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9. Kapitel

Chmielnizki hatte indessen eine Zeitlang in Korsun gelegen, dann zog er sich nach Biala-Zerkiew zurück und gründete hier seine Residenz. Die Horde schlug ihr Lager auf der anderen Seite des Flusses auf und breitete ihre Scharen über die Wojewodschaft Kijew aus. Longinus hatte sich unnötig darüber Sorge gemacht, daß es ihm an Tatarenköpfen mangeln werde, und Skrzetuski hatte richtig vorausgesehen, daß die Saporogen, welche Poniatowski bei Kaniew ergriffen hatte, eine falsche Nachricht verbreitet hatten: Tuhaj-Bey war nicht nur nicht davongegangen, er hatte sich nicht einmal nach Tschechryn zu gerührt. Ja, es kamen sogar von allen Seiten immer neue Tschambuls heran: die zukünftigen kleinen Zaren von Asow und Astrachan, die nie vorher den Boden Polens betreten hatten, waren mit viertausend Kriegern gekommen, zwölftausend von der Nogajischen Horde, zwölftausend von Bialogrod und Budschiak, alle vorzeiten geschworene Feinde Saporogiens und des Kosakentums, heute ihre Brüder und Bundesgenossen im Kampfe gegen das Christentum. Endlich war auch der Khan Islan Girai selbst mit zwölftausend Perkopen gekommen. Unter diesen Feinden litt die ganze Ukraine, litt nicht nur der Adelstand, sondern auch das Volk von Ruthenen, dessen Dörfer man verbrannte, und dessen Hab und Gut man raubte. Ja, die Bauern selbst, Weiber und Kinder, wurden in die Gefangenschaft geführt. In diesen Zeiten der Gewalttaten, der Brandstiftung und des Blutvergießens gab es nur eine Rettung für den Bauer: in das Lager Chmielnizkis zu fliehen. Dort ward er aus dem Opfer zum Schlächter und vernichtete das eigene Land, aber des eigenen Lebens wenigstens ward er sicher. Unglückseliges Land! Als die Empörung ausgebrochen war, strafte und verwüstete es zuerst Nikolaus Potozki, dann die Saporogen und die Tataren, die, wie es hieß, zu seiner Befreiung gekommen waren, und jetzt schwebte die Hand Jeremias Wischniowiezkis drohend über ihm.

Darum floh auch, wer konnte, in das Lager Chmielnizkis, selbst der Adel floh dahin, da ihm ein anderes Mittel zur Rettung nicht geblieben war. Dank diesem Umstande wuchsen Chmielnizkis Kräfte, und wenn er nicht in das Herz der Republik eindrang, wenn er lange in Biala-Zerkiew lag, so geschah das hauptsächlich deshalb, um Ordnung in diese zügellosen, wilden Elemente zu bringen.

Und in seinen eisernen Händen verwandelten sie sich auch schnell in eine kriegerische Macht.

Oft genug redeten die Hauptleute dem Chmieluizki zu: Warum rückst du nicht gegen Warschau los und liegst hier, treibst Zauber mit den Hexen, begießest dich mit Branntwein und läßt den Lechen Zeit, sich zu erholen und Heere zu sammeln? Oft genug heulte die betrunkene Menge durch die Nacht, belagerte Chmielnizkis Quartier und forderte, daß er sie gegen die Lechen führe. Chmielnizki hatte die Empörung angefacht, hatte ihr ungeheure Kraft verliehen, aber nun fing er an, zu erkennen, daß jene Kraft ihn selbst in eine unbekannte Zukunft dränge; darum blickte er oft mit umwölktem Auge in jene Zukunft und suchte sie zu durchdringen, – sein Herz erstarrte.

