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19. Kapitel

Wenn schon Sagloba sich in Sbarasch langweilte, so langweilte sich Wolodyjowski, der sich nach Krieg und Abenteuern sehnte, noch mehr. Es kam zwar vor, daß von Zeit zu Zeit einige Fahnen Sbarasch verließen, um die Scharen Freizügler zu vertreiben, die am Sbruer brandschatzten, aber das war ein kleiner Krieg, meistens Streifzüge, welche die Kälte und der strenge Winter beschwerlich machten, und die viel Mühsal, aber wenig Ehre eintrugen. Darum drang Herr Michael täglich in Sagloba, Skrzetuski, von dem sie seit langer Zeit nichts gehört hatten, zu Hilfe zu eilen.

Sagloba widersetzte sich diesem Verlangen nicht, da er meinte, er verkomme in Sbarasch vollends; er wunderte sich, daß noch nicht Pilze auf ihm wuchsen, aber er verzögerte die Abreise in der Hoffnung, daß jeden Augenblick Nachrichten über Skrzetuski eintreffen müßten.

Indessen zogen sich die Fahnen des Fürsten immer zahlreicher um Sbarasch zusammen, woraus man auf Krieg im Frühjahr schloß. Inzwischen erhöhte sich der Mut im allgemeinen. Unter anderen kam mit der Husarenfahne Skrzetuskis auch Longinus an. Dieser brachte die Nachricht, daß der Fürst bei Hofe in Ungnade gefallen sei; auch den Tod Tyschkiewitschs, des Wojewoden von Kijew, berichtete er; nach der Meinung aller sollte Kisiel ihm im Amte folgen, und zuletzt erzählte er von der schweren Krankheit, von welcher Herr Daschyj, der Kanonenfähnrich in Krakau, heimgesucht worden war.

Was den Krieg betraf, so hatte Longinus vom Fürsten selbst gehört, daß derselbe nur durch den unabwendbaren Zwang der Notwendigkeit hervorgerufen werden könne, da die Kommissare, mit der Instruktion versehen, den Kosaken die größtmöglichsten Konzessionen zu machen, bereits zu Chmielnizki abgereist seien.

Diesen Bericht des Longinus nahm die Ritterschaft Wischniowiezkis mit größter Wut auf, und Sagloba schlug vor, dagegen bei Hofe zu protestieren, eine Konföderation zu schließen, da, wie er sagte, er seine Arbeit bei Konstantinow nicht nutzlos gemacht sehen wolle.

Unter diesen Erzählungen und der Ungewißheit verstrich der ganze Februar, der März hatte bereits seine erste Hälfte zurückgelegt, und noch immer kam keine Nachricht von Skrzetuski.

Und doch hatte Sagloba recht gehabt, als er die Abreise von Tag zu Tag verschob, denn gegen Ende März kam der Kosak Sachar an und brachte einen an Herrn Wolodyjowski adressierten Brief aus Kijew. Herr Michael berief sogleich Herrn Sagloba, und nachdem sie sich mit dem Boten in einer besonderen Stube eingeschlossen hatten, erbrach er das Siegel und las, wie folgt:

»Am Dniestr entlang bis Jahorlik fand ich keine Spur. In dem Gedanken, daß sie in Kijew verborgen sein müsse, schloß ich mich den Kommissaren an, mit denen ich bis Perejeslaw vorging. Nachdem ich dort ganz unverhofft einen Geleitsbrief von Chmielnizki bekommen, bin ich in Kijew angelangt und suche überall, wobei mich der Metropolit selbst unterstützt. Es ist hier eine Menge der Unsrigen bei den Einwohnern und in den Klöstern versteckt, aber sie lassen, aus Angst vor dem Gesindel, nichts von sich blicken, die Nachforschungen sind deshalb schwer. Gott hat mich nicht allein geführt und beschirmt, sondern auch Chmielnizki mit Zuneigung zu mir erfüllt; ich habe daher die Hoffnung, daß er mir auch weiterhin helfen und sich meiner erbarmen wird. Den Probst Muchowiezki bitte ich um eine feierliche Messe, während welcher Ihr für mein Heil beten mögt. Skrzetuski.«

»Gelobt sei der ewige Gott!« rief Wolodyjowski aus.

