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Fünftes Kapitel.

Während Sanitätsrat Lohmann auf Reisen vergeblich das verlorene Gleichgewicht der Seele wiederzugewinnen suchte, bekamen die erstaunten Laubnitzer schon wieder etwas Neues zu sehen und zu besprechen. Waisenhaus-Direktor Lanz aus Gersdorf mietete für die Witwe seines Schwagers und deren Tochter die einzige »Villa« in Laubnitz, und zwar nicht bloß als Sommerfrische, sondern zum ständigen Aufenthalt.

Und er, der Direktor, hatte schon selbst tagelang im Hause herumgeschnaubt; denn er überwachte das Abladen und Aufstellen der »Möbels,« die schon vor den beiden Damen in einem mächtigen »Möbelswoine« angekommen waren. Und auch die Frau Direktor war einmal einen ganzen Tag mit tätig gewesen. An dem hatte man aber wenig von Lärm gehört.

Die »Villa« lag mitten im Dorfe, hart an der Straße, durch einen schmalen Vorgarten von ihr getrennt. Über seine hohe, lebendige Hecke lugten nur die kleinen, weinumrankten Fenster des oberen Halbstocks unter einem breit ausladenden Dache neugierig auf die stille Straße hinaus. An den berg- und talwärts gekehrten Giebelseiten sprangen Balkone mit geschnitzten Balustraden schier zu weit aus der Mauer hervor. Lauschige Plätzchen mußten sie bieten, denn noch jetzt, Mitte November, woben die Zweige und Blätter des wilden Weins ein dichtes Geflecht um und über sie. – – –

»Täusche ich mich, oder steht da wirklich so viel Volk müßig rum?« fragte knurrend der Direktor Lanz und beugte sich weit über den Schlag des halbgedeckten Wagens heraus, mit dem sich zwei stämmige Pferde eben am Schulhause vorüber dorfaufwärts quälten.

Lanz rückte dabei an seiner Brille mit dunklen Gläsern, die so stark konvex geschliffen waren, daß man ihre Wölbung schon von großer Weite sah. Er kniff die Augen so angestrengt zusammen, wie das im höchsten Grade Kurzsichtige tun, und fuhr mit hastiger Gebärde des Unmutes in seinen starken, grau und schwarz melierten, rund geschnittenen Vollbart.

»Allerdings!« entgegnete auf seine Frage die schlicht aber vornehm in Halbtrauer gekleidete Dame, die ihm zur Seite saß, und unter ihren tief in die hohe Stirn gekämmten grauen Scheiteln leuchtete in ihren rehbraunen Augen ein stilles Vergnügen über ihres Begleiters borstigen Unmut auf. »Die guten Leutchen scheinen auf etwas zu warten!«

»Hätten Besseres zu tun, die Hungerleider!« brummte da der Direktor verdrießlich.

Vom Bock der Kutsche wandte sich nun ein schlankes, aber kraftvoll gebautes Mädchen von etwa neunzehn Jahren zu den beiden Fondsinsassen herum, und mit frischer, volltönender Stimme neckte sie: »Laß sie doch, Onkelchen! Warum verdrießt Dich das?«

Da schob der Alte seine breite, starkgewölbte Stirn gegen das Mädchen vor in einer ungemein charakteristischen Weise; denn der halb Erblindete suchte instinktiv jedem, der ihn anredete, mit seinen Augen möglichst nahe zu kommen.

»So?« knurrte er. »Paßt Dir das Gaffen? Glaub's schon! Wer in so'ne Waldquetsche kommt, von draußen her, meint, 's ganze Nest müsse auf'm Kopfe stehen seinetwegen. Prinzessinneneinzug heute hier! Was? Vermissen Euer Durchlaucht die Ehrenpforten nicht?«

In den Augen des Mädchens wandelte sich lachender Glanz schnell in verständnisloses Verblüfftsein, und der kleine, kirschrote Mund verzog sich wie zum Weinen. Doch nur einen Augenblick lang; denn im Blick der Mutter las das Mädchen Heiterkeit und einen raschen, tröstenden Zuspruch.

»Nicht doch, Onkelchen!« schmollte sie, schon wieder heiteren Glanz unter den braunen, unbändigen Stirnlöckchen hervor auf den leider so stumpfgesichtigen Brummbär ausstrahlend. »Wie ungalant!«

»Ungalant?« stieß der mit halbgeärgertem Lachen hervor. »Du bist nicht ganz ohne! Also galant soll unsereins auch noch sein?«

»Nun, dann wenigstens gütig!« gab sie ihm zurück, plötzlich in einen sehr ernsten Ton fallend, durch den ein leises Beben der Erregung ging. »Mir wird bange, Onkel, wenn ich denke –«

»Nun, was denn?« drängte er, als sie schwieg.