Es war ihm nur ein Mittel geblieben: Unterhandlungen. Chmielnizki wußte sehr wohl, wie viel man auf diesem Wege in der Republik erreichen könne; er rechnete darauf, daß der Reichstag eher einer bedeutenden Kompensation zustimmen würde, als einer Steuer-Einziehung und einem Kriege, welcher lang und schwierig werden mußte. Er wußte endlich, daß es in Warschau eine mächtige Partei gab, an deren Spitze der König selbst stand, – die Nachricht von dessen Tode war noch nicht zu ihm gelangt – daß der Kanzler und viele Herren, welche gern dem Wachstum der riesigen Magnatenbesitztümer in der Ukraine entgegentraten, aus den Kosaken für den König eine Macht bildeten, einen ewigen Frieden mit ihnen schlossen und die gesammelten Tausende zu einem Kriege gegen die Fremden verwandten.

Unter solchen Verhältnissen konnte Chmielnizki auch für sich eine hervorragende Stellung erwarten, den Hetmansstab aus den Händen des Königs empfangen und für die Kosaken unschätzbare Konzessionen erlangen.

Darum lag er lange in Biala-Zerkiew. Er rüstete sich, sandte nach allen Himmelsrichtungen Universalien aus, zog Volk zusammen, schuf ganze Armeen, brachte die Schlösser in seine Macht, denn er wußte, daß man nur mit einem Mächtigen verhandeln würde; aber in das Herz der Republik drang er nicht.

O, wenn er doch auf dem Wege der Verhandlung einen Frieden schließen könnte! – Dann wäre Wischniowiezkis Hand die Waffe entrungen – oder, wenn der Fürst sie nicht niederlegen wollte, so wäre nicht er, Chmielnizki, sondern der Fürst ein Rebell, der gegen den Willen des Königs und des Reichstages Krieg führte.

Wenn solche Gedanken das schwere Haupt des Hetmans bedrückten, dann schloß er sich in seine Kammer ein und trank ganze Tage und Nächte. Dann ging unter den Hauptleuten und der Menge das Gerücht: Der Hetman trinkt! Und seinem Beispiel folgend, tranken alle: die Manneszucht lockerte sich, die Gefangenen wurden gemordet, man schlug sich gegenseitig, plünderte die Leute, der jüngste Tag schien gekommen, die Herrschaft des Entsetzens und der Ungeheuerlichkeiten – Biala-Zerkiew verwandelte sich in eine leibhaftige Hölle.

Da trat plötzlich eines Tages der Edelmann Wyhowski, der bei Korsun in Gefangenschaft genommen und zum Sekretär des Hetmans aufgestiegen war, zu dem betrunkenen Hetman. Er trat ein und begann ohne Umschweife den Trunkenen zu rütteln, faßte ihn endlich bei den Armen, setzte ihn auf die Pritsche und schüttelte ihn wach.

»Was gibt's, zum Teufel?« fragte Chmielnizki.

»Steht auf, Hetman, kommt zu Euch!« antwortete Wyhowski, – »eine Gesandtschaft ist gekommen!«

Chmielnizki sprang schnell auf und wurde in einem Augenblick nüchtern.

»Hej!« rief er dem Kosakenbuben zu, der auf der Schwelle saß, »Waffenrock, Kalpak und Stab!«

Dann sagte er zu Wyhowski:

»Wer ist gekommen? Von wem?«

»Priester Patronius Sasko und Huschtscha vom Herrn Wojewoden von Brazlaw.«

»Von Herrn Kisiel?«

»So ist es!«

»Gelobt sei Vater und Sohn, gelobt sei der heilige Geist und die heilige Jungfrau!« sagte Chmielnizki und bekreuzigte sich.

Und sein Gesicht wurde heiterer, heller – man begann mit ihm zu verhandeln.

Gleich darauf ertönte die Ratsglocke, bei deren Klang sich die Saporogenherren bald zu versammeln begannen. Die Führer und Hauptleute nahmen Platz, der fürchterliche Krschywonos, Chmielnizkis rechte Hand, Krschetschowski, das Schwert der Kosaken, der alte und erfahrene Dsiedschalla, der Hauptmann von Kropiwna, Fedor Loboda von Perejeslaw, der furchtbare Fedorenko, der wilde Puschgarenko von Pultawa, der nur Tschabanen führte, Schumeko von Nish, der feurige Tscharnota von Hadsiatsch, Jakubowitsch von Tschechryn, ferner Nosatsch, Chwedko, Adamowitsch, Gluzk, Pulian, Panitsch – nicht alle, denn einige waren unterwegs, und manche in jener Welt, wohin sie Fürst Jeremias schon entsandt hatte.

