Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14. Kapitel

Endlich ertönte das » Te deum laudamus« in der Kathedrale zu Warschau – »der König thronte in seiner Majestät,« die Kanonen donnerten, die Glocken läuteten – und Zuversicht kehrte in die Herzen aller ein. Nun war endlich die Zeit des Interregnums, der Streitigkeiten und Unruhen vorüber, die um so schrecklicher für die Republik war, als sie gerade in die Zeit des allgemeinen Elends fiel. Diejenigen, welche bei dem Gedanken an die bevorstehenden Gefahren gebebt hatten, atmeten jetzt tief auf, da die Wahl über alles Erwarten ruhig verlaufen war. Viele glaubten, daß der endlose Bürgerkrieg jetzt ein für allemal vorüber sei, und daß dem neuerwählten Herrn nur das Richteramt über die Schuldigen bleibe.

Diese Hoffnung unterstützte auch das Verhalten Chmielnizkis. Die das Königsschloß in Samoschtsch hartnäckig stürmenden Kosaken hatten sich laut für Johann Kasimir erklärt. Chmielnizki sandte durch den Probst Huncel Mokrski Briefe voller Versicherungen untertäniger Treue an den Monarchen, und durch andere Boten demütige Bitten um Gnade für sich und das saporogische Heer.

Man wußte auch, daß der König, einverstanden mit der Politik des Kanzlers Ossolinski, den Kosaken bedeutende Zugeständnisse machen wollte. Wie ehemals vor der Pilawicer Niederlage das Wort »Krieg«, so war jetzt das Wort »Friede« in aller Munde. Man erwartete, daß nach so viel Elend die Republik aufatmen und unter der neuen Regierung alle ihre Wunden heilen würde. Endlich ging Sniarowski mit einem Briefe des Königs an Chmielnizki ab, und bald darauf verbreitete sich die freudige Nachricht, daß die Kosaken die Belagerung von Samoschtsch aufgeben und in die Ukraine zurückgehen würden, wo sie ruhig die Befehle des Königs und einer Kommission erwarten sollten, welche die denselben widerfahrenen Ungehörigkeiten zu untersuchen hätte. Es schien, als spannte sich nach den Stürmen ein siebenfarbiger Regenbogen, Ruhe und Frieden verheißend, über das Land. Zwar fehlte es nicht an üblen Prophezeiungen und Vorhersagungen, aber angesichts der vielversprechenden Gegenwart legte man ihnen kein Gewicht bei. Der König reiste nach Tschenstochau, um zuerst der göttlichen Fürsprecherin für die auf ihn gefallene Wahl zu danken und sich unter ihren ferneren Schutz zu stellen, darauf begab er sich nach Krakau zur Krönung. Ihm nach zogen die Reichswürdenträger; Warschau verödete, es blieben dort nur die »Exilierten« aus Reußenland, welche es noch nicht wagten, auf ihre ruinierten Güter zurückzugehen, oder überhaupt keine hatten.

Der Fürst Jeremias mußte als Senator der Republik mit dem Könige gehen, Wolodyjowski aber und Sagloba zogen an der Spitze einer Dragonerschar in Eilmärschen nach Samoschtsch, um Skrzetuski die glückliche Neuigkeit von dem Unfall Bohuns zu verkünden und dann mit ihm zusammen zur Auffindung der Prinzessin auszuziehen.

Sagloba verließ Warschau nicht ohne eine gewisse Wehmut, denn unter den unermeßlichen Scharen des Adels, in dem Wahllärm, den ununterbrochenen Schwelgereien und Zänkereien in Gesellschaft Wolodyjowskis hatte er sich so wohl gefühlt wie ein Fisch im Wasser. Aber ihn tröstete der Gedanke, daß er zu einem tätigen Leben, zu Abenteuern und Ränken, zurückkehre.

Als sie nach Konskowola kamen, beschloß Wolodyjowski, hier zu ruhen, denn die Pferde waren schon sehr müde. Wer beschreibt also die Verwunderung der beiden Freunde, als sie beim Eintritt in den dunklen Flur der Ausspannung in dem ersten ihnen begegnenden Edelmanne Herrn Longinus erkannten.

»Wie befindet Ihr Euch, Herr! Viel Zeit! Viel Zeit ist vergangen, seit wir uns zuletzt sahen,« rief Sagloba. »Haben Euch die Kosaken nicht zerhauen?«

Longinus umarmte der Reihe nach beide und küßte sie auf die Wangen.

»O, das ist schön, daß wir uns treffen,« wiederholte er freudig.

»Wo reist Ihr hin?« fragte Wolodyjowski.

»Nach Warschau zum Fürsten.«

»Der Fürst ist nicht in Warschau. Er ist mit dem Könige nach Krakau gegangen, um dort den Reichsapfel zur Krönung vor ihm her zu tragen.«

»Und Herr Heyher schickt mich nach Warschau mit einem Briefe und der Frage, wohin die Regimenter des Fürsten sollen, denn, Gott sei Dank! in Samoschtsch sind sie nicht mehr nötig.«

»So braucht Ihr nirgends hin zu gehen, denn wir bringen Befehle.«

Longinus wurde mürrisch. Er hatte von ganzem Herzen gewünscht, zum Fürsten zu kommen, den Hof und insbesondere ein gewisses Persönchen an diesem Hofe zu sehen.

Sagloba blinzelte Wolodyjowski bedeutungsvoll zu.

»Ich reise dennoch nach Krakau,« sagte er nach kurzem Überlegen. »Man befahl mir, den Brief abzugeben, so gebe ich ihn ab.«

»Kommen wir in die Stube, wir lassen uns Bier warm machen,« sagte Sagloba.

»Und wohin geht ihr?« fragte Longinus unterwegs.

»Nach Samoschtsch zu Skrzetuski.«

»Der Oberst ist nicht in Samoschtsch.«

»Da haben wir die Bescherung? Wo ist er denn?«

»Irgendwo dort bei Chroschytschin; er macht Jagd auf das Gesindel, welches sich dort umhertreibt. Chmielnizki zog sich zwar zurück, aber seine Hauptleute brennen, rauben und morden unterwegs. Der Starost von Walezk hat Jakob Rogowski zu ihrer Vertreibung abkommandiert.«

»Und Skrzetuski ist mit ihm?«

»Jawohl. Aber sie gehen jeder einzeln, denn es herrschen große Zerwürfnisse zwischen ihnen, von denen ich euch später erzähle.«

»Sagt uns aber,« fragte Sagloba, »wo finden wir jetzt den Skrzetuski? Denn finden müssen wir ihn, um mit ihm gleich das Mädchen zu suchen.«

»Ihr erfragt ihn leicht hinter Samoschtsch, denn dort ist alles voll von seinem Namen. Er und Rogowski haben den Kalina, einen Kosakenhauptmann, vollständig aufgerieben, indem sie ihn sich gegenseitig in die Hände trieben. Später zersprengte Skrzetuski auf eigene Faust zweimal Tatarenhaufen, hob den Burlaj auf und erschlug verschiedene Haufen Gesindel.«

»Daß Chmielnizki das zugibt?«

»Chmielnizki verleugnet sie und behauptet, daß sie entgegen seinen Befehlen brandschatzen. Sonst würde ja niemand an seine Treue und seinen Gehorsam für den König glauben.«

»Ist das Bier aber schlecht in diesem Konskowola!« bemerkte Sagloba.

»Hinter Lublin werdet ihr schon durch verwüstetes Land reiten,« sagte der Litauer weiter, »denn die Streifzüge drangen bis hinter Lublin vor, und die Tataren schleppten alles, was sie fanden, in die Sklaverei, und was sie bei Samoschtsch und Hrubischow geraubt, das weiß Gott allein. Einige Tausend befreite Gefangene schickte Skrzetuski schon nach der Festung. Er arbeitet dort mit allen Kräften, der eigenen Gesundheit nicht achtend.«

Hier seufzte Longinus und ließ den Kopf gedankenvoll hängen, nach einer Weile sprach er weiter:

»Seht, ich denke, daß Gott in seiner höchsten Barmherzigkeit unfehlbar Skrzetuski trösten und ihm das geben wird, was ihn glücklich macht, denn die Verdienste dieses Kavaliers sind groß. In diesen Zeiten der Verderbnis und Händel, wo ein jeder nur an sich denkt, denkt er seiner Angelegenheiten nicht. Er hätte doch längst Urlaub vom Fürsten erhalten können, um die Prinzessin aufzusuchen, aber statt dessen verließ er keinen Augenblick den Dienst und arbeitete mit blutendem Herzen ohne Aufhören, als der fürchterliche Schlag über das liebe Vaterland hereinbrach.«

»Er hat die Seele eines Römers, dagegen läßt sich nichts einwenden!« sagte Sagloba.

»Er kann uns als Beispiel dienen.«

»Besonders Euch, Herr Longinus, der Ihr im Kriege nicht den Nutzen des Vaterlandes, sondern Eure drei Köpfe sucht.«

»Gott sieht mein Herz!« sagte Longinus, die Augen zum Himmel erhebend.

»Den Skrzetuski hat Gott schon mit dem Tode Bohuns belohnt,« sagte Sagloba, »und damit, daß er der Republik eine Weile der Ruhe gegeben hat. Jetzt ist für ihn die Zeit gekommen, wo er an die Auffindung seines verlorenen Glückes denken kann.«

»Werdet ihr Herren mit ihm reiten?« fragte der Litauer.

»Und Ihr nicht?«

»Ich würde es von Herzen gern tun, aber was soll mit den Briefen geschehen? Ich habe einen Brief des Starosten von Walezk an Seine Majestät den König, einen zweiten an den Fürsten und einen dritten, eben von Skrzetuski, ebenfalls an den Fürsten, mit der Bitte um Urlaub.«

»Den Urlaub bringen wir ihm.«

»Bah! Aber ich muß doch die Briefe abgeben.«

»Ihr müßt nach Krakau, es geht nicht anders. Übrigens sage ich offen, daß ich bei der Expedition nach der Prinzessin gern solche Fäuste und solch einen Rücken, wie der Eurige, dabei hätte. Zu etwas anderem hätten wir Euch aber nicht brauchen können. Dort wird man simulieren müssen; das Beste wird überhaupt sein, sich in Kosakenröcke zu werfen, Bauern zu spielen, – und Ihr fallt mit Eurer Gestalt so in die Augen, daß jeder gleich fragen würde: was ist das für eine Lärmstange? Woher kommt solch ein Kosak? – Außerdem versteht Ihr auch nicht viel von ihrer Sprache. Nein, nein. Reitet Ihr nach Krakau, wir müssen uns ohne Euch behelfen.«

»Das denke ich auch!« sagte Wolodyjowski.

»Da muß es wohl dabei bleiben,« antwortete Longinus. »Der barmherzige Gott möge euch segnen und geleiten. Wißt ihr denn, wo sie versteckt ist?«

»Bohun wollte es nicht sagen. Wir wissen nur das, was ich erhorcht habe, als mich Bohun in dem Schweinestall gefangen hielt, aber das reicht aus.«

»Wie wollt Ihr sie finden?«

»Das ist meine Sache, meine Sache!« sagte Sagloba. »Es ist mir schon Schwereres gelungen. Die Hauptsache ist jetzt, sobald als möglich zu Skrzetuski zu kommen.«

»Fragt in Samoschtsch nach ihm. Herr Weyher muß wissen, wo er ist, er korrespondiert mit ihm, und Skrzetuski liefert ihm die Gefangenen ab. Gott segne euch!«

»Und Euch ebenfalls,« sagte Sagloba. »Wenn Ihr in Krakau beim Fürsten seid, grüßt den Herrn Charlamp von uns.«

»Wer ist das?«

»Er ist ein Litauer von so großer Schönheit, daß er den gesamten Fräuleins vom Hofstaat die Köpfe verdreht.«

Longinus erbebte.

»Mein Herr, das sind wohl nur Späße?«

»Lebt wohl, Herr! Das Bier hier in Konskowola ist miserabel,« schloß Sagloba und nickte Wolodyjowski zu.


 << zurück weiter >>