»Nun – wenn ich denke – ach, nimm's nicht übel! – wenn ich denke, daß Du Deine Waisenkinder auch so anfahren könntest wie mich.«

»Marianne!« rief da ihre Mutter, aufrichtig erschreckt.

Der alte Lanz aber stieß sein kurzes, heiseres Lachen aus, das so gefährlich klang und doch – was allerdings nur die Eingeweihten wissen konnten – grade seine höchste Befriedigung ausdrückte.

»Allerdings,« meckerte er, grimmig-vergnügt, »allerdings, Prinzessel, mach ich's mit denen ebenso. Is auch nötig bei der Schwefelbande! Na, Du wirst sie ja auch noch kennen lernen. Aber laß gut sein, wir sind nun endlich da!«

Und mit leisem Stöhnen kam er seinem schon etwas lahmen Kreuze beim Aufstehen zu Hilfe. Als er, behutsam mit dem Fuße suchend, den Wagentritt gefunden hatte, und endlich, vorsichtig rückwärts tastend, auf der festen Straße gelandet war, hatten die beiden Frauen im raschen Wechselblick ihre etwas schwankend gewordene Fassung und Heiterkeit wiedergewonnen, und elastisch sprang Marianne von dem erhöhten Kutschersitze herab.

Beim Ausholen dazu und während des Sprunges aber strich ihr prüfender Blick über die »Villa« und deren nächste Umgebung hin.

Die kurze Prüfung schon hatte genügt, sie in ein schwärmerisches Entzücken zu versetzen, das alle trüben Wolken der Onkelverdrießlichkeit siegreich durchbrach und zerstreute.

Auch die Mutter stand, in tiefstem Herzen erfreut, vor der Heckenpforte, und ihre glücklichen Blicke wanderten den noch zögernden Füßen voran die bequemen Stufen der Freitreppe hinauf zu der fliesenbelegten Vorhalle. Dort eroberten sie sich sogleich das Herz einer saubern Frau, die vor dem terrakottfarbenen Hintergrunde der Veranda ihre schneeweiße Schürze verlegen maltraitierte.

»Muttel!«

Mit diesem glücklichen Ausrufe schlang das Mädchen ihren Arm um den Hals der Mutter, und die sagte mit einem stillen Lächeln: »Es ist reizend, mein Kind! Ein buen retiro!« Und aus dem Arm der Tochter sich an den blinzelnd näher tretenden Lanz wendend, fügte sie hinzu, ihm die Hand entgegenstreckend: »Tausend Dank, lieber Franz, für diese Wahl!«

»Abwarten!« knurrte der und stapfte die Stufen hinauf. »Wer weiß, wie's Euch drin gefällt! – Na, wie steht's, Berndten? Alles in Ordnung?« wandte er sich dann im Kommandoton an die Wirtschafterin.

»Alles, Herr Direktor!« rapportierte sie, und man sah's ihr an, es rückte sie förmlich zum Strammstehen vor ihm zusammen.

»So? Na, da ist's ja gut! Und da ist nun Ihre Herrschaft, Frau Pastor Hohberg und ihre Tochter, Fräulein Marianne!«

Dabei deutete er auf die beiden Damen, die Arm in Arm und heiter lächelnd ihm die Freitreppe herauf folgten, einander an Wuchs und Haltung so überraschend ähnlich.

Frau Berndt knixte, immer noch verlegen, aber schon ganz für die »Herrschaft« eingenommen. O, sie kannte sich aus! Sie hatte viele Jahre »beim Fürsten« gedient und wußte »was Feines« von »was bloß Gemachtem« zu unterscheiden. Wenn nur »dieser alte Beißteufel von Lanz« nicht dabei wäre, so würde sie die Damen noch ganz anders begrüßen! Aber brummte er da nicht schon ganz vernehmlich »Faxen«, als sie der lieben, feinen Frau, die sie fürs Leben gern ihre »Gnädige« nennen würde, pflichtschuldigst die Hand küßte? Die lehnte das zwar auch mit sanfter Güte ab, aber das war auch was ganz anderes, als »so ein Gepolter.«

So medisierend schritt Frau Berndt, das von Lanz angeworbene Faktotum für alles, hinter den neuen Insassen der »Villa« her. Gern wäre sie ihnen auch auf dem Besichtigungsgange durch alle Räume gefolgt, aber ein Blick Lanzens, dessen Augen wohl die Seh-, nicht aber die Ausdrucksschärfe verloren hatten, verscheuchte sie in ihre blanke Küche.

Mit der vorwärts drängenden Hast, wie sie Organisatoren eigen ist, zog nun Lanz seine Schützlinge von Zimmer zu Zimmer hinter sich her, rastlos und gewissenhaft erklärend, warum er dies so und jenes so gemacht habe. Besonders eingehend setzte er auseinander, warum er hie und da von den Plänen abgewichen sei, die ihm Frau Elisabeth Hohberg für die Unterbringung der Möbel an der Hand einer sauberen Grundrißzeichnung von dem Häuschen schriftlich mitgeteilt hatte.

