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13. Kapitel

Fürst Jeremias nahm die Nachricht von Bohuns Tode sehr gleichgültig auf, besonders, als er erfuhr, daß Leute, die nicht zu seinen Fahnen gehörten, jederzeit bereit seien, Zeugnis abzulegen, daß Wolodyjowski gefordert worden war.

Hätte der Zweikampf nicht einige Tage vor der Bekanntmachung der Wahl Johann Kasimirs stattgefunden, sondern noch während des Wahlkampfes der beiden Kandidaten, so hätten die Gegner Jaremas, und an deren Spitze der Kanzler und Fürst Dominik, jedenfalls nicht versäumt, aus diesem Vorkommnis eine Waffe gegen ihn zu schmieden, trotz aller Zeugen und Zeugnisse. Aber nach Karls Verzicht waren die Sinne anderweitig beschäftigt, und man konnte leicht annehmen, daß die ganze Angelegenheit in Vergessenheit geraten würde.

Nur Chmielnizki konnte sie vielleicht ausnützen, um zu beweisen, welches Unrecht er immer von neuem zu erleiden habe, aber der Fürst erwartete mit Recht, daß der Königssohn bei der Beantwortung des Briefes auch erwähnen würde, auf welche Weise sein Gesandter ums Leben gekommen, und Chmielnizki durfte in die Wahrheit der königlichen Worte keinen Zweifel setzen.

Es war dem Fürsten nämlich darum zu tun, daß man wegen seiner Soldaten keinen politischen Streit anfange. Andererseits freute sich der Fürst aus Rücksicht auf Skrzetuski, daß das geschehen war, denn die Wiedererlangung der jungen Kurzewitsch war jetzt tatsächlich viel wahrscheinlicher geworden. Man konnte sie auffinden, befreien oder auslösen, und – die Kosten, wären sie noch so groß, hätte der Fürst nicht gescheut, wenn er nur seinem Lieblingsritter den Schmerz abnehmen und ihm das Glück zurückgeben konnte.

Wolodyjowski war mit großer Angst zum Fürsten gegangen, denn, wenn er im allgemeinen auch nicht ängstlich war, so fürchtete er doch jedes Stirnrunzeln des Wojewoden wie Feuer. Wie groß war daher seine Verwunderung und Freude, als der Fürst, nachdem er ihren Bericht angehört und eine Weile über das Geschehene nachgedacht hatte, einen kostbaren Ring vom Finger zog und sagte:

»Ich lobe eure Zurückhaltung, meine Herren, und daß ihr ihn nicht zuerst angegriffen habt, denn es konnte daraus großer und schändlicher Lärm auf dem Landtage entstehen. Wenn jedoch die Prinzessin aufgefunden wird, so ist euch Skrzetuski zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet. Ich hörte, Wolodyjowski, daß Ihr, wie andere die Zunge im Munde, den Säbel in der Scheide nicht halten könnt, wofür Ihr eigentlich eine Strafe verdient. Da Ihr Euch jedoch in Angelegenheit des Freundes stelltet und die Reputation unserer Fahnen im Kampfe mit einem allgemein wohlbekannten Bramarbas aufrecht hieltet, so nehmt diesen Ring zum Andenken an diesen Tag. Ich wußte wohl, daß Ihr ein guter Soldat und ein Fechtmeister seid, aber, wie ich höre, seid Ihr ein Meister aller Meister. Wißt Ihr, Herr Wolodyjowski,« fuhr der Fürst mit erheucheltem Ernste fort, »reitet nach Samoschtsch, fordert den Chmielnizki auf Säbel und befreit mit einem Schlage die Republik von allem Elend und allen Sorgen.«

»Wenn Euer Durchlaucht befehlen, so reite ich; doch zweifle ich, daß Chmielnizki sich mir stellen wird,« antwortete Wolodyjowski.

