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14. Kapitel

Aber es war der Rückzug eines Löwen, welcher Raum zum Sprunge braucht.

Der Fürst ließ den Krschywonos absichtlich herüberkommen, um ihm eine desto größere Niederlage zu bereiten. Beim Beginn der Schlacht schlug er sein Pferd und tat, als ob er entfliehen wollte, und als die Nischowzer und das Bauernvolk das sahen, lösten sich ihre Reihen, um ihm nachzusetzen und ihn zu umringen. Da plötzlich wandte sich der Fürst um und stürmte mit der ganzen Reiterei auf sie ein, so fürchterlich, daß sie auch nicht einen Augenblick Widerstand leisten konnten. Sie wurden eine Meile weit von dem Übergang fort über die Brücken und Gräben, zu dem Wagenlager hin verfolgt. Mitleidslos wurde auf sie eingehauen, und der Held dieses Tages war der sechzehnjährige Aksak, der zuerst angegriffen und zuerst Schrecken unter dem Feinde verbreitet hatte. Nur mit einem so alten und geübten Heere konnte der Fürst eine solche List wagen und die Flucht simulieren. Mit jedem anderen Heer hätte sie sich leicht in eine wirkliche Flucht verwandeln können. Dafür aber endete dieser zweite Tag mit einer noch weit schwereren Niederlage für Krschywonos.

Alle Feldgeschütze wurden ihm genommen, eine ungeheure Zahl von Fahnen, unter ihnen etliche Kronfahnen, welche die Saporogen bei Korsun erbeutet hatten. Hätte das Fußvolk Koschyzkis, Oschinskis und die Kanonen Wurzels mit der Reiterei Schritt halten können, so wäre mit einem Streiche auch der Wagenpark genommen worden. Aber ehe sie anlangten, war es Nacht, und die Feinde hatten sich schon bedeutend entfernt, so daß es unmöglich war, sie einzuholen. Sazwilichowski nahm indessen die Hälfte des Wagenlagers und mit ihm ungeheure Vorräte an Waffen und Lebensmitteln.

Unterdessen kündigte der Fürst seinem Heere die langersehnte Ruhe an. In der letzten Nacht hatte auch dieses bedeutende Verluste erlitten, besonders bei dem Sturm der Reiterei auf den Wagenpark, hinter dem die Kosaken sich ebenso hartnäckig wie geschickt verteidigten. 500 Mann waren hier gefallen. Der Hauptmann Mokrschyzki war sehr schwer verwundet worden und gab kurz darauf seinen Geist auf; auch Herr Kuschel hatte eine Schußwunde erhalten, wenn sie auch nicht gefährlich war. Auch Polanowski und der junge Aksak waren verwundet, und Sagloba, der sich bald an das Gedränge gewöhnt hatte und tapfer mit den anderen standhielt, war zweimal von einem Dreschflegel getroffen worden – er litt schwer an Kreuzschmerzen, so daß er sich nicht rühren konnte und auf einem Wagen Skrzetuskis wie tot dalag.

Der Plan Skrzetuskis, jetzt mit Sagloba gemeinsam nach Bar zu reisen, wurde durchkreuzt; denn der Fürst sandte Skrzetuski an der Spitze einiger Fähnlein nach Saslaw, um die dort angesammelten Haufen des Bauernvolkes zu erdrücken. Der Ritter zog hin, und fünf Tage hindurch brannte und mordete er, bis die ganze Gegend gereinigt war.

Endlich waren auch die Leute sehr ermüdet durch den ununterbrochenen Kampf, durch die langen Märsche, die Überfälle, die Nachtwachen, und er beschloß also, zu dem Fürsten zurückzukehren, von dem er erfahren hatte, daß er sich nach Tarnopol begebe. Am Vorabend der Rückkehr machte Skrzetuski in Suchorschynze an dem Chomor Halt.

Am Morgen im Halbschlummer begann er zu phantasieren und zu träumen. Seltsame Bilder zogen an seinem geistigen Auge vorüber. Erst schien es ihm, als wäre er in Lubnie, als hätte er es nie verlassen, als schlummere er in seinem Zimmer im Zeughause, und als sei Rzendzian wie immer am Morgen mit seiner Kleidung beschäftigt, als bereite er sie vor, bis daß sein Herr aufstehen würde.

Allmählich jedoch begann das Tageslicht seine Träume zu zerstreuen; es kam dem Ritter zum Bewußtsein, daß er in Suchorschynze, nicht in Lubnie sei – nur die Gestalt des Burschen löste sich nicht in Nebel auf, und Skrzetuski sah ihn beständig, wie er am Fenster auf dem Holzstuhl saß, wie er mit dem Schmieren seiner Panzerriemen beschäftigt war, die sich von der Hitze stark zusammengezogen hatten.

Immer noch dachte er, daß ein Traumgesicht ihn necke, darum schloß er die Augen wieder. Doch bald öffnete er sie, und immer wieder saß Rzendzian am Fenster.

»Rzendzian,« schrie Skrzetuski, »bist du es oder dein Geist?«

Und der Knabe erschrak bei dem plötzlichen Ruf; er ließ den Panzer mit Geklirr auf den Boden fallen, breitete die Hände aus und sagte:

»Um Gottes willen, warum schreit Ihr so, Herr? Was denkt Ihr, ein Geist? Ich bin es selbst, lebendig und heil.«

»Und du bist zurückgekommen?«

»Habt Ihr mich denn fortgejagt?«

»Komm zu mir her, daß ich dich umarme.«

Der junge Bursche eilt auf seinen Herrn zu und umfaßte seine Kniee. Skrzetuski aber küßte ihm die Stirn mit großer Freude und wiederholte:

»Du bist am Leben!«

»O, mein Herr.«

»Ich kann vor Freude nicht sprechen, da ich auch Euch noch in voller Gesundheit sehe!«

»Wann bist du gekommen?«

»Heute nacht.«

»Woher kamst du?«

»Von Huschtscha.«

»Du warst also bei den Kosaken, bei Chmiel, wie kam das?«

»Gewiß war ich bei den Kosaken; denn wie sie mich in Tschechryn packten, hielten sie mich für einen der Ihrigen und ließen mich nicht los. Ärgert Euch auch nicht mehr, mein Herr, daß ich den Brief, den Ihr von Kudak aus geschrieben habt, in Roslogi nicht abgegeben habe, der Schurke Bohun hat ihn mir entrissen. Wäre nicht der dicke Edelmann dabei gewesen, so war es um mein Leben geschehen.«

»Ich weiß wohl, ich weiß. Es ist nicht deine Schuld. Dieser dicke Edelmann ist im Lager, er hat mir alles erzählt, ganz so, wie es gewesen war. Er hat auch das Fräulein dem Bohun entführt und sie in Bar wohlbehalten abgeliefert.«

»O, Gott sei Dank! Das wußte ich, daß sie Bohun nicht bekommen hat. So gibt's wohl auch bald Hochzeit?«

»Gewiß, gewiß! Von hier rücken wir bald auf Befehl nach Tarnopol und von dort nach Bar.«

»Gott dem Gerechten sei Dank. Der Bohun – der hängt sich noch – ihm hat auch eine Hexe prophezeit, daß er die, an welche er denkt, nie bekommen wird, und daß sie ein Leche bekommt, und dieser Leche, das seid Ihr, Herr.«

»Woher weißt du das?«

»Ich habe es gehört. Ich muß Euch alles der Wahrheit gemäß erzählen. Aber kleidet Euch inzwischen an, Herr, denn man bereitet schon das Frühstück für uns. Hört. Als ich mit der Tschaike aus Kudak fuhr, fuhren wir fürchterlich langsam gegen den Strom, und überdies ging die Tschaike noch zuschanden, und wir mußten sie ausbessern. Wir fuhren also, fuhren, fuhren ...«

»Ihr fahrt, fahrt! ...« unterbrach ihn Skrzetuski ungeduldig.

