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11. Kapitel

Mehrere Wochen waren verflossen. Immer mehr Edelleute kamen zur Königswahl. In der Stadt hatte sich die Bevölkerung um das Zehnfache vergrößert, denn zugleich mit der Menge der Adligen zogen Tausende von Kaufleuten und Händlern aus der ganzen Welt, von dem fernen Persien bis zum meerumspülten England, herzu. In dem Stadtteil »Wola« genannt, hatte man einen Schuppen für den Senat gebaut, und rings um denselben glänzten schon Tausende von Zelten, mit denen die weiten Flächen ganz bedeckt waren. Noch niemand wußte zu sagen, welcher von den beiden Kandidaten, der Königssohn Kasimir, der Kardinal, oder Karl Ferdinand, Bischof von Plozk, gewählt werden würde. Von beiden Seiten machte man sich viele Mühe und Anstrengungen. Man verbreitete Tausende von Flugschriften, welche alle Vorzüge und Fehler der Prätendenten beleuchteten, – beide hatten viele und mächtige Anhänger. Auf seiten Karls stand, wie bekannt, Fürst Jeremias, um so gefährlicher für die Gegner, da es immerhin wahrscheinlich war, daß er den ihm sehr zugetanen Adel, von dem schließlich doch alles abhing, mit sich fortreißen werde. Aber auch dem Prinzen Kasimir fehlte es nicht an Parteigängern und Wählern. Für ihn traten die Ältesten ein, er hatte den Einfluß des Kanzlers auf seiner Seite, für ihn schien sich der Erzbischof Primas zu entscheiden, hinter ihm stand der größte Teil der Magnaten, von denen ein jeder einen zahlreichen Anhang hatte, und unter den Magnaten auch der Fürst Dominik Saslawski-Ostrog, Wojewode von Sandomir, der, zwar nach Pilawice tatsächlich entehrt und sogar mit dem Gerichte bedroht, doch der größte Herr der Republik, ja ganz Europas war, und jeden Augenblick einen unermeßlichen Reichtum für seinen Kandidaten in die Wagschale zu werfen hatte. Dennoch hatten die Anhänger Kasimirs oft Augenblicke voll bitterer Zweifel, denn, wie gesagt, alles hing zuletzt vom Adel ab, welcher schon vom 4. Oktober massenhaft um Warschau lagerte, und noch immer zu Tausenden aus allen Teilen der Republik herbeizog, und welcher, gelockt von dem glänzenden Namen Wischniowiezki, und der Freigebigkeit des Prinzen für öffentliche Zwecke, insgesamt für den Prinzen Karl einstand. Der Königssohn nämlich, ein reicher und sparsamer Herr, versäumte nicht, in diesem Augenblick bedeutende Summen zur Formierung neuer Regimenter herzugeben, welche unter das Kommando Wischniowiezkis gestellt werden sollten. Kasimir wäre gern seinem Beispiel gefolgt, und sicher hielt ihn nicht Geiz davon zurück, sondern, im Gegenteil, eine zu große Freigebigkeit, deren unmittelbare Folge ein ewiger Geldmangel in der Schatzkammer war. Unterdessen verfloß die Zeit, der sechswöchentliche Termin näherte sich, und mit ihm der Schrecken, die Kosaken, denn die Nachricht langte an, Chmielnizki habe die Belagerung Lembergs, welches sich nach einigen Stürmen losgekauft hatte, ausgegeben, stehe jetzt vor Samoschtsch und bestürme Tag und Nacht diesen letzten Schutzwall der Republik. Man sprach auch davon, daß außer den Gesandten, welche Chmielnizki mit einem Briefe und der Erklärung, daß er als polnischer Edelmann dem Prinzen Kasimir die Stimme gebe, nach Warschau geschickt hatte, unter der Menge Adliger ganze Scharen verkleideter Kosaken-Ältester sich unerkannt eingeschlichen hätten. Sie waren von echtem Adel und durch nichts, selbst durch die Sprache nicht, von diesem unterschieden, besonders dem Adel aus den ruthenischen Ländern ähnlich und in reicher Tracht in Warschau eingezogen. Die einen hatten sich, wie man sagte, aus purer Neugierde, um sich die Wahlfeierlichkeiten und Warschau anzusehen, eingeschlichen, andere waren gekommen, um auszukundschaften, was von dem bevorstehenden Kriege gesprochen wurde, wieviel Soldaten die Republik zu stellen, und welche Summen sie darauf zu verwenden gedenke. Vielleicht war viel Wahres an dem, was man von diesen Gästen sprach, denn unter den Saporoger Ältesten gab es viele Adlige, welche nach Kosakenart lebten und auch etwas Latein verstanden, deshalb konnte man sie um so weniger erkennen. Übrigens stand in den weiten Steppen das Latein wenig in Blüte, und Leute, wie die Fürstin Kurzewitsch, verstanden es nicht so gut wie Bohun und andere Attamans.

Diese und ähnliche Gerüchte, welche sowohl in der Stadt als auf dem Wahlfelde zahlreich umliefen, vereint mit der Nachricht von dem Vorrücken Chmielnizkis und den Streifzügen der Kosaken und Tataren, welche bis an die Weichsel vordrangen, erfüllten die menschlichen Herzen mit Unruhe und Schrecken, und gaben oft Anlaß zu Tumulten. Es genügte schon unter dem versammelten Adel, jemanden zu verdächtigen, daß er ein verkleideter Saporoger sei, um ihn augenblicklich, noch ehe er sich zu rechtfertigen vermochte, mit den Säbeln in Stücke zu hauen. Auf diese Weise kamen unschuldige Menschen um, und der Ernst und die Würde der Wahlen litt darunter, besonders, da nach damaliger Sitte nicht allzu sehr auf Nüchternheit gehalten wurde.

