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Kapitel 19.

Verhängnisvolle Diamanten

Als sie aus der Sackgasse hinausschritten, sah sich Justus nach allen Seiten um und bemerkte zu seiner Befriedigung keine Spur von der Polizei. »Es ist nur um die Ecke, zwei Straßen weiter!«

»Das ist mir angenehm.« sagte sein Begleiter, »denn ich fühle mich noch ziemlich stark angegriffen. Hoffentlich habe ich Sie nicht zu sehr verletzt.«

»Keineswegs,« meinte Justus höflich, obgleich er sich ebenfalls noch recht angegriffen fühlte. »Es hat nichts zu sagen, Herr Millbank!«

»Wenn es Ihnen gleich ist, so nennen Sie mich Charleswort. Es ist besser so – sagen Sie mir übrigens zunächst einmal, welch eine Art Mädchen Fräulein West ist.«

»Eine überaus reizende junge Dame,« entgegnete Justus voll Begeisterung, »und ich glaube, sagen zu dürfen, daß sie Ihrem – Herrn Georg sehr ergeben ist.«

Charleswort seufzte, nickte mit dem Kopfe, sagte aber weiter nichts.

Justus blieb stehen.

»Ist dies das Haus, das Sie meinten?« fragte Charleswort, indem er ein kleines Restaurant betrachtete, das wie ganz verloren in einer Straße lag, die fast nur aus Ställen und den Hinterpforten einiger großen Herrenhäuser bestand. »Das sieht allerdings ruhig genug aus.«

»So ist es auch,« sagte Justus, indem er sich der vielen Wochen erinnerte, wo er sich zu verschiedenen Zeiten in strenger Abgeschlossenheit hier aufgehalten hatte, was nicht allein ratsam, sondern notwendig für ihn gewesen war. »Der Besitzer ist ein guter Bekannter von mir und sollte es Ihnen einmal genehm sein, einige Zeit ganz ruhig und unbeobachtet sich irgendwo aufzuhalten, so können Sie keinen besseren Ort finden. Wir wollen mal sehen, ob Herr Wilkes zu Hause ist.«

Sie traten in das kleine Vorzimmer, wo ein Mann in mittleren Jahren einige Gäste bediente, dann zu Justus aufsah und ihm zunickte.

»Guten Tag, Herr Wilkes, ist das blaue Zimmer frei?«

»Guten Tag, Herr Wise,« sagte der Wirt, der kurzsichtig und kahlköpfig war und an einen ehemaligen Kammerdiener erinnerte. »Ja, das blaue Zimmer ist frei, bitte, kommen Sie hier durch.«

Er führte sie zu einem kleinen Wohnzimmer am Fuße der Treppe. Das Gemach war einfach, aber reinlich ausgestattet. Das einzige Fenster blickte auf die ruhige Straße. »Ich danke Ihnen, Herr Wilkes,« sagte Justus, »mein Begleiter und ich wünschen hier eine Weile ungestört zu bleiben.«

»Ganz recht,« erklärte der Wirt diensteifrig, »machen Sie es sich nur bequem. Niemand wird Sie stören. Sie wissen ja, wie ruhig es hier ist. Wenn Sie etwas wünschen, brauchen Sie nur zu schellen.«

»Schön, Herr Wilkes, es wäre möglich, daß sich mein Freund entschließt, einige Tage hier zu verweilen. Sie werden es ihm dann recht behaglich machen.«

Der Wirt betrachtete Charleswort sehr genau, der auf die Straße hinaussah und dessen Gedanken offenbar ganz wo anders weilten.

