolitische Getriebe zu enträtseln gesucht, und Frieda von Bülow ist mit ihrem starken Talent auf kolonialpolitischem Boden heimatfest geworden.

Wenn wir heute schon feststellen wollen, welches Echo Bismarcks Rücktritt wirkte, das größte Ereignis also, das die jetzt mitten im Leben stehende dichtende Generation erlebt hat, so bleiben acht unvergeßliche Verszeilen Ernsts von Wildenbruch, ein paar schöne Gedichte Paul Heyses, Adolf Wilbrandts, Ludwig 245 Jacobowskis, Adolf Sterns und ein lang nachhallender Hymnus Richard Dehmels. Hier, bei Dehmel, haben wir einmal eine Dichterseele, die, verwandt Treitschkischem Ungestüm, das eine große Register aller Politik zu ziehen weiß: die Macht.

Lausche, Du Erlauchter,
der Du selbst mit Kronen spieltest,
selbst dem Lockruf der erhabnen Mutter folgtest,
der Du mit umwölkter Stirne
nun im abendstummen Park die dunkeln
Lebensbäume siehst
vom schwächsten Lufthauch schwanken:
lausche nur den fernen Glocken,
Sohn der dunkeln,
immer jungen,
nimmersatten Mutter Du:
der Macht! –

Die Gründe dieser allgemeinen Abwendung sind schwer zu bestimmen in einer Zeit, da jenseits der Vogesen Jules Lemaître, François Coppée, Emile Zola, um nur diese zu nennen, im politischen Kampf an der Spitze stehn, jenseits der Pyrenäen José Echegaray wieder und wieder Minister wird, in Norwegen Björnson einer ganzen Generation das politische Losungswort zuruft, in Rußland der Name Gorkijs durch die Revolution recht noch einmal in die Höhe getragen wird, Griechenlands erster Dramatiker zugleich einen der wichtigsten diplomatischen Posten inne hat und Gabriele d'Annunzio, nicht ohne Koketterie, den kurulischen Sessel der italienischen Kammer einnimmt. Die Erschlaffung des politischen Nervs unter den deutschen Dichtern hängt ja gewiß mit der Entfremdung grade der höher gebildeten Volksschichten von der Politik zusammen, wie sie jetzt so vielfach beklagt wird; nur scheint mir, daß die Klage sonst nicht mehr in dem Maße berechtigt ist, wie man sie immer wieder ertönen hört. Und weniger wichtig als die Auseinandersetzung der Gründe erscheint mir die Beantwortung der Frage, welchen Gewinn es uns bringen könnte, 246 wenn wir wieder Dichter in den Reihen unserer politischen Kämpfer oder doch wenigstens im Vordergrunde des politisch interessierten Publikums sähen. Den Vorteil hätte sicherlich weniger die Politik als die Poesie, als die Dichter selbst. Wenn man heute insbesondere die Kunst eines großen Teils des nach 1870 geborenen Geschlechts durchforscht, so erschrickt man, mag man sie nun dekadent nennen oder nicht, über die unglaubliche Fernheit und Fremdheit von allem täglichen Leben der Nation. Nicht als ob der Dichter nicht von jeher den Zaubermantel besessen hätte oder doch einen seiner Zipfel, den Zaubermantel, der ihm nicht um einen Königsmantel feil sein darf. Aber immer war doch grade den größten, von wenigen Hölderlinnaturen abgesehen, zugleich das Streben eigen, auch auf der wohlgegründeten dauernden Erde ererbten und erworbenen Besitz zu bauen. Ein Geschlecht, das immer und immer das Ästhetische aus dem Ästhetischen ableitet, kommt zu jener Formenschwärmerei, deren Karikaturisten am Ende nur zwei Schritt von ihren talentvollen Schöpfern entfernt sind. Wenn die Poesie Raabes, Heyses, Liliencrons, Spittelers, Polenzens, G. Hauptmanns (ich nenne nur diese sechs als Vertreter dreier Generationen) Brot des Lebens ist, wie wir es brauchen, so ist die Dichtung jener jüngsten, an denen sich natürlich die Folgen einer mehr oder minder alexandrinischen Kultur am schärfsten zeigen, Konfekt, dessen Genuß in einer empfänglichen Stunde recht angenehm ist, auf die Dauer aber den Magen rettungslos verdirbt. Gewiß sind Hofmannsthals Verse schön, zu schön vielleicht, gewiß kann Stephan George zunächst blenden, aber schließlich wirkt die Poesie und die Betrachtungsweise solcher Dichter (und ich nenne diese beiden als die talentvollsten Typen) auf die Dauer so lebensbar, daß man Sehnsucht nach dem schlichtesten Roman von Diedrich Speckmann oder einem andern einfachen Erzähler bekommt, der mitten in der Arbeit seines Volkes und seiner Heimat lebt. Wie stark und wie schwer entwirrbar für den ersten Blick sich solche Elemente mischen können, zeigt Frenssens 247 »Hilligenlei«, dessen rationalistische Untheologie und dessen verschwommene Sozialpolitik man nur einmal neben Immermanns große Zeitbücher zu halten braucht, um den tiefen Gegensatz herauszuempfinden. Gewiß ist die politische Tätigkeit nur eine Lebensäußerung der arbeitenden Volksgemeinschaft. Aber es ist die, die mehr als jede andre lockt, die ganze Persönlichkeit einzusetzen, und die sich insbesondere in jeder großen Stunde am innigsten mit unsern ursprünglichsten Gefühlen verbindet. Wer in harter Handarbeit oder im täglichen Geschäftskampfe steht, den brennt sie ohnehin auf die Nägel, und er kann sie als ein bewußtes Element deshalb eher entbehren. Der Angehörige der sogenannten liberalen Berufe, dem sich der Daseinskampf oft in weniger aufdringlichen Formen zeigt, bedarf der politischen Härtung schon viel mehr. Der Künstler aber, insbesondere wenn ihn kein Amt und kein Geschäft fesseln, wie es heute leider viel zu häufig der Fall ist, soll sich ins Praktische denken und soll, selbst wenn die Phantasie ihm ins Konzept schlägt, nicht nur an den großen Geschicken, sondern auch an den vermeintlich kleinen seines Volkes Anteil nehmen. Keine Adhortatio, wie die Form der Chrie sie am Schluß des Aufsatzes verlangt, wird den Dichter des Deutschlands der Gegenwart wieder in die Reihe der Politiker zurückführen. Aber er sollte doch der Idee nachsinnen, daß es niemandem ungestraft erlaubt ist, sich seinen Mitbürgern zu entfremden, und daß von dem Dichter, der nicht mehr der Erde Narr sein möchte, vor allen andern verlangt werden darf, was nach jenes Admirals unsterblichem Ausspruch das Vaterland von jedem fordert: daß er seine Pflicht tue. Der alte York hat einmal gesagt: Offizier sein, ist ein Orden. Gerade heute empfinden unsre Poeten das Bedürfnis solcher Selbstachtung für sich in hohem Maße. Von einer solchen Zugehörigkeit aber galt und gilt noch immer das einfache Wort: Noblesse oblige! 248

 


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