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18. Kapitel

Am folgenden Tage fanden unter den Kommissaren lange Beratungen statt, ob man die Gaben des Königs dem Chmielnizki sofort einhändigen oder warten solle, bis er größere Demut und eine gewisse Reue an den Tag legen werde. Es wurde beschlossen, um ihn durch die Menschenfreundlichkeit und die Gnade des Königs zu gewinnen, ihm dieselben bald zu übergeben. Die Überreichung der Gaben wurde also bekannt gemacht, und der feierliche Akt auf den nächsten Tag festgesetzt. Vom frühen Morgen an läuteten die Glocken und donnerten die Geschütze. Chmielnizki wartete vor seiner Residenz, inmitten der Hauptleute, sämtlicher Ältesten und einer zahllosen Menge Kosaken und Gesindel; er wollte der ganzen Nation zeigen, mit welchen Ehren der König ihn umgab. Er saß also unter der Fahne und dem Roßschweif auf einer Erhöhung, in einem roten, mit Zobelpelz gefütterten Mantel, ihm zur Seite die Gesandtschaften der benachbarten Länder. Die Arme in die Seiten gestemmt, die Füße auf ein Samtkissen mit goldenen Fransen gestützt, erwartete er die Kommissare. Aus der Volksmenge tönte alle Augenblicke ein Gemurmel der Freude und des Lobes beim Anblick des Führers, in welchem sie, die die Macht über alles schätzte, die Verkörperung dieser Macht sah. Gerade so und nicht anders konnte die Volksphantasie sich den unbesiegten Helden, den Besieger der Hetmane und des Adels und überhaupt der Lechen, vorstellen, die bis zu seiner Zeit den Ruf der Unbesiegbarkeit genossen hatten. Chmielnizki war in diesem Jahr der Kämpfe etwas gealtert, aber er hielt sich noch aufrecht, – seine Riesenschultern verrieten noch die Kraft, Reiche zu stürzen oder neue aufzurichten. Das mächtige Gesicht trug den Ausdruck unbeugsamen Willens, ungezähmten Stolzes und der selbstbewußten Sicherheit, welche eine Reihe von Siegen verleihen, nur war es vom unmäßigen Genuß der Getränke stark gerötet. Zorn und Leidenschaft schlummerten in den Falten dieses Gesichtes, es war leicht zu erraten, daß, wenn sie erwachten, das Volk vor ihrer gräßlichen Gewalt sich beugte wie der Wald vor dem Sturmwind. Seine rotumränderten Augen blitzten schon ungeduldig, daß die Kommissare nicht früh genug mit den Gaben anlangten; aus seinen Nüstern stiegen zwei im Froste sichtbare Dampfwolken auf, wie die zwei Rauchsäulen aus den Nüstern Luzifers, und, vom Dampfe umgeben, den seine eigenen Lungen ausströmten, saß er ganz in Purpur gehüllt, düster und stolz, neben sich die Botschafter, inmitten der Hauptleute, um sich in der Runde ein Volksmeer.

Endlich erschien der Zug der Kommissare. Voraus schritten die Paukenschläger, die Pauken schlagend, hinterdrein die Trompeter mit den Trompeten an den Lippen und mit aufgeblähten Backen, dem Messing langgezogene, melancholische Töne entlockend, als bliesen sie zum Begräbnis des Ruhmes und der Würde der Republik.

Hinter dieser Kapelle trug der Jägermeister Krschytowski auf einem Kissen aus Samt den Feldherrnstab, Kultschynski, der Schatzmeister von Kijew, die rote Fahne mit dem Adler und der Inschrift, – dann kam Kisiel allein, hochgewachsen und mager; der weiße Bart floß bis auf die Brust herab, in den aristokratischen Zügen malte sich der Schmerz, den die verzweifelte Seele duldete. Wenige Schritte hinter dem Wojewoden schlich der Rest der Kommissare einher, und die Dragoner Bryschowskis unter Skrzetuskis Führung beschlossen den Zug.

Kisiel ging langsam, denn dieser Augenblick belehrte ihn vollends, daß unter dem zerlumpten Deckmantel der Verträge, unter dem Scheine der entgegengetragenen Königsgnade und der Verzeihung des Monarchen etwas anderes, die Demut, hervorlugte, welche selbst die Blinden sehen, die Tauben hören mußten, weil sie zu offenbar wurde.

»Du, Kisiel, gehst jetzt nicht als Gnadenträger, sondern gehst zu Fuß, um Gnade zu bitten, für den Feldherrnstab und das Banner, sie bei diesem Rebellenführer im Namen der ganzen Republik zu erkaufen, du, ihr Senator und Wojewode ...«

Die Seele des Herrn von Brusitow Brusitow = eines der Güter Kisiels, das ihm als Wohnsitz diente. wollte in Stücke springen; er fühlte sich so machtlos wie ein Wurm, so nichtig wie ein Stäubchen, und in den Ohren klangen ihm die Worte des Fürsten Jeremias: »Besser gar nicht, als in der Sklaverei der Bauern und Heiden zu leben.« Was war er, Kisiel, im Vergleich mit dem Fürsten von Lubnie, welcher die Rebellion immer nur mit gerunzelter Stirn im Schwefeldunst der Kriegsflamme, und eingehüllt in Pulverdämpfe, wie Jupiter gegenüber gestanden hatte, was war er? Unter der Last dieser Gedanken brach fast das Herz des Wojewoden, das Lachen war aus seinem Antlitz für immer gebannt, die Freude aus seinem Herzen für ewig geflohen, er fühlte nur, daß er hundertmal lieber sterben als noch einen Schritt auf diesem Wege vorwärts gehen möchte. Aber er ging dennoch, denn seine ganze Vergangenheit, all sein Wirken und Schaffen und die ganze unerbittliche Logik seiner früheren Handlungsweise trieb ihn vorwärts.

Chmielnizki erwartete ihn mit untergestemmten Armen, aufgeworfenen Lippen und gerunzelter Stirn.

Endlich näherte sich der Zug dem Hetman der Saporogen. Kisiel drängte sich vor und trat einige Schritte näher bis zur Erhöhung. Die Trommler hörten auf zu trommeln, die Trompeter bliesen nicht mehr, – eine tiefe Stille trat ein, nur der heftige Windhauch raschelte in der Fahne, die Herr Kultschynski trug.

Plötzlich wurde diese Stille von einer Stimme unterbrochen, die kurz und vernehmlich befahl: »Die Dragoner zurück! Mir nach!« Diese Stimme, aus welcher die ganze unaussprechliche Kraft der Verzweiflung klang, die auf nichts und auf niemand Rücksicht nimmt, war Skrzetuskis Stimme.

Aller Köpfe wandten sich nach der Seite, woher sie kam. Chmielnizki selbst erhob sich ein wenig von seinem Sitz, um zu sehen, was dort geschehe, den Kommissaren wich das Blut aus den Gesichtern. Skrzetuski stand in den Steigbügeln, hoch aufgerichtet, bleich, mit blitzenden Augen, den blanken Säbel in der Hand, und den Dragonern halb zugewendet, wiederholte er donnernd den Befehl: »Mir nach! ...«

Durch die Stille tönte der Hufschlag der Pferde auf den hartgefrorenen Schollen der Straße. Die geübten Dragoner machten auf der Stelle »Kehrt«, der Oberst stellte sich an ihre Spitze, gab mit dem Schwerte das Zeichen, und der ganze Zug setzte sich langsam nach rückwärts zu in Bewegung, der Wohnung der Kommissare zu.

Verwunderung und Erwartung malten sich in den Gesichtern aller, Chmielnizkis nicht ausgenommen. Denn in der Stimme und den Bewegungen Skrzetuskis lag etwas Außergewöhnliches. Doch vermochte niemand recht zu sagen, ob diese plötzliche Entfernung der Eskorte nicht zu den Zeremonien der Feierlichkeit gehörte. Nur Kisiel verstand alles, er verstand, daß sowohl die Verhandlungen als auch das Leben des Kommissars in diesem Augenblick an einem Haar hing. Daher stieg er noch, ehe Chmielnizki sich recht besinnen konnte, auf die Erhöhung zu ihm und begann seine Rede:

Er begann mit der Versicherung der königlichen Gnade für Chmielnizki und ganz Saporogien, aber bald wurde seine Rede durch einen neuen Vorgang unterbrochen, welcher nur das eine gute hatte, daß er die Aufmerksamkeit von dem vorhergegangenen vollständig ablenkte. Dsiedschala, ein alter Hauptmann, der neben Chmielnizki stand, drohte nämlich dem Wojewoden mit seinem Stabe und schrie zornig:

»Was sprichst du dort, Kisiel? Der König – lassen wir den König, – aber ihr, Fürsten und Adlige, ihr habt viel verbrochen. Und du, Kisiel, Blut von unserem Blute, bist ein Abtrünniger und hältst zu den Lechen. Wir haben genug von deiner Rede, denn wir bekommen mit dem Säbel alles, was wir gebrauchen.«

Der Wojewode sah gekränkt Chmielnizki in die Augen.

