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Der Blanko-Check

Indessen sind wir wiederum von der östlichen Diplomatie hoffnungslos überlistet, als direkte Folge dieses unseligen Ausbruchs von Scheinheiligkeit über Verträge. Jedermann hat immer wieder gesagt, daß dieser Krieg der schrecklichste Krieg ist, der je unternommen wurde. Niemand hat es gesagt, daß dieser neue Vertrag der schrecklichste Blanko-Check ist, den wir jemals durch den Trick unserer Parlamentspartei eine moralische Pose einzunehmen, zu unterschreiben gezwungen wurden. Es ist wahr, daß Mr. J. A. Hobson die Gelegenheit erfaßte, und man ihm gestattet hat, in einer Ecke darüber zu winseln. Wo aber war der Trompetenstoß der Warnung, der durch unsere ganze Presse hätte gehen müssen? Man überlege, was der Blanko-Check bedeutet. Frankreichs Wechsel darauf mag bei den Kosten der Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen Halt machen. Wir werden uns mit ein paar Streifen deutschen Kolonialbesitzes und mit der Schwergewichtsmeisterschaft zufrieden geben müssen.

Aber Rußland? Wann wird Rußland sagen: Genug!? Angenommen, es will nicht nur Polen, sondern Baltisch-Preußen? Angenommen, es will Konstantinopel als Zugangshafen zum eisfreien Meer, außer der Zerstückung von Österreich? Angenommen, es hat die glänzende Idee, ganz Preußen zu annektieren, wofür vom Standpunkt ethnographischer Kartenschneider, militaristischer Narren und panslawistischer Wahnwitziger sich einiges sagen ließe. Es mag eine vernünftige Maßnahme sein, doch sie wäre umfangreich, und die Tatsache, daß wir ohne Kenntnis des Parlaments, ohne Diskussion, ohne Voranzeige, ohne irgendeinen Anruf der öffentlichen Meinung oder demokratische Sanktionierung durch einen Federstrich von Sir Edward Grey dazu verpflichtet wurden, fünf Wochen, nachdem er uns auf gleiche Art zu einem schrecklichen europäischen Krieg verpflichtet hat, diese Tatsache zeigt, wie gänzlich das Auswärtige Amt jedweden Anspruch fallen ließ, weniger eigenmächtig zu sein, als der Kaiser selbst. Es gibt einfach den Heeren der Verbündeten carte blanche, ohne ein Wort zur Nation, bevor der Check unterschrieben ist. Die einzige Begrenzung zu dieser Verpflichtung ist die Gewißheit, daß der Check nicht honoriert werden wird, sobald diese Verpflichtung als zu schwer sich erweist. Und daraus könnte ein trefflicher Vorwand für einen andern Krieg zwischen den Verbündeten selbst entstehen. Jedenfalls kann kein Vertrag den einzelnen Verbündeten vor der rohen Notwendigkeit bewahren, sich zu ergeben und dafür zu büßen, wenn er geschlagen wird, ob nun die Niederlage von den andern geteilt wird oder nicht. Sagte ich nicht, daß, je eher wir uns über die Friedensbedingungen schlüssig werden, so daß wir wissen, wofür wir kämpfen und wie weit wir verpflichtet sind, um so besser? Statt dessen unterschreiben wir einen lächerlichen »Fetzen Papier«, um uns die unerträgliche Mühe des Denkens zu ersparen.


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