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13. Kapitel

Die Heere zogen an Konstantinow vorüber und machten in Rosolowki Halt.

Der Fürst hatte nämlich berechnet, daß Koschyzki und Oschinski, wenn sie die Nachricht von der Einnahme von Polomna erhielten, sich auf Rosolowki zurückziehen müßten. Diese Voraussicht ging auch größtenteils in Erfüllung.

Indessen die Regimenter, nachdem sie durch Trompetenstöße sich angemeldet hatten, vor dem Dorfe Halt gemacht, eilten zwei Hauptleute im schnellsten Laufe atemlos dem Fürsten zu, um ihm ihre Dienste anzubieten. Es waren Oschinski und Koschyzki. Als sie Wischniowiezki und das stattliche Gefolge seiner Ritterschaft erblickten, wurden sie verwirrt, da sie nicht sicher waren, wie sie empfangen werden würden; sie verneigten sich tief und warteten schweigend seine Anrede ab.

»Das Schicksal umkreist die Menschen und demütigt die Stolzen,« sagte der Fürst. »Ihr habt auf unsere Einladung nicht kommen wollen, jetzt kommt ihr ungerufen.«

»Fürstliche Durchlaucht,« sagte Oschinski kühn, »von ganzer Seele wünschten wir unter Ew. Durchlaucht zu dienen, aber der Befehl war gemessen, und wer ihn gegeben hat, mag dafür verantwortlich sein. Wir bitten um Verzeihung, obwohl wir unschuldig sind, denn als Soldaten mußten wir gehorchen und schweigen.«

»So hat Fürst Dominik den Befehl widerrufen?« fragte der Fürst Jeremias.

»Der Befehl ist nicht widerrufen worden,« sagte Oschinski. »Aber er bindet uns nicht mehr, da die einzige Rettung und Hilfe für unser Heer in Eurer Durchlaucht Gnade liegt, unter dessen Kommando wir fortan leben, dienen und sterben wollen.«

Diese männlichen Worte und die Gestalt Oschinskis machten auf den Fürsten und seine Kriegskameraden den besten Eindruck.

Bald meldete man dem Fürsten, daß noch ein Heer sich dem Lager nähere, das indessen kein kosakisches sein könne, denn es komme nicht von Konstantinow, sondern von einer ganz anderen Seite, von dem Flusse Slutsch.

Zwei Stunden später kamen auch wirklich die Fähnlein mit solchem Trompetengeschmetter und Trommelgewirbel, daß sich der Fürst selber ärgerte und den Befehl zu ihnen schickte, still zu sein, da der Feind in der Nähe liege.

Es zeigte sich, daß dies der Herr Kronwachtmeister Samuel Laschtsch gewesen war, ein berüchtigter, abenteuerlicher Tatar, Friedensstörer, Zechgenosse und Raufbold, aber ein tüchtiger Soldat.

Er führte achthundert Mann von ähnlichem Schlage, wie er selber, zum Teil Adlige, zum Teil Kosaken, die alle, wenn es mit rechten Dingen zuging, hätten hängen müssen. Aber Fürst Jeremias ließ sich nicht von der Ausgelassenheit der Soldaten abschrecken, da er hoffte, daß sie in seiner Hand sich in demütige Schäflein wandeln und durch Mut und Tapferkeit die anderen Mängel ausgleichen würden. Es war also ein glücklicher Tag. Noch gestern hatte der Fürst nach dem Abzug des Wojewoden von Kijew beschlossen, den Krieg einzustellen, bis ihm Hilfstruppen kommen würden, und sich für einige Zeit in ruhigere Gegenden zurückzuziehen – heute stand er wieder an der Spitze einer fast zwölftausend Köpfe zählenden Armee, und obgleich Krschywonos fünfmal mehr Mannschaft zählte, so konnte man doch, weil der größte Teil der aufständischen Armee aus Bauernvolk bestand, die Streitkräfte als gleich stark betrachten.

Nun dachte der Fürst auch nicht mehr an Ruhe. Er schloß sich mit Laschtsch, dem Wojewoden von Kijew, Sazwilichowski, Machnizki und Oschinski ein, und sie hielten Rat über die Fortsetzung des Krieges. Es wurde beschlossen, am anderen Morgen dem Krschywonos eine Schlacht zu liefern, und, wenn er nicht herankommen sollte, ihm einen Besuch abzustatten.

Es war schon tiefe Nacht geworden, aber seit den letzten Regengüssen, welche bei Machnowka das Heer so fürchterlich gequält hatten, war andauernd schönes Wetter eingetreten. An dem dunklen Himmelsgewölbe leuchteten die goldenen Sterne. Die Offiziere und die vornehmeren Kameraden waren in der rosigsten Laune, sie hatten sich um ein großes Lagerfeuer versammelt und zechten nach Herzenslust.

»Sprecht nur weiter,« riefen sie Sagloba zu. »Was habt Ihr getan, als Ihr über dem Dniepr waret, und auf welche Weise kamt Ihr nach Bar?«

Sagloba goß einen Becher Met herunter und sagte:

»Meine werten Herren, wollte ich alles von Anfang an und bis ins Kleinste erzählen, so würden auch zehn Nächte nicht hinreichen und sicherlich auch der Met nicht, denn eine solche Kehle muß, wie ein alter Wagen, geschmiert werden; genug, wenn ich euch sage, daß ich mit der Prinzessin nach Korsun in das Lager von Chmielnizki selber kam und sie aus dieser Hölle glücklich herausgeführt habe.«

»Aber warum seid Ihr bis nach Bar ausgewandert?« fragte Migurski.

»Weil ich mir sagte, ich mache nicht eher Halt, bis daß ich an einen sicheren Platz gelange, und so habe ich auch dem kleinsten Schlößchen nicht getraut, weil ich dachte, die Empörung könne auch bis zu ihm gelangt sein. An Bar aber, selbst wenn sie auch dorthin gelangte, müßte sie sich den Kopf einrennen, hier hat Andreas Poniatowski die Mauern stark besetzt, und fragt nach Chmiel so viel, wie ich nach einem leeren Glase. Aber bei Bar begegnete mir ein Unfall, daß ich beinahe am Ufer ertrunken wäre.«

»Was war das? – Sprecht!«

»Ich begegnete betrunkenen Soldaten, ausgelassenes Volk, die hörten, wie ich zur Prinzessin sagte: »Fräulein!« Denn ich nahm mich jetzt nicht mehr so in acht, weil wir in der Nähe von Freunden waren. Was, sagten sie, was ist das für ein Bettler, was für ein sonderbarer Bursche, zu dem man Fräulein sagt? Sie sehen die Prinzessin an: Schön, wie gemalt. Nun geht's gegen uns los. Ich stecke das arme Mädchen in den Winkel, stelle mich vor sie hin und fasse mein Schwert ...«

»Das ist merkwürdig,« unterbrach Wolodyjowski, »daß Ihr als Bettler verkleidet ein Schwert an der Seite hattet.«

»Ei,« sagte Sagloba, »daß ich ein Schwert hatte? Wer sagt Euch denn, daß ich eins hatte. Ich hatte keins. Ich ergriff eins von den Soldaten, das auf dem Tische lag, denn der Streit war in der Schenke in Schypinze. Im Augenblick streckte ich zwei der Angreifer hin. Sie griffen an die Degenkoppel ...«

Plötzlich unterbrach Sleschynski die Erzählung:

»Schaut nur hin, meine Herren,« sagte er, »ist das die Morgendämmerung oder was?«

»Es kann nicht sein,« erwiderte Skrzetuski, »es ist noch zu früh am Tage. Das kommt von Konstantinow her.«

»So seht nur hin, es wird immer greller. Wahrhaftig, das ist ein Feuerschein.«

Alle Gesichter wurden ernst, man vergaß die Erzählung, alle sprangen auf die Füße.