»Zu solcher Zucht haltet Ihr Eure Hauptleute, Hetman?«

»Schweige, Dsiedschala!« rief der Hetman.

»Schweige, schweige! Er hat sich schon am Morgen besoffen!« wiederholten die andere Hauptleute. »Scher dich fort, sonst kriegen wir dich beim Schopfe.«

Dsiedschala wollte weiter brüllen, er wurde aber tatsächlich am Kragen gefaßt und aus dem Kreise entfernt.

Der Wojewode sprach in wohlgesetzten und gewählten Worten weiter. Er legte dem Chmielnizki dar, welche wertvollen Geschenke er erhalte, sie seien die Abzeichen der Rechtmäßigkeit einer Würde, die er bis jetzt nur eigenmächtig vertreten habe. Der König hätte strafen können, er vergebe ihm aber, da Chmielnizki sich bei Samoschtsch gehorsam gezeigt habe und seine früheren Ausschreitungen nicht in die Zeit der Regierung des jetzigen Königs fielen. Es sei also billig, daß er, Chmielnizki, nachdem er so viel gesündigt, für eine solche Gnade und Auszeichnung sich dankbar erweise, das Blutvergießen einstelle, die Bauern zur Ruhe bringe und mit den Kommissaren die Verhandlungen beginne.

Chmielnizki empfing schweigend den Feldherrnstab und die Fahne, welche er sogleich über sich aufrollen ließ. Bei diesem Anblick brach die Menge in ein Freudengeheul aus, das eine Zeitlang alles andere übertönte.

Eine gewisse Zufriedenheit leuchtete aus dem Gesicht des Hetman, der nach einer Weile zu sprechen anfing:

»Für die große Gnade, welche mir Se. Majestät der König durch euch kundtut, wie dafür, daß er mir die Zeichen der Macht über das Heer zuschickt und meine früheren Ausschreitungen verzeiht, danke ich untertänigst. Ich habe es immer gesagt, daß der König es mit mir, gegen euch, falsche Kriecher und Fürsten, hält; der beste Beweis dafür ist, daß er mir seine Zufriedenheit dafür ausdrückt, daß ich euch die Hilfe versagt habe, – so werde ich sie euch auch fernerhin versagen, wenn ihr mir und dem König nicht in allem gehorcht.«

Die letzten Worte hatte Chmielnizki mit erhobener Stimme, scheltend und stirnrunzelnd, gesprochen, als ob der Zorn in ihm aufsteige, und die Kommissare wurden starr bei dieser unerwarteten Wendung seiner Antwort. Kisiel aber sagte:

»Der König befiehlt Euch, Hetman, das Blutvergießen einzustellen und mit uns die Verhandlungen zu beginnen.«

»Ich vergieße kein Blut, aber das litauische Heer tut das, denn ich habe Nachricht, daß Radziwill meine Güter Mosyr und Turow vernichtet hat. Wenn sich das bewahrheitet, so habe ich von euch genug vornehme Gefangene, die ich gleich um einen Kopf kürzer machen kann. Zu den Verhandlungen schreite ich jetzt nicht. Die Kommission wäre schwierig zustande zu bringen, weil das Heer nicht zusammen ist; ich habe nur eine Handvoll Hauptleute bei mir, der Rest ist in den Winterquartieren, ohne sie kann ich nichts anfangen. Übrigens, was sollen wir weiter hier im Frost reden? Was ihr mir abgeben solltet, das habt ihr gegeben, und alle haben gesehen, daß ich jetzt ein vom König ernannter Hetman bin, und jetzt kommt zu mir zu einem Trunk Branntwein und zum Mittagbrot, denn ich bin hungrig.«

Indem er das sagte, schritt Chmielnizki seiner Residenz zu, ihm folgten die Kommissare und Hauptleute. In der großen Mittelstube stand ein gedeckter Tisch, der sich unter der Schwere des geraubten Silbers, zwischen welchem der Wojewode Kisiel auch das ihm im vorigen Sommer in Huschez geraubte fand, bog. Auf dem Tische standen Berge von Schweinefleisch, Rindfleisch, tatarischer Fettreis, und die ganze Stube roch nach Hirsebranntwein, der in silbernen Kannen umherstand. Chmielnizki setzte sich, wies den Platz zu seiner Rechten dem Wojewoden Kisiel, den zur Linken dem Burgvogt Brschosowski, und mit der Hand auf den Branntwein zeigend, sagte er:

»In Warschau sagt man, ich tränke Lechenblut, ich mag aber lieber Branntwein und überlasse jenes den Hunden dort.«

Die Hauptleute brachen in ein erschütterndes Lachen aus.

Eine solche Beschimpfung schleuderte der Hetman vor dem Essen den Kommissaren zu; sie steckten sie stillschweigend ein, um, wie der Schatzmeister aus Lemberg schrieb, »die Bestie nicht zu reizen.«

Dichter Schweiß bedeckte die bleiche Stirn Kisiels.

Die Bewirtung begann. Die Hauptleute nahmen mit den Händen große Stücke Fleisch; Kisiel und Brschosowski legte sie Chmielnizki selbst auf die Teller. Der Anfang des Mittagessens verlief schweigend, denn jeder stillte seinen Hunger. Die Stille wurde nur durch das Knirschen der Zähne der Schmausenden an den Knochen oder durch das Schlucken der Trinkenden unterbrochen. Von Zeit zu Zeit warf einer oder der andere ein Wort hin, welches jedoch unbeantwortet blieb, bis zuerst Chmielnizki, schon etwas gesättigt, und nachdem er einige Becher Hirsewein hinuntergestürzt hatte, sich plötzlich an den Wojewoden wandte und fragte:

»Wer kommandierte Eure Eskorte?«

Kisiel wurde unruhig.

»Skrzetuski, ein edle Kavalier,« sagte er.

»Ich kenne ihn,« sagte Chmielnizki. »Und warum wollte er nicht dabei sein, als Ihr mir die Geschenke überreichtet?«

»Weil er uns nicht zur Assistenz, sondern nur der Sicherheit wegen beigegeben ist, und ihm so befohlen worden war.«

»Und wer hat ihm so befohlen?«

»Ich!« entgegnete der Wojewode, »weil ich glaubte, daß es nicht schicklich wäre, wenn die Dragoner bei Überreichung der Geschenke uns und Euch so auf dem Halse ständen.«

»Und ich glaube etwas anderes, denn ich weiß, daß dieser Soldat einen unbeugsamen Nacken hat.«

»Wann wünscht Ihr, Hetman, daß die Kommission zusammentritt?« fragte Kisiel, bemüht, der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben.

Unglücklicherweise war Chmielnizki auch nicht mehr nüchtern, so gab er denn eine ebenso schnelle als bissige Antwort.

»Morgen wollen wir raten und richten,« sagte er, »jetzt bin ich betrunken. Was schwatzt Ihr mir hier von der Kommission und laßt mich nicht in Ruhe essen und trinken. Ich habe genug von alledem! Krieg muß jetzt werden! (hier donnerte er mit der Faust auf den Tisch, daß die Schüsseln und Gläser tanzten.) In den nächsten vier Wochen werde ich alles von unterst zu oberst kehren, niedertreten will ich euch, und zuletzt euch dem türkischen Sultan verkaufen. Der König ist dazu König, um den Adel, die Fürsten und Heuchler auszurotten. Ist es ein Fürst, so schneidet er ihnen den Kopf ab, ist es ein Kosak, so tut er dasselbe. Ihr droht mir mit den Schweden, aber auch die werden mich nicht zwingen Tuhaj-Bey, mein Bruder, mein Herz, der einzige Falke auf der Welt, ist mir nahe und bereit, alles zu tun, was ich will.«

Hier schlug Chmielnizki plötzlich, mit der den Trunkenen eigenen Launenhaftigkeit, vom Zorn in die tiefste Rührung um; die Stimme bebte ihm von verschluckten Tränen bei der Erinnerung an Tuhaj-Bey.

»Ihr wollt, daß ich gegen die Türken und Tataren das Schwert ziehe, daraus wird nichts! Gegen euch ziehe ich mit meinen guten Freunden los. Ich habe schon Boten ausgeschickt, daß die Krieger die Pferde füttern und sich zum Abmarsch fertig halten sollen, ohne Wagen, ohne Kanonen, denn das alles finde ich bei den Lechen. Wer von den Kosaken einen Wagen nimmt, dem lasse ich die Gurgel abschneiden, ich selbst nehme keinen, höchstens Sattelzeug und Futterbeutel, – so gehe ich bis zur Weichsel und rufe: Sitzt still und schweigt, Lechen! Und solltet ihr jenseits der Weichsel schreien, so finde ich euch auch dort. Genug eurer Herrschaft, eurer Dragoner, ihr verfluchten Insekten, die nur vom Lügen leben.«

Er sprang auf, stieß den Schemel von sich, raufte sich die Haare, stampfte den Boden und schrie: »Krieg muß werden, denn ich habe die Absolution und den Segen dazu bekommen. Was kümmern mich Kommissare und Kommissionen, ich bewillige nicht einmal einen Waffenstillstand.«

Endlich gewahrte er den Schrecken der Kommissare; es fiel ihm ein, daß, wenn sie sofort abritten, den Krieg noch im Winter anfingen, also zu einer Zeit, wo die Kosaken sich nicht verschanzen und im offenen Felde dem Feinde schlechten Widerstand leisten könnten, das für ihn schlecht ablaufen konnte. Er beruhigte sich etwas und setzte sich wieder auf den Schemel. Der Kopf sank ihm auf die Brust, er stemmte die Hände auf die Kniee und atmete röchelnd. Endlich ergriff er wieder den Becher mit Branntwein.

»Die Gesundheit Seiner Majestät des Königs!« rief er aus.

»Auf die Gesundheit und den Ruhm,« wiederholten die Hauptleute.

»Na! Du, Kisiel, grübele nicht,« sagte der Hetman, »und nimm es dir nicht zu Herzen, was ich sage, ich bin jetzt besoffen. Mir haben die Wahrsagerinnen gesagt, daß Krieg sein muß, – aber ich warte bis zum ersten Graswuchs, dann mag die Kommission zusammentreten, und dann gebe ich die Gefangenen frei. Man sagte mir, du seiest krank, da mag auf deine Gesundheit getrunken werden.«

»Ich danke Euch, Hetman der Saporogen!« sagte Kisiel,

In der Stube wurde es unerträglich heiß und schwül. Der Tisch, mit Fleischresten und Brotkrumen bedeckt und mit Branntwein und Met begossen, sah ekelhaft aus. Zuletzt kamen Wahrsagerinnen herein, d. h. Hexen, mit welchen Chmielnizki gewöhnlich bis nach Mitternacht, ihre Prophezeiungen anhörend, soff. Es waren sonderbare Gestalten, alt, gekrümmt, gelb oder noch in der Kraft der Jugend, welche aus Wachs, Weizenkörnern, dem Wasserschaum, aus dem Boden der Flaschen oder aus Menschenfett wahrsagten. Bald erhoben sich unter den Hauptleuten und den Jüngeren unter ihnen Späße und Gelächter. Kisiel war einer Ohnmacht nahe.

»Wir danken Euch für das Mahl, Hetman,« sagte er mit schwacher Stimme.

»Ich komme morgen zum Mittagessen zu Euch, Kisiel,« antwortete Chmielnizki. »Und jetzt geht. Doniez wird Euch mit seinen Kriegern in die Wohnungen führen, damit Euch das Gesindel kein Unheil zufügt.«

Die Kommissare verneigten sich und gingen hinaus. Draußen wartete Doniez in der Tat mit seinen Kriegsknechten.

»O Gott! Gott! Gott!« flüsterte Kisiel leise, das Gesicht mit den Händen bedeckend.

Der Zug bewegte sich schweigend den Wohnungen der Kommissare zu. Es zeigte sich aber, daß dieselben nicht mehr dicht beieinander lagen. Chmielnizki hatte ihnen absichtlich die Quartiere in verschiedenen Stadtteilen bestimmt, damit sie nicht so leicht zusammenkommen und beraten könnten.

Der Wojewode Kisiel legte sich ermüdet, erschöpft, kaum imstande, sich auf den Füßen zu halten, sogleich zu Bett und wollte bis zum nächsten Tage niemanden sehen. Erst gegen Mittag ließ er Skrzetuski zu sich rufen.

