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8. Kapitel

Er schlief mehrere Tage, aber auch nach dem Erwachen hatte das böse Fieber ihn noch nicht verlassen, und er redete noch lange irre, sprach von Sbarasch, dem Fürsten, dem Starosten von Krasnostaw, unterhielt sich mit Herrn Michael und Sagloba, rief Herrn Longinus zu: »Nicht hier!« Nur der Prinzessin tat er nicht einmal Erwähnung. Man sah, daß die unermeßliche Kraft, vermöge welcher er ein für allemal ihr Gedenken in sein Innerstes verschlossen hatte, ihn sogar in diesem Zustand der Schwäche und Krankheit nicht verließ. Dafür schien ihm, als ob Rzendzians pausbäckiges Gesicht sich über ihn beuge, gerade wie er es damals gesehen, als der Fürst nach der Schlacht bei Konstantinow ihn mit einigen Fahnen nach Saslaw geschickt hatte, um die Rebellenhaufen zu zersprengen, und Rzendzian plötzlich unerwartet im Quartier erschienen war. Und der Anblick dieses Gesichtes verwirrte seine Sinne, denn ihm war, als habe die Zeit in ihrem Laufe stillgestanden und sich nichts seitdem verändert. Er glaubte sich wieder an dem Chomor schlafend in einer Hütte. Als er erwacht, zieht er mit den Fahnen nach Tarnopol – Krschywonos flieht geschlagen zu Chmielnizki ... Rzendzian ist aus Huschtscha gekommen und sitzt bei ihm ... Skrzetuski möchte mit ihm sprechen, möchte dem Burschen den Auftrag geben, die Pferde zu satteln, – er vermag es nicht ... Und dann wieder ist ihm, als sei er nicht am Chomor, und daß doch seitdem die Einnahme von Bar stattgefunden hat – da preßt ihm der Schmerz die Zähne zusammen, und die unglückseligen Gedanken verlieren sich wieder im Dunkel. Er weiß nichts mehr, sieht nichts, – aber aus diesem Gedankenchaos, dieser Macht taucht Sbarasch ... die Belagerung ... Er ist also nicht am Chomor. Und doch sitzt Rzendzian bei ihm, beugt sich über ihn. Durch die in den Fensterläden ausgeschnittenen Herzen fällt ein schmaler Streif hellen Tageslichtes und beleuchtet deutlich das Gesicht des Burschen, in welchem sich Sorgfalt und Mitleid malen.

»Rzendzian!« ruft plötzlich Herr Skrzetuski.

»O, mein gnädiger Herr! Daß Ihr mich endlich erkennt!« ruft der Bursche aus und fällt auf die Kniee. »Ich glaubte schon, daß der gnädige Herr niemals mehr aufwacht ...«

Es folgte eine Weile Stillschweigen, man hörte nichts, als das Schluchzen des Burschen, welcher fortwährend die Füße seines Herrn umklammerte.

»Wo bin ich?« fragte Skrzetuski.

»In Toporow ... der gnädige Herr ist aus Sbarasch zum König gekommen ... Gott sei gelobt! Gott sei gelobt!«

»Und wo ist der König?«

»Er ist mit dem Heere zur Rettung des Fürst-Wojewoden geeilt.«

Wieder trat Stille ein. Freudentränen flössen unaufhörlich über Rzendzians Angesicht, der nach einer Weile von neuem begann:

»Daß ich doch den gnädigen Herrn noch wiedersehe!«

Dann stand er auf, öffnete den Fensterladen und das Fenster.

Die frische Morgenluft drang in die Stube, mit ihr das volle Tageslicht. Mit diesem Lichte kehrte Skrzetuski die volle Besinnung zurück.

Rzendzian setzte sich zu Füßen des Bettes.

»So bin ich aus Sbarasch gekommen?« fragte der Ritter.

»Jawohl, mein gnädiger Herr. Es konnte niemand das leisten, was Ihr geleistet habt, und auf Eure Veranlassung ist der König zu Hilfe geeilt.«

»Herr Longinus hat es vor mir versucht, ist aber gefallen.«

»O, mein Gott! Herr Longinus ist tot? Ein so tugendhafter und freigebiger Herr! ... Der Schreck hat mir fast den Atem benommen. Wie sie nur so einen Riesen bezwungen haben.«

»Sie haben ihn mit Pfeilen erschossen.«

»Und Herr Wolodyjowski und Sagloba?«

»Die waren noch heil, als ich fortging.«

»Gott sei Dank. Das sind des gnädigen Herrn liebe Freunde ... Aber der Herr Probst hat mir zu reden verboten.«

Rzendzian verstummte und strengte seinen Kopf eine Zeitlang an. Man sah seinem pausbäckigen Gesicht an, daß er nachdachte. Nach einer Weile sagte er:

»Gnädiger Herr!«

»Was willst du?«

»Was wird eigentlich mit dem Vermögen des Herrn Longinus geschehen? Er soll ja Dörfer und allerlei Güter ohne Zahl haben. Ob er den Freunden etwas verschrieben hat? Denn wie ich höre, hat er keine Familie.«

Skrzetuski antwortete nicht. Rzendzian erkannte daran, daß die Frage seinem Herrn nicht gefiel, und er fing also wieder an:

»Aber Gott sei Dank, daß Herr Sagloba und Herr Wolodyjowski gesund sind; ich dachte, sie wären damals in die Hände der Tataren gefallen ... wir haben viel Not miteinander ausgestanden ... nur hat mir der Herr Probst verboten, zu reden ... Ei, gnädiger Herr, ich dachte nicht, daß ich sie wieder sehen würde, denn die Tatarenhorde hatte uns so zugesetzt, daß wir uns keinen Rat mehr wußten.«

»Du warst also mit Herrn Wolodyjowski und Sagloba? Sie haben mir nichts davon gesagt.«

»Denn auch sie wußten nicht, ob ich gerettet sei, oder umgekommen bin.«

»Und wo hat euch die Horde so zugesetzt?«

»Hinter Ploskirow, auf dem Wege nach Sbarasch. Wir waren nämlich weit hinter Jampol – gnädiger Herr ... aber der Probst hat mir zu sprechen verboten.«

Sie schwiegen wieder.

»Gott lohne euch euren guten Willen und die Mühsal,« sagte Skrzetuski, »denn ich weiß, warum ihr dort waret; auch ich war vor euch in jener Gegend ... umsonst ...«

»Ei, mein gnädiger Herr, wenn der Probst nicht wäre. Aber der hat mir so gesagt: ich muß mit dem Könige nach Sbarasch gehen, hüte den Herrn Skrzetuski, aber sage ihm nichts, denn die Seele würde ihm entfliehen.«

Skrzetuski hatte so sehr alle Hoffnung aufgegeben, daß auch diese Worte Rzendzians nicht einen Schimmer in ihm wachriefen. Eine Zeitlang lag er regungslos, dann fragte er:

»Wie kommst du hierher zum Heere und zum Probst Tschiezichowski?«

»Die Burgvogtin von Sandomir, Frau von Witowska, sandte mich von Sandomir zu dem Herrn Burgvogt mit der Nachricht, sie wolle sich in Toporow mit ihm vereinigen ... Das ist eine mutige Frau, gnädiger Herr; sie will durchaus beim Heere sein, nur um sich nicht von dem Herrn Burgvogt trennen zu müssen. Ich bin also in Toporow einen Tag früher angelangt als Ihr, gnädiger Herr. Die Frau von Witowska muß jeden Augenblick ankommen, sie müßte schon hier sein ... aber, was nützt das, wenn er jetzt wieder mit dem Könige fort ist.«

»Ich kann gar nicht verstehen, wie du nach Samoschtsch kommen konntest, wenn du mit den Herren Wolodyjowski und Sagloba hinter Jampol warst. Warum bist du nicht mit ihnen nach Sbarasch gekommen?«

»Seht, gnädiger Herr, als die Horde uns auf den Leib rückte, da ging es nicht anders; sie mußten sich beide der Horde entgegenwerfen, während ich entfloh und nicht eher Halt machte, bis ich Samoschtsch erreicht hatte.«

»Es ist ein Glück, daß sie nicht fielen,« sagte Skrzetuski, »aber ich dachte, du wärest ein besserer Bursche. War es denn recht, sie in solcher Gefahr zu verlassen?«

»Ei, mein gnädiger Herr, wenn wir allein zu dreien gewesen wären, da hätte ich sie sicher nicht verlassen ... aber es waren unser vier ... sie warfen sich also den Tataren entgegen, mir befahlen sie, – allein zu reiten ... Wenn ich sicher wäre, daß die Freude Euch nicht tötet, ... wir haben dort hinter Jampol gefunden ... aber der Probst ...«

Skrzetuski sah den Burschen an und rieb sich die Augen, wie ein Mensch, welcher aus dem Schlafe erwacht; plötzlich war es, als zerreiße etwas in ihm, er wurde leichenblaß, setzte sich im Bette auf und rief mit Donnerstimme:

»Wer war mit dir?«

»Gnädiger Herr! ach, gnädiger Herr!« rief der Bursche, durch die Veränderung erschreckt, welche in dem Gesicht des Ritters vorging.

»Wer war mit dir?« schrie Skrzetuski, indem er den Burschen an der Schulter faßte, ihn rüttelte, und wie mit eisernen Klammern hielt, während er selbst wie im Fieberfrost bebte.

»Ich will es ja sagen,« rief Rzendzian, »mag der Probst tun, was er will. Das Fräulein war mit uns und ist jetzt bei der Frau von Witowska.«

Skrzetuski wurde steif, seine Augen schlossen sich, und sein Kopf fiel schwer auf die Kissen.

