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8. Kapitel

In Tschechryn traf Herr Skrzetuski den alten Herrn Sazwilichowski in großer Aufregung. Er blickte ungeduldig dem fürstlichen Boten entgegen, denn von der Sitsch her waren neue beunruhigende Nachrichten gekommen. Es blieb kein Zweifel, Chmielnizki zog mit bewaffneter Hand heran, das erlittene Unrecht zu rächen und seine früheren Privilegien wieder zu erringen. Er war wirklich zum Khan geeilt, hatte von diesem Hilfe zugesagt erhalten und wurde nun täglich von dort zurück erwartet. Wenn sich die Tataren mit denen aus den Niederungen verbanden, so war hier alles verloren. Die Gerüchte lauteten jetzt nicht mehr unbestimmt; es war zur Gewißheit geworden, ein großer Krieg stand bevor. Der Großhetman, welcher sich bisher nicht viel aus dem Gerede gemacht hatte, zog seine Truppen mehr nach Tscherkessien hin. Die königlichen Soldaten gingen bis nach Tschechryn vor, um ein weiteres Fliehen der Leute zu Chmielnizki zu hindern. Man sagte, daß eine allgemeine Mobilmachung in den südlichen Wojewodschaften bereits angesagt sei. Chmielnizki sandte inzwischen Briefe an Herrn Krakowski, den Kommissarius der Kosaken und Kronenfähnrich, voller Klagen und gleichzeitig voller Versicherungen der Treue und Anhänglichkeit an den König Wladislaus IV. und die Republik. Er wollte jedenfalls Zeit gewinnen, oder hoffte, noch durch Verträge allen diesen Zwisten ein Ende zu machen. Die Urteile waren verschieden. Nur zwei Menschen ließen sich durch nichts irreleiten. Diese beiden waren Sazwilichowski und der alte Barabasch.

Der alte Hauptmann hatte ebenfalls einen Brief von Chmielnizki bekommen. Der Ton desselben war höhnisch, drohend, voller Beleidigungen. »Wir wollen mit ganz Saporogien,« so schrieb Chmielnizki, »heiß und dringend bitten, daß endlich alle die Privilegien zu ihrem Rechte gelangen, welche Ew. Gnaden so lange zu eigenem Nutzen unterschlagen haben. Und da dies eben zu eigenem Nutzen geschah, so erklären sämtliche Kosaken feierlich, daß Ihr eher würdig seid, der Hauptmann von Schafen und Schweinen, nicht aber von Menschen zu sein. Ich für meine Person bitte zu vergeben, wenn Euch in meinem ärmlichen Hause zu Tschechryn etwas nicht behagt haben sollte. Vergebt auch, daß ich, ohne Eure Erlaubnis einzuholen, entflohen bin.«

»Seht, meine Herren,« sagte Barabasch zu Sazwilichowski und Skrzetuski, »wie dieser Mensch mich höhnt. Und ich lehrte ihn fechten, Krieg führen – ich war ihm ein Vater.«

»Er kündigt also an, daß er mit sämtlichen Kosaken seine Privilegien fordern wird,« meinte Sazwilichowski. »Um Gott! Das ist der schrecklichste Krieg, den es gibt – der Bürgerkrieg.«

»So habe ich die größte Eile fortzukommen,« sagte Skrzetuski; »ich bitte Euch um die Briefe an diejenigen, mit welchen ich werde verkehren müssen.«

»Zum Feldhauptmann habt Ihr schon einen?«

»Der Fürst selbst schreibt an ihn.«

»Ich werde Euch also ein Schreiben an einen Herrn Korscheniow geben, und hier Herr Barabasch hat dort auch einen Verwandten, von ihnen werdet Ihr alles erfahren. Wer kann wissen, ob die Expedition nicht schon eine verspätete ist. Der Fürst will wissen, wie es in Wahrheit steht? – Die Antwort ist kurz – schlecht steht es! Er will wissen, was zu tun ist? – Der beste Rat ist, – soviel Soldaten als möglich sammeln und mit allen Hauptleuten sich vereinen.«

»Schickt doch einen Boten zum Fürsten mit Eurem Rat und Eurer Antwort. Ich muß fort, so lautet der Befehl, daran läßt sich nichts ändern.«