»Ein Feuerschein! Ein Feuerschein!« wiederholten mehrere Stimmen.

»Krschywonos kommt von Polomna heran. Krschywonos mit seiner ganzen Macht.«

»Der Vortrab hat gewiß die Stadt angezündet oder die umliegenden Dörfer.«

Da ertönten leise die Alarmtrompeten, gleichzeitig erschien der alte Sazwilichowski plötzlich unter der Ritterschaft.

»Meine Herren,« sagte er, »die Vorposten haben Nachricht gebracht, der Feind ist in Sicht, auf, zu den Fahnen! Zu den Fahnen!«

Die Offiziere eilten, so schnell sie konnten, zu ihren Regimentern. Die Knechte löschten die Wachtfeuer aus, und bald herrschte tiefe Finsternis im ganzen Lager. Nur in der Ferne von Konstantinow her rötete sich der Himmel immer weiter, immer stärker, und bei diesem Glanze erblaßten und erloschen allmählich die Sterne. Und wieder ertönten leise Trompetenstöße. Es wurde zum Aufsitzen geblasen. Die undeutlichen Massen der Menschen und Pferde setzten sich in Bewegung.

Voran gingen Wierschuls Tataren, dann kamen Poniatowskis Kosaken, dann die Dragoner, Wurzels Kanonen, das Fußvolk und zum Schluß die Husaren.

Sagloba ritt neben Skrzetuski einher, aber er krümmte sich im Sattel, man sah ihm an, daß ihn angesichts der nahen Schlacht die Unruhe befallen hatte.

»Herr Skrzetuski,« sagte er ganz leise, als fürchte er belauscht zu werden.

»Was wünscht Ihr?«

»Werden die Husaren angreifen?«

»Ihr sagt, Ihr seid ein alter Soldat, und wißt nicht, daß die Husaren bis zur Entscheidung der Schlacht geschont werden, bis zu dem Augenblick, wo der Feind seine äußersten Kräfte anstrengt.«

»Ich weiß wohl, ich weiß, aber ich wollte mich dessen versichern.«

Bald erglänzte das Wasser des Wischowteiches, vom Slutsch durch einen langen Graben getrennt, in der Ferne.

Die Heere machten auf der ganzen Linie Halt.

Es war heller Tag geworden, der Feuerschein war bei dem Glanze der aufgehenden Sonne erblaßt. Die goldigen Strahlen spiegelten sich in den Spitzen der Husarenspeere, und es sah aus, als leuchteten über den Rittern Tausende von Flämmchen.

Als die Reihen geordnet waren, intonierte das Heer, das sich nicht länger verbarg, einstimmig: »Seid gegrüßt, ihr Pforten der Erlösung.«

Endlich sah man am gegenüberliegenden Ufer des Grabens das schwarze Gewimmel der Kosaken, so weit das Auge reichte. Regiment auf Regiment, die Saporogen zu Roß, mit langen Speeren bewaffnet; das Fußvolk mit Büchsen, und die Wogen des Bauernvolkes mit Sensen, Dreschflegeln und Heugabeln bewaffnet. Die Kosaken aber gingen ohne den gewohnten Lärm und ohne Geheul am anderen Ufer des Grabens. Die beiden feindlichen Mächte sahen einander eine Zeitlang schweigend an.

Eine Abteilung von einigen hundert Mann hatte sich von der schwarzen Masse losgelöst und rückte in Unordnung auf den Graben zu.

»Das sind die Tirailleure,« sagte Skrzetuski. »Bald werden auch die unsrigen ihnen entgegenziehen.«

»Muß da die Schlacht beginnen?«

»So gewiß, wie Gott im Himmel ist.«

»Auch die übrigen gehen schon los,« schrie Sagloba, da er sah, wie die rote Linie von Wolodyjowskis Dragonern im Trab gegen den Graben vorrückte.

Ihnen folgten etliche Freiwillige von jedem Fähnlein. Unter anderen: Der rote Wierschul, Kuschel, Poniatowski, die beiden Karwitsch, und von den Husaren: Longinus.

Die Entfernung zwischen den beiden Abteilungen wurde bedeutend geringer.

Aber als die Kämpfer nahe aneinander gekommen waren, brachten sie die Pferde zum Stehen und begannen sich gegenseitig zu beschimpfen.

»Kommt nur, kommt nur, wir wollen gleich die Hunde mit eurem Aase füttern,« riefen die Soldaten des Fürsten.

»Eures ist auch für die Hunde zu schlecht.«

Ein Kosak, offenbar aus den Dnieprlanden, trat weiter hervor, hielt die Hände vor den Mund und rief mit mächtiger Stimme:

»Bei dem Fürsten sind zwei Nichten, sagt ihm, er solle sie dem Krschywonos schicken ...«

Wolodyjowski wurde es vor Wut dunkel vor den Augen, als er diese Lästerung hörte, und er stürmte mit seinem Roß auf den Saporogen ein.

Wirklich war bei dem zweiten Streiche der Lästerer wie vom Blitze getroffen zu Boden gesunken. Den Kopf den Seinigen zugerichtet, wie zum bösen Omen.

Da sprang ein zweiter hervor, in einen roten Kontusch gekleidet, der einem Edelmanne entrissen war. Er griff Wolodyjowski von der Seite an, aber das Pferd strauchelte ihm gerade in dem Augenblick, wo er zum Streich ausholte. Wolodyjowski aber wandte sich um, und jetzt konnte man den Meister in ihm erkennen. Er bewegte nur die Hand mit einer leichten, kaum sichtbaren Wendung, und doch fuhr das Schwert des Saporogen in die Höhe. Wolodyjowski ergriff ihn im Nacken und riß ihn samt dem Pferde zu den Seinigen.

»Brüder, rettet euch!« rief der Reiter. Er leistete keinen Widerstand, denn er wußte, daß er bei dem Versuch schon von dem Schwerte durchbohrt würde, – er gab dem Pferde die Sporen, um nachzukommen – und so schleppte ihn Wolodyjowski fort, wie ein Wolf die Ziege.

Bei diesem Anblick stürmten von beiden Seiten an hundert Krieger hervor. Sie griffen einander einzeln an. Mann rang mit Mann, Pferd mit Pferd, Schwert mit Schwert. Aus der Ferne konnte man glauben, es sei ein Turnier aus Kurzweil.

Indessen floh von Zeit zu Zeit ein Pferd reiterlos aus dem Gedränge; von Zeit zu Zeit fiel eine Leiche den Wall herab in die schimmernde Wasserfläche.

Beiden Heeren wuchs der Mut und die Kampfeslust, da sie die Tapferkeit ihrer Ritter sahen.

Plötzlich ertönten aus dem Lager Krschywonos die Trompeten, die zum Rückzug riefen.

Sofort zogen sie sich zurück. Die Gegner hielten einen Augenblick auf dem Platze, um zu zeigen, daß sie die Sieger seien, und kehrten ebenfalls zu den Ihrigen zurück. Der Graben wurde leer. Nur Leichen von Menschen und Pferden blieben zurück, wie eine Prophezeiung dessen, was geschehen werde, – dieser Weg des Todes lag dunkel zwischen den beiden Heeren.

Inzwischen rückten Krschywonos' Regimenter vor, wie unabsehbare Scharen von Krähen und Dohlen. Der wilde Krschywonos glaubte an die Faust und das Schwert, nicht an eine Kriegskunst; darum drängte er mit aller Macht zur Attacke und gab den Regimentern, die hinten gingen, den Befehl, die vorderen zu drängen, damit sie selbst gegen den eigenen Willen vorschritten. Die Kanonenkugeln plätscherten ins Wasser, wie wilde Schwäne und Taucher, ohne jedoch bei der großen Entfernung in den Reihen der fürstlichen Heere, die jenseits des Teiches in Form eines Schachbrettes aufgestellt waren, Schaden anzurichten.

Jeremias sah von dem erhöhten Ufer auf das Schauspiel herab, zog die Brauen zusammen und schoß Blitze aus seinen Augen auf die Menge herab. Da er aber die Unordnung und das wilde Drängen von Krschywonos' Regimentern sah, sagte er zum Obersten Machnizki:

»Die Feinde gehen wie die Bauern auf uns los, die Kriegskunst ganz außer acht lassend. Wie zur Treibjagd gehen sie, aber sie werden uns nicht fangen.«

Indessen waren sie, wie seinen Worten zum Trotz, bereits bis zur Hälfte des Grabens angelangt und machten Halt, über das Schweigen des fürstlichen Heeres erstaunt und beunruhigt. Aber gerade in diesem Augenblick entstand eine Bewegung in dem Heere, sie zogen sich zurück und ließen zwischen sich und dem Graben einen breiten, leeren Halbkreis, der das Schlachtfeld bilden sollte.

Dann trat das Fußvolk Koschyzkis zu beiden Seiten auseinander und entblößte die dem Graben zugekehrten Öffnungen der Kanonen Wurzels, und in dem Winkel, welchen der Slutsch und der Graben bildete, erglänzten in dem Uferschilf die Musketen der Deutschen, die Oschinski führte.

Sofort war es für Kriegsmänner offenbar, auf wessen Seite der Sieg sich neigen mußte. Nur ein so rasender Bandenführer, wie Krschywonos, konnte unter solchen Bedingungen eine Schlacht wagen; er hätte mit der ganzen Macht einen Übergang nicht erzwingen können, wenn Wischniowiezki ihn daran hätte hindern wollen.

Inzwischen waren die Massen des Bauernvolkes an dem Ende des Grabens angelangt, endlich hatten sie ihn hinter sich und überfluteten den Halbkreis, den das Heer des Fürsten Jeremias offen gelassen hatte. Aber in diesem Augenblick gab das verborgene Fußvolk Oschinskis von der Seite Feuer, aus Wurzels Kanonen schossen lange Streifen Rauch, die Erde erbebte vom Donner der Geschütze, und die Schlacht begann auf der ganzen Linie.

Dampfwolken hüllten die Ufer des Slutsch, den Teich, die Gräben und das Feld selbst ein, so daß man nichts sehen konnte; nur manchmal schimmerten die roten Farben der Dragoner hindurch, manchmal erglänzten die Kämme an den Helmen, und dann wogte es in der Wolke entsetzlich. In der Stadt wurden alle Glocken geläutet, und ihr Klageton mischte sich in das dumpfe Gebrüll der Kanonen. Aus dem Lager strömten immer neue Regimenter dem Graben zu.

Die aber, welche ihn durchschritten hatten und auf die andere Seite des Teiches gelangt waren, dehnten sich im Augenblick zu einer langen Linie aus und griffen mit rasender Wut die fürstlichen Fähnlein an. Die Schlacht zog sich von einem Ende des Teiches bis zur Biegung des Flusses und den sumpfigen Wiesen, die in jenem feuchten Sommer unter Wasser standen.

Es entstand ein gräßliches Gemetzel, am gräßlichsten im Graben. Alle Abteilungen, welche über ihn an die andere Seite gelangt waren, wurden in dem Halbkreis aufgerieben, den das fürstliche Heer gebildet hatte.

Der ganze Graben füllte sich mit Menschen- und Pferdeleichen. Das Wasser trat aus den Ufern.

Von Zeit zu Zeit verstummten die Kanonen. Dann warf der Graben, wie die Öffnung einer Kanone, Haufen von Saporogen und Bauernvolk aus, die in dem Halbkreis nach allen Seiten rannten und dem Schwerte der ihrer harrenden Reiterei entgegenliefen.

In diesem blutigen Ringen verflossen ganze Stunden.

Krschywonos wütete und schäumte, gab die Schlacht noch nicht verloren und trieb Tausende seiner Leute in den Rachen des Todes.

Am anderen Ufer stand Jeremias, in seine silberne Rüstung gekleidet, hoch zu Roß, auf dem hohen Hügel, der in jener Zeit der Krugeshügel hieß – und schaute hinab. Sein Antlitz war ruhig, sein Blick umfaßte den ganzen Graben, den Teich, die Ufer des Slutsch und schweifte bis zu der Stelle, wo in bläulichen Nebel der Ferne gehüllt, das riesige Wagenlager des Krschywonos war. Die Augen des Fürsten wichen nicht von der Masse der Wagen. Endlich wandte er sich an den dicken Wojewoden von Kijew und sagte:

»Heute werden wir das Wagenlager nicht mehr nehmen!«

»Wie, Eure Fürstliche Durchlaucht wollten ...?«

»Die Zeit geht rasch vorüber. Es ist zu spät, denn seht, der Abend bricht herein.«

Die Schlacht hatte wirklich seit dem Augenblick, wo die Tirailleure sie eröffnet hatten, durch Krschywonos' Hartnäckigkeit genährt, schon so lange gedauert, daß die Sonne Zeit hatte, den ganzen Tagesbogen zu durchlaufen und sich zum Untergange neigte. Leichte, hohe Wölkchen, die einen heiteren Tag verkündeten, und wie weißwollige Schäflein am Himmel zerstreut waren, begannen sich rötlich zu färben und scharenweise vom Firmament zu verschwinden. Der Zustrom der Kosaken in den Graben hörte allmählich auf, und die Regimenter, welche ihn schon betreten hatten, zogen sich in wilder Flucht zurück.

Die Schlacht hatte ein Ende genommen. Sie hatte deshalb ein Ende genommen, weil die wütenden Scharen endlich über Krschywonos herfielen und verzweifelt und rasend ihm zuschrien: »Verräter, du richtest uns zugrunde, Bluthund, wir selbst wollen dich binden und dem Jeremias ausliefern, um so ihr Leben zu erkaufen. Dir den Tod, nicht uns!«

»Morgen liefere ich euch den Fürsten und das ganze Heer aus, oder ich gehe selbst zugrunde,« antwortete Krschywonos.

Aber dieses erhoffte Morgen sollte erst noch kommen, und das gegenwärtige Heute war ein Tag der Niederlage. Viele Tausende der tüchtigsten Nischowzer Kosaken, das Bauernvolk nicht mitgerechnet, waren auf dem Schlachtfelde geblieben, im Teiche oder im Flusse ertrunken. Beinahe zweitausend waren in Gefangenschaft geraten. Vierzehn Hauptleute waren gefallen, die hundert Führer, Esauls und andere Älteste nicht mitgerechnet. Der zweite Führer nach Krschywonos, Pulian, war lebend, wenn auch mit zerbrochenen Rippen, in die Hände des Feindes gefallen.

»Morgen schlachten wir sie alle hin,« wiederholte Krschywonos. »Ich will weder Branntwein noch Speise eher in meinen Mund nehmen.«

Unterdessen legte man im Lager gegenüber die eroberten Fahnen zu den Füßen des furchtbaren Fürsten nieder. Jeder, der eine Fahne erbeutet hatte, warf sie hin, so daß ein ganzer Haufen zusammenlag, denn es waren ihrer vierzig.

Die Nacht brach an. Von beiden Seiten des Flusses und des Teiches flammten tausend Wachtfeuer auf, und die Rauchwolken stiegen wie Säulen zum Firmament empor. Die ermüdeten Soldaten stärkten sich mit Speise und Branntwein, oder machten sich durch die Erzählung der Taten des heutigen Tages Mut zu der nächsten Schlacht. Am meisten aber redete Sagloba und rühmte sich mit dem, was er vollbracht hatte, und dem, was er hätte vollbringen können, wenn nicht sein Pferd gestrauchelt wäre.

Der junge Aksak, der in diesem Augenblick sich dem Wachtfeuer näherte, unterbrach seine Rede.

»Ich bringe Neuigkeiten,« sagte er mit wohlklingender, knabenhafter Stimme. »Man brät den Pulian am Feuer ...«

»So werden die Hunde einen Braten haben,« unterbrach ihn Sagloba.

»Und er macht Geständnisse. Die Verhandlungen sind abgebrochen. Der Herr von Brusilow ist außer sich. Chmiel kommt dem Krschywonos mit der ganzen Macht zu Hilfe.«

»Chmiel? Was heißt Chmiel. Wer macht sich hier was aus Chmiel. Wir pfeifen auf Chmiel!« schwatzte Sagloba, indem er drohend und stolz seine Augen über die Anwesenden schweifen ließ.

»Chmielnizki kommt also, aber Krschywonos hat auf ihn nicht gewartet und darum die Schlacht verloren.«

»Der hat gespielt, gespielt, bis er verspielt hat.«

»Sechstausend Kosaken sind schon in Machnowka, Bohun führt sie.«

»Wo, wer?« fragte mit plötzlich veränderter Stimme Sagloba.

»Bohun!«

»Unmöglich.«

»So hat Pulian ausgesagt.«

»Da habt ihr die Bescherung,« rief Sagloba jammernd. »Können sie bald hier sein?«

»In drei Tagen. Da sie aber zur Schlacht kommen, werden sie nicht so eilen, um die Pferde nicht abzuhetzen.«

Hier wurde die Unterhaltung von einem Offizier unterbrochen, der im Vorübergehen fragte: »Wer steht dort?«

»Wierschul!« rief Skrzetuski, ihn an der Stimme erkennend. – »Vom Vortrab.«

»So ist es. Und jetzt vom Fürsten.«

»Was gibt es Neues?«

»Morgen ist eine Schlacht. Der Feind wartet an dem Graben, baut Brücken über Stir und Slutsch und will durchaus zu uns herüber.«

»Und was hat der Fürst dazu gesagt?«

»Gut, hat der Fürst gesagt.«

»Weiter nichts?«

»Nichts. Er befahl, sie nicht zu hindern; also dort dröhnen die Äxte! Bis zum Morgen werden sie arbeiten.«

»Hast du etwas erfahren?«

»Ich habe sieben gefangen genommen. Sie alle sagen aus, sie hörten von Chmielnizki, daß er heranziehe, daß er aber wohl noch weit sei. Welch eine Nacht!«

»Hell wie der Tag. Wie geht dir's nach dem Fall?«

»Die Knochen tun mir weh! Ich will noch unserem Herrgott danken und dann schlafen gehen, ich bin müde. Wenn man nur wenigstens zwei Stunden ruhen könnte.«

»Gute Nacht.«

»Geht auch Ihr,« sagte Skrzetuski zu Sagloba, »denn es ist spät, und morgen gibt's Arbeit.« Sie gingen, sprachen das Vaterunser und legten sich bei den Wachtfeuern nieder. Bald begannen die Feuer eines nach dem anderen zu erlöschen. Das Lager hüllte sich in Dunkelheit – nur der Mond warf seinen silbernen Glanz auf dasselbe und beleuchtete immer neue Gruppen von Schlafenden. Die Stille wurde nur von dem allgemeinen mächtigen Schnarchen und von den Rufen der Posten, die das Lager bewachten, unterbrochen.

Aber der Schlaf schloß nicht auf lange Zeit die schweren Lider der Soldaten. Kaum erhellte der erste Morgenschein die Schatten der Nacht, als von allen Seiten des Lagers die Trompeten zum Erwachen bliesen.

Eine Stunde später zog sich der Fürst zum großen Erstaunen der Ritterschaft auf der ganzen Linie zurück.


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