»Hilfe!« rief Rzendzian. »Der gnädige Herr hat wohl den letzten Atemzug getan. Hilfe, was tat ich! Hätte ich doch lieber geschwiegen. Mein Gott! teuerster Herr, sprecht nur ein Wort ... Um Gottes willen! Der Probst hatte recht, es zu verbieten ... gnädigster Herr! He! Gnädiger Herr! ...«

»Es ist nichts!« sagte Skrzetuski endlich. »Wo ist sie?«

»Gott sei Dank, daß Ihr zu Euch kommt, gnädiger Herr. Es ist besser, ich sage nichts mehr. Sie ist bei der Burgvogtin von Sandomir, sie müssen jeden Augenblick kommen ... Gott sei Dank! ... Daß nur der gnädige Herr nicht stirbt ... sie müssen gleich hier sein. Wir sind nach Samoschtsch geflohen ... dort hat der Geistliche sie der Frau von Witowska übergeben, um den Anstand zu wahren ... weil sich im Heere Dirnen aufhalten. Bohun hat sie nicht entehrt, aber um Abenteuer hat es nicht not ... ich hatte viel Sorge mit ihr, aber ich sagte den Soldaten: sie ist eine Verwandte des Fürsten Jeremias, da ehrten sie sie als solche ... Ich habe auch eine Menge Geld auf der Reise ausgegeben.«

Skrzetuski lag wieder regungslos da; er hatte die Augen starr auf die Decke gerichtet, das Gesicht war sehr ernst – man sah, er betete. Als er geendet hatte, richtete er sich auf und sagte:

»Gib mir die Kleider und laß das Pferd satteln.«

»Wohin will der gnädige Herr reiten?«

»Die Kleider, schnell!«

»Als ob der gnädige Herr wüßte, daß es Kleider über Kleider für ihn gibt, denn der König ließ vor dem Ausmarsch solche herbringen, und auch andere Herren haben Kleider geschickt. Und drei flotte Pferde stehen im Stall ... wenn ich wenigstens ein solches hätte. – Aber dem gnädigen Herrn wäre es besser, wenn er noch etwas liegen bliebe und ausruhte, denn die Kräfte fehlen noch.«

»Mir fehlt nichts. Ich kann aufsitzen. Beim lebendigen Gott, beeile dich!«

»Ich weiß ja, daß der Körper des gnädigen Herrn von Eisen ist, sei es denn so. Nur mag der gnädige Herr mich bei dem Probst Tschiezischowski in Schutz nehmen ... Hier sind Kleider ... bessere findet man nicht bei den armenischen Zeughändlern ... zieht Euch an, gnädiger Herr, ich werde Euch unterdessen eine Weinsuppe bestellen, denn ich habe auch für mich eine von dem Diener des Geistlichen bereiten lassen.«

Indem er das sagte, machte sich Rzendzian mit dem Essen zu schaffen, und Skrzetuski fing an, schnell die Kleider anzulegen, welche der König ihm geschenkt hatte. Nur von Zeit zu Zeit drückte er den Burschen an das übervolle Herz, und dieser erzählte ihm alles von Anfang, wie er den von Wunden, die ihm Wolodyjowski beigebracht, halbgenesenen Bohun in Wlodawa getroffen, von ihm den Aufenthalt der Prinzessin erfahren und den Geleitsschein erhalten habe. Wie sie dann mit Herrn Wolodyjowski und Sagloba zu den Schluchten an der Waladynka gereist, wie sie dort die Seherin und den Tscheremis getötet, die Prinzessin fortgeführt, und endlich, in welcher Gefahr sie waren, da sie vor den Abteilungen Burlajs flohen.

»Den Burlaj hat Herr Sagloba erschlagen,« fiel Skrzetuski fieberhaft ein.

»Er ist ein tapferer Mann,« antwortete Rzendzian; »einen solchen, wie ich ihn noch nie sah, denn der eine pflegt tapfer, der andere redefertig, ein dritter ein Witzbold zu sein; Herr Sagloba vereinigt aber das alles in seiner Person. Am schlimmsten erging es uns aber doch hinter Ploskirow, als die Horde uns überfiel. Herr Michael und Herr Sagloba blieben zurück, um den Angriff auf sich zu lenken und die Verfolger aufzuhalten; ich aber wandte mich gegen Konstantinow, indem ich Sbarasch umging, denn ich dachte mir, wenn sie den kleinen Herrn und Herrn Sagloba ermordet haben, werden sie uns wohl gerade nach Sbarasch zu verfolgen. Ich weiß gar nicht, auf welche Weise der barmherzige Gott die beiden Herren gerettet hat ... Ich dachte, sie müßten tot sein. Ich und das Fräulein schlüpften zwischen Chmielnizki, welcher von Konstantinow herankam, und Sbarasch, wohin die Tataren sich schon zusammenzogen, hindurch.«

»Sie sind nicht gleich dorthin gekommen, denn Herr Kuschel hat sie gedrängt. Aber sprich schneller!«

»Wenn ich das nur gewußt hätte, aber da ich es nicht wußte, suchte ich mit dem Fräulein mich zwischen Tataren und Kosaken hindurchzudrängen wie durch einen Engpaß. Zum Glück war das Land öde, so daß wir nirgends ein lebendes Wesen antrafen, weder in den Dörfern noch in Städtchen, denn alles war entflohen, was fliehen konnte. Aber ich war halbtot vor Angst, daß mich die Tataren nicht bekommen möchten; ich bin dem auch nicht entgangen.«

Skrzetuski hörte auf, sich anzukleiden, und fragte:

»Wieso?«

»Auf diese Weise, gnädiger Herr: ich traf auf einem Streifzug der Kosaken unter Doniez, den Bruder jener Horpyna, bei welcher das Fräulein in der Schlucht war. Zum Glück kannte ich ihn gut, denn er hatte mich bei Bohun gesehen. Ich grüßte ihn also von der Schwester, zeigte ihm den Geleitsschein von Bohun und erzählte ihm alles, wie Bohun mich nach dem Fräulein ausgeschickt und mich jetzt hinter Wlodawa erwarte. Und er glaubte es, denn er war doch Bohuns Freund und hatte gewußt, daß die Schwester das Fräulein bewache. Ich dachte, er ließe uns weiterreisen und versehe uns noch auf den Weg, aber er sagte: »Dort sammelt sich das erste Aufgebot, du fällst noch den Lechen in die Hände; bleibe, sagte er, bei mir, wir gehen zu Chmielnizki, im Lager ist das Mädchen am sichersten, denn Chmielnizki selbst wird sie für Bohun hüten.« Wie er mir das sagte, da erstarrte ich, denn was sollte ich darauf antworten. Ich erwiderte also: Bohun wartet auf sie, und mein Kopf steht auf dem Spiele, wenn ich sie nicht bald bringe. Darauf er: »So lassen wir es Bohun wissen, und du bleibst hier, denn dort sind die Lechen.« Ich wollte mich losmachen, bis er endlich sagte: »Es wundert mich, daß du dich so fürchtest, unter die Kosaken zu gehen, – bist du auch kein Verräter?« Da sah ich, daß mir nichts übrig blieb, als des Nachts zu entfliehen, denn schon verdächtigte er mich. Siebenfacher Schweiß bedeckte mich, gnädiger Herr. Ich machte also alles reisefertig, als Herr Pelka von den königlichen Truppen in der Nacht ankam.«

»Herr Pelka?« fragte Skrzetuski, den Atem anhaltend.

»Er selbst, gnädiger Herr. Er war ein berühmter Streifzügler, dieser Herr Pelka, der unlängst gefallen ist, – der Herr leuchte seiner Seele! – Ich weiß nicht, ob es jemand besser als er versteht, einen Streifzug zu führen und sich vor dem Feinde zu bewegen, – vielleicht nur der einzige Herr Wolodyjowski. Also Herr Pelka kam, rieb die Abteilung des Doniez auf, so daß auch nicht ein Mann übrig blieb, und nahm den Doniez selbst gefangen. Vor einigen Wochen haben sie ihn mit Ochsen auf den Pfahl gezogen, – ist ihm recht geschehen! Aber auch mit Herrn Pelka hatte ich meine Not, denn der war ein Mensch, der alle Tugend haßte ... der Herr leuchte seiner Seele! ... Ich fürchtete schon, daß dem Fräulein, kaum den Kosakenhorden entronnen, von den Unsrigen weit Schlimmeres begegnen könnte. Erst als ich ihm sagte, daß sie eine Verwandte unseres fürstlichen Herrn ist, da hörte er mit den Nachstellungen auf. Der gnädige Herr muß wissen, wenn man unseren Fürsten erwähnte, da nahm er immer die Mütze ab und sprach davon, in seine Dienste zu treten ... Er fing also an das Fräulein zu ehren, und führte uns bis weit nach Samoschtsch zum Könige, und dort nahm uns der Probst Tschiezischowski, ein sehr frommer Geistlicher, gnädiger Herr, in seinen Schutz und übergab das Fräulein der Frau von Witowska.«

Skrzetuski atmete tief auf, dann fiel er Rzendzian um den Hals.

»Ein Freund sollst du mir fürder sein, kein Diener,« sagte er. »Aber jetzt brechen wir auf. Wann sollte die Frau Burgvogtin hier anlangen?«

»Eine Woche nach mir. Es sind schon zehn Tage verflossen ... acht Tage hat der gnädige Herr ohne Besinnung gelegen.«

»Reiten wir! Reiten wir!« wiederholte Skrzetuski, »denn die Freude sprengt mir das Herz.«

Aber noch ehe er geendet hatte, ließ sich auf dem Hofe Pferdegetrappel hören, die Fenster wurden plötzlich durch Menschen und Pferde verdunkelt. Durch die Scheiben erblickte Skrzetuski zuerst den alten Probst Tschiezischowski und neben ihm die abgezehrten Gesichter Saglobas, Wolodyjowskis, Kuschels und anderer Bekannten mitten unter den roten Dragonern des Fürsten. Ein Freudenruf erscholl, und im nächsten Augenblick drängte, den Probst an der Spitze, eine Menge Ritter in die Stube.

»Der Friede ist bei Sborowo geschlossen, die Belagerung aufgehoben!« rief der Probst.

Aber Skrzetuski hatte das gleich beim Anblick seiner Gefährten aus Sbarasch erraten; jetzt lag er schon in den Armen Saglobas und Wolodyjowskis, welche ihn immer einer dem anderen entrissen.