Auf diese Weise waren fast sechs Wochen verflossen, in welcher Zeit die öffentlichen Angelegenheiten weit vorgeschritten waren. Der angestrengte Kampf der beiden Kandidaten und Brüder, die Bemühungen der Anhänger, die Heftigkeit und Aufregung der Parteigänger, das alles war fast spurlos dem Gedächtnis entschwunden. Es war schon allbekannt, daß Johann Kasimir gewählt werden würde, denn Karl hatte dem Bruder das Feld überlassen und die Kandidatur freiwillig niedergelegt. Sonderbar war es, daß jetzt die Stimme Chmielnizkis in das Gewicht fiel; man glaubte allgemein, daß er sich dem Ansehen des Königs beugen werde, besonders dem eines solchen Königs, welcher nach seinem Sinne gewählt war. Diese Voraussetzungen bewahrheiteten sich auch in der Hauptsache. Dafür war dieser Umschwung der Dinge für Wischniowiezki, der, wie einst Cato, nicht einen Augenblick aufgehört hatte, zu ermahnen, dieses Saporogische Karthago zu zerstören, ein schwerer Schlag. Jetzt konnte in dieser Angelegenheit nur der Weg der Verhandlungen eingeschlagen werden. Der Fürst sah zwar voraus, daß diese Verhandlungen von vornherein zu nichts führen würden, oder in kurzem durch die Macht der Verhältnisse nichtig werden mußten, und er sah nur den Krieg in der Zukunft, aber Unruhe ergriff ihn bei dem Gedanken, wohin dieser Krieg führen würde. Nach dem Abschluß von Verträgen mußte Chmielnizki noch stärker, die Republik noch schwächer werden. Und wer würde dann ihre Heere gegen einen solchen ruhmbedeckten Führer, wie Chmielnizki es war, führen? Würden nicht neue Niederlagen, neues Unglück kommen, welche ihre Kräfte bis auf das Äußerste erschöpften? Denn der Fürst täuschte sich nicht. Er wußte, daß man ihm, dem gefürchtetsten Anhänger Karls, den Oberbefehl nicht geben würde. Zwar hatte Prinz Kasimir dem Bruder versprochen, dessen Anhänger ebenso zu ehren wie seine eigenen, er hatte eine edle Seele, aber Kasimir war ein Anhänger der Politik des Kanzlers, folglich bekam ein anderer den Feldherrnstab, – nicht er. Wehe aber der Republik, wenn dieser kein erfahrenerer Befehlshaber war als Chmielnizki.

Ein doppelter Schmerz erfaßte die Seele des Fürsten Jeremias bei dem Gedanken – die Besorgnis um die Zukunft des Vaterlandes, und dann jenes unerträgliche Gefühl, das der Mensch hat, wenn er sieht, daß man seine Verdienste gering schätzt, ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt und andere über ihn stellt. Jeremias hätte kein Wischniowiezki sein müssen, wäre er nicht stolz gewesen. Er fühlte die Kraft in sich, die Feldherrnwürde zu tragen, – und er hatte sie verdient – darum litt er doppelt.

Unter den Offizieren sprach man sogar davon, daß der Fürst nicht einmal das Ende der Wahl abwarten und Warschau verlassen wolle, – aber das war nicht der Fall. Der Fürst reiste nicht nur nicht ab, sondern suchte sogar den Prinzen Kasimir in Nieporent auf, wurde von demselben ungemein gnädig empfangen und kehrte zu längerem Aufenthalte dann in die Stadt zurück, weil militärische Angelegenheiten das erheischten. Es handelte sich um Beibringung von Mitteln für das Militär, um welche der Fürst ernstlich gebeten hatte. Nebenbei wurden auf Kosten des Prinzen Karl neue Regimenter (Dragoner und Fußsoldaten) gebildet. Die einen schickte man jetzt schon nach Reußen, die anderen sollten erst ausgebildet werden. Zu diesem Zwecke sandte der Fürst überallhin Offiziere, welche in Sachen der Organisation erfahren waren, um jene Schwadronen und Regimenter zur Ordnung zu führen. Auch Kuschel und Wierschul wurden ausgeschickt, und zuletzt kam die Reihe auch an Wolodyjowski.

Eines Tages wurde er vor das Angesicht des Fürsten gerufen, welcher ihm folgenden Befehl gab:

»Ihr reitet über Babitz und Lipkowo nach Saborowo, wo Ihr auf die für das Regiment bestimmten Pferde wartet; revidiert und sucht sie aus und bezahlt sie dem Herrn Trschaskowski, dann bringt Ihr sie für die Soldaten hierher. Das Geld erhebt Ihr auf meine Anweisung hier vom Zahlmeister.«

Wolodyjowski machte sich hurtig an die Arbeit, zog das Geld ein, und noch am selben Tage ritt er mit Sagloba, zehn Mann Begleitung und einem Wagen, welcher das Geld trug, nach Saborowo. Sie ritten langsam, denn die ganze Gegend diesseits Warschau wimmelte von Adel, Dienern, Wagen und Pferden. Die Ortschaften bis Babitz hin waren so überfüllt, daß in allen Hütten Gäste wohnten. Leicht konnte man in diesem Andrang der Menschen verschiedensten Charakters zu einem Unfall kommen, wie denn auch die beiden Freunde, trotz ihres sittsamen Benehmens, ihn nicht vermeiden konnten.

Als sie in Babitz ankamen, erblickten sie vor dem Wirtshause mehrere Adlige, die eben die Pferde bestiegen, um ihres Weges zu ziehen. Die beiden Abteilungen wollten eben nach gegenseitigem Gruße beieinander vorüberziehen, als plötzlich einer der Reiter Herrn Wolodyjowski ansah und, ohne ein Wort zu reden, sein Pferd auf ihn lostraben ließ.

»Hier also bist du, Brüderchen!« schrie er, »du hast dich versteckt, aber ich habe dich gefunden, – du entschlüpfst mir jetzt nicht! He! meine Herren!« schrie er seinen Gefährten zu, »wartet einmal ein bißchen! Ich habe diesem kleinen Offizier etwas zu sagen und wünsche euch zu Zeugen meiner Worte.«

Wolodyjowski lächelte zufrieden, denn er hatte Charlamp erkannt.

