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13. Kapitel

Früh am Morgen rückte die Kavallerie und das Fußvolk aus der Sitsch aus. Der Krieg hatte begonnen, wenn auch bis jetzt noch kein Blut geflossen war. Schwadron folgte auf Schwadron, man konnte glauben, daß, von der warmen Frühlingssonne gelockt, große Scharen Heuschrecken aus dem Uferrohr des Tschertomelik ausschwärmten und die ukrainischen Fluren überzogen. Im Walde hinter Basawluck warteten schon, zum Abmarsch bereit, die türkischen Mietlinge. Sechstausend Mann ausgewähltes Militär, besser bewaffnet als die gewöhnlichen Soldaten, bildeten die Hilfstruppen, welche der Khan geschickt hatte. Die Kosaken warfen bei ihrem Anblick die Mützen in die Luft; die Musketen knallten. Die Rufe der Kosaken mischten sich mit dem Allah der Tataren. Chmielnizki und Tuhaj-Bey, beide mit dem Feldherrnstab und dem Roßschweif, begrüßten sich zeremoniell. Nachdem Basawluck und der Wald passiert waren, breitete sich der Heerzug in den Steppen aus. Das Wetter war schön; kein Wölkchen trübte den Himmel, ein leichter Wind zog von Mitternacht dem Meere zu, die Sonne spiegelte sich im Stahl der Speere, und ihre Strahlen spielten mit den Steppenblumen.

Allen voran, unter der großen Fahne und dem Roßschweif, ritt Chmielnizki in roten Kleidern auf weißem Pferde, mit dem goldenen Feldherrnstab in der Hand. Der ganze Heerzug bewegte sich langsam gegen Norden, wie eine gefahrdrohende Wetterwolke, die Eichenhaine und Grabstätten, die Steppenwüste mit brausendem Lärm erfüllend. Und von Tschechryn her zog dieser Wetterwolke entgegen eine zweite Wetterwolke, das Heer der Kronensoldaten, unter der Führung des jungen Potozki. Hier ritten die Saporogen und Tataren, das frohe Lied auf den Lippen, als ginge es einer Hochzeit entgegen, dort zogen die Husaren ernst und schweigend einem Kampfe ohne Ruhm zu. Hier an der Spitze ein alter, erfahrener Krieger unter der roten Fahne, drohend den Feldherrnstab schwingend, als wäre er des Sieges schon gewiß, dort ritt allen voran ein Jüngling, nachdenklich und sich seines traurigen Schicksals bewußt. Noch trennte sie die weite Steppe. Chmielnizki beeilte sich nicht. Er kalkulierte – je mehr der junge Potozki in die Steppe vordrang, je weiter er sich von beiden Hetmanen entfernte, um so leichter war er zu besiegen. Dazu strömten immer neue Überläufer aus Tschechryn und allen Städten an den Ufern des Dniepr ihm zu, seine Stärke vermehrend und ihm gleichzeitig täglich Neuigkeiten zutragend. Durch sie erfuhr Chmielnizki, daß der Großhetman seinen Sohn zu Lande nur mit zweitausend Mann ausgesandt hatte; dagegen zogen ihm auf Flußkähnen zu Wasser sechstausend Krieger und tausend deutsche Söldner entgegen. Beide Heere hatten den Befehl, enge Fühlung miteinander zu behalten, aber dieser Befehl wurde schon am ersten Tage zunichte gemacht, da die am Ufer reitenden Husaren die Kähne, von der gewaltigen Strömung fortgerissen, weit zurücklassen mußten. Am dritten Tage ließ Chmielnizki das Lager bei Kamytscha aufschlagen und legte sich dort zur Ruhe.

Unterdes hatten die Vorposten Tuhaj-Beys zwei Kundschafter eingebracht, die eine neue Nachricht brachten, und zwar die, daß die Führer des zu Wasser heranziehenden Heeres der alte Barabasch und Krschetschowski waren. Als Chmielnizki diesen Namen hörte, sprang er hastig auf:

»Krschetschowski? Der Hauptmann der Perejeslawer Linienkosaken?«

»Er selbst, gnädigster Hetman!« antworteten die Dragoner.

Chmielnizki wandte sich an die ihn umgebenden Hauptleute:

»Ihm entgegen!« kommandierte er donnernd.