»Man sagte uns, Ihr lebtet!« schrie Sagloba, »um so größer ist die Freude, daß wir Euch so schnell auch gesund finden! Wir sind absichtlich hierher gekommen. Euch zu holen, Herr Johann! Ihr wißt gar nicht, mit welchem Ruhme Ihr Euch bedeckt habt – und welcher Lohn Eurer wartet.«

»Der König hat Euch belohnt!« sagte der Probst, »aber der König der Könige hat Euch mehr zugedacht.«

»Ich weiß es schon!« entgegnete Skrzetuski. »Gott lohne es Euch! Rzendzian hat mir alles gesagt.«

»Und die Freude hat Euch nicht erstickt? Das ist gut! Vivat Skrzetuski, Vivat die Prinzessin!« schrie Sagloba. »Nicht wahr, Herr Johann, wir haben Euch keine Silbe verraten, weil wir nicht wußten, ob sie lebt. Aber der Bursche ist wacker mit ihr ausgerissen. O vulpes astuta! Der Fürst wartet auf euch beide. Ha! Bis hinter Jahorlik haben wir sie hergeholt. Ich habe das Höllenmonstrum erschlagen, das sie bewachte. Die zwölf Jungens sind euch ausgerückt, aber ihr werdet sie einholen und noch überholen. Ich werde Enkel bekommen, meine Herren. Rzendzian, sprich, ob du nicht große Hindernisse zu bewältigen hattest? Stelle dir vor, daß wir beide allein die ganze Horde aufgehalten haben. Ich warf mich zuerst der ganzen Abteilung entgegen. In Löcher haben sie sich versteckt, – es half nichts. Herr Michael hielt sich auch tapfer. Wo ist mein Töchterchen? Gebt mir mein Töchterchen!«

»Gott mache dich glücklich, Johann! Gott mache dich glücklich!« sagte der kleine Ritter, indem er Skrzetuski von neuem umarmte.

»Gott lohne euch alles, was ihr mir getan; mir fehlen die Worte, euch zu danken. Mit Leben und Blut kann ich euch nicht lohnen!« antwortete Skrzetuski.

»Das ist Nebensache!« rief Sagloba. »Der Friede ist geschlossen! Ein jämmerlicher Friede, meine Herren, aber was hilft's. Es ist gut, daß wir das verpestete Sbarasch verlassen haben. Jetzt haben wir Ruhe, meine Herren! Das ist unser Werk, mein Werk besonders, denn wenn Burlaj noch lebte, wären alle Verträge umsonst. Wir fahren zur Hochzeit. Auf, Johann! Haltet Euch gut! Ihr könnt nicht erraten, was für ein Hochzeitsangebinde unser fürstlicher Herr Euch bereitet! Ein anderes Mal sage ich es Euch. Wo ist aber mein Töchterchen? Bringt mir mein Töchterchen. Bohun nimmt sie uns nicht mehr. Eher müßte er alle Fesseln zersprengen. Wo ist mein liebstes Töchterchen?«

»Ich wollte eben aufsitzen, um der Herrin von Sandomir entgegenzureiten,« sagte Skrzetuski. »Reiten wir! Reiten wir! Ich verliere sonst den Verstand.«

»Heida, meine Herren! Reiten wir mit ihm. Laßt uns keine Zeit verlieren! Heida!«

»Die Herrin von Sandomir kann nicht mehr weit sein,« sagte der Probst.

»Auf!« setzte Herr Michael hinzu.

Aber Skrzetuski war schon vor der Tür und sprang so leicht auf das Pferd, als wäre er nicht eben erst vom Schmerzenslager aufgestanden. Rzendzian hielt sich an seiner Seite; er zog vor, ein Alleinsein mit dem Probst zu vermeiden. Herr Michael und Sagloba schlossen sich ihnen an und – so ritten sie, was die Pferde auszugreifen vermochten, an der Spitze der Versammlung sämtlicher Adligen, welche samt den roten Dragonern die Straße nach Toporow zu ihnen nachflogen wie rote Mohnblüten, die der Wind vor sich hertreibt.

»Heida!« schrie Sagloba, seinem Pferde die Sporen gebend.

So waren sie etwa zehn Gewende weit dahingejagt, als sie hinter einer Biegung der Straße dicht vor sich eine Reihe Wagen und Kaleschen sahen, welche von einer Anzahl Heiducken begleitet waren. Einige derselben sprengten gleich voraus, als sie einen Zug Bewaffneter vor sich sahen, um zu fragen, wer diese seien.

»Die Eurigen, vom königlichen Heere!« schrie Herr Sagloba. »Und wer kommt dort?«

»Die Frau Burgvogtin von Sandomir,« lautete die Antwort.

Skrzetuski überwältigte die innere Bewegung so sehr, daß er, ohne zu wissen, was er tat, vom Pferde herabglitt und schwankend seitwärts vom Wege stehen blieb. Er hatte die Mütze abgenommen, Schweißtropfen fielen ihm von den Schläfen herab, und dieser Ritter, der dem Unglück mutig die Stirn geboten, bebte jetzt am ganzen Leibe angesichts des nahen Glückes.

Herr Michael war auch vom Pferde gesprungen und stützte den schwach gewordenen Ritter mit seinen Armen.

Ihrem Beispiel folgend, stellten sich alle mit entblößten Häuptern am Rande der Landstraße auf und ließen die Reihe der Wagen und Kaleschen an sich vorüberziehen. Mit der Frau von Witowska kamen eine Anzahl verschiedener Damen, welche verwundert auf diese Reihen Ritter und Soldaten an der Landstraße blickten und sich fragten, was sie wohl zu bedeuten habe.

Endlich erschien in der Mitte des Zuges eine reicher geschmückte Kalesche als die vorhergegangenen. Die Ritter sahen durch die geöffneten Fenster derselben das ernste Gesicht einer alten Dame und neben ihr das süße, schöne Antlitz des Fräulein Helene Kurzewitsch.

»Töchterchen!« rief Sagloba, indem er sich kopfüber der Kalesche entgegenwarf, »Töchterchen! Skrzetuski ist hier! ... Töchterchen!«

Im Zuge wurden Rufe laut: »Halt! Halt!« Eine Bewegung entstand, und Wolodyjowski und Kuschel führten oder schleppten vielmehr Skrzetuski an die Kalesche. Er war immer schwächer geworden und hing immer schwerer in ihren Armen. Der Kopf fiel ihm auf die Brust, er konnte nicht weitergehen und sank an dem Tritt der Kalesche in die Kniee.

Einen Augenblick später richteten die kräftigen, aber schönen Arme Helenens den schwachen, abgezehrten Kopf des Ritters in die Höhe.

Sagloba aber, welcher das Erstaunen der Herrin von Sandomir wahrnahm, rief:

»Das ist Skrzetuski, der Held von Sbarasch. Er hat sich durch die Feinde geschlichen, er hat das Heer des Fürsten, die ganze Republik gerettet! Gott segne sie beide, sie sollen leben!«

»Sie sollen leben! Vivat! Vivat!« riefen die Edelleute.

»Sie sollen leben!« wiederholten die fürstlichen Dragoner donnernd, daß es auf dem ganzen Felde von Toporow widerhallte ...

»Nach Tarnopol! Zum Fürsten! Zur Hochzeit!« rief Sagloba aus. »Jetzt, Töchterchen, ist die Trübsal zu Ende! ... Dem Bohun bleibt der Henker und das Schwert.«

Der Probst Tschiezischowski hatte die Augen zum Himmel gerichtet, und seine Lippen wiederholten die herrlichen Worte des begeisterten Predigers:

»Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten ...«

Man setzte Skrzetuski neben die Prinzessin in die Kalesche, und der Zug bewegte sich weiter. Der Tag war wunderschön, die Eichenwälder und Felder schwammen im Sonnenlicht. Tief auf den Stoppeln, den Brachfeldern und höher über ihnen und noch höher in der blauen Luft zogen schon hier und da die silbernen Fäden der Spinne, welche im Spätherbst die dortigen Felder wie mit Schnee bedecken. Und Friede ward ringsum, nur das Schnauben der Pferde im Zug unterbrach die tiefe Stille.

»Herr Michael,« sagte Sagloba, Wolodyjowski mit dem Steigbügel anstoßend, »es hat mich wieder etwas an der Kehle gefaßt und hält mich fest wie damals, als Longinus – Gott gebe ihm die ewige Ruhe – aus Sbarasch fortging. Aber, wenn ich denke, daß die beiden sich endlich gefunden haben, da ist mir so leicht ums Herz, als hätte ich ein Quart guten Wein in einem Zuge ausgetrunken. Wenn auch uns nicht der Ehestand bestimmt ist, so wollen wir in unseren alten Tagen ihre Kinder erziehen. Ein jeder wird zu etwas anderem geboren, Herr Michael, und wir beide eignen uns wohl besser zum Kriege als zum Ehestande.«

Der kleine Ritter antwortete nicht, zuckte aber wiederholt mit dem Schnurrbart.

Sie ritten auf Toporow und von dort nach Tarnopol, wo sie sich mit dem Fürsten Jeremias vereinigen und dann zusammen zur Hochzeit reisen sollten. Unterwegs erzählte Sagloba der Herrin von Sandomir, was in der letzten Zeit geschehen war. Sie erfuhr also, daß der König nach einer mörderischen, unentschieden gebliebenen Schlacht bei Sborowo einen nicht sehr günstigen Vertrag mit dem Khan geschlossen, welcher der Republik wenigstens eine Zeitlang den Frieden sicherte. Chmielnizki blieb auf Grund der Verträge auch fernerhin Hauptmann der Saporoger und hatte das Recht, sich aus der unermeßlichen Masse des gemeinen Volkes ein stehendes Heer von vierzigtausend Mann auszuwählen und auszubilden, wofür er dem König und den Ständen den Eid der Treue leistete.

»Es ist außer allem Zweifel,« sagte Sagloba, »daß es mit Chmielnizki wieder zum Kriege kommt, aber wenn nur unser Fürst den Oberbefehl erhält, so wird alles gehen.«

»Sagt doch dem Skrzetuski die Hauptsache,« sprach, mit dem Pferde näher kommend, der kleine Ritter.

»Das ist wahr!« sagte Sagloba. »Ich wollte gleich davon anfangen, aber wir sind ja bis jetzt noch nicht zu Atem gekommen. Ihr wißt gar nicht, Herr Johann, was nach Eurem Fortgange geschehen ist. Der Fürst hat den Bohun gefangen genommen.«

Skrzetuski und das Fräulein Kurzewitsch erstaunten bei dieser unerwarteten Nachricht so sehr, daß sie nichts zu sagen vermochten. Sie breiteten nur die Hände aus, und erst nach einer Weile fragte Skrzetuski:

»Wieso? Auf welche Weise?«

»Das ist ein Fingerzeig Gottes,« antwortete Sagloba, »nichts anderes, ein Fingerzeig Gottes. Der Friedensvertrag war schon geschlossen, und wir zogen eben aus diesem verpesteten Sbarasch hinaus. Der Fürst eilte mit der Reiterei zum linken Flügel, um zu verhüten, daß nicht etwa eine Horde das Heer überfalle, da die Tataren oft die Verträge nicht halten ... Da plötzlich dringt eine Rotte von dreihundert Pferden auf die ganze Reiterei des Fürsten ein.«

»Nur Bohun konnte das wagen!« rief Skrzetuski.