Die Tataren wurden diesmal nicht zur Beratung gezogen. Die Gemeine versammelte sich nebenan auf dem Maidan; die andrängende Menge wurde mit Stöcken, ja mit Ochsenziemern fortgejagt, und es fehlte auch nicht an Totschlag.

Endlich erschien Chmielnizki selbst, in Rot gekleidet, den Kalpak auf dem Haupt, den Feldherrnstab in der Hand. Neben ihm schritt der ehrwürdige Priester Patronius Sasko, weiß wie eine Taube, und auf der anderen Seite Wyhowski, das Papier in der Hand.

Chmielnizki nahm unter den Hauptleuten Platz und saß eine Weile schweigsam da. – Dann nahm er den Kalpak ab, zum Zeichen, daß die Beratung beginne, erhob sich und begann also zu sprechen:

»Meine Herren Hauptleute und Attamane! Es ist euch wohl bekannt, daß wir wegen der großen und unschuldig erlittenen Unbilden die Waffen haben ergreifen müssen, um mit der Hilfe des erlauchten Zaren der Krim von den Herren die alten Freiheiten und Privilegien, die man uns ohne Willen Seiner Majestät des Königs genommen hatte, zurückzufordern, und Gott hat unser Unternehmen gesegnet, über unsere unehrlichen Tyrannen einen Schrecken gesandt, den sie nie gewohnt waren, und hat so ihre Unredlichkeit und Bedrückungen bestraft. Uns aber hat er mit großen Siegen gelohnt, wofür wir ihn mit dankerfülltem Herzen zu preisen verpflichtet sind. Da nun ihr Hochmut bestraft wird, ziemt es uns, daran zu denken, daß fernerhin nicht mehr christliches Blut fließe, was uns Gott in seiner Barmherzigkeit und unser altehrwürdiger Glaube befiehlt, das Schwert aber nicht eher aus der Hand zu legen, als bis uns mit Willen des großmächtigen Königs unsere alten Freiheiten und Privilegien zurückgegeben sind. Der Herr Wojewode von Brazlaw schreibt mir nun, daß das geschehen könne, und auch ich denke so, denn nicht wir, sondern die Herren, die Potozkis, die Kalinowskis, Wischniowiezkis und Koniezpolskis sind es, die sich dem Gehorsam gegen die Majestät und die Republik entzogen haben. Da wir sie bestraft, ziemt uns die gerechte Kontentation und Belohnung von Seiner Majestät und den Ständen. Darum bitte ich euch, meine wertesten Herren und Gönner, lest den Brief des Wojewoden von Brazlaw, den er mir durch Pater Patronius Sasko, einen Edelmann unseres altehrwürdigen Glaubens, gesandt hat, und beschließt weise, daß dem Blutvergießen in der Christenheit ein Ende gesetzt und uns Kontentation und Belohnung werde für den Gehorsam und die Treue, die wir der Republik erwiesen haben.«

Chmielnizki fragte nicht, ob dem Kriege ein Ende gesetzt werden solle, er forderte den Beschluß, daß es so sei. Darum erhoben gleich Mißvergnügte ein Murren, das bald in drohende Rufe ausartete, welche besonders von Tscharnota von Hadsiatsch ausgingen.

Chmielnizki sprach kein Wort. Er schaute nur aufmerksam dorthin, wo die Proteste herkamen, und schrieb sich die Widerstrebenden in sein Gedächtnis ein.

Inzwischen erhob sich Wyhowski, den Brief von Kisiel in der Hand. Eine Kopie des Briefes hielt Zorko in die Höhe, um sie der Gemeine vorzulesen. Es herrschte also hier und dort tiefes Schweigen.