»Es ist noch eine Nachschrift da,« sagte Sagloba, der dem kleinen Ritter über die Schulter sah.

»Es ist wahr,« sagte Herr Michael und las weiter:

»Der Überbringer dieses Briefes, der Esaul des Mirgorodschen Lagers, pflegte mich treu, als ich in Sitsch in Gefangenschaft war; er half mir auch jetzt in Kijew, und unternahm es, Euch den Brief zu bringen, mit Gefahr seines Lebens. Nimm ihn in deine Obhut, Michael, daß es ihm an nichts fehle.«

»Seht, das ist ein braver Kosak, wenigstens der einzige, den ich kenne!« sagte Sagloba, Sachar die Hand reichend.

Der Alte drückte sie ohne Unterwürfigkeit.

»Du kannst sicher auf Belohnung rechnen!« warf der kleine Ritter dazwischen.

»Herr Skrzetuski ist ein Falke!« entgegnete der Kosak, »ich liebe ihn. Ich habe das nicht für Geld getan.«

»Deines ritterlichen Sinnes brauchte sich mancher Edelmann nicht zu schämen,« sagte Sagloba. »Ihr seid also nicht alle Bestien dort, nicht alle! Aber das ist Nebensache. So ist also Herr Skrzetuski in Kijew?«

»Jawohl.«

»Und in Sicherheit? Denn, wie ich höre, schwelgt dort das Volk in Mord und Raub.«

»Er wohnt bei Doniez, dem Hauptmann. Ihm wird kein Leid geschehen, denn Chmielnizki, unser Brüderchen, hat dem Doniez befohlen, ihn zu hüten wie das Auge im Kopfe.«

»Es geschehen fürwahr Wunder! Woher kommt dem Chmielnizki diese Vorliebe für Skrzetuski?«

»Er liebt ihn seit langer Zeit.«

»Und hat Skrzetuski dir gesagt, was er in Kijew sucht?«

»Wie sollte er es mir nicht sagen, da er weiß, daß ich sein Freund bin; ich suchte entweder mit ihm zusammen oder allein, – er mußte mir also sagen, was ich suchen sollte.«

»Und habt Ihr bis jetzt noch nichts gefunden?«

»Nichts! Was sich dort noch von Lechen versteckt befindet, weiß einer vom anderen nichts, so ist sie nicht leicht zu finden. Ihr habt nur gehört, daß das Gesindel dort mordet, aber ich habe es gesehen; sie morden nicht bloß die Lechen, sondern auch diejenigen, welche Lechen verstecken, sogar Mönche und Nonnen. Bei den Nonnen im Kloster des guten Nikolaus waren zwölf Lechinnen, die haben sie samt den Nonnen ausgeräuchert, und alle paar Tage läuft das Gesindel in den Straßen zusammen, macht Jagd auf sie und schleppt sie in den Dniepr. Ha, was sind ihrer dort schon ersäuft!«

»Da ist sie vielleicht schon tot?«

»Vielleicht.«

»Aber, nein!« unterbrach Wolodyjowski. »Wenn Bohun sie dorthin geführt, so hat er sie auch sicher untergebracht.«

»Wo wäre sie sicherer wie in einem Kloster, nur, daß man sie dort nicht finden kann.«

»Uff!« sagte Sagloba. »Glaubst du, Sachar, daß sie tot ist?«

»Ich weiß es nicht.«

»Man sieht, daß Skrzetuski guter Dinge ist,« sagte Sagloba. »Gott hat ihn heimgesucht, aber er tröstet ihn auch. Und du, Sachar, seit wann bist du von Kijew fort?«