Noch keine Stunde später war das Lager abgebrochen, das Heer zog weiter, obgleich die Sonne schon unterging und die Nacht dunkel zu werden versprach. Es konnte schon Mitternacht sein, als die scharfen Augen der Kosaken riesige schwarze Massen entdeckten, welche sich deutlich vom Himmel abhoben.

Das waren die Mauern von Kudak.

Die Vorposten näherten sich in der Dunkelheit vorsichtig und still wie die Wölfe der Feste. Vielleicht konnte man die schlafende Festung umgehen!

Da plötzlich zerriß ein Blitz auf den Wällen die Finsternis, ein gewaltiger Knall erschütterte die Felsen des Dniepr, und eine große Feuerkugel fiel, einen langen, feurigen Schweif hinter sich ziehend, in das Steppengras.

»Der finstere Cyklop Grodschizki meldet uns, daß er wacht,« sagte der Hetman.

»Der einäugige Hund!« brummte Tuhaj-Bey, »er sieht in der Nacht.«

Die Kosaken ließen die Festung liegen, da sie jetzt, wo ihnen das Kronenheer entgegenkam, nicht an ein Erstürmen derselben denken konnten; sie zogen weiter. Aber Grodschizki schoß hinterdrein, daß die Festungsmauern bebten, nicht, um ihnen zu schaden, da sie zu weit entfernt vorüberzogen, sondern, um das den Dniepr abwärts ziehende Heer, welches nicht mehr weit sein konnte, zu warnen.

Der Kanonendonner von Kudak erweckte jedoch vor allem ein freudiges Echo im Herzen und in den Ohren Skrzetuskis. Der junge Ritter, welchen Chmielnizki mitführte, war am zweiten Tage schwer erkrankt. Er hatte auf Chortyza zwar keine tödlichen Wunden erhalten, hatte aber so viel Blut verloren, daß ihm nicht mehr viel geblieben war. Seine nach Kosakenart verbundenen Wunden hatten sich geöffnet, und das Wundfieber war hinzugekommen. In jener Nacht nun lag er halb bewußtlos auf einem Kosakenwagen; erst der Donner der Geschütze von Kudak weckte ihn. Er öffnete die Augen und sah sich um. Das ganze Feldlager zog daher wie geisterhafte Schemen, und vom Schloß da oben donnerten die Kanonen und zuckten im Pulverdampf flammende Blitze. Allerlei bekannte Gesichter erschienen vor Skrzetuskis Geist: Hier eilt der kleine Wolodyjowski an die Spitze seiner Dragoner mit dem schlanken Säbel in der Hand. Mit wem dieser Fechtmeister aller Fechtmeister ihn kreuzt, der ist so gut wie begraben; dort wieder Podbipienta mit seinem Henkerschwert – Hutabschläger.

Plötzlich ändert sich das Gesicht. Vor dem Statthalter steht Helene mit ausgelöstem Haar und ruft: »Rette mich, Bohun verfolgt mich!« Herr Skrzetuski springt auf, will vom Wagen – da spricht eine Stimme, aber eine wirklich menschliche Stimme zu ihm:

»Bleib' liegen, Kindchen, sonst binde ich dich.«

Das war der Lageraufseher Sachar, welchem Chmielnizki aufgetragen hatte, den Statthalter wie seinen Augapfel zu hüten. Er legt den Kranken auf den Wagen zurück, bedeckt ihn mit Pferdehäuten und fragt noch:

»Was ist dir?«

Dem Statthalter kehrt die Besinnung wieder. Die Phantasiegestalten fliehen. Die Wagen fahren dicht am Dniepr entlang. Ein kühler Hauch weht vom Flusse her, die Dämmerung beginnt, die Vögel fangen schon an, laut zu werden.

»Höre, Sachar! Haben wir Kudak schon hinter uns?« fragt Herr Skrzetuski.

»Schon hinter uns!« antwortete der Saporoge.

»Wohin zieht ihr?«

»Das weiß ich nicht. Es soll eine Schlacht geschlagen werden, aber ich weiß nicht wo.«

Das Herz schlug Herrn Skrzetuski höher. Er glaubte, Chmielnizki würde mit der Belagerung Kudaks den Krieg anfangen. Die Eile aber, mit welcher die Kosaken vorwärtseilten, ließ ihn mutmaßen, daß die Kronenregimenter in der Nähe sein müssen. Chmielnizki hatte deshalb die Festung umgangen, um die Schlacht nicht unter ihren Mauern liefern zu müssen. Vielleicht werde ich heute noch frei, dachte der Statthalter, und blickte dankbar zum Himmel.


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