»Und gelangten nach Tschechryn. Was dort geschehen ist, das wißt Ihr schon.«

»Das weiß ich schon.«

»Ich liege also im Stall und sehe Gottes schöne Welt nicht. Da kam Chmielnizki gleich nach Bohuns Abreise mit einer ungeheuren Saporogenmacht, und weil vorher der Großhetman die Tschechryner für ihre Anhänglichkeit an die Saporogen bestraft hatte und viele noch in der Stadt erschlagen und verwundet wurden, so dachten sie, daß ich auch zu ihnen gehöre, und darum schlugen sie mich nicht tot, sondern gaben mir noch alle Bequemlichkeit und Verpflegung und ließen nicht zu, daß die Tataren mich mitnahmen, obgleich sie ihnen alles erlaubten. Nur das machte mir Sorge, daß ich nicht wußte, was mit Euch geschehen ist, und daß der Bohun das Fräulein bekommen hatte. Da hörte ich, daß er in Tscherkassy liege, kaum atme, weil ihn die Prinzen schwer verwundet hatten. Ich eilte also nach Tscherkassy. Wie Ihr wißt, Herr, verstehe ich mich auf Pflasterauflegen und Wundenverbinden. Man wußte das schon. Darum schickte mich auch der Hauptmann Doniez dorthin, und er kam selbst mit, damit ich den Schurken verbinde. Nun erst fiel mir eine Last vom Herzen, denn ich erfuhr, daß unser Fräulein mit jenem Edelmann entkommen war. Ich ging also zu Bohun. Er lag im Fieber und erkannte mich zu Anfang nicht. Späterhin erkannte er mich und sagte zu mir: »Bist du nicht mit dem Briefe nach Roslogi geritten?« Ich sagte ja – und er: »So habe ich dich in Tschechryn mit dem Beil getroffen?« »Es ist so, Herr.« – »Du dienst also,« sagte er, »dem Skrzetuski?« Und ich, weil ich Euch nicht belügen will, antwortete: »Niemandem diene ich, ich habe mehr Übles als Gutes in diesem Dienst empfangen, darum zog ich es vor, in die Freiheit zu den Kosaken zu gehen, und Euch, Herr, pflege ich schon seit zehn Tagen und will Euch gesund machen.« Er fing an, mir Glauben zu schenken, und wir gelangten zu großer Vertraulichkeit. Ich erfuhr auch von ihm, daß Roslogi niedergebrannt sei, daß er zwei Prinzen erschlagen habe, und daß die anderen, als sie das hörten, erst zu unserem Fürsten gehen wollten, aber, weil sie das nicht konnten, zum litauischen Heere geflohen seien. Aber das Schlimmste war, wenn ich jenen dicken Edelmann erwähnte – da knirschte er, sage ich Euch, mit den Zähnen, als ob er Nüsse knacke.«

»War er lange krank?«

»Lange, sehr lange, denn erst heilten die Wunden zu, dann brachen sie wieder auf, weil er sich anfangs nicht schonte. Viele Nächte habe ich bei ihm gesessen, – daß ihn der Teufel hole – wie bei einem guten Menschen. Ihr müßt wissen, Herr, daß ich mich bei meinem Seelenheil verschworen habe, ihm die Kränkung heimzuzahlen, und ich will es halten, Herr, sollte ich auch mein ganzes Leben lang nach ihm suchen. Er muß von meiner Hand fallen, wenn ihn nicht jemand vorher erschlägt. Ich sage Euch, Herr, hundertmal hatte ich Gelegenheit dazu, denn oft genug war ich allein mit ihm. Da dachte ich: Soll ich ihn niederstoßen – oder nicht – aber ich schämte mich, ihn so im Bette abzuschlachten.«

»Es ist löblich von dir, daß du ihn aegrotum et inermem nicht gemordet hast. Das wäre ein Bauernstück, eines Edelmannes unwürdig gewesen.«