»O gewiß, Herr Wise, ich bin ja stets bereit, Ihnen oder Bekannten von Ihnen dienstbar zu sein. Der Herr muß sich allerdings mit den Einrichtungen meines Hauses begnügen. Es wohnt hier noch jetzt ein anderer Herr, der aber auch sehr ruhig ist und wegen Krankheit das Zimmer hüten muß. Auch er ist mir von einem guten Bekannten empfohlen. Er würde Ihren Freund nicht stören, der, wie ich vermute, ruhig zu leben wünscht.«

Justus nickte. »Ja, wenn er hier bleibt, muß er allerdings Ruhe haben, es ist aber noch nicht entschieden. Wir lassen es Sie noch wissen. Sie können uns jetzt eine kleine Erfrischung bringen und wollen wir später noch mehr haben, so werden wir klingeln. Herr Charleswort, was darf ich für Sie bestellen?«

»Was Sie wollen, Brandy?«

»Dann bitte also zwei Glas Brandy, Herr Wilkes, und etwas heißes Wasser und Zucker für mich.«

Der Wirt verschwand und Charleswort wandte sich an Justus:

»Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll – die Empfindung, daß Sie nicht mehr weiter gehen können?«

»Nicht weiter gehen können?« fragte Justus erstaunt.

»Ja, daß Sie einsehen, nicht länger existieren zu können. Für gewöhnlich sieht man, was man morgen tun wird, und wie man am folgenden Tage dasselbe Dasein fortsetzt; man steht auf, man ißt, man schläft, man vollbringt sein Tagewerk, man lebt sein Leben, kurz man kann sich bis zu einem gewissen Umfang vorstellen, was einem die nächsten Tage bringen werden.«

»Gewiß,« sagte Justus, noch immer etwas überrascht, »das ist ganz richtig, ich kann mir zum Beispiel ganz gut vorstellen, was ich morgen tun werde.«

»Nun, das kann ich eben nicht,« sagte der andere, und blickte mit seinen sonderbar hoffnungslosen Augen aus dem Fenster. »Es ist eine komische Sache. Ich kann es eben heute nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, was ich morgen oder später tun werde.«

Justus machte den Versuch, ein unheimliches Gefühl abzuschütteln, das ihn unwillkürlich überlief. »Das ist wirklich sehr sonderbar, was Sie sagen. Vielleicht sind Sie ein bißchen überarbeitet, etwas erschöpft.«

Charleswort schenkte seinen Worten keine Aufmerksamkeit, sondern saß noch still da und blickte aus dem Fenster. »Es ist sonderbar. Aber ich möchte zunächst meinen Jungen sehen.«

»Das läßt sich leicht ermöglichen. Sie können ihn morgen, Sie können ihn, wenn Sie wollen, aber auch schon heute abend sehen.«

Charleswort schüttelte den Kopf. »Nein, vorher habe ich noch etwas zu tun und ich hoffe, daß ich noch dazu imstande sein werde.« Sein Verhalten machte auf Justus trotz dessen gewohntem heiteren Temperament einen gewissen Eindruck und eine Weile blieb er ebenso schweigsam wie sein Gefährte. Dann wandte er sich zur Tür und nur um etwas zu sagen, meinte er: »Ei, wie lange bleibt denn der Wilkes mit dem Brandy.«

»Ja, ja, der bleibt lange. Weshalb bringt er denn nichts?«

In diesem Augenblicke kam jemand die Treppe hinunter, so leise zwar, daß nur das scharfe Ohr von Wise den schwachen Laut hörte. Der Schritt machte eine Sekunde lang vor der Tür halt. Justus hob den Kopf und lauschte gespannt; der andere bemerkte das und folgte seinem Blick.

»Da horcht jemand?« fragte er flüsternd.

Justus nickte und Charleswort schien sich unter dem Druck der Erregung plötzlich ganz zu erholen und verwandelte sich wieder in den ernsten, entschlossenen Mann der Tat.

Da er der Tür näher war als Justus, stand er leise auf, durchschritt das Zimmer lautlos und beugte sich eine Sekunde lang zu dem Schlüsselloch nieder. Dann sperrte er die Tür in einem Nu sperrangelweit auf.

Diese Bewegung war für Justus verhängnisvoll. Er war seinem Gefährten leise nachgeschlichen und befand sich nun neben ihm. als dieser die Tür weit aufschlug. Das war so plötzlich geschehen, daß ihn die Tür an die Brust traf und ihn heftig rückwärts stieß.

Er taumelte, prallte auf einen Stuhl und fiel dann der Länge nach auf den Boden. Während seines Falles hörte er noch, daß Charleswort einen Schrei wie ein wildes Tier ausstieß und er sah ihn dann wütend auf den Vorplatz hinausstürmen.

Trotz seiner Betäubung erhob sich Justus schnell, denn der Ruf hatte ihn erschreckt und er lief dem anderen nach, um gerade noch die breite Gestalt die Treppe hinaufstürzen zu sehen in der Verfolgung einer zweiten Gestalt, bei deren Anblick er selbst einen Ruf der Ueberraschung ausstieß.

Denn wenn ihn nicht das Zwielicht des Treppenhauses täuschte, so war der Mann, der von Charleswort verfolgt wurde, kein anderer als Wyvill, der Generalsekretär des Wapiti-Syndikats.

Justus vergaß alle Schmerzen und nahm die Verfolgung mit auf.

Er hörte die eiligen Schritte und das schwere Atmen der Männer vor ihm.

Nun erreichten sie den Treppenabsatz, dann kam ein kurzer Kampf, dann noch ein Scharren von Füßen und jetzt schlug auf dem Gange eine Tür heftig zu.

Justus stürzte den Gang entlang, wo er mehrere Türen sah. Welche von ihnen war soeben zugeschlagen worden?

Es war keine Zeit zu verlieren, er wählte die erste Tür. Sie führte in ein leeres Schlafzimmer, so daß er sich zu der zweiten Tür wandte.

Aber während er das noch tat, hörte er einen heiseren Schrei aus einem entlegenen Zimmer, worauf er in jene Richtung stürzte.

Als er sich näherte, hörte er ein fortgesetztes Stöhnen und das Geräusch von Bewegungen im Zimmer, aber die Tür war verschlossen, er konnte sie nicht öffnen.

Wütend schlug er dagegen, rief laut nach Charleswort, stemmte dann seine Schultern gegen die Füllung und brach die Tür auf.

Jetzt blieb er wie versteinert stehen, denn auf dem Fußboden lag Charleswort, aus mehreren Wunden blutend. Ein offenes Fenster hinter seinem Kopfe zeigte den Weg, den der Attentäter zu seiner Flucht benutzt hatte.

Eine Sekunde lang beugte sich Justus über den am Boden Liegenden, doch dieser erhob die Hand und stieß ihn trotz seiner Wunden noch kräftig von sich ab.

»Das Fenster! Das Fenster«, stöhnte er. »lassen Sie ihn nicht entkommen.«

Justus gehorchte der Weisung und sprang an das Fenster, aber das Fenster ließ auf einen Hinterhof blicken, der vollständig leer war.

»Er ist fort, er ist entflohen, der Elende. Sind Sie sehr stark verletzt, Herr Charleswort?«

»Ich bin ein toter Mann, es geht auf jeden Fall mit mir zu Ende. Ich hatte den Schurken richtig gefaßt, aber ich bekam gerade in dem Augenblick meinen Anfall, als ich im Begriff stand, ihm das Genick umzudrehen. Ich strauchelte. Er nahm seinen Vorteil wahr, es handelte sich um Leben gegen Leben, das wußte er und er stieß mich wohl sechsmal mit seinem Messer.«

»Ich will um Hilfe rufen. Hoffentlich ist es nicht so schlimm, wie Sie glauben. Sobald Hilfe da ist, werde ich Wyvill suchen.«

»Ja. das sollen Sie tun und er soll bei Gott dafür büßen, aber rufen Sie jetzt noch nicht um Hilfe. Niemand scheint uns gehört zu haben, und ich möchte Ihnen etwas mitteilen, bevor wir gestört werden. Beten Sie, wie Sie bisher noch nicht in Ihrem Leben gebetet haben, daß mir die Zeit dazu bleibt. Nein, es hat keinen Zweck, das Bluten zu stillen – es geht doch mit mir zu Ende. Ich werde noch die Zeit haben, ich muß sie haben, um Ihnen alles zu sagen. Es hängt ein Vermögen von meiner Erzählung ab, ich muß Sie damit betrauen, und nicht nur ein Vermögen, sondern ein Menschenleben, vielleicht das Leben zweier Menschen. Hören Sie mir zu?«

»Ja, ja, ich höre,« sagte Justus, der aufrichtigen Anteil nahm an dieser Tragödie, die mit so furchtbarer Eile den trüben Vorahnungen seines Gefährten gefolgt war.

Obgleich er schwer atmete, sprach er doch klar und deutlich, der Todeskampf steigerte seinen Willen.

»Wie Sie bereits wissen, heiße ich Millbank, aber was Sie nicht wissen, ist, daß ich ein Zuchthäusler bin. dem einige Jahre erlassen sind, nachdem er zwanzig Jahre abgesessen hat.«

»Ein Zuchthäusler, großer Gott, Herr Millbank.«

»Ja, aber ich habe meine Strafe nicht verdient, Sie sollen meine Geschichte hören. Vor zwanzig Jahren ging ich nach Süd-Afrika. Ich bin ein Engländer aus guter Familie, es war aber nicht viel Geld vorhanden und so wanderte ich nach den Diamantenfeldern aus, in der Hoffnung, mein Glück zu machen. Das war zu der Zeit, wo dort die großen Reichtümer geschaffen wurden, zu der Zeit, als Rhodes, Veit, Bornato und alle übrigen florierten. Ich war nicht gerade einer der Glücklichsten, vermochte aber doch etwas vor mich zu bringen, ich und mein Partner Dunton.«

»Dunton?«

»Peter Dunton. Der in der Berklandstraße ermordete Mann war zu der Zeit mein Partner.«

»Wie seltsam. Bitte fahren Sie fort, Herr Millbank.«

»Mein Partner Dunton und ich hatten einen guten Ruf als ehrliche und rechtschaffene Leute von Kaptown bis Johannisburg. Wir waren Diamantenhändler, das heißt, wir kauften die Diamanten auf Spekulation in ihrem Rohzustande und verkauften sie dann wieder zu den höchsten Preisen, die wir erzielen konnten. Hundert andere taten dasselbe, einige ehrlich, andere unehrlich, denn es lebten da draußen allerlei Menschen. Wissen Sie, was die Buchstaben I.D.B, bedeuten?«

»Nein.«

»Sie bedeuten ungesetzmäßige Diamantenkäufer (Illicit diamond buyer), das heißt, Leute, die Diamanten von den Kaffernjungen kauften, welche in den Minen arbeiteten und da die Steine an ihren Körpern versteckten, wenn sie des Abends die Arbeitsstätte verlassen und die sie dann zu einem Bruchteil ihres Wertes jedem verkaufen, der gewissenlos genug ist, aus ihren Diebstählen Vorteil zu ziehen. Unter denen, die in dem Rufe standen, auf solche Weise Geschäfte zu machen, befanden sich zwei Männer, die Sie kennen, die sich aber Baron und Allister nannten. Baron ist kein anderer als William West.«

»West?«

»Ja, William West, und Allister nennt sich hier Wyvill.»

»Wyvill? Der Sie eben gestochen hat?«

»Wyvill, der eben geflohen ist. Er und West waren Partner wie Dunton und ich. Sie hatten aber viel mehr Erfolg, denn sie waren nicht so gewissenhaft wie wir und geschickt genug, um ihre unsauberen Geschäfte ungestraft fortzusetzen, obgleich sie von vielen beargwöhnt wurden. Sie häuften große Reichtümer an. In unserem kleineren Umfange und in vorwurfsfreier Ehrlichkeit machten Dunton und ich manches Geschäft mit ihnen und kamen auf diese Weise in nähere Beziehungen zu ihrer Firma. Ich glaube gerade, weil wir als ehrlich bekannt waren, geschah es, daß sie uns manchen Verdienst zuschoben. Krumen von dem Tische eines reichen Mannes; es lag ihnen daran, den Anschein zu erwecken, daß wir befreundet mit ihnen wären. Ein weiterer Grund für ihr Verhalten mochte auch der Umstand sein, daß Peter ein intimer Freund des Inspektors Javell war, eines Mannes, der dort draußen eine große Macht besaß und der unsaubere Geschäfte unnachsichtlich bestrafte. Unsere Beziehungen zu ihnen sollte unser Verderben werden, sie gestatteten West und seinem Partner, uns in einem Falle auszunutzen, dessen Folgen Sie heute erfahren haben und auch aus den Vorgängen der letzten Tage kennen. Ich sagte Ihnen bereits, daß Dunton und ich ehrlich waren. Eines Tages trat aber die Versuchung an uns heran. Wir waren nicht reich und hatten große Ausgaben. Ich besaß eine junge, süße Frau, die ich aus England herübergeführt hatte und die das rauhe Klima und der Mangel an Gefährtinnen ihrer Klasse neben den Entbehrungen, denen wir in der ersten Zeit unseres Verweilens in jenem Lande ausgesetzt waren, langsam dahinsiechen ließen. Peter Dunton war im Geldausgeben sehr leichtsinnig. Eines Tages wurde mir nun unter der Hand ein so großer und schwerer Stein von so kräftiger Farbe und Gestalt angeboten, daß ich wirklich glaube, es existieren nicht sechs seinesgleichen in der ganzen Welt. Die Verkäuferin war das Weib eines Eingeborenen, der auf einer Mine beschäftigt gewesen, die heute gar nicht mehr in Betrieb steht. Wahrscheinlich hatte der Mann den Stein gefunden und es war ihm auf Gott weiß welche Weise gelungen, ihn von der Mine fortzubringen. Vor dem Versuch, ihn zu verkaufen. war er wohl zurückgeschreckt und hatte ihn aufbewahrt, bis er eines Tages plötzlich starb und nun brachte mir ihn seine Frau, die von dem Werte keine Ahnung hatte, der Stein, mit dem man ein Fürstentum hätte kaufen können, wurde mir nun zu einem Preise angeboten, der weniger als den tausendsten Teil seines Wertes betrug. Zum ersten Male in meinem Leben schwankte ich. Ich wollte mich weder nach der einen noch anderen Seite hin entscheiden und rief Peter herbei, um ihm das zu überlassen. Es war mir absolut unmöglich, diese ganze Last auf mich zu nehmen. Peter Dunton schlug den Handel schlankweg ab. »Wir haben so lange ehrlich gehandelt, Millbank,« sagte er, »laß uns es weiter so treiben. Der Stein ist mehr wert, als wir in fünfzig Jahren auf ehrliche Weise verdienen können. Er wird schließlich von einem Schuft gekauft werden, der ein Vermögen daraus machen wird, aber Millbank und Dunton werden imstande sein, ihren Kopf aufrecht zu tragen.« Die Eingeborene, die unsere Ablehnung nicht verstand und wahrscheinlich dachte, daß es geraten sei, die Schönheit des Steines eine Weile auf uns wirken zu lassen, legte ihn auf meinen Schreibtisch. Dann zog sie aus dem Versteck in ihrem Haar einige kleine, aber sehr schöne Diamanten, weitere Exemplare aus der Sammlung ihres Mannes, und versuchte, uns diese zu verkaufen. Sowohl Peter wie ich, die der Reichtum nicht übermäßig verlockt hatte, gaben auch in diesem Falle nicht nach und ohne weiteres schlugen wir es der Frau ab, die Steine zu erwerben. Jetzt geschah aber etwas Merkwürdiges, so merkwürdig, daß ich seitdem sehr oft darüber nachgegrübelt habe, ob nicht doch an manche Edelsteine von außergewöhnlichem Umfang und Wert sich ein Fluch knüpft, wie es der Volksmund behauptet. Durch unsere Ablehnung und die offenbare Mißachtung ratlos und wütend geworden, brach die Frau plötzlich in heftigster, leidenschaftlicher Weise aus. schimpfte und verfluchte uns beide mit den gräßlichsten Worten. Vergeblich versuchten wir, sie zu beschwichtigen und sie zu veranlassen, sich mit ihren Steinen anderswo hinzuwenden. Je länger wir sie aber zu überreden suchten, was ihr als eine fortgesetzte Verachtung ihres Besitzes erschien, desto wütender wurde sie, bis sie endlich in Tobsucht verfiel, Schaum ihr vor den Mund trat und sie zu Boden stürzte. Als wir sie aufheben wollten, war sie tot. Wir starrten uns einander an und in diesem Augenblick öffnete sich die Tür und West und Wyvill traten ein. Wyvill hatte ein Auge wie ein Habicht. Es dauerte nicht eine Sekunde, bis er die Steine auf meinem Tische entdeckt hatte, wo der große in seiner ganzen Herrlichkeit prangte und daneben die kleineren. Er holte tief Atem und blickte auf die tote Frau am Boden. Inzwischen hatte auch West den Stein entdeckt und sich auch darauf nach der Frau umgewandt. Beide sahen sich dann in die Augen. »Hallo,« sagte Wyvill leise, »hallo, meine beiden tugendhaften Herren. Sie scheinen sehr beschäftigt zu sein: I. D. B. Wie? Nun, es mag sich wohl lohnen, wenn Steine, wie dieser, täglich an unsere Tür kommen. Himmel, West, was ist das für ein Stein! Doch Gift, wie? Das geht doch etwas zu weit.« »Gift?« rief ich. »Es sieht doch ganz so aus. Woher käme sonst der Schaum vor ihrem Mund? Schlaganfall? Hm!« Peter und ich sahen uns verwirrt an. wir konnten nicht umhin, uns einzugestehen, daß auch Leuten, die weniger mißtrauisch und geneigt waren, Böses zu denken, als diese beiden Männer, die Umstände recht verdächtig erscheinen mußten. »Es ist eine Lüge.« sagte ich. »Sie sind ein Verleumder, Sie wissen, daß Sie lügen.« West schwieg. Seine Augen waren aus den Stein gerichtet, Wyvill trat an ihn heran. Beide zogen sich in eine Ecke zurück und hielten eine lange, leise geführte Unterhaltung, von der wir nichts verstanden. Endlich wandte sich Wyvill wieder zu uns und sagte: »Es ist möglich, daß die Frau einen Schlaganfall gehabt und daß es nur ein Zufall ist, daß sich diese Steine auf Ihrem Tisch befinden. Ebenso möglich ist es aber auch, daß das Geschöpf dort alle Anzeichen eines gewaltsamen Todes trägt. Wenn man besonders in Erwägung zieht, welch' phantastische Bedenken Sie beide bei verschiedenen Gelegenheiten geäußert haben, erscheint alles möglich. Andererseits werden Sie aber einräumen müssen, daß in diesen schweren Zeiten nur sehr wenige geneigt sein werden, so gläubig zu sein, wie wir es sind. Ich meine zum Beispiel, daß Herr Javell Ihre ganze Geschichte nicht in einem Zug verschlucken wird.« »Sie Schurke!« schrie Peter, »wir wollten den Stein nicht, wir haben ihn direkt abgelehnt.« Wyvill lachte höhnisch. Ein seltsames Licht flackerte in seinen und in den Augen von West auf. »Sie wollen den Stein nicht.« wiederholte Wyvill spöttisch. »Ich möchte lieber sterben, als ihn nur berühren« und blickte auf den entseelten Körper zu unseren Füßen. »Ich habe mich geweigert, ihn zu einem Preise zu kaufen, der kaum dem Werte eines der kleinen Steine entspricht.« sagte ich. »Wir haben bis jetzt ehrlich gehandelt und wollen das auch weiter tun.«

»Dazu werden Sie keine Gelegenheit mehr finden.« meinte Wyvill, »denn heute abend gehts noch ins Loch.« Peter wurde blaß. Ich versuchte zu lachen, aber ein kalter Schauer durchrieselte mich bei den Worten des Mannes. Stellen Sie sich vor, Herr Wise, Peter und ich waren beide jung und unerfahren und bedeuteten wirklich wenig im Vergleich zu diesen beiden Männern. Auf den ersten Blick sah es doch ganz so aus, als wenn wir bei einem ungesetzmäßigen Geschäft ertappt worden wären. Wenn es ihnen beliebte, den Inspektor holen zu lassen und ihm das zu erklären, würden wir tüchtig in der Patsche sitzen, ganz abgesehen davon, daß man uns auch den Tod der Frau zur Last legen konnte, der nicht natürlich erschien. Peter faßte sich zuerst und trat Wyvill entgegen. »Sie sind ein Erpresser,« sagte er ihm, »es läßt sich nicht leugnen, daß es hier draußen ein leichtes ist, den Ruf einer jungen Firma, wie der unsrigen, zu vernichten und daß der Schein gegen uns ist, wenn zwei so reiche und ehrbare Männer wie Herr Baron und Allister gegen uns zeugen. Ich kenne Sie jedoch gut genug, Herr Allister, um nicht zu wissen, daß Sie nicht einen Deut danach fragen, was aus uns wird, es sei denn, daß Sie in irgend einer Weise Vorteil daraus ziehen können.«