»Gott ist mein Zeuge, ich habe mich nicht versteckt,« sagte er, »ich suchte Euch selbst, um zu fragen, ob Ihr den Haß gegen mich noch bewahrt. Aber was! Wir konnten uns nicht finden.«

»Herr Michael,« flüsterte Sagloba, »Ihr reitet im Dienst!«

»Ich weiß!« brummte Wolodyjowski.

»Bleibt zur Stelle!« schrie Charlamp. »Meine Herren! Ich versprach diesem Grünschnabel, diesem Ohnebart, ihm die Ohren abzuhauen, und ich haue sie ihm ab, so wahr ich Charlamp bin! Seid Zeugen, meine Herren, und du, Grünschnabel, stell dich zum Kampfe!«

»Ich darf nicht, so wahr ich Gott liebe, ich darf nicht! Gewährt mir nur ein paar Tage Zeit.«

»Wie, du darfst nicht? Hat die Angst dich befallen? Wenn du nicht augenblicklich den Säbel ziehst, so prügele ich dich, daß du deinen Großvater und deine Großmutter anrufst. O, du Bremse! Du giftiges Insekt, in den Weg kannst du den Leuten kommen, sie belästigen, mit der Zunge stechen, aber zum Zweikampf bist du nicht da!«

Nun legte sich Sagloba ins Mittel.

»Mir scheint, daß Ihr Fersengeld gebt,« sagte er zu Charlamp, »seht zu, daß diese Bremse Euch nicht wirklich sticht, denn dann hilft Euch kein Pflaster. Pfui! Zum Teufel, seht Ihr nicht, daß dieser Offizier im Dienste ist? Seht diesen Wagen mit Geld, welches wir zum Regiment bringen sollen, versteht doch, zum Kuckuck, daß er einen Schatz bewacht und über seine Person nicht verfügen kann, sich Euch nicht stellen darf. Wer das nicht versteht, der ist ein Narr und kein Soldat. Wir dienen dem Wojewoden von Reußen und haben schon andere ausgehauen, als Ihr seid, aber heute darf es nicht sein. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«

»Das ist wohl wahr, wenn sie mit Geld fahren, dürfen sie nicht,« sagte einer von Charlamps Gefährten.

»Was geht mich ihr Geld an!« schrie der unbezähmbare Charlamp, »er stelle sich, oder ich prügele zu.«

»Ich stelle mich heute nicht; aber auf Kavaliersparole –« sagte Herr Michael, »ich stelle mich Euch in drei bis vier Tagen, wo Ihr wollt, sobald mein Dienst zu Ende ist. Und wollt ihr Herren mit diesem Versprechen euch nicht zufrieden geben, so lasse ich die Hähne spannen, denn ich muß dann denken, daß ich es nicht mit Edelleuten, auch nicht mit Soldaten, sondern mit Totschlägern zu tun habe. Wählt also, bei allen Teufeln, denn ich habe nicht Zeit, hier zu stehen!«

Bei Wolodyjowskis letzten Worten hatten die eskortierenden Dragoner sogleich die Musketenläufe auf die Angreifer gerichtet, und diese Bewegung, sowie die bestimmte Rede des Herrn Michael machten ersichtlich Eindruck auf Charlamps Gefährten.

»So gib doch nach,« sagten sie ihm, »du bist selbst Soldat, weißt, was Dienst ist, und das ist sicher, daß dir Genugtuung wird, denn er ist ein dreister Bursche, wie alle von den reußischen Fahnen. Bezähme dich – wir bitten.«

Herr Charlamp sperrte sich noch eine Weile, zuletzt merkte er, daß er entweder die Gefährten erzürnen, oder sie einem ungleichen Kampfe mit den Dragonern aussetzen würde, so wandte er sich an Wolodyjowski und sagte:

»Also auf Kavaliersparole, Ihr stellt Euch?«

»Ich will Euch selbst suchen, sei es auch nur darum, weil Ihr zweimal darum fragt. In vier Tagen stelle ich mich; heute haben wir Mittwoch, – sei es also Sonnabend nachmittag in der zweiten Stunde. Wählt den Ort.«

»Hier in Babitz sind zu viel Gäste,« sagte Charlamp, »es könnte Unannehmlichkeiten geben, Sei es hier nebenan in Lipkowo, dort ist es schon ruhiger und mir nahe, denn unsere Quartiere sind in Babitz.«

»Und werdet ihr Herren ebenso zahlreich erscheinen wie heute?« fragte der vorsichtige Sagloba.

»O, das ist unnötig!« sagte Charlamp, »ich komme nur mit den beiden Herren Sieliz, meinen Verwandten, ihr, meine Herren, erscheint doch auch ohne Dragoner.«

»Vielleicht reitet man bei euch unter militärischer Eskorte zum Zweikampf,« sagte Herr Michael; »bei uns ist das nicht Brauch.«

»Also, in vier Tagen, am Sonnabend in Lipkowo?« fragte Charlamp. »Wir finden uns vor dem Wirtshause, und jetzt mit Gott!«

»Mit Gott!« antworteten Wolodyjowski und Sagloba.

Die Gegner trennten sich ruhig. Herr Michael war beglückt durch dies bevorstehende Vergnügen und nahm sich vor, Charlamps abgeschnittenen Schnurrbart Longinus zum Geschenk zu machen. Er ritt guter Dinge nach Saborowo, wo er auch den Prinzen Kasimir antraf, der zur Jagd hergekommen war. Doch sah Herr Michael den künftigen Herrn nur von weitem, denn er hatte Eile. In zwei Tagen waren seine Geschäfte abgetan und die Pferde besichtigt; nachdem er sie dem Herrn Trschaskowski bezahlt hatte, kehrte er nach Warschau zurück und traf dann zum bestimmten Termin mit Herrn Sagloba und Herrn Kuschel, welchen er als zweiten Zeugen gebeten hatte, pünktlich, ja sogar eine Stunde zu früh in Lipkowo ein.

Vor dem Wirtshause, das ein Jude unterhielt, angekommen, traten sie ein, um die Kehlen ein wenig mit Met anzufeuchten und sich beim Glase zu unterhalten.

»Kröte, ist der Herr zu Hause?« fragte Sagloba den Gastwirt.

»Der Herr ist in der Stadt.«

»Und steht hier bei euch in Lipkowo viel Adel?«

»Bei uns ist alles leer. Nur ein einziger Herr ist bei mir, ein reicher Herr mit Dienerschaft und Pferden, er sitzt im Alkoven.«

»Warum ist er nicht auf dem Herrenhofe eingekehrt?«

»Wahrscheinlich kennt er unseren Herrn nicht. Übrigens ist der Hof seit einem Monat geschlossen.«

»Vielleicht ist es Charlamp?« fragte Sagloba.

»Nein,« meinte Wolodnjowski. – »Das glaube ich nicht.«

»Ei, Herr Michael, mir scheint doch, er ist es.«

»Was weiter!«

»Ich werde nachsehen, wer er ist. Jude, ist der Herr schon lange hier?« fragte er, sich an den Wirt wendend.

»Er ist erst heute angekommen, es sind noch keine zwei Stunden her.«

»Und weißt du nicht, woher er ist?«

»Ich weiß nicht, aber er muß weit her sein, denn die Pferde waren sehr müde, die Leute sagten, von jenseits der Weichsel.«

»Warum hat er dann hier in Lipkowo Quartier genommen?«

»Wer kann das wissen?« antwortete der Wirt.

»Ich werde nachsehen,« wiederholte Sagloba, »vielleicht ist es ein Bekannter.« Und indem er sich der geschlossenen Tür des Alkovens näherte, klopfte er mit der Faust an und fragte:

»Darf man eintreten, Herr?«

»Wer da?« fragte eine Stimme von innen.

»Ein Freund,« sagte Sagloba, indem er die Tür aufmachte. »Um Verzeihung, Herr, vielleicht komme ich Euch ungelegen?« setzte er hinzu, den Kopf zwischen die Tür steckend.

Plötzlich fuhr er zurück und schlug die Tür zu, als ob er den Tod gesehen hätte. Auf seinem Gesicht malte sich Entsetzen, gemischt mit Verwunderung; mit offenem Munde und irrem Blick sah er Herrn Wolodyjowski und Kuschel an.

»Was fehlt Euch?« fragte Wolodyjowski.

»Bei Jesu Wunden! still!« sagte Sagloba. Dort! – Bohun!«

»Wer? Was ist Euch geschehen?«

»Dort! – Bohun!«

Beide Offiziere sprangen auf die Füße.

»Habt Ihr den Verstand verloren? Besinnt Euch, wer ist dort??«

»Bohun! Bohun!«

»So wahr ich lebe! So wahr ich hier vor euch stehe, ich schwöre es bei Gott und allen Heiligen.«

»Weshalb seid Ihr so erschreckt?« fragte Wolodyjowski. »Wenn er es ist, so hat Gott ihn in unsere Hände gegeben. Beruhigt Euch. Seid Ihr auch gewiß, daß er es ist?«

»So wahr ich mit Euch rede. Ich sah ihn, er kleidet sich um.«

»Und hat er Euch gesehen?«

»Ich weiß nicht, mir scheint, nein.«

Wolodyjowskis Augen blitzten wie Kohlen.

»Jude!« rief er leise, lebhaft mit der Hand winkend. »Komm her! Führt noch eine zweite Tür in die Kammer?«

»Nein, nur die eine durch diese Stube.«

»Kuschel, schnell ans Fenster!« flüsterte Herr Michael. »O, jetzt entkommt er uns nicht mehr.«

Kuschel verließ, ohne ein Wort zu reden, die Stube.

»So kommt doch zu Euch!« sagte Wolodyjowski. »Nicht Euch droht Gefahr, sondern über seinem Haupte hängt das Schwert. Was kann er Euch tun? Nichts!«

»Ich kann mich nur vor Verwunderung nicht erholen,« entgegnete Sagloba und dachte im stillen, es ist wahr! Weshalb soll ich mich fürchten? Herr Michael ist bei mir, mag Bohun sich lieber fürchten.

Und indem er sich plötzlich schrecklich ergrimmt stellte, griff er an den Säbel.

»Herr Michael, er darf uns nicht entkommen.«

»Ob er es auch wirklich ist? Ich kann es noch nicht glauben. Was sollte er hier tun?« entgegnete der kleine Ritter.

»Chmielnizki hat ihn auf Spionage ausgeschickt. Das ist sicher. Wir fangen ihn und stellen ihm die Wahl: entweder gibt er die Prinzessin heraus, oder wir drohen, ihn der Gerechtigkeit zu überliefern.«

»Wenn er nur die Prinzessin herausgäbe, hole ihn dann der Kuckuck.«

»Bah! Aber sind wir auch nicht zu wenige? Wir zwei, und Kuschel der dritte. Er wird sich wehren wie toll, und hat auch einige Leute bei sich.«

»Charlamp kommt mit zweien, wir sind dann sechs! Übrigens genug!«

In diesem Augenblick öffnete sich die Türe, und Bohun trat in die Stube. Er mußte vorher den hereinbrechenden Sagloba nicht gesehen haben, da er jetzt bei seinem Anblick plötzlich zuckte; sein Antlitz war wie mit Blut übergossen, und die Hand fuhr blitzschnell nach dem Säbelgriffe – aber das alles währte nur einen Augenblick. Bald erlosch die Glut in seinem Gesicht, und er wurde noch etwas blasser als sonst. Sagloba sah ihn an und sagte nichts, der Attaman stand ebenfalls schweigend da, in der Stube hätte man eine Fliege summen hören, – und diese beiden Menschen, deren Geschick auf so wunderbare Weise miteinander verflochten war, taten in diesem Augenblick, als kennten sie sich nicht.

Das dauerte ziemlich lange. Michael schien es eine Ewigkeit.

»Jude!« sagte plötzlich Bohun, »ist es weit von hier nach Saborowo?«

»Nein, es ist nicht weit,« entgegnete der Jude. »Euer Gnaden reiten gleich?«

»So ist es!« sagte Bohun und lenkte den Schritt der Türe zu, welche zum Flur führte.