Darauf entgegnete der Fürst:

»Wir scherzen, während die Welt untergeht! Aber ihr müßt wirklich vor Samoschtsch reiten, meine Herren. Ich habe Nachrichten, daß, sobald die Wahl des Prinzen Kasimir erklärt ist, Chmielnizki die Belagerung aufgibt und sich bis nach Reußen zurückzieht. Entweder tut er das aus aufrichtiger oder erheuchelter Hochachtung für den König, oder darum, weil bei Samoschtsch leicht seine Macht gebrochen werden dürfte. Dann müßt auch ihr dorthin, um Skrzetuski zu sagen, was geschehen ist, und daß er das Mädchen suchen soll. Sagt ihm, daß er sich aus meinen Fahnen unter dem Starosten von Walezk so viel Leute auswählen solle, als er zu der Expedition bedarf. Auch werde ich ihm durch Euch Urlaub senden und einen Geleitsbrief mitschicken, denn sein Glück liegt mir sehr am Herzen.«

»Euer Durchlaucht sind uns allen ein Vater!« sagte Wolodyjowski, »deshalb wollen wir Euch bis ans Ende unserer Tage treu dienen.«

»Ich weiß nicht, ob nicht in kurzem der Dienst bei mir mager werden wird, wenn meine ganzen Güter im Dnieprlande verloren gehen,« sagte der Fürst, – »doch so lange es reicht, ist, was mein ist, auch das eure.«

»O!« rief Herr Michael aus. »Unsere armselige Habe wird immer Euer Durchlaucht Eigentum sein.«

»Ich bedarf dessen noch nicht!« entgegnete der Fürst gnädig. »Übrigens hoffe ich, daß, wenn ich auch alles verlieren sollte, die Republik doch meiner Kinder gedenken wird.«

Der Fürst sprach diese Worte wohl in einem Augenblick der Ahnung ferner Zeiten. Einige Jahrzehnte später gab die Republik seinem einzigen Sohne das Beste, was sie hatte, die Krone, – jetzt aber ward das Vermögen des Fürsten tatsächlich zerrüttet.

»Da sind wir schön raus!« sagte Sagloba, als er mit Wolodyjowski den Fürsten verlassen hatte. »Herr Michael, Ihr seid einer Beförderung gewiß. Zeigt einmal den Ring. Bei Gott, er ist an hundert Goldgulden wert; der Stein ist wunderschön. Fragt einmal morgen einen Händler im Bazar. Man könnte für seinen Wert im Essen, Trinken und anderen Delicen schwelgen. Was meint Ihr, Herr Michael? Ist es nicht Soldatengrundsatz: heute leben, morgen faulen, und die Logik desselben, daß es sich nicht verlohnt, an das »morgen« zu denken. Das wichtigste aber ist, daß der Fürst Euch jetzt in sein Herz geschlossen hat. Er hätte zehnmal soviel darum gegeben, dem Skrzetuski den Bohun als Geschenk geben zu können, und nun habt Ihr das getan. Glaubt mir. Eurer wartet große Gnade. Hat nicht der Fürst vor kurzem Dörfer der Ritterschaft auf Lebenszeit in Pacht gegeben oder gar verschenkt?«

Inzwischen waren sie in die Altstadt gekommen; sie traten in eine Weinstube, vor welcher mehrere Burschen mit den Pelzen und Mänteln der im Innern trinkenden Herren standen. Drinnen setzten sie sich hinter den Tisch, ließen eine Flasche bringen und berieten, was ihnen jetzt, nach dem Tode Bohuns, zu tun obliege.

»Wenn es sich bewahrheitet, daß Chmielnizki Samoschtsch aufgibt und Friede wird, dann ist die Prinzessin unser!« sprach Sagloba.

»Wir möchten schleunigst zu Skrzetuski gehen. Wir verlassen ihn auch nicht mehr, bis das Mädchen gefunden ist.«

»Wir werden wohl zusammen reiten. Aber jetzt ist es unmöglich, nach Samoschtsch zu gelangen.«

»Das ist schon einerlei, wenn Gott uns nur später hilft.«

Sagloba leerte das Glas.

»Er wird helfen! Er wird helfen!« sagte er. «Wißt Ihr, Herr Michael, was ich Euch sage?«

»Was denn?«

»Bohun ist tot!«

Wolodyjowski sah verwundert auf:

»Bah, wer weiß das besser als ich?«

»Daß Euch die Hände glänzen, Herr Michael. Ihr wißt es, und ich weiß es; ich sah zu, wie Ihr Euch schlugt, ich sehe Euch jetzt – und dennoch muß ich es mir immer wiederholen, denn zuweilen kommt es mir vor, daß ich nur träumte. Was für eine Sorge ist gehoben, welchen Knoten hat Euer Säbel durchhauen! Da schlagen doch Kugeln drein! Denn, bei Gott, es ist unaussprechlich. Nein, ich halte es nicht aus! Laßt Euch noch einmal umarmen, Herr Michael! Glaubt mir, als ich Euch kennen lernte, dachte ich mir: Hm, eine kleine Kreatur! – Und seht, das ist mir eine schöne Kreatur, die den Bohun so durchbläute. Bohun lebt nicht mehr, keine Spur, kein Stäubchen von ihm, totgeschlagen, in alle Ewigkeit, Amen!«

Hier umarmte und küßte Sagloba den Herrn Wolodyjowski, und der letztere wurde gerührt, als ob er den Bohun beweine. Endlich machte er sich aus der Umarmung Saglobas los und sagte:

»Wir waren nicht bei seinem Tode, und er ist ein zäher Bursche, – wenn er wieder gesund würde?«

»Um Gottes willen, was sprecht Ihr!« sagte Sagloba. »Ich wäre imstande, morgen nach Lipkowo zu reiten und ihm das schönste Begräbnis zu bereiten, wenn er nur tot ist.«

»Und wozu das? Ihr würdet den Verwundeten doch nicht erschlagen. Und auf Säbel geht es oft so. Wer den Geist nicht gleich aufgibt, der mausert sich zum öfteren raus. Der Säbel ist keine Kugel.«

»Nein, das ist unmöglich! Er fing doch schon an zu röcheln, als wir fortritten. O, nein, es ist unmöglich. Er hatte die Brust aufgerissen wie ein Scheunentor. Lassen wir ihn ruhen, Ihr habt ihn ausgeweidet wie einen Hasen. Wir müssen sobald wie möglich zu Skrzetuski, ihm zu helfen, ihn zu trösten, denn er zehrt sich sonst vor Kummer vollends auf.«

»Oder er wird ein Mönch – wie er mir selbst sagte.«

»Was Wunder. Ich an seiner Stelle würde das gleiche tun. Ich kenne keinen ehrenwerteren Kavalier, aber auch keinen unglücklicheren als ihn. O, Gott sucht ihn schwer heim, so schwer!«

»Hört schon auf, Herr!« sagte der ein wenig angetrunkene Wolodyjowski, »denn ich kann den Tränen nicht mehr wehren.«

»Und kann ich es denn?« antwortete Sagloba. »Ein so ehrenwerter Kavalier, solch ein Soldat ... und auch sie, Ihr kennt sie nicht ... sie ist ein geliebtes Würmchen!«

Hier heulte Herr Sagloba im tiefen Basse, denn er liebte in der Tat die Prinzessin sehr, und Herr Michael begleitete ihn in etwas höheren Tönen, und sie tranken Wein mit Tränen vermengt und ließen die Köpfe sinken und saßen eine Zeitlang in düsterem Schweigen, bis zuletzt Sagloba mit der Faust auf den Tisch schlug.

»Herr Michael, warum weinen wir eigentlich, Bohun ist ja erschlagen.«

»Ach, es ist ja wahr!« sagte Wolodyjowski.

»Wir sollten uns eher freuen. Narren sind wir, daß wir sie jetzt nicht gleich aufsuchen.«

»Reiten wir,« sagte Wolodyjowski und erhob sich.

»Trinken wir!« verbesserte Sagloba. »Gott helfe, daß wir ihre Kinder noch über die Taufe halten, und das alles, weil wir Bohun erschlagen haben.«

»Es ist ihm schon recht!« endete Wolodyjowski, der nicht einmal merkte, daß Sagloba sich schon in den Ruhm des Sieges über Bohun mit ihm teilte.


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