Es war manches dabei nicht nach dem Sinne der Frauen, deren Geschmacksrichtung erheblich von der des Direktors abwich; denn im Ästhetischen war es etwas zu kurz gekommen und ein wenig kasernenmäßig gerichtet. Auch muteten Elisabeth und Marianne ihre Möbel in den fremden Räumen an wie ein bekanntes Gesicht in der Umgebung gänzlich fremder Menschen: wir wissen dann nicht recht, wie wir beiden, dem Vertrauten und dem Fremden, gerecht werden sollen, bis gerade das Bekannte uns im Kreise des Fremden heimisch macht.

So auch hier!

Als der Rundgang beendet war, und sie zu dem Zimmerchen zurück kehrten, das ihnen als Wohnstube dienen sollte, schienen ihnen Raum und Ausstattung schon in Eins verschmolzen, als müßte es so sein, und mit Mühe erwehrte sich Lanz der überströmenden Dankbarkeit der beiden Frauen, daß er es auf sich genommen habe, ihnen solch ein Heim auszusuchen und einzurichten.

»Schon gut, schon gut!« knurrte er. »Hat gar nichts zu sagen! Am meisten war's ums Risiko zu tun, wie's Euch gefallen würde. 's ist ja 'ne verrannte romantische Idee von Euch, daß Ihr nun grade in dem Waldneste sitzen wollt, wo sich die Füchse ›gute Nacht‹ sagen, zumal im Winter!«

»Ach, weißt Du, Franz,« entgegnete ihm Frau Elisabeth mit mattem Lächeln, »wir sind die Stille gewöhnt von unserer ostpreußischen Pfarre her. Marianne ist in solcher Luft groß geworden, und mir würde bange sein, wenn sie ins Getriebe der Großstadt geriete, das ich von meiner Jugend her noch hasse. Glaub's nur: wir kommen in diesem herrlichen Erdenwinkel schon auf unsere Rechnung! Auch im Winter!«

»Da erst recht!« fiel lachend die Tochter ein. »Ich freue mich schon rasend aufs Sportschlittenfahren, von dem ich in Beschreibungen Eurer Gebirge schon viel gelesen habe.«

Lanz schmunzelte. Den sonnigen Glanz dieses Gesichtes, das bald kindlich-jungfräulich und bald jungfräulich-kindlich strahlte, spürte auch er, trotz seines kurzen Gesichtes. Und er ward von ihm durchwärmt, wie ein eisgründiger Sturzacker von einem milden Märzwinde.

»Na, vielleicht hat Tante Malwine ihre Sache dann auch gut gemacht – mit dem Prinzessinnen-Winkel droben!« lachte er geheimnisvoll. »Da habe ich freilich keinen Rühran tun dürfen!«

Mit diesen Worten stapfte er die etwas steile Holztreppe ins obere Stockwerk voran, und tat dann, als er oben erst ein wenig schnaufend verpustet hatte, zur Seite tretend eine weiß lackierte niedrige Tür weit auf.

Ein überraschtes »Ah« entschlüpfte gleichzeitig beiden Frauen, und einander abermals umfassend, standen sie erst einen Augenblick in stummer Freude vor der Türöffnung still.

Und es war kein Gemeinplatz, wenn sie den An- und Durchblick dieses Zimmerchens »entzückend« fanden. Wand, Bett, Tisch, Sofa und die Mullgardinen an den beiden kleinen Fenstern und über der offenen Balkontür, alles atmete in den hellblumigen Tapeten und Überzügen, im reinen Weiß der Decken und Deckchen und in der weißen, mit feinen Goldlinien umrahmten Lackierung der altmodischen Möbel die heitere Unschuld der unberührten Mädchenseele, für die dieser Rahmen geschaffen ward.

Durch die offne Balkontür aber ragte in diese Lieblichkeit die gigantische Größe der Natur herein: trutzigdüster füllte das gesamte Gesichtsfeld die starrende Wand des »Heidelberges,« er selbst ein Geschöpf kochender Gewalten, gegen die die Gluten des leidenschaftlichsten Herzens doch nur der Hauch eines flüchtigen Kusses auf eine eiserstarrte Wange sind.

»Mein Gott, wie schön!« flüsterte Marianne, und die Mutter inniger umfassend, trat sie, sich wie jene unter dem niedrigen Joche der Tür beugend, schier andächtig in den Raum ein, vor dessen Fenster sich das goldne Schauspiel des spätherbstlichen Zur-Rüste-Gehens der Sonne vorbereitete.

Als sie sich aus ihrem glücklich-versonnenen Schauen herausrissen, um dem Direktor den allerherzlichsten Dank an seine Frau aufzutragen für das, was sie hier Trauliches geschaffen habe, sahen sie erstaunt, daß er schon wieder die Treppe hinunter gestiegen war.

Es mußte ungewöhnlich leise geschehen sein.

Franz Lanz ging allen »gerührten« Leuten weit aus dem Wege. –

* * *

Laubnitz zeigte sich den Neulingen von seiner besten Seite: war schon der Einzugstag sommerlich heiter gewesen, so überbot sich die Natur am andern Tage noch einmal selbst in Glanz und Wärme, ehe sie zu ihrer andern Lustbarkeit schritt: zum Flockengewirbel.

Lanz wußte, wie schnell die gute Frau, die er »wetterwendischer als alle Weiber« nannte, in diesen Bergen die Laune wechselt; darum stand er unverhofft um die Zeit des Nachmittagskaffees auf der Veranda der Villa und kommandierte die freudig herbeieilenden Frauen zur »Dorfbesichtigung«. Dabei wollte er durchaus nicht gelten lassen, daß sein Gang von Gersdorf herüber etwas zu bedeuten habe.

»Pah, der Katzensprung!« machte er. »Nicht der Rede wert! Irgend wohin muß ich meinen Nachmittagsbummel doch machen! Und ich habe obendrein in der Mühle droben zu tun.«

Mutter und Tochter winkten sich amüsiert mit den Blicken zu. Trotzdem sie den Alten eigentlich erst seit gestern persönlich kannten, hatten sie seine Zwiebelhüllen doch schon durchschaut. –

Eigentlich war's dem Herrn Waisenhausdirektor und Amtsvorsteher für Gersdorf, Laubnitz und ein halbes Dutzend anderer »Waldnester« nicht ganz bequem, daß sich das »Mühmchen« da so ungeniert in seinen Arm hing, als sie nun dorfaufwärts wanderten. Andrerseits dachte er aber auch bei sich: »Was der Duckmäuser von Eberhard doch schließlich noch für'n Glück gehabt hat, zu so'ner Frau und zu so'nem Mädel zu kommen.« Und es mischte sich ein wenig Neid dazwischen; denn daß er und sein Weib keine eigenen Kinder hatten großziehen dürfen, war doch nun einmal die Lücke in ihrer sonst so gehaltreichen Ehe.

Und auch die Waisenkinder hatten darüber nicht ganz weghelfen können! –

Vielleicht, vielleicht erlebten sie nun an der nachgelassenen Tochter des Bruders und Schwagers noch so etwas wie verspätete Elternfreude, »wenn auch nur im Ableger!« –

Aus solchen Grübeleien rissen ihn die muntern Fragen Mariannens heraus. Sie war entzückt von den Waldbergen und den malerischen Häuschen und Gehöftchen im Wiesentale; offenbar aber brannte sie noch mehr darauf, über Art und Lebensgang der Dorfinsassen aufgeklärt zu werden.

»Ach was!« suchte Lanz ihre Fragen schnell abzutun, »da gibt's nicht viel Interessantes zu sagen und zu sehen! Das kriecht hier so zwischen Webstuhl und Kartoffelfurche eine Handvoll mühseliger Jahre hinauf, bis es sich zum ›Spitzberge‹ droben durchgeplagt hat. – Dort liegt nämlich der Laubnitzer Kirchhof! – (setzte er aufklärend hinzu) –. Übrigens das schönste Fleckchen weit in der Runde.«

»Dann laß uns dorthin gehen, Onkel!« bat Marianne. »Aber unterwegs sei so gut und erzähle alles, was Du von den Leuten hier weißt. Es interessiert mich ungeheuer! Und nun erst recht! ›Zwischen Webstuhl und Kartoffelfurche kriechen sie die Lebensbahn hinauf!‹ Wie trostlos das klingt! Wieviel Pflichten da vielleicht unserer warten, Muttel!«

Lanz sah betroffen erst das Mädchen und dann die Mutter an. In seine Augen kam ein harter Glanz, und seine Lippen spitzten sich zu einem verächtlichen »Phrasen!«. Aber Frau Elisabeth hielt ihn mit bittendem Blicke zurück. Leichthin aber mit leisem Beben sagte sie: »Sie meint's so, Franz! Eberhard hat sie sehr jung in die Gemeindepflege mitgenommen und eingewöhnt.«

»Und doch bist Du dabei so lustig geblieben, Mühmchen?« fragte Lanz erstaunt. »Viel Gutes ist doch da nicht zu sehen!«

»O doch!« ereiferte sich Marianne. »Das Beste oft! Und eines habe ich dabei entdeckt, daß nämlich jedes Gemüt seine Goldader birgt.«

»Prosit Mahlzeit!« stieß hier Lanz geärgert aus. »Da kannst Du hier lange schürfen! Wetten: Du findest nur taubes Gestein!«

»Viel, Onkel, viel taubes Gestein! Aber nicht nur! Man muß nur Glück haben und gerade dazukommen, wenn's Not und Tod abgeräumt haben. Dann kann man gewiß die Adern schimmern sehen. Und, Onkelchen, ich habe dies Glück schon oft gehabt.«

Er blinzelte sie wieder erstaunt an; denn es war nicht eine Spur von Mache in diesen Worten. Heiter, wie eine scherzhafte Episode erzählte sie das alles. Nur der feuchte Glanz in den großen, braunen Augen verriet die innere Teilnahme.

»So, so!« suchte er seine Bewegung zu verstecken. »Na, da kannst Du die Goldsucherei ja gleich mal gelegentlich da drunten anfangen!« fuhr er spottend fort und zeigte auf ein niedriges, mit Schindeln bedecktes Häuschen, das abseits der Straße an einem abschüssigen Wiesengrunde klebte. »Da wohnt der Bunzel-Schneider. Wenn die wüßten, daß sie Goldadern in sich tragen! Du kannst Gift drauf nehmen: die schnitten sich noch heut Abend gegenseitig den Leib auf, Mann, Frau, Sohn und Schwiegertochter, um das Gold morgen vor der Sonne in die Gersdorfer Sparkasse zu tragen, daß es auch nicht eine Stunde länger so greulich unverzinst liegen bleibe. Denn die sind so gnietschig, daß sie ihrem eigenen Magen die Verdauung verargen.«

Er lachte knarrend über seinen »blutigen Scherz«, und Marianne lachte silbern mit

»Wundervoll, Onkel,« rief sie, »besser kannst Du's nicht anfangen, mich gründlich neugierig zu machen.« Und der alte Lanz war nun förmlich zu einer scharfzüngigen Kritik aller Dorfbewohner gereizt, an deren Häusern sie so langsam vorübergingen. Sie folgten der Hauptstraße des Dorfes bis ans Ende des »Riegels«, bogen dann aber nicht wie der Lohmannsche Leichenzug nach links in den »süßen Grund« ein, sondern blieben in der Häuserzeile rechts vom Riegel.

Unterwegs erzählte Lanz vom Baptistenschuster Völkel. Er gaffe nur immer in den Spiegel, ob ihm nicht bald der wohlverdiente Heiligenschein um seine Glatze wachsen werde, und lasse dabei seine acht Kinder schon hier auf Erden zu Heiligen und Äthergestalten herunterhungern.

Nachher klopfte er im Vorübergehen mit dem Stocke an die Scheiben eines unglaublich vernachlässigten Hauses und weidete sich am Erstaunen der Frauen, als hinter den Fenstern ein Rudel Kinder aller Altersstufen zum Vorschein kamen, alle gleich schmutzig, zerzaust und zerlumpt, und hinter ihnen das grinsende Gesicht eines noch jungen Mannes von wachsbleicher Farbe mit kohlschwarzem Schnurrbart.

»Das ist der vereinigte Nachwuchs der Kahl-Lene,« lachte Lanz. »Der Mann ist ihr schon vor acht Jahren durchgebrannt. Trotzdem hat sie die Welt fast jedes Jahr um eine ›Goldader‹ bereichert. Und in Bezug auf den Schnauzbärtigen da kann man auch sagen: ›Den Du da hast, das ist nicht Dein Mann.‹«

»Und da drüben,« fuhr er fort, nicht ohne Freude, daß beide Frauen über seinen Scherz stumm, aber ohne jede Prüderie weggingen, »da drüben haben wir das Gegenspiel! In dem Häusel auf der Bergwiese da, das so von Sauberkeit glänzt, daß mir's sogar in die Augen beißt, hausen die beiden kinderledigsten Leute im Dorfe. Die haben hinter jeder Tür einen Besen liegen, damit sie jeglich Getier, Hund, Katze oder Kind, sogleich hinausprügeln können. Und die, die sie nicht so behandeln dürfen, fegen sie rundum von oben bis unten ab, ehe sie sie hereinlassen, den Pastor so gut wie den Gemeindeboten. Ja, so sauber sind die! Und doch ist mir die Kahl-Lene lieber!« lachte er kichernd.

»Wer weiß, Onkel,« sagte Marianne nachdenklich, »ob sie innerlich nicht schmutziger sind als die Lene!«

»Mädel!«

Mit diesem Ausruf blieb er stehen, seinen Arm mit kurzem Ruck aus dem ihren lösend, und sah der Verblüfften in ihre klar aufgeschlagenen Augen. Um seine Augen- und Mundwinkel zuckte ein paar mal ein tiefinnerliches Vergnügen, das sich nur schwer verhehlen ließ.

Und ohne ein weiteres Wort der Erklärung schob er wieder ihren Arm unter den seinen und stapfte weiter.

Frau Elisabeth aber lächelte still vor sich hin. Das tat sie immer, wenn sie beobachten durfte, wie sich ihr Kind starre Herzen eroberte.