»Mit Verlaub!« tönte die Stimme Saglobas.

Der Attaman hielt sofort wie angewurzelt still, und, sich zu Sagloba wendend, heftete er seine schrecklichen schwarzen Augensterne auf ihn.

»Was wollt Ihr?« fragte er kurz.

»Ei, mir scheint, daß wir uns irgend woher kennen. Haben wir uns nicht auf der Hochzeit auf jenem Hofe in Reußen gesehen?«

»Ja, so ist es,« sagte der Attaman, stolz die Hand wieder an den Säbelgriff legend.

»Wie befindet Ihr Euch?« fragte Sagloba, »denn Ihr seid damals so eilig vom Hofe fortgeritten, daß ich nicht einmal Zeit hatte, Abschied zu nehmen.«

»Und habt Ihr das bedauert?«

»Gewiß habe ich es bedauert, wir hätten ein Tänzchen zusammen gemacht, die Gesellschaft hatte sich vergrößert. (Hier wies Herr Sagloba auf Wolodyjowski). Dieser Kavalier war eben angekommen und hätte Euch gern näher kennen gelernt.«

»Genug davon!« schrie Herr Michael, indem er plötzlich aufsprang. »Verräter, ich verhafte Euch!«

»Und mit welchem Rechte?« fragte der Attaman, stolz das Haupt erhebend.

»Weil Ihr ein Rebell, ein Feind der Republik und als Spion hierher gekommen seid.«

»Und wer seid Ihr?«

»O, ich brauche mich Euch nicht auszuweisen, aber Ihr entkommt mir nicht!«

»Wir wollen sehen!« sagte Bohun. »Ich würde mich Euch auch nicht ausweisen, Herr, wer ich bin, wenn Ihr mich als Soldat auf Säbel fordertet, aber da Ihr mit Arrest droht, so muß ich es; seht, hier ist ein Brief, welchen ich vom Hetman der Saporoger zum Prinzen Kasimir bringe, und da ich ihn in Nieporent nicht angetroffen habe, reise ich ihm nach Saborowo nach. Wie, werdet Ihr mich jetzt auch noch arretieren?«

Bei diesen Worten blickte Bohun stolz und höhnisch auf Wolodyjowski, und Herr Michael wurde so verlegen wie ein Jagdhund, welchem die Beute zu entwischen droht. Er wußte nicht, was zu tun war, und richtete seine fragenden Blicke auf Sagloba. Einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen.

»Hah,« sagte Sagloba, »es hilft nichts. Da Ihr Gesandter seid, so dürfen wir Euch nicht verhaften, aber mit dem Säbel dürft Ihr diesem Kavalier nicht zu nahe kommen, denn Ihr seid schon einmal vor ihm geflohen, daß die Erde zitterte.«

Bohuns Gesicht wurde purpurrot, denn jetzt erkannte er Wolodyjowski. Scham und verletzter Stolz packten plötzlich den unerschrockenen Krieger. Die Erinnerung an diese Flucht brannte ihn wie Feuer. Sie war der einzige unauslöschliche Fleck an seiner Kriegerehre, welche er mehr als das Leben, mehr als alles liebte. Und der unerbittliche Sagloba fuhr kaltblütig fort:

»Fast hättet Ihr die Hosen verloren, so daß Mitleid diesen Kavalier ergriff und er Euch das Leben schenkte. Pfui, Herr Krieger, Ihr habt ein Weibergesicht, aber auch ein Weiberherz. Ihr waret mutig der alten Fürstin und den kindlichen Prinzen gegenüber, aber vor einem Ritter steckt Ihr die Pfeife in den Sack! Briefe tragen, Mädchen rauben, das ist Euer Geschäft, nicht aber in den Krieg ziehen. So wahr ich Gott liebe, mit eigenen Augen sah ich, wie Ihr die Hosen verloret. Pfui! Pfui! Und auch jetzt sprecht Ihr vom Säbel, wo Ihr einen Brief tragt. Wie soll man mit Euch kämpfen, wenn Ihr Euch hinter einem Briefe versteckt? Sand in die Augen! Sand in die Augen! Herr Krieger! Chmiel ist ein guter Soldat, Krschywonos ist gut, aber es gibt unter den Kosaken viele Hasenfüße.«

Bohun sprang plötzlich auf Sagloba zu, und dieser sprang ebenso schnell hinter Wolodyjowski zurück, so daß die beiden jungen Ritter sich Aug' in Auge gegenüber standen.

»Ich bin nicht aus Angst vor Euch geflohen, sondern, um die Beute zu retten,« sagte Bohun.

»Ich weiß nicht, aus welcher Ursache Ihr flohet, ich weiß nur, daß Ihr flohet,« sagte Herr Michael.

»Überall will ich mich Euch stellen, sei es auch sogleich.«

»Fordert Ihr mich?« fragte Wolodyjowski mit den Augen zwinkernd.

»Ihr habt mir die Kriegerehre geraubt, Ihr habt mich geschändet, ich muß Euer Blut haben.«

»Gut!« sagte Wolodyjowski.

»Forderungen sind keine Beleidigungen,« setzte Sagloba hinzu.

»Aber wer wird dem Prinzen den Brief überbringen?«

»Macht Euch deswegen keine Kopfschmerzen, das ist meine Sache.«

»Schlagt euch denn, wenn es nicht anders sein kann,« sagte Sagloba. »Wenn's Euch auch mit diesem Kavalier glückte, – merkt, daß ich als zweiter eintrete. Und jetzt, Herr Michael, kommt hinaus, ich habe Euch Wichtiges zu sagen.«

Die zwei Freunde gingen hinaus, riefen Kuschel vom Fenster des Alkovens ab, worauf Sagloba sagte:

»Meine Herren, unsere Sache steht schlimm! Er hat wirklich einen Brief an den Prinzen; töten wir ihn, so ist es ein Kriminalverbrechen. Denkt daran, daß der Ständerat » propter securitatem loci« auf zwei Meilen in der Runde vom Wahlfelde richtet, – und dieser ist so gut wie ein Gesandter. Eine schwere Sache! Wir müßten uns denn nachher verstecken, oder vielleicht schützt uns der Fürst; sonst kann es schlimm werden. Und wiederum, ihn frei ziehen lassen, ist noch schlimmer. Es ist die einzige Gelegenheit, unsere »Arme« zu befreien. Wenn er nicht mehr in der Welt ist, finden wir sie leichter. Gott selbst will ersichtlich ihr und Skrzetuski helfen. – Was tun wir? Beraten wir, meine Herren!«

»Ihr werdet wohl einen Ausweg finden,« sagte Kuschel.