Der Wojewode begann seinen Brief mit diesen Worten:

»Werter Herr Ältester des saporogischen Heeres der Republik, mein alter Freund und Gönner! Während es viele gibt, die Euch für einen Feind der Republik halten, verbleibe ich nicht bloß von Euer Wohlgeboren treuen Anhänglichkeit an die Republik versichert, sondern ich bemühe mich auch, die Herren Senatoren, meine Kollegen, davon zu überzeugen. Drei Dinge sind es, die mich dessen versichern: Erstens, daß das Dnieprheer, obwohl es von alters her um seinen Ruhm und seine Freiheit besorgt ist, stets den Königen, den Herren und der Republik die Treue hält. Zweitens, daß unser ruthenisches Volk in seiner Rechtgläubigkeit so fest steht, daß ein jeder von uns lieber sein Leben hingäbe, als daß er den Glauben im geringsten antastete. Drittens, wenn auch (wie, Gott sei's geklagt, auch jetzt geschehen) Blutvergießen unter den Bürgern des Landes vorkommt, so haben wir doch alle ein gemeinsames Vaterland, in dem wir zur Welt gekommen, in dem wir unsere Freiheiten genießen, und es gibt in der ganzen Welt kein zweites Reich, und kein zweites unserem Vaterlande ähnliches in Gesetzen und Freiheiten. Darum sind wir alle bestrebt, dieser unserer Mutter die Krone zu erhalten; denn wenn es auch in der Welt Übles gibt (wie es anders nicht sein kann), so lehrt doch die Vernunft, daß es leichter ist, in einem freien Staate zu besprechen, woran ein jeder von uns leidet, als nach Verlust dieser Mutter keine zweite mehr zu finden weder in der Christenheit noch im Heidentum.«

Loboda von Perejeslaw unterbrach den Lesenden.

»Er spricht die Wahrheit,« sagte er laut.

»Er spricht die Wahrheit,« wiederholten andere Hauptleute.

»Unwahrheit, er lügt, der Hundesohn!« rief Tscharnota kreischend.

»Schweig! Du bist selbst ein Hundesohn.«

»Ihr Verräter, in den Tod mit euch!«

»Dir den Tod!«

»Still! Weiter lesen! lesen! Er ist unser Mann! Hören! Zuhören!«

Der Sturm wollte ernstlich losbrechen, aber Wyhowski begann weiter zu lesen, und es wurde wieder stille.

Der Wojewode schrieb weiter: Das Saporogenheer müsse Vertrauen haben zu ihm, denn es wisse gut, daß er, desselben Glaubens, ihm wollgesinnt sein müsse; er erinnerte daran, daß er an dem unglückseligen Blutvergießen bei Kumeki und Starze keinen Anteil gehabt habe. Dann forderte er Chmielnizki auf, dem Krieg ein Ende zu machen, die Tataren fortzuschicken oder die Waffen gegen sie zu kehren – und sich in der Treue gegen die Republik zu stärken. Endlich schloß er den Brief mit folgenden Worten:

»Ich verspreche Euer Wohlgeboren, so wahr ich ein Sohn der Kirche Gottes bin, und so wahr mein Haus aus dem alten Blut des ruthenischen Volkes stammt, daß ich zu allem Guten behilflich sein werde. Ihr wißt sehr wohl, daß in dieser Republik auch mein Wort (mit Gottes Gnade) etwas gilt, und daß ohne mich kein Krieg beschlossen und kein Friede unterzeichnet werden kann. Ich bin der erste, der den Bürgerkrieg nicht wünscht« etc ...

Bald erhob sich Lärmen für und wider, aber im allgemeinen gefiel der Brief den Hauptleuten, ja sogar der Gemeine. Nichtsdestoweniger konnte man im ersten Augenblick nichts verstehen, kaum ein Wort hören, wegen des Tobens, mit dem man über den Brief disputierte. Die Gemeine war aus der Ferne gesehen einem großen Strudel ähnlich, in dem ein Ameisenhaufen von Menschen auf und ab wogte, gärte und brodelte. Die Hauptleute schüttelten die Federbüsche und sprangen aufeinander mit den Fäusten drohend zu. Mit glühenden Gesichtern, zornsprühenden Augen, Schaum auf den Lippen, so fuhren sie gegeneinander los, und die Parteigänger des Krieges führte Erasmus Tscharnota, der in eine wahre Raserei geraten war.

Da erhob sich Chmielnizki noch einmal:

»Werte Herren Hauptleute!« sagte er, »ich habe also beschlossen, Gesandte nach Warschau zu schicken, die unsere Dienste unserem erlauchten König zu Füßen legen und um eine Belohnung bitten sollen. Aber, wer den Krieg will, kann ihn auch haben – nicht mit dem König, nicht mit der Republik, denn mit diesen haben wir nie Krieg geführt, sondern mit unserem größten Feinde, der schon ganz in Kosakenblut watet, und auch jetzt noch fortfährt, sich mit Kosakenblut zu färben, in seiner Feindschaft gegen die Saporogenheere beharrend. Ich habe Briefe und Gesandte an ihn geschickt und gebeten, diese Feindschaft aufzugeben, und er hat sie grausam hingemordet, mich, Euren Ältesten, durch keine Antwort geehrt und dadurch dem ganzen Saporogenheere seine Verachtung bewiesen. Jetzt kommt er vom Dnieprlande her, die Bewohner von Pogrebischtsche hat er bis auf den letzten Mann hingemordet, unschuldige Menschen bestraft, worüber ich blutige Tränen geweint habe. Dann ist er, wie mir heute früh gemeldet wurde, nach Niemirow gegangen und hat auch dort niemandem das Leben gelassen. Und da die Tataren aus Furcht und Schrecken nicht gegen ihn ziehen wollen, so wird es nicht lange dauern, daß er herkommt, um auch uns Unschuldige hinzumorden gegen den Willen unseres erlauchten Königs, der uns und der ganzen Republik gnädig ist, denn er fragt in seinem Stolze nach niemand, und wie er sich jetzt empört, so ist er stets bereit zur Empörung gegen den Willen Seiner Königlichen Majestät.«

In der Versammlung wurde es still. Chmielnizki schöpfte Atem und sprach weiter: »Gott hat uns mit einem Sieg über die Hetmane belohnt, aber er ist schlimmer als die Hetmane, schlimmer als alle kleinen Könige, ein Sohn des Teufels, der von der Lüge lebt. Wenn ich selbst gegen ihn zöge, so würde er in Warschau durch seine Freunde ausschreien lassen, daß wir den Frieden nicht wünschten, er würde uns vor Seiner Königlichen Majestät anklagen. Damit dies nicht geschehe, muß der König und die Republik sehen, daß ich den Krieg nicht wünsche, daß ich ruhig sitze, und daß er uns den Krieg bringt, darum kann ich nicht von hier fortziehen, denn ich muß zur Verhandlung mit dem Herrn Wojewoden von Brazlaw hier bleiben. Aber damit er, dieser Teufelssohn, unsere Kraft nicht bricht, müssen wir uns ihm entgegenstellen und seine Heere so aufs Haupt schlagen, wie wir bei den Gelben Wassern und bei Korsun unsere Feinde, die Hetmane, geschlagen haben. Darum bitte ich, daß ihr als Freiwillige gegen ihn zieht, und ich will an den König schreiben, daß das ohne mein Zutun geschehen ist und aus notgedrungener Abwehr gegen Wischniowiezkis Feindschaft und Überfälle.«

Tiefes Schweigen herrschte in der Versammlung.

Chmielnizki sprach weiter:

»Wer also von euch diesen Kriegszug unternehmen will, dem gebe ich Heeresmacht genug, tüchtige Kosaken, eine Kanone und schießende Mannschaft, damit er mit Gottes Hilfe unseren Feind niederschmettern und den Sieg über ihn erringe ...«

Keiner der Hauptleute trat vor.

»Sechzigtausend Mann auserwählte Truppen gebe ich ihm,« sagte Chmielnizki.

Tiefes Schweigen war die Antwort auf diese Aufforderung.

Und das waren die unerschrockenen Krieger, deren Kriegsgeschrei so oft vor den Mauern Konstantinopels erscholl. Ja, vielleicht fürchtete gerade deshalb ein jeder, den gewonnenen Ruhm in dem Zusammentreffen mit dem gefürchteten Jeremias zu verlieren.

Chmielnizki ließ seine Augen über die Hauptleute hinschweifen, und diese senkten unter dem Einfluß seines Blickes die Augen zu Boden.

Wyhowkis Gesicht nahm den Ausdruck satanischer Bosheit an.

»Ich kenne einen Kosaken,« sagte Chmielnizki düster, »der in diesem Augenblick aufgetreten wäre und das Unternehmen gewagt hätte, aber er ist nicht unter uns ...«

»Bohun,« sagte eine Stimme.

»So ist's! Er hat schon ein Regiment Jeremias' in Wassilowka zerschmettert, aber ward verwundet in dieser Schlacht und liegt jetzt in Tscherkassy, mit dem Tode kämpfend, und wenn er nicht da ist, so ist niemand da, wie ich sehe! Wo ist der Ruhm der Kosaken, was sind die Pawluks, die Nalewajkos, die Lobodas und Ostranizas?«

Da erhob sich ein kleiner, wohlbeleibter Mann mit düsterem Gesicht, einem feuerroten Schnurrbart über den schiefen Lippen, mit grünen Augen, von der Bank, trat vor Chmielnizki hin und sagte:

»Ich will gehen!«

Es war Maxim Krschywonos.

Es ertönten Rufe: »Heil ihm!« Er aber stemmte den Arm in die Seite und sprach mit heiserer, stockender Stimme:

»Denke nicht, Hetman, daß ich Furcht habe. Ich hätte es bald gewagt, aber ich habe gedacht, es gibt bessere als ich. Wenn es aber nicht so ist, so will ich gehen. Was habt Ihr? Ihr habt Häupter und Hände. Ich habe keinen Kopf, ich habe nur Hand und Schwert. Einmal nur hat die Mutter uns geboren! Denn der Krieg ist meine Mutter und Schwester. Wischniowiezki schlachtet – das will auch ich, – er henkt – das will auch ich – und du, Hetman, gib mir tüchtige Kosaken, denn das Bauernvolk taugt nichts gegen Wischniowiezki. Und so will ich hingehen, – Schlösser bauen, niederhauen, schlachten, henken! Tod ihnen, den Weißhändigen!«

Ein anderer Hetman trat vor.

»Ich gehe mit dir, Maxim!«

Es war Pulian.

»Auch Tscharnota von Hadsiatsch und Hladko von Mirgorod und Rosatsch werden mit dir gehen,« sagte Chmielnizki.

»Ja, wir gehen!« riefen sie einstimmig, das Beispiel Krschywonos' hatte ihnen neuen Mut gegeben.

»Gegen Jarema! Gegen Jarema!« donnerten Rufe in der Versammlung. »Los! Los!« wiederholte die Gemeine, und nach kurzer Zeit verwandelte sich die Ratsversammlung in ein Trinkgelage. Die Regimenter, die für Krschywonos bestimmt waren, tranken sich den Tod – gingen sie doch in den Tod. Die Kosaken wußten das recht wohl, aber ihre Herzen waren frei von Angst. »Einmal nur hat die Mutter uns geboren!« – sprachen sie mit ihrem Führer, und darum taten sie sich auch gütlich, als stünde der Tod schon vor ihnen. Chmielnizki feuerte sie noch an, und die Menge folgte ihrem Beispiel. Sie begann zu singen, hunderttausendstimmig. Man trieb die Vorspannpferde auseinander, sie rasten im Lager umher, trieben Staubwolken auf und brachten eine unbeschreibliche Unordnung hervor. Man jagte sich mit Geschrei, mit wüstem Lärm und Gelächter. Ganze Banden schossen den Fluß entlang und drängten sich selbst in das Quartier des Hetmans, der endlich Jakubowitsch den Befehl gab, sie auseinander zu treiben. Es kam zu Schlägereien, bis endlich ein heftiger Platzregen alle in die Hütten und Wagen trieb.

Gegen Abend tobte ein Orkan am Himmel. Donner rollten von Wolke zu Wolke, Blitze erhellten die ganze Gegend bald mit weißem, bald mit rötlichem Lichte. Bei ihrem Leuchten rückte Krschywonos aus dem Lager an der Spitze von sechzigtausend Mann auserwählter Krieger und Bauernvolk.


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