Der Talweg führte sie indessen zu der Brettschneidemühle, in der Lanz etwas zu bestellen hatte, und, als das geschehen war, gingen sie, immer am rauschenden Bache entlang, gerade auf das Massiv des Heidelberges zu. Nur noch wenige »Steckbriefe« konnte Lanz ausstellen, denn die Hütten standen immer spärlicher. Schließlich endete dieser Flügel des Dorfes ganz. Hinter dem letzten Häuschen, aus dem wie aus allen andern den Spaziergängern das Klappern des Webstuhls einen Taktschritt aufnötigte, traten sie auf eine kreisrunde Wiese hinaus. In drei Ästen zweigten sich von ihr schmale, dunkle Waldschluchten ab, und steile Waldberge, mit Buchen und Tannen bestanden, umzirkten die Wiese wie ein Amphitheater. Auf seiner höchsten Gallerie aber hockte der Heidelberg und spähte mit gekrümmtem Buckel zu dem hellgrünen Schauplänchen herab.

»Das ist das Dreiwassertal!« erklärte Lanz den entzückten Frauen, die dieser Waldkessel sogleich mit dem Zauber seiner bizarren Umrißlinien und leuchtenden Herbstfarben gefangen nahm.

Langes Verweilen an einem Platze war nicht Lanzens Sache, und zum Schwelgen in Naturbildern fehlten ihm ja die Organe. So kehrte man um, nachdem Lanz noch auf das wetterschwarze Blockhaus hingedeutet hatte, das sich am Wiesenrande unter Buchengeäst duckte und als Waldwärterwohnung diente. Als die drei das Tal wieder ein gut Stück abwärts durchschlendert hatten, bog Lanz rechts ab in einen Weg, der in sehr steilem Anstiege am »Riegel« empor und jenseits seines Firstes gerade auf die »Glasehütten-Häuser« hinleitete.

Neues Staunen der Frauen beim Anblick dieser Hütten in ihrem grünen Waldkessel lohnte Lanz die Mühe des für ihn immerhin beschwerlichen Aufstiegs. Er erzählte nun freiwillig, während sie am Kretscham vorübergingen, von allerhand Not und Plage, Verschrobenheit und Ringermut, Naivität und Verschlagenheit der Leutchen, die da hier mitten in den Bergen eine inselartig abgeschlossene Welt für sich bildeten. Denn er kannte sie alle und zwar genau, verschwieg aber, daß er sie so gut kannte, weil fast keiner unter ihnen war der nicht schon einmal in Zeiten der Not seine Zuflucht zu ihm genommen hätte.

Und so fesselnd spann er den Faden seiner Erzählung fort, daß dieser Wiesenplan im Waldkessel den schwermütigen Druck seines Anblicks den beiden Frauen erst so recht aufs Gemüt wälzte, als sie schon nahe der Torhalle des Friedhofes standen. Und erst das hochragende Kruzifix vor der dunkelgrünen Tannenwand brachte die Reminiszenzen des Alten zum Schweigen.

Als drohe ihrer Mutter irgend welche Gefahr, hatte Marianne nach dem ersten sprachlosen Anstaunen der ungeahnt weihevollen Friedhofstätte den Arm des Direktors losgelassen und war an Frau Elisabeth herangetreten. Sie legte weich ihren Arm um die Hüfte der Mutter, die das Taschentuch hervorgezogen und stumm gegen die Lippen gedrückt hatte.

Denn auch sie fühlte sich in einer unerklärlichen Weise erschüttert durch den Anblick dieser friedlichsten aller Ruhestätten und fragte sich verwundert: »Warum?«

Es war wohl der Gedanke an das Grab des unvergeßlichen guten Mannes, das sie nach mehrjähriger Trauer-Zeit, von unbezähmbarem Heimweh befallen, nun doch verlassen hatte!

Und auch Marianne dachte in linder Wehmut dessen, der ihr mehr noch Freund und Vertrauter als liebender Vater gewesen war. –

Lanz ging, weil ihn dies »Frauenwesen« befangen machte, in seiner unruhevollen Art durch die Heckenlücke neben dem Torbau voran, und einzeln folgten ihm Mutter und Tochter, zunächst auch vor der Armseligkeit zurückbebend, die selbst die Grabhügel dieser weltfernen Lastträger überspann. Auf dem Mittelgange zwischen den Grabhügeln, von einem der schiefen Kreuze zum andern sich langsam weiterbewegend, kamen sie endlich dem Kruzifix nahe, und nun erst konnten sie, von der Sonne nicht mehr geblendet, die ihnen bisher auf den Lidern gelegen hatte, den Porphyr-Obelisk auf Frau Lillis Grabe gewahren.

Immer noch unter der Blendung leidend, buchstabierte Marianne mühsam und laut die Worte zusammen:

 

Frau Lilli Lohmann,
geb. Menzel.
Unvergängliche Gattenliebe bettete hier ihre Reste
in süßen Waldesfrieden.