»Ich habe es doch schon zuwege gebracht, daß er uns selbst gefordert hat. Aber wir brauchen Zeugen, fremde Menschen. Meine Ansicht ist, auf Charlamp zu warten. Ich nehme es auf mich, ihn zum Warten zu bewegen, und im Notfall Zeuge zu sein, daß wir gefordert wurden und uns wehren mußten. Man muß auch den Bohun noch besser ausforschen, wo er das Mädchen versteckt hält. Wenn er fallen sollte, so nützt sie ihm doch nichts, vielleicht sagt er es uns, wenn wir ihn darum beschwören. Und sagt er es nicht, – so ist es besser, er lebt nicht mehr. Man muß alles vorsichtig und mit Überlegung anfangen. Der Kopf springt mir, meine Herren.«

»Wer wird sich mit ihm schlagen?« fragte Kuschel.

»Zuerst Herr Michael, dann ich,« sagte Sagloba.

»Und ich als dritter,« sprach Kuschel.

»Das darf nicht sein,« unterbrach Herr Michael, »ich allein nur schlage mich mit ihm. Streckt er mich nieder, so ist das sein Glück; möge er dann heil weiterziehen.«

»O! Ich habe es ihm schon angesagt,« sagte Sagloba, »aber wenn ihr so beschließt, meine Herren, so stehe ich ab davon.«

»Nun, das ist seine Sache, ob er sich mit Euch auch schlagen will, sonst aber mit niemandem.«

»Gehen wir also zu ihm.«

»Gehen wir.«

Sie gingen und fanden Bohun in der Hauptstube, Met trinkend. Der Krieger war vollständig ruhig.

»Hört einmal, Herr,« sagte Sagloba, »denn es sind wichtige Dinge, von denen wir zu Euch sprechen wollen. Ihr habt diesen Kavalier gefordert – gut, aber Ihr müßt wissen, daß, da Ihr als Gesandter kommt, das Gesetz Euch schützt, denn Ihr seid zu einem wohlgesitteten Volke und nicht unter wilde Bestien gekommen – wir können uns Euch nicht stellen, es sei denn, Ihr bekennt vor Zeugen, daß Ihr aus eigenem freien Willen uns gefordert habt. Es werden mehrere Adlige hierher kommen, mit denen wir uns schlagen sollen, vor ihnen sollt Ihr das erklären, wir aber geben Euch unser Ritterwort, daß, wenn Euch mit Herrn Wolodyjowski das Glück wohl will, Ihr dann frei abziehen sollt, und niemand Euch daran hindern wird, Ihr wolltet es denn noch mit mir versuchen.«

»Gut,« sagte Bohun, »ich werde es den Herren erklären, und meinen Leuten werde ich sagen, daß sie den Brief abgeben und, wenn ich falle, dem Chmielnizki sagen sollen, daß ich selbst gefordert habe. Und gibt mir Gott das Glück, bei diesem Kavalier meine Kriegerehre wiederzugewinnen, so werde ich auch Euch noch auf Säbel bitten.«

Indem er das sagte, sah er Sagloba in die Augen, und dieser wurde etwas verlegen, hustete, spuckte aus und antwortete:

»Gut. Wenn Ihr es mit diesem meinen Schüler versucht habt, werdet Ihr erkennen, welche Arbeit Euch mit mir bevorsteht. Aber das ist Nebensache. Es ist noch ein anderer, wichtigerer Punkt, mit welchem wir an Euer Gewissen appellieren, da wir, obgleich Ihr ein Kosak seid, Euch doch als Kavalier behandeln wollen. Ihr habt die Prinzessin Helene Kurzewitsch, die Verlobte unseres Waffenbruders und Freundes, entführt und haltet sie versteckt. Wißt, wenn wir Euch deshalb fordern würden, nützte es Euch nichts, daß Chmielnizki Euch zu seinem Gesandten erkoren hat, denn das ist ein raptus puellae, eine halsbrecherische Sache, welche hier bald zur Entscheidung käme. Aber, da Ihr zum Kampfe geht und leicht fallen könnt, geht in Euch, was mit dieser Armen geschehen soll, wenn Ihr fallt? Wollt Ihr, der Ihr sie so liebt, dann ihr Unglück und Verderben? Soll sie, des Schutzes beraubt, der Schande und dem Unglück preisgegeben werden? Wollt Ihr noch nach Eurem Tode Ihr Henker sein?«

Hier klang Saglobas Stimme ungewöhnlich ernst. Bohun erbleichte und fragte:

»Was wollt Ihr von mir?«

»Nennt uns den Ort, wo Ihr sie versteckt haltet, damit wir sie im Falle Eures Todes finden und ihrem Verlobten zurückgeben können. Gott wird Barmherzigkeit an Eurer Seele üben, wenn Ihr das tut.«

Der Krieger stützte den Kopf in die Hände und versank in tiefes Sinnen, während die drei Waffenbrüder eifrig jede Veränderung in diesem beweglichen Antlitz beobachteten, welches plötzlich von einer so tiefen Trauer übergossen wurde, als ob es niemals Zorn, Wut oder irgend ein grausames Gefühl wiedergespiegelt hätte, und dieser Mensch nur zur Liebe und Sehnsucht geschaffen sei. Lange Zeit währte dies Schweigen, bis endlich die bebende Stimme Saglobas dasselbe unterbrach, welcher sprach:

»Wenn Ihr sie aber schon geschändet habt, so möge Euch Gott verdammen, und sie möge wenigstens in einem Kloster Schutz finden ...«

Bohun erhob die feuchten, wehmütigen Augen und sagte:

»Wenn ich sie geschändet habe? Seht! Ich weiß nicht, wie ihr Herren vom Adel, Ritter und Kavaliere liebt, aber ich bin ein Kosak, ich habe sie in Bar vor Tod und Schande bewahrt und dann in die Einsamkeit geführt und sie behütet wie das Auge im Kopfe; keinen Finger habe ich ihr gekrümmt, zu Füßen bin ich ihr gefallen, und die Stirn habe ich vor ihr geneigt wie vor einem Heiligenbilde. Sie hieß mich gehen, – ich ging – und habe sie nicht wiedergesehen, denn die Mutter, der Krieg, hielt mich fest.«

»Gott wird Euch das beim letzten Gericht anrechnen,« sagte Sagloba tief aufseufzend. »Aber, ist sie dort auch ganz sicher? In jener Gegend ist Krschywonos und die Tataren.«

»Krschywonos liegt bei Kamieniez und hat mich zu Chmielnizki geschickt, um zu fragen, ob er nach Kudak gehen soll; – er ist auch wohl schon gegangen – und dort, wo sie ist, da gibt es weder Kosaken, noch Lechen, noch Tataren, – sie ist vor ihnen in Sicherheit.«

»Wo ist sie also?«

»Hört, ihr Herren Lechen! Es sei, wie ihr wollt, – ich will euch sagen, wo sie ist, ich lasse sie herausgeben, aber dafür gebt mir euer Ritterwort, daß, wenn Gott mir beisteht, ihr sie nicht suchen wollt. Versprecht das für euch und für Herrn Skrzetuski, so sage ich es euch.«

Die drei Freunde sahen sich an.

»Das können wir nicht tun!« sagte Sagloba.

»O, bei unserem Leben, das können wir nicht!« riefen Kuschel und Wolodyjowski.

»So?« sagte Bohun und runzelte die Stirn, und die Augen blitzten ihm.

»Warum können die Herren Lechen das nicht tun?«

»Weil Skrzetuski nicht hier ist. Außerdem wisset, daß keiner von uns aufhören wird sie zu suchen, und verstecktet Ihr sie auch unter der Erde.«

»So würdet ihr also einen solchen Handel mit mir schließen: du, Kosak, gib deine Seele, und wir zahlen dir mit dem Säbel dafür! O, das erlebt ihr nicht! Glaubt ihr denn, daß mein Säbel nicht von Stahl ist? Wollt ihr über mir schon wie die Krähen über dem Aase krächzen? Muß ich denn gerade fallen, nicht ihr? Ihr verlangt mein Blut, ich das eurige, wir wollen sehen, wer glücklicher ist.«

»Also, Ihr sagt es nicht?«

»Was soll ich noch reden? – Tod und Verderben euch allen.«

»Tod und Verderben Euch! Ihr verdient, daß man Euch in Stücke haut.«

»Versucht es,« sagte der Krieger, indem er plötzlich aufstand.

Kuschel und Wolodyjowski sprangen ebenfalls auf. Drohende Blicke wurden getauscht, die zornerfüllten Brüste atmeten schneller, und wer weiß, was geschehen wäre, hätte nicht Sagloba, welcher eben durch das Fenster sah, ausgerufen:

»Charlamp kommt mit seinen Zeugen.«

Nach einer Weile trat denn auch der Rittmeister der Petyhors mit zwei Gefährten, den Herren Sieliz, in die Stube. Nach den ersten Begrüßungen nahm Sagloba sie auf die Seite und fing an, ihnen den Sachverhalt darzulegen. Und er war so beredt, daß er sie überzeugte, besonders, da er versicherte, Herr Wolodyjowski bitte nur um einen kurzen Aufschub und sei gleich nach dem Kampfe mit dem Kosaken bereit. Nun schilderte Sagloba, wie alt und schrecklich der Haß aller Soldaten des Fürsten gegen Bohun, wie er ein Feind der ganzen Republik und einer der gefürchtetsten Rebellen sei, und zuletzt, wie er die Prinzessin, ein Fräulein aus adligem Hause und die Verlobte eines Edelmannes, welcher ein Muster aller ritterlichen Tugend ist, geraubt habe. »Und da ihr Herren vom Adel seid und euch zur Waffenbrüderschaft zählt, so ist die Schmach eine gemeinsame, da in der Person des einen der ganze Stand davon betroffen ist. Würdet ihr also dulden, daß sie nicht gerächt wird?«

Herr Charlamp machte erst Schwierigkeiten und meinte, wenn es so wäre, so geziemte es sich, den Bohun auf der Stelle zu erschlagen, »und Herr Wolodyjowski mag sich mir, wie ausgemacht, sogleich stellen.« Sagloba mußte ihm erst erklären, warum das nicht sein könne, und daß es auch gar nicht ritterlich wäre, wenn einer von so vielen angegriffen würde. Glücklicherweise standen ihm die Herren Sieliz bei, die beide gesetzte und verständige Leute waren, bis endlich der eigensinnige Litauer sich überzeugen ließ und in den Verzug willigte.

Unterdes war Bohun zu seinen Leuten gegangen und mit dem Esaul Eliaschenski zurückgekommen. Diesem sagte er, daß er zwei adlige Herren zum Zweikampf gefordert habe, worauf er dasselbe laut in Gegenwart Charlamps und der beiden Sieliz wiederholte.

»Wir aber erklären,« sagte Wolodyjowski, »daß, wenn Ihr siegreich aus dem Kampfe mit mir hervorgeht, es ganz von Eurem Willen abhängt, ob Ihr Euch noch mit Herrn Sagloba schlagen wollt, und auf keinen Fall einer von uns Euch fordern wird, Ihr auch nicht in Haufen überfallen werden sollt, und hingehen könnt, wo es Euch beliebt, – auf unser Ritterwort. Und euch angekommene Herren bitten wir, daß ihr eurerseits dasselbe versprecht!«

»Wir versprechen es!« sagten Charlamp und die beiden Sieliz feierlich.