»Seht Ihr, Herr, so habe ich auch gedacht. Er ist ein seltsamer Mensch, und man muß gestehen, daß er durchaus adligen Mut hat, und das Fräulein – wie er sie liebt! Wie er sie liebt, allmächtiger Gott! Als er zu genesen anfing, kam die Schwester von Doniez zu ihm, um ihm zu prophezeien, und sie hat ihm wahrgesagt, aber nichts Gutes. Eine niederträchtige Riesin, die mit dem Teufel im Verkehr steht ... aber ein herziges Mädchen. Wenn sie lacht, könnte man schwören, eine Stute wiehere auf der Wiese. Sie zeigt die weißen Zähne und ist so stark, daß sie einen Panzer zerreißen könnte, und wenn sie geht, so zittert der Boden unter ihren Füßen.«

»Und hast du sie wahrsagen sehen?«

»Gesehen und gehört. Dampfwolken, Zischen, Pfeifen, Schatten, daß ich vor Schreck strauchelte! Sie aber stand in der Mitte, die schwarzen Augenbrauen verdrehend, und wiederholte:

»Der Leche ist bei ihr, der Leche ist bei ihr! Scha ha! ... Der Leche ist bei ihr!« Dann schüttete sie Weizen auf ein Sieb und blickte hinein, und die Körner krochen hin und her wie Würmer, und sie schrie: »Scha ha, der Leche ist bei ihr« – ach, mein Herr, wäre er nicht ein solcher Räuber, so hätte einem das Herz bluten können bei dem Anblick seiner Verzweiflung nach jeder Prophezeiung. Blaß wurde er wie Linnen, fiel auf den Rücken, rang verzweifelt die Hände über dem Kopfe und jammerte und winselte und bat das Fräulein um Verzeihung, daß er gewalttätig nach Roslogi gekommen sei, daß er ihre Vettern getötet habe.«

»Aber, hat sie ihm denn nie Gutes wahrgesagt?«

»Was dann geschah, weiß ich nicht mehr, denn er wurde gesund, und ich machte mich los von ihm. Pater Sasko kam an, da setzte es Bohun durch, daß ich mit ihm nach Huschtscha reisen konnte. Das Diebesgesindel dort wußte, daß ich allerhand Gut mit mir führe. Ich machte auch kein Geheimnis daraus, daß ich heimreise, um den Eltern aufzuhelfen.«

»Und sie haben dich nicht beraubt?«

»Vielleicht hätten sie's getan, aber zum Glück waren damals keine Tataren da, und die Kosaken wagten es nicht aus Furcht vor Bohun. Übrigens hielten sie mich wirklich für einen der Ihrigen. Gott dem Allmächtigen sei Dank, daß ich Euch, mein Herr, bei guter Gesundheit und in guter Stimmung angetroffen habe, und daß Ihr Hochzeit macht ... so wird alles Böse ein Ende haben. Vielleicht wird auch der Krieg bald ein Ende haben.«

»Wo denkst du hin? Jetzt beginnt er erst mit Chmielnizki.«

»Und werdet Ihr nach der Hochzeit in den Krieg ziehen?«

»Glaubst du, daß mich die Hochzeit zu einem Feigling machen soll?«

»Nein, das glaube ich nicht. Ich weiß wohl, wenn's einen gibt, der es nicht wird, so werdet Ihr's nicht, ich frage nur so; denn wenn ich den Eltern heimgebracht habe, was ich gesammelt, möchte ich gern mit Euch gehen. Vielleicht hilft mir Gott, auch meine Kränkung dem Bohun heimzuzahlen, denn da es doch durch Verrat nicht angeht, wo sollte ich ihn finden, wenn nicht im Felde. Er wird sich dort nicht verstecken. Jetzt will ich mit Euch nach Tarnopol – und dann zur Hochzeit. Aber warum wollt Ihr nach Bar über Tarnopol? Das liegt doch nicht am Wege.«

»Ich muß die Fähnlein hinführen.«

»Ich verstehe, mein Herr.«

»Und nun bring' etwas zu essen,« sagte Skrzetuski,

»Ich habe schon daran gedacht, der Magen ist die Hauptsache.«

»Gleich nach dem Frühstück rücken wir aus.«


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