»Er war es auch. Aber mit den Sbarascher Soldaten dürfen es die Kosaken nicht aufnehmen. Herr Michael hatte sie bald umzingelt und bis auf einen niedergehauen; Bohun fiel, zweimal von ihm getroffen, in Gefangenschaft. Er hat kein Glück mit Herrn Michael; er selbst muß jetzt davon überzeugt sein, denn es war das dritte Zusammentreffen. Aber er hat auch wohl nur den Tod gesucht.«

»Es zeigte sich,« warf Herr Michael dazwischen, »daß Bohun durchaus von der Waladynka her zur Einnahme von Sbarasch zurecht kommen wollte. Der Weg war aber weit, und als er erfuhr, daß der Friede geschlossen sei, so verlor er den Verstand, wohl vor Wut, und achtete nichts mehr.«

»Wer mit dem Schwerte schlägt, der fällt durch das Schwert, so will es der Wechsel der Dinge,« sagte Sagloba. »Er ist ein waghalsiger Kosak, um so waghalsiger, als die Verzweiflung ihn treibt. Es entstand seinetwegen zwischen uns und dem Räubergesindel ein großer Streit. Wir glaubten, es würde zu einem neuen Kriege kommen, denn der Fürst war der erste, welcher schrie, daß die Verträge gebrochen seien. Chmielnizki wollte den Bohun retten, aber der Khan war sehr ergrimmt auf ihn, da er, nach den eigenen Worten des Khan: »meinen Schwur und mein Wort geschändet hat«.

Er kündete auch Chmielnizki den Krieg an und sandte unserem Fürsten einen Boten mit der Erklärung, daß Bohun ein Händelsucher und Räuber sei und er ihn – den Fürsten – bitte, die Sache nicht zu einem corpus delicti zu machen, sondern mit Bohun zu verfahren wie mit einem Räuber. Wie man sagt, war es dem Khan auch darum zu tun, daß die Tataren die Gefangenen in Ruhe abführen konnten, deren sie so viele genommen, daß in Stambul der Mann für zwei Hufnägel zu haben sein wird.«

»Was tat der Fürst mit Bohun?« fragte Skrzetuski.

»Der Fürst hatte schon den Pfahl für ihn spitzen lassen, er überlegte es sich dann aber und sprach: Ich will ihn dem Skrzetuski schenken, der mag mit ihm tun, was er will. Jetzt sitzt der Kosak in Tarnopol im Verließ; der Feldscher verbindet ihm den Kopf. Mein Gott, wie oft eigentlich hätte die Seele schon aus diesem Körper fliehen müssen. Keinem Wolfe ist jemals so von Hunden das Fell gegerbt worden wie ihm von uns. Herr Michael allein hat ihn dreimal geschlagen. Aber das ist ein harter Mensch und, in Wahrheit, ein unglücklicher. Mag ihm der Henker helfen! Ich habe keinen Groll auf ihn, obgleich er mich schrecklich verfolgt hat, und dazu unschuldig. Ich habe ja auch mit ihm getrunken und Gemeinschaft mit ihm gehalten wie mit meinesgleichen, bis er gegen Euch, Töchterchen, die Hand erhob. Ich hätte ihn ja in Noslogi auch niederstechen können. Aber, das weiß ich schon lange, daß man keinen Dank in der Welt erntet, es wird selten Gutes mit Gutem gezahlt. Mag ihn ...«

Hier nickte Herr Sagloba mit dem Kopf.

»Und Ihr, Herr Johann, was wollt Ihr mit ihm tun?« fragte er. »Die Soldaten sagen, Ihr macht gewiß einen Stallknecht aus ihm, denn er ist ein stattlicher Mann; aber ich kann nicht glauben, daß Ihr so mit ihm verfahren werdet.«

»Ganz sicher tue ich das nicht,« antwortete Skrzetuski. »Er ist ein Soldat mit Rittersinn, und daß er unglücklich ist, wäre noch weniger ein Grund, ihn durch Knechtdienste zu schänden.«

»Gott möge ihm alles vergeben!« sprach die Prinzessin.

»Amen!« sagte Sagloba. »Er bittet um den Tod wie um seinen Erlöser, und hätte ihn wohl auch gefunden, wenn er nach Sbarasch nicht zu spät gekommen wäre.«

Es verstummten alle und versanken in tiefes Nachdenken über den Wechsel des Glückes, bis in der Ferne sich Grabow zeigte, wo sie zuerst füttern wollten. Sie trafen dort eine Menge Soldaten, die aus Sborowo zurückkehrten. Auch der Burgvogt von Sandomir, Herr Witowski, war mit seiner Abteilung seiner Frau dorthin entgegengekommen, mit ihm der Starost von Krasnostaw und Herr Prschyjemski, sowie eine Menge Adel von dem allgemeinen Aufgebot, welche der Weg in die Heimat hier durchführte.