Jetzt händigte Bohun den Brief Chmielnizkis an den Prinzen dem Eliaschenski ein und sagte:

»Du gibst das Schreiben dem Königssohn ab, und wenn ich falle, so erzählst du ihm und Chmielnizki, daß es meine Schuld war, und daß nicht Verräter mich erschlagen haben.«

Sagloba, der ein wachsames Auge auf alles hatte, bemerkte, daß das ernste Gesicht Eliaschenskis nicht die mindeste Unruhe verriet – man sah, er war seines Attamans sehr sicher.

Unterdes wandte sich Bohun stolz an die adligen Herren.

»Nun, wem gilt der Tod, wem das Leben?« sagte er »Wir können gehen.«

»Es ist Zeit, es ist Zeit!« antworteten alle, die Flügel ihrer Oberröcke hinter den Gurt steckend, und nahmen die Säbel unter den Arm.

Sie gingen aus dem Wirtshaus und dem Flusse zu, welcher zwischen Dornen-Dickicht, wilden Rosen, Kalmus und jungen Kiefern dahinfloß. Der Oktober hatte zwar die Blätter von dem Gesträuch gestreift, aber das Dickicht war so dicht, daß es sich wie ein Trauerflor durch die öden Felder bis weit, weithin zu den Wäldern hinzog. Der Tag war zwar trübe, aber von der melancholischen Heiterkeit und Schönheit des Herbstes, voll süßer Ruhe. Die Sonne umsäumte die entlaubten Zweige der Bäume mit Gold und beleuchtete die gelben Sanddünen, die sich etwas seitwärts am rechten Ufer des Flusses hinzogen. Die Duellanten und ihre Zeugen gingen gerade auf diese Dünen zu.

»Dort wollen wir Halt machen,« sagte Sagloba.

»Einverstanden!« antworteten alle.

Sagloba wurde immer unruhiger, zuletzt näherte er sich Wolodyjowski und flüsterte: »Herr Michael ...«

»Was gibt es?«

»Um Gottes willen, Herr Michael, gebt Euch Mühe! In Eurer Hand liegt jetzt Skrzetuskis Glück, die Freiheit der Prinzessin, Euer eigenes und mein Leben, denn, Gott verhüte es, wenn Euch ein Unfall trifft, ich weiß mir keinen Rat mit diesem Totschläger.«

»Weshalb habt Ihr ihn denn gefordert?«

»Das Wort ist gesprochen. Ich baute auf Euch, Herr Michael, aber ich bin schon alt, habe einen kurzen Atem, bin schwerfällig, und dieser Schelm kann springen wie ein Kreisel. Er ist ein durchtriebener Hund, Herr Michael.«

»Ich werde mir Mühe geben,« sagte der kleine Ritter.

»Gott steh Euch bei. Verliert die Geistesgegenwart nicht.«

»Ei, woher!«

In diesem Augenblick näherte sich ihnen einer der Herren Sieliz.

»Euer Kosak ist ein gewitzter Bursche,« flüsterte er; »tut er doch mit uns, als ob er unseresgleichen wäre, und noch besser als wir. Hu! Was für ein Rittersinn! Seine Mutter muß sich an einem Edelmann versehen haben.«

»Ei!« sagte Sagloba, »eher hat ein Edelmann sich in seine Mutter vergafft.«

»Auch mir scheint es so,« meinte Wolodyjowski.

»Halten wir!« rief plötzlich Bohun. »Halten wir, halten wir!«

Sie blieben stehen. Die Edelleute im Halbkreise, Wolodyjowski und Bohun einander gegenüber.

Wolodyjowski, als ein in solchen Dingen trotz seiner Jugend erfahrener Mann, untersuchte zuerst mit dem Fuße den Sand, ob er hart genug sei, dann blickte er auf die Umgebung, um alle Unebenheiten des Bodens kennen zu lernen, man sah, er nahm die Sache nicht so leicht. Bekam er es doch mit einem Ritter zu tun, der als der Berühmteste der Ukraine galt, den das Volk in Liedern besang, und dessen Name – so weit das Reußenland reichte – bis zur Krim hin bekannt war. Herr Michael, ein einfacher Dragonerhauptmann, versprach sich viel von diesem Kampfe; entweder einen ruhmvollen Tod oder einen gleich ruhmvollen Sieg.

Er versäumte daher nichts, um sich eines solchen Gegners würdig zu zeigen. Deshalb war sein Gesicht auch ungewöhnlich ernst, so daß Sagloba, als er dies sah, förmlich erschrak. »Er verliert den Mut!« dachte er, »es ist aus mit ihm, somit auch mit mir!«

Inzwischen knöpfte Wolodyjowski, nachdem er den Boden genau untersucht hatte, den Rock auf.

»Es ist kühl,« sagte er, »aber wir erwärmen uns wohl.«

Bohun folgte seinem Beispiel. Sie legten beide die Oberkleider ab, so daß sie nur in Hemd und Hose blieben, worauf sie noch die Ärmel der rechten Hand aufstreiften.

Aber wie winzig sah der kleine Herr Michael aus neben dem hochgewachsenen und starken Bohun, man sah ihn kaum. Die Zeugen blickten unruhig auf die breite Brust und die riesigen Muskeln Bohuns, welche unter dem aufgestreiften Ärmel hervorsahen wie Stricke und Knoten. Es war, als ob ein kleines Hähnchen sich zum Kampfe mit einem mächtigen Steppenhabicht anschicke. Die Nüstern Bohuns öffneten sich, als ob sie Blut witterten, das Gesicht verkürzte sich dermaßen, daß die schwarze Mähne die Augenbrauen zu erreichen schien, der Säbel zuckte ihm in der Hand, – die raubtierähnlichen Augen bohrten sich in den Gegner. So erwartete er das Kommando.

Und Wolodyjowski hielt noch einmal die blanke Klinge gegen das Licht, zuckte mit dem gelben Schnurrbart und stellte sich in Positur.

»Das wird eine rechte Schlägerei werden!« brummte Charlamp Siliez zu.

Jetzt ertönte die etwas zitternde Stimme Saglobas:

»Im Namen Gottes, fangt an!«


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