»Und wißt Ihr auch, Ew. Gnaden, daß das eine furchtbar gefährliche Expedition ist?« sprach Herr Sazwilichowski. Schon bei uns ist das Volk in einer Aufregung, die uns keine Ruhe gönnt; wären nicht die königlichen Regimenter in der Nähe, so würde es uns angreifen. Wie mag es erst dort sein! Ihr kriecht dem Drachen in den Rachen.«

»Gnädiger Kronenfähnrich! Jonas war schon im Leibe des Walfisches, nicht nur in dessen Rachen, und kam doch mit Gottes Hilfe gesund heraus.«

»So reitet mit Gott! Ich kann Euren Entschluß nur loben. Bis Kudak kommt Ihr ungefährdet, dort müßt Ihr sehen, was weiter zu tun ist. Grodschizki ist ein alter Soldat; er wird Euch am besten instruieren. Wahrscheinlich reite ich selbst zum Fürsten. Soll ich noch einmal in meinen alten Tagen in den Krieg, so diene ich lieber unter ihm als unter einem anderen. Der Flußkahn, welcher Euch nach Kudak bringen soll, ist bereit zur Abfahrt.«

Herr Skrzetuski ging sofort in sein Quartier im Hause des Fürsten am Markt, um die letzten Reisevorbereitungen zu treffen. Er konnte trotz der ihm drohenden Gefahren nicht ohne eine gewisse Genugtuung an diese denken. Denn als Gesandter des Fürsten Jeremias kam es ihm gar nicht in den Sinn, daß er überhaupt nicht zurückkehren könne.

Es war schon finster, als Herr Skrzetuski mit Herrn Sazwilichowski an der Anlegestelle der Prahme wieder zusammentraf. Die Leute des Herrn Skrzetuski waren schon untergebracht, die Ruderer besorgten das Gepäck. Ein kalter Wind zog vom Wasser her, die Nacht schien dunkel und trübe werden zu wollen. Im Lichte des am Ufer brennenden Feuers leuchtete das Wasser blutrot und schien hurtig davonzueilen, in weite, unbekannte Fernen.

»Glückliche Reise!« sagte der Kronenfähnrich, Skrzetuskis Hand drückend. »Und hütet Euch!«

»Ich werde keine Vorsicht versäumen. So Gott will, sehen wir uns bald wieder!«

»Es wäre denn in Lubnie oder im Lager des Fürsten. In Tschechen nicht.«

»So, wollt Ihr durchaus zum Fürsten?«

»Was bleibt mir zu tun übrig. Wenn Krieg, dann Krieg!«

»Bleibt mir recht gesund, Herr Fähnrich!«

»Gott geleite Euch!«

»Zum Wiedersehen!«

»Auf Wiedersehen!«

»Gott geleite Euch!«

Die Ruder knarrten und fielen in das Wasser, die Kähne schwammen ab. Das Feuer am Ufer erlosch schnell in dem Dunkel der einbrechenden Nacht. Ein Weilchen noch sah Skrzetuski, hell vom Feuer beschienen, die ehrwürdige Gestalt des Kronenfähnrichs, dann tauchte auch sie ins Dunkel. Ein plötzlicher Schmerz preßte ihm das Herz. Dieses Wasser trug ihn fort von wohlmeinenden Herzen, von der Geliebten und von bekannten Gegenden, unerbittlich fort, wie ein Verhängnis in die Finsternis, der Wildnis entgegen. Sie schwammen aus der Mündung der Tasmina in den Dniepr. Der Wind heulte, die Ruder klatschten eintönig in das Wasser, die Ruderer begannen einen düsteren, melancholischen Gesang. Skrzetuski hüllte sich in seinen Mantel und warf sich auf das Lager, welches die Soldaten ihm bereitet hatten. Er dachte an Helene. Ihm fiel der Gedanke schwer aufs Herz, daß sie noch nicht in Lubnie, daß Bohun hier weile und er fern von ihr sei. Sorge, böse Ahnungen kamen ihm wie Raben. Er quälte sich mit ihnen herum, bis er so müde war, daß die Gedanken immer unklarer wurden, sich mit dem Heulen des Windes, dem Geräusch der Ruder, dem Gesang der Fischer mischten und – er schlief ein.


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