 

»Wundervoll!« rief Marianne. »Wunderbar stimmungsvoll!« brach aber schnell ab; denn sie hatte neben sich die Mutter aufseufzen hören, so weh und erschreckt, daß ihr das Blut stockte. Und als sie hastig den Kopf zu ihr hinwandte, da sah sie sie leichenblassen Gesichtes und mit bebenden Lippen aus weit aufgerissenen Augen die Inschrift anstarren wie ein Gespenst.

»Muttel!« rief Marianne erschreckt und schlang ihren Arm um die Bleiche. »Was ist Dir?«

Aber schon war Frau Elisabeth mit gewaltiger Fassung ihrer Herr geworden, und als jetzt eben Lanz wieder zu ihnen trat, sagte sie, allerdings mit tonloser Stimme: »Laß gut sein! Eine Schwächeanwandlung! Es ist schon wieder vorbei!« Und zu Lanz gewendet, fragte sie: »Wie kommt denn das hier her?«

»Nobel, nicht wahr?« fragte er interessiert zurück. »Ist Porphyr, der Block da, stammt aus dem ›Zimmerberge‹; die drunter ist vor einem knappen Vierteljahre hier begraben worden. Ihr Mann war Sanitätsrat in Dingsda – in … (er nannte Lohmanns früheren Wirkungsort), hat die Frau als Leiche hierhergebracht und ist gleich selber da geblieben.«

»Wie? – In Laubnitz?«

Er merkte den todängstlichen Blick der Fragerin nicht, sondern antwortete eifrig: »Ja! Er hat ein eigenes Haus hier seit vorigem Jahr. Scheint also auch so'n Erdenwinkel-Schwärmer zu sein wie Ihr, 'n bischen phantastisch sicher. Jetzt ist er übrigens, wie ich hörte, schon wieder auf Reisen. Kann sich's wohl leisten, weil er sehr vermögend ist. Möglicherweise kommt er auch gar nicht wieder. Schließlich ist's ihm doch zu stumpfsinnig unter den Webern und Holzschlägern.«

Elisabeth atmete auf. Sie wich den fragenden Blicken der Tochter aus und drängte zur Heimkehr, weil ihr nicht ganz wohl sei. Lanz führte sie durch die Tannenstraße des »süßen Grundes« und machte wiederholt auf den schönen Wuchs der Bäume aufmerksam.

Aber er fand wenig Teilnahme; denn Marianne achtete voll Besorgnis auf die Mutter, die sich wie entgeistert talabwärts schleppte.

»Er hier! Er hier!«

Das war der einzige Gedanke, der sich rastlos in ihrem Kopfe wälzte mit qualvoller Beharrlichkeit. Kaum, daß er einmal von dem andern abgelöst wurde: »Ich kam hierher von meinem Toten und er mit seiner Toten! Wie sonderbar: beide in denselben Erdenwinkel!«

»Da ist das Sanitätsrat-Haus!« macht Lanz plötzlich einem längeren Schweigen unter den Dreien ein Ende.

Sie blieben stehen und betrachteten das Haus, über das sich schon das frühe Abenddunkel des Novembertages verdüsternd legte, mit dem verschiedenartigsten Empfinden. Lanz brummte ein »wunderlicher Kauz« zwischen den Zähnen hervor. Elisabeth sah brennenden Auges zu den verhängten Fenstern hinauf, und Marianne sagte, indem sie das letzte vergilbte Ampelopsisblatt von dem Birkengestänge brach: »Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, wohnt in dem Hause der bedauernswerteste unter allen Kreuzträgern dieses Tales, das ebenso leidvoll zu sein scheint, wie es schön ist. Ich wünschte, Muttel, wir könnten dem Manne eine schwache Stütze werden.«

Frau Elisabeth winkte wie abwehrend mit der Hand. Lanz aber fand, das Mühmchen sei etwas zu eifrig auf der Suche nach »Goldadern«.

* * *

Bis in die frühen Morgenstunden schlug sich nach dieser Friedhofwanderung Elisabeth Hohberg mit dem Gedanken herum: »Was soll nun werden?«

Nach jahrzehntelangem Schlummer erwachten die Gestalten des Jugendtraumes zu neuem Leben in diesen stillen Nachtstunden.

Sie sah sich im überströmenden Glücksrausche, als er sich ihr zuwendete, den sie aus der Ferne schon lange angeschwärmt hatte. O, die köstlich-verschwiegenen Spaziergänge zu zweien, die sie an lauen Sommerabenden am einsamen Oderufer einander immer näher brachten! Mit welchem Herzklopfen eilte sie von ihren Büchern fort, aus dem schwülen Stübchen im dritten Stockwerk, hinaus zur Dampferanlegestelle, bangend, ob er auch zur rechten Zeit freikommen werde. Welche Wonne lag in den stillen Blicken eines geheimen Einverständnisses, die man unter den vielen Menschen auf dem Verdeck wechselte, immer in Angst, es könnten Bekannte drunter sein und die ersehnten Stunden des Alleinseins stören. Das Fremdtun wollte auch immer kaum über das hastige Absteigen an der ersten Landungsstelle hinaus anhalten. In Umarmung und Kuß war bald alles vergessen, was zu befürchten und zu vermeiden war.