»Was habt Ihr getan?« sagte er zu ihm, »was habt Ihr getan habt, Herr? Euer und unser Leben habt Ihr aufs Spiel gesetzt!«

»Erlauchter Wojewode, mea culpa!« antwortete der Ritter, »aber mich befiel das Delirium, und ich wollte in jenem Augenblick hundertmal lieber sterben, als solche Dinge mit ansehen.«

»Chmielnizki erriet die Absicht, kaum, daß ich imstande war, die Bestie in ihm zu besänftigen und Eure Tat zu begründen. Aber er will heute hierher zu mir kommen und wird Euch gewiß befragen. Sagt ihm also, daß Ihr von mir den Befehl hattet, die Soldaten fortzuführen.«

»Von heute ab übernimmt Bryschowski wieder das Kommando, er fühlt sich wohler.«

»Das ist um so besser, Ihr habt einen zu stolzen Nacken für die jetzige Zeit. Wir können in Eurer Handlung nichts Tadelnswertes finden, als Unvorsichtigkeit, aber man sieht, daß Ihr jung seid und einen Schmerz in der Brust nicht zu ertragen vermöget.«

»An den Schmerz bin ich gewöhnt, erlauchter Wojewode, nur die Schande kann ich nicht ertragen.«

Kisiel zischte leise, gerade so, wie wenn ein Kranker an einer schmerzhaften Stelle berührt wird, dann lächelte er traurig und resigniert und sagte:

»Solche Worte sind für mich schon zum täglichen Brot geworden. Früher begoß ich sie mit heißen Tränen, wenn ich sie hörte, jetzt fehlen mir die Tränen.«

Skrzetuskis Herz wurde von Mitleid ergriffen beim Anblick dieses Greises mit dem Märtyrerantlitz, welcher seine letzten Tage in doppelten Schmerzen, im Schmerz des Körpers und der Seele, hinbrachte.

»Erlauchter Wojewode!« sagte er. »Gott ist mein Zeuge, daß ich nur an die jetzige schreckliche Zeit dachte, in welcher die Reichswürdenträger und Senatoren ihr Haupt vor diesem Halunken beugen müssen, für dessen Taten der Pfahl der einzige Lohn wäre.«

»Gott segne Euch, denn Ihr seid jung und brav, und ich weiß. Eure Absicht war gut. Aber das, was Ihr sagt, sagt auch Euer Fürst Dominik, ihm nach das Heer, der Adel, der Landtag und die halbe Republik, – und die ganze Bürde der Verachtung und des Hasses lastet auf mir.«

»Ein jeder dient dem Vaterlande, wie er es versteht,« sprach Skrzetuski. »Gott möge nur den guten Willen richten. Was aber den Fürsten Jeremias betrifft, so dient er dem Vaterlande mit seinem Leben und seinen Gütern.«

»Und Ruhm umgibt ihn, und er sonnt sich in ihm!« antwortete der Wojewode. »Was hat mich indes betroffen? O, Ihr sagt mit Recht: möge Gott den guten Willen richten und wenigstens im Grabe denjenigen Ruhe geben, die im Leben so namenlos leiden.«

»Gott wird dem Vaterlande Rettung senden.«

»O, möchte er einen Hoffnungsfunken vor meinem Tode senden, damit ich nicht mit der Verzweiflung im Herzen sterbe. Für alle meine Schmerzen, für das Kreuz, das ich zu Lebzeiten trage, dafür, daß das Gesindel meinen Kopf verlangt, daß sie auf den Landtagen mich einen Verräter nennen, für mein verlorenes Vermögen, für die Schande, in der ich lebe, für all den bitteren Hohn, der mir von beiden Seiten zuteil ward, wollte ich ihm dann danken!«

Indem er dies sagte, breitete der Wojewode seine abgezehrten Arme gegen den Himmel aus, und zwei große Tränen, vielleicht wirklich die letzten in seinem Leben, flossen ihm aus den Augen.

Skrzetuski hielt es nicht länger aus. Er sank vor dem Wojewoden auf die Kniee, faßte seine Hand und sagte mit vor Bewegung zitternder Stimme:

»Ich bin ein Soldat und gehe einen anderen Weg als Ihr, aber dem Verdienst und dem Schmerz beuge ich mich in Ehrfurcht.«

Bei diesen Worten drückte der Edelmann und Ritter aus den Fahnen Wischniowiezkis die Hand des Reußen, welchen er wenige Monate zuvor wie die anderen einen Verräter geheißen, an seine Lippen.

Und Kisiel legte ihm seine beiden Hände auf das Haupt.

»Mein Sohn,« sagte er leise, »möge Gott dich trösten, geleiten und segnen, wie ich dich segne.« –

Das wirre Hin und Her der Verhandlungen nahm noch denselben Tag seinen Anfang. Chmielnizki kam sehr spät und in der übelsten Laune zum Mittagessen bei dem Wojewoden. Er erklärte sogleich, daß alles das, was er gestern vom Waffenstillstand, von der Kommission zu Pfingsten und von der Freilassung der Gefangenen zu den Verhandlungen gesagt, in der Trunkenheit gesprochen worden sei, und daß er jetzt sehe, daß man ihn zum Narren gehalten habe.