»Das stimmt.« sagte Wyvill laut auflachend, während West die Stirn kraus zog und den Kopf schüttelte. »Also,« fuhr Peter fort, »wenn Sie selbst es bestätigen, wo wollen Sie hinaus, was fordern Sie?« Wyvill lächelte. »Ach eigentlich nichts oder nur etwas, was Sie nicht wollen – den Stein dort.« »Den Stein?« »Nun, Sie sagten doch, daß Sie beide ihn nicht haben wollten, es ist doch ein schöner Stein. Wir sind nicht so selbstlos wie Sie junge Leute, wir möchten ihn schon haben.« Peter und ich sahen uns an. »Und wenn wir das verweigern, wenn wir ihn nicht geben und die Behörde benachrichtigen –« »Wissen Sie, von welcher Mine er stammt?« unterbrach Wyvill ihn schnell. »Nun, aber es wird wohl nicht schwer sein, herauszufinden, wo der Mann dieser Frau gearbeitet hat.« War sie verheiratet? Wer weiß, woher der Stein stammt, er kann ja auch von der Pachtung eines Buren stammen, vielleicht ist er auf eine ganz ehrliche Weise gefunden worden. Wer wird den Lügen eines Kaffern Glauben schenken?« »Das macht in der Sache gar keinen Unterschied,« erklärte Peter, »die Behörden werden das schon herausfinden.« »Wenn sie das können, das würde Ihnen bei Ihrer Geschichte aber auch nichts nützen und angenommen, nur angenommen, mein Freund und ich erzählten etwas anderes: eine kleine Geschichte, die Sie aus dem Wege räumt, ohne daß noch besonders viel Fragen gestellt werden. I. D. B. bedeutet heutzutage ein schnelles Verfahren.« Das traf zu und Peter und ich wurden uns des Ernstes der Drohung wohl bewußt, die in seinen Worten lag. Jetzt trat West vor. Einschmeichelnd sagte er: »Die Sache liegt doch so, meine Herren. Sie wollen den Stein nicht haben. Aber wir. Sie wollen die Gefahr nicht laufen, daß er gestohlen sein mag. Wir sind dazu bereit. Wir wollen den Versuch machen, die Angehörigen dieser armen Frau zu finden und ihnen den Betrag geben, den sie für den Stein gefordert hat und sodann werden wir jede Erklärung Ihrerseits unterstützen, die Sie für die Anwesenheit dieser Frau abgeben mögen. Unter den vorliegenden Verhältnissen meine ich, sollte das jeden von uns zufriedenstellen, andernfalls« – »und andernfalls?« fragte ich. »Andernfalls wird mein Freund recht behalten, aber weshalb sollen wir uns damit befassen?« Andernfalls werden Sie heute abend im Gefängnis sitzen und keine Macht der Erde kann Sie daraus wieder befreien,« schrie Wyvill, »und selbst wenn Sie wieder herauskommen, sind Sie ruinierte Leute. Wollen Sie uns also jetzt den Diamant geben?« Peter und ich sahen uns an. Dann blickten wir uns in unserm kleinen Bureau um und hinaus auf das vom Sonnenschein beleuchtete Feld. »Nehmen Sie ihn,« sagte ich »und möge ihre Hand daran verrotten.« »Nehmen Sie ihn,« wiederholte Peter. »Glück wird er Ihnen nicht bringen.« Wyvill schritt zum Tisch und steckte den Diamanten zu sich. Ich sah, wie West ihn eifersüchtig beobachtete. »Sie handeln wie kluge Leute.« sagte er. »Wir wollen es wagen. Jedenfalls wird er uns Geld bringen.« And damit ließ er den Diamanten in seine Tasche gleiten. In diesem Augenblick wurde die Tür unseres Bureaus geöffnet.«

Inspektor Javell trat ein.


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