Und es kam ja schließlich alles an den Tag und damit die Zeit des Kampfes. Und die war frisch und stählend gewesen wie ein Sturmbad.

O, sie hätten's wohl durchgerungen, wenn nur nicht der plötzliche Tod des Vaters dazwischen gekommen wäre! Aber da begann's, ihr eignes törichtes Großtun und Märtyrergelüst. O, sie wußte es ja schon länger als ein Jahrzehnt, was sie eigentlich getrieben hatte, ihm so unsinnige Bedingungen zu stellen und Hals über Kopf nach dem Examen ihrem »süßen Glück« davon zu laufen in die ostpreußische Einöde.

Märtyrergelüst war's gewesen!

Sie vertrug's nicht, daß sie immer nur so zu ihm aufsehen sollte und mußte, von ihrem eigenen Empfinden dazu gezwungen, nicht etwa von seiner Anmaßung. Sie wollte auch groß dastehen, wenigstens vor sich selber! Und wenn's nicht anders ging, so durch einen heroischen Entschluß, der ihm die Bahn frei machte.

Wie töricht war das alles gewesen! Wie nutzlos und auch wie unaufrichtig gegen sich selbst!

Denn im Grunde des »starken« Herzens, da schrie's ja auf in wilder Sehnsucht nach ihm, und kein Funken Glaube war in ihr, er könne das Opfer wirklich annehmen, und als er's annahm – o, welch bittrer, gallenbittrer, gehässiger Groll war das gewesen!

Nicht einmal der triumphierende Jubel darüber, daß er's nachher fertig bekam, sich zu »verkaufen«, scheuchte den lebenvergiftenden Groll hinweg; wie hätte sie's sonst fertig bekommen, dem Pastor Hohberg alle Güte und Freundlichkeit, die er der gedrückten und gräßlich vereinsamten Erzieherin bewies, dadurch zu vergelten, daß sie ohne Liebe sein Weib wurde?! –

Nun, der hatte eine edle Rache an ihr genommen!

Er gehörte eben zu denen, die durch ihre Sanftmut das Erdreich besitzen. Und so zwang er sie, nicht nur ihn selbst, sondern auch alles das zu lieben, was er liebte: sein Amt, seine Herde und schließlich auch – seinen Gott, und alles zu vergessen, wovon er nichts wissen mochte und konnte, und darum auch die Lohmannsche »Untreue«. Erst recht aber mußte sie hier tun, was sie von jenem fortgetrieben hatte: zu ihm aufsehen. Das hatte sie gründlich gelernt und allen Eigendünkel dabei verlernt.

Und als er von ihr ging, viel zu früh, wie alles Gute zu früh dahingeht, da ließ er ihr in ihrem Kinde sein leibliches und seelisches Wiederspiel zurück zum bleibenden Trost.

Verwitwet und doch nicht einsam, Verluste beklagend und doch nicht arm, war sie nun zum unvergeßlichen Heimatlande zurückgekehrt, gelenkt von dem Wunsche, in der Nähe der Menschen leben zu können, die die einzigen Verwandten ihres Kindes waren.

Und wie hatte sie diese Menschen gleich so lieb gewonnen, den knorrigen Mann und die sanfte Frau, die schon auf Mariannen sahen, wie auf ihr eigenes Kind!

Und der stille Frieden dieses Waldidylls!

Wie paßten sie so gut hier herein, sie, die nichts mehr wünschte, als in Frieden gelassen zu werden, und Marianne, die niemals aus der Bannmeile ihres dörflichen Kinderparadieses hinausgekommen war!

Und nun –?

Nun sollte sie den Mann wiedersehen, in dem sich für sie alle Wonnen und aller Gram verkörperten, die nach einander ein Frauenherz zum Tempel und zur Gruft weihen!

Sollte nun der wilde Wirbel noch einmal über ein Gräberfeld hinbrausen und die Toten zu einem neuen Leben erwecken, das doch nur ein geisterhaftes sein konnte?! –

»Unvergängliche Gattenliebe« predigte der unheimlich rote Stein draußen auf dem Grabe derer, die sich ihn einst »gekauft« hatte!

Hatte sie ihn auch gewonnen, die Reiche, ganz gewonnen? Nicht nur gekauft?

»Unvergängliche Gattenliebe! –!«

Er hatte versucht, sich mit ihr hier zu begraben! – Er! – In Laubnitz, unter den Webern und Holzschlägern! –

Vielleicht war auch dies Wunder geschehen!

Nun, so mochte es sein, daß sie hier zusammen lebten! –

Dann war's ja gut – für alle – alle!

Und damit verwischten sich in Elisabeths wehem Kopfe die Bilder zum langersehnten Traume. –


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