»Es ist lange her, Herr. Ich verließ Kijew zu der Zeit, als die Kommissare auf ihrer Rückreise durch diese Stadt kamen. Eine Menge Lechen wollten mit ihnen fliehen, sie flohen über die Schneefelder, die Steppen, durch die Wälder nach Bialogrod zu, und die Kosaken verfolgten und erschlugen sie. Viele blieben stecken, viele wurden erschlagen, und viele wurden von Herrn Kisiel ausgelöst, solange er noch einen Groschen hatte.«

»O, die Hundeseelen. Bist du mit den Kommissaren gereist?«

»Mit den Kommissaren bis Huschez, von da nach Ostrog, weiter ging ich allein.«

»Du bist wohl ein alter Bekannter Skrzetuskis?«

»Ich habe ihn in der Sitsch kennen gelernt und den Verwundeten gepflegt. Da habe ich ihn lieben gelernt wie ein geliebtes Kind. Ich bin alt und habe niemanden, den ich lieben könnte.«

Sagloba rief nach einem Burschen, ließ Met und Fleisch bringen, und sie setzten sich zum Abendessen. Sachar aß mit großem Appetit, denn er war hungrig und müde, darauf tauchte er hastig seinen grauen Schnurrbart in die dunkle Flüssigkeit, kostete, trank und sagte:

»Vortrefflicher Met.«

»Er ist besser als das Blut, welches ihr trinkt,« sagte Sagloba. »Aber ich denke, da du ein braver Mensch bist, und Herrn Skrzetuski liebst, wirst du nicht zurück zum Aufstande gehen, sondern bei uns bleiben. Du sollst es nicht schlecht haben.«

Sachar hob den Kopf in die Höhe.

»Ich habe das Schreiben gebracht, nun gehe ich wieder, ich bin ein Kosak. – Mit den Kosaken will ich es halten, nicht mit den Lechen.«

»Und wirst du gegen uns kämpfen?«

»Das werde ich! Ich bin ein Sitscher Kosak. Wir haben uns den Chmielnizki, das Brüderchen, zum Hetman gewählt, und jetzt hat der König ihm den Feldherrnstab und die Fahne geschickt.«

»Da habt Ihr's, Herr Michael!« sagte Sagloba. »Habe ich es nicht gesagt, daß wir protestieren sollten?« Dann wandte er sich an den Kosaken.

»Und was spricht man bei euch, Sachar? Gibt es Krieg oder Frieden?«

»Bis zum ersten Grase wird Friede sein, und im Frühjahr da wird es heißen – Tod und Verderben – entweder uns oder den Lechen.«

»Tröstet Euch, Herr Michael, auch ich hörte, daß das Volk sich überall rüstet.«

»Das wird ein Krieg, wie noch keiner war,« sagte Sachar, »Sie sagen bei uns, daß auch der türkische Sultan kommen wird, und der Khan mit allen seinen Horden, und unser Freund Tuhaj-Bey steht nahe an der Grenze und ist gar nicht nach Hause gegangen.«

»Tröstet Euch, Herr Michael,« wiederholte Sagloba. »Es gibt eine Prophezeiung von einem neuen Könige, dessen ganze Regierung nur im Kriege verfließen wird, es ist also wahrscheinlich, daß wir den Säbel noch lange nicht in die Scheide stecken werden. Wir sollen noch vom Kriege abgenutzt werden, wie der Besen vom fortwährenden Gebrauch, aber das ist nun einmal Soldatenlos. Wenn es wieder zum Schlagen kommt, so haltet Euch in meiner Nähe, Herr Michael, und Ihr sollt herrliche Taten sehen und lernen, wie wir in früheren besseren Zeiten gefochten. Mein Gott! Die Menschen sind nicht mehr dieselben, wie sie früher waren, auch Ihr seid es nicht, Herr Michael, obgleich Ihr ein grimmiger Soldat seid und den Bohun geschlagen habt.«

»Ihr redet wahr, Herr!« sagte Sachar, »es sind nicht mehr die Menschen, welche waren ...«

Darauf sah er Wolodyjowski forschend an und schüttelte den Kopf:

»Aber daß dieser Leche den Bohun geschlagen haben soll – nein! nein! ...«


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