Der Herrenhof in Grabow war niedergebrannt, ebenso alle anderen Gebäude, aber da der Tag wunderschön, still und warm war, so suchte niemand unter Dach zu kommen, sondern alle machten es sich unter freiem Himmel im Eichengehölz bequem. Man hatte auch bedeutende Vorräte von Speisen und Getränken mitgebracht, und die Dienerschaft machte sich gleich an die Bereitung eines Abendmahles. Der Herr von Sandomir ließ für die Frauen und Würdenträger im Eichenwalde Zelte aufschlagen, bald war ein förmliches Lager fertig. Die Ritter sammelten sich vor den Zelten, da sie Skrzetuski und die Prinzessin betrachten wollten. Andere unterhielten sich vom letzten Kriege. Diejenigen, welche nicht mit in Sbarasch, sondern nur bei Sborowo gewesen waren, fragten die fürstlichen Soldaten nach den Einzelheiten der Belagerung, es wurde lebendig und lustig, besonders, da Gott einen so herrlichen Tag beschieden hatte.

Herr Sagloba führte denn auch das große Wort unter dem Adel.

Er erzählte, wie er den Burlaj erschlagen, und von der Belagerung von Sbarasch. Alle hörten ihm atemlos zu – in den Gesichtern malte sich tiefe Rührung, und diejenigen, welche nicht dort waren, wünschten dort gewesen zu sein. Herr Johann setzte sich neben die Prinzessin; er nahm ihre Hand, drückte sie an die Lippen, dann lehnten sie sich aneinander und blieben still sitzen. Die Sonne war im Untergehen – allmählich wurde es Abend. Skrzetuski hörte so angelegentlich zu, als würde etwas für ihn ganz Neues erzählt.

Herr Sagloba trocknete sich die Stirn, und seine Stimme schwoll immer mehr an. Den Rittern führte die Erinnerung oder die Einbildungskraft alle jene blutigen Ereignisse lebendig vor die Augen. Sie sahen die Schanzen, wie von einem Menschenmeer umgeben, und die tollen Stürme. Sie hörten den Lärm, das Geheul, den Donner der Geschütze, das Knallen der Musketen, sahen den Fürsten im silbernen Panzer auf den Wällen mitten im Kugelregen. Dann das Elend, den Hunger, jene blutroten Nächte, in welchen der Tod wie ein großer, unheimlicher Vogel über dem Lager kreiste ... Longinus' und Skrzetuskis Fortgang ... Und alle horchten andächtig, zuweilen den Blick nach oben gerichtet oder den Säbelgriff fassend, und Herr Sagloba endete folgendermaßen:

»Jetzt ist Sbarasch nur ein Leichenstein, ein großer Totenhügel, und daß unter ihm nicht auch noch die Ehre der Republik, die Blüte der Ritterschaft, der Fürst-Wojewode und ich, wir alle, die wir selbst von den Kosaken die Löwen genannt wurden, dort begraben liegen, das hat dieser dort bewirkt!«

Indem er das sagte, zeigte Sagloba auf Skrzetuski.

»So wahr ich lebe, das ist wahr!« riefen gleichzeitig Marcus Sobieski und Prschyjemski.

»Ruhm ihm! Ehre und Dank!« riefen die kräftigen Stimmen der Ritter. »Vivat Skrzetuski! Vivat das junge Paar! Es lebe der Held!« rief man immer lauter.

Begeisterung hatte alle Anwesenden ergriffen. Die einen liefen nach Bechern, andere warfen die Mütze in die Höhe. Die Soldaten fingen an, mit den Säbeln dazu zu rasseln – und im Augenblick ertönte ein allgemeiner donnernder Ruf:

»Ruhm und Ehre ihm! Er soll leben!« Skrzetuski senkte wie ein echter Ritter und Christ demütig den Kopf, – aber die Prinzessin stand auf, schüttelte ihre Zöpfe, ihre Wangen färbten sich rot, und die Augen blickten stolz, denn dieser Ritter sollte ihr Gatte werden. Der Ruhm des Gatten aber fällt auf das Weib wie die Strahlen der Sonne auf die Erde.

*

Spät in der Nacht erst brachen die Versammelten nach zwei Seiten hin auf. Witowski und seine Gattin, Prschyjemski und der Starost von Krasnostaw zogen mit ihren Abteilungen nach Toporow, und Skrzetuski mit der Prinzessin und der Fahne Wolodyjowskis nach Tarnopol. Die Nacht war hell wie der Tag. Ganze Schwärme von Sternen leuchteten am Himmel. Der Mond ging auf und beschien die mit den silberweißen Fäden des sogenannten Altweibersommers bedeckten Felder. Die Soldaten fingen an zu singen; späterhin stiegen leichte Nebel von den Wiesen auf und verwandelten die Gegend in einen riesengroßen, mondbeleuchteten See.

Eine solche monddurchleuchtete Nacht war es auch, als Skrzetuski von Sbarasch fortgegangen war. Damals hatte Angst und Sorge ihn fast besinnungslos gemacht, heute erfüllte Seligkeit seine Brust, denn nach all den überstandenen Qualen fühlte er jetzt das Herz der Prinzessin an dem seinigen schlagen.


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