Kisiel besänftigte ihn wieder, beruhigte ihn, machte ihm Vorstellungen, gab ihm recht, aber das war nach den Worten des Kämmerers von Lemberg als surdo tyranno fabula dicta.

Er behandelte auch die Kommissare bald so grob, daß sie den Chmielnizki von gestern herbeisehnten. Den Herrn Posowski schlug er mit dem Feldherrnstab nur deshalb, weil er sich ihm nicht früh genug vorgestellt hatte, obgleich Posowski ohnehin schwer krank und dem Tode nahe war.

Weder die Menschenfreundlichkeit noch die Vorstellungen und die Geduld des Wojewoden halfen etwas. Erst, als er sich mit Branntwein und vorzüglichem Met etwas angetrunken hatte, besserte sich seine Laune, aber nun erlaubte er um nichts in der Welt, jetzt noch der öffentlichen Angelegenheiten zu erwähnen, indem er sagte: »Wir wollen trinken, trinken wir – auf übermorgen die Geschäfte und Rechte! Wollt ihr das nicht, dann gehe ich!«

Um drei Uhr nachts wollte er durchaus in die Schlafkammer des Wojewoden gehen. Der Wojewode widersetzte sich dem unter allerlei Vorwänden, weil er absichtlich den Herrn Skrzetuski darin eingeschlossen hatte, aus Angst, daß bei einem Zusammentreffen dieses unbeugsamen Soldaten mit Chmielnizki etwas geschehen könne, das dem Obersten verderblich werden mußte. Chmielnizki jedoch blieb bei seinem Vorhaben und ging hinein, Kisiel folgte ihm. Wie groß war daher die Verwunderung des Wojewoden, als der Hetman, den Ritter erblickend, ihm zunickte und ausrief:

»Skrzetuski! Und warum trinkt Ihr nicht mit uns?«

Er streckte ihm freundschaftlich die Hand entgegen.

»Weil ich krank bin,« sagte der Oberst, sich verneigend.

»Ihr seid auch gestern fortgeritten. Meine ganze Freude war mir dadurch verdorben.«

»Redet mir nur nicht, Wojewode. Ich kenne ihn – und weiß, daß er nicht zusehen wollte, wie Ihr mir huldigtet. O, das ist ein Pflänzchen! Aber, was bei einem anderen nicht ungestraft bliebe, das geht ihm durch, denn ich liebe ihn, er ist mein Herzensfreund.«

Kisiel riß die Augen vor Verwunderung auf, der Hetman aber wandte sich wieder an Skrzetuski:

»Und wißt Ihr, warum ich Euch liebe?«

Skrzetuski schüttelte den Kopf.

»Ihr denkt, dafür, weil Ihr damals am Omelnik mich vom Strange losschnittet, als ich noch ein armer Kerl war und sie mich verfolgten wie ein wildes Tier? Seht, nicht dafür. Ich gab Euch damals einen Ring mit dem Staube vom Grabe Christi. Aber Ihr Hornvieh habt mir den Ring nicht gewiesen, als Ihr in meinen Händen waret – na, ich ließ Euch so laufen, – wir waren quitt. Nicht dafür liebe ich Euch also. Ihr habt mir einen anderen Dienst erwiesen, der Euch zu meinem Herzensfreunde macht, und für den ich Euch Dank schulde.«

Skrzetuski blickte wieder verwundert zu Chmielnizki auf.

»Seht, wie sie sich wundern,« sagte der Hetman, als ob er zu einem vierten spräche. »Ich will Euch erzählen, was sie mir in Tschechryn sagten, als ich von Basawluk aus mit Tuhaj-Bey dorthin kam. Ich fragte da überall nach meinem Feinde Tschaplinski, den ich nicht finden konnte, da sagte man mir, was Ihr ihm nach unserem ersten Zusammentreffen getan, daß Ihr ihn am Schopf und Pluderhosen gefaßt und mit ihm gegen die Tür gerannt seid und ihn blutig geschlagen habt wie einen Hund.«

»Es ist wahr, das habe ich getan,« sagte Skrzetuski.

»O, das war brav, das war brav! Ihr habt recht getan! Na, ich finde ihn noch – wozu sind denn die Verhandlungen und Kommissionen, ich bekomme ihn und werde ihm nach meiner Weise aufspielen, – aber auch Ihr habt ihm ordentlich heimgeleuchtet.«

Indem er das sagte, wandte er sich an Kisiel und erzählte aufs neue.

»Am Schopf und an den Pludern hob er ihn wie eine Füchsin, stieß die Türe mit ihm ein und warf ihn auf die Straße.« Hier fing er an zu lachen, daß das Echo in dem Alkoven widerhallte und bis in die Eßstube drang.

»Herr Wojewode, laßt Met bringen. Ich muß auf die Gesundheit dieses Ritters, meines Freundes, trinken.«

Kisiel öffnete die Tür und rief einem Burschen, welcher alsbald drei Becher, gefüllt mit Huschezer Met, reichte.

Chmielnizki stieß mit dem Wojewoden und Skrzetuski an, er trank, daß ihm der Schopf dampfte, sein Gesicht erhellte sich im Lachen, eine große Lustigkeit erfüllte sein Herz, und, sich dem Obersten zuwendend, schrie er:

»Bittet, um was Ihr wollt!«

Eine hohe Röte stieg in Skrzetuskis Antlitz auf; dann folgte tiefes Schweigen.

»Fürchtet Euch nicht,« sagte Chmielnizki, »mein Wort ist kein Rauch. Erbittet, was Ihr wollt, nur nicht Dinge, welche Kisiel zukommen.«

Chmielnizki wußte, auch wenn er betrunken war, immer, was er tat.

»Wenn es mir erlaubt ist, die Zuneigung, welche Ihr, Hetman, zu mir habt, zu benutzen, so fordere ich Gerechtigkeit von Euch. Einer Eurer Hauptleute hat mir ein Unrecht zugefügt ...«

»Ich lasse ihn köpfen!« unterbrach ihn zornig Chmielnizki.

»Darum ist es mir nicht zu tun. Laßt ihn nur mit mir kämpfen.«

»Ich lasse ihn köpfen!« wiederholte der Hetman. »Wer ist es?«

»Bohun!«

Chmielnizki blinzte mit den Augen, dann schlug er sich mit der Hand an die Stirn.

»Bohun?« sagte er. »Bohun ist tot. – Karl hat es mir geschrieben, daß er im Zweikampf fiel.«

Skrzetuski erstaunte. Sagloba hatte also die Wahrheit gesagt.

»Und was hat Bohun Euch getan?« fragte Chmielnizki.

Auf Skrzetuskis Wangen trat noch tiefere Röte. Er scheute sich, von der Prinzessin in Gegenwart des halbbetrunkenen Hetman zu sprechen, aus Furcht, eine unverzeihliche Beleidigung zu hören. Kisiel half ihm.

»Das ist eine ernste Sache, von welcher der Burgvogt Brschosowski mir erzählt hat. Bohun hat diesem Kavalier die Verlobte geraubt, Hetman, und versteckt sie, niemand weiß, wo.«

»So sucht sie Euch!« sprach Chmielnizki.

»Ich suchte sie am Dniestr, weil er sie dort versteckt hat, aber fand sie nicht. Ich hörte jedoch, daß er sie nach Kijew führen und selbst zur Trauung dahin reisen wollte. Gebt mir das Recht, Hetman, nach Kijew zu gehen und sie dort zu suchen, weiter erbitte ich nichts.«

»Ihr seid mein Freund, Ihr habt den Tschaplinski geschlagen. Ich gebe Euch nicht nur das Recht, dorthin zu gehen und sie zu suchen, wo Ihr wollt, sondern ich erteile auch den Befehl, daß derjenige, bei dem sie ist, sie in Eure Hände liefert, einen Geleitsschein gebe ich Euch zur freien Fahrt und einen Brief an den Metropoliten, daß er in den Volksklöstern suchen solle. Mein Wort ist kein Rauch.«

Nachdem er das gesagt, öffnete er die Tür und rief dem Wyhowski, daß er komme, den Befehl und den Brief zu schreiben. Tscharnota mußte, obgleich es vier Uhr morgens war, die Siegel holen. Dsiedschala brachte den Geleitsschein, und Doniez bekam den Befehl, mit zweihundert Pferden Skrzetuski nach Kijew zu geleiten, und noch weiter, bis zu den ersten polnischen Ansiedelungen.

Am nächsten Tage verließ Skrzetuski Perejeslaw.


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