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Heikle Stellung von Mr. Asquith

Es schien eine glänzende Gelegenheit für die Regierung, sich an die Spitze der Nation zu stellen. Aber keine britische Regierung hat, soweit ich zurückdenken kann, jemals die Nation verstanden. Mr. Asquith, treu der Gladstonetradition (kaum gerecht gegen Gladstone, nebenbei), daß ein liberaler Premierminister über auswärtige Politik nichts wissen und noch weniger sich darum kümmern soll, und von gelassener Gleichgültigkeit gegen die wirkliche Natur der allgemeinen Erregung, griff zurück bis 1829, nahm den augenfälligen Advokatengrund über die Verletzung der Neutralität Belgiens auf und versuchte es mit dem ebenso einleuchtenden Kniff über ein »niederträchtiges Angebot« vor dem Gerichtshof. Er versicherte uns, daß niemand für den Frieden hätte mehr tun können als Sir Edward Grey, obwohl sein ungestümes Losgehen gegen den Kaiser das Populärste war, was Sir Edward jemals getan hatte.

Außerdem war da eine andere Schwierigkeit. Mr. Asquith selbst, obwohl gänzlich überzeugt davon, er sei ein liberaler Staatsmann, ist tatsächlich ziemlich dasselbe, was der Kaiser gewesen wäre, wäre er ein Yorkshireman und ein Rechtsanwalt, statt nur halb Englisch und die andere Hälfte Hohenzollern und ein gesalbter Herrscher obendrein. Mit Bezug auf die Freiheit der Völker wird die Geschichte zwischen Mr. Asquith und Metternich keinen Unterschied machen. Asquith mußte auf dem sicheren akademischen Boden der belgischen Frage verbleiben, wegen der sehr einleuchtenden Erwägung, daß, begänne er von den kaiserlichen Gefangensetzungen von Redakteuren und demokratischen Volksrednern und so weiter zu sprechen, ein homerisches Gelächter sofort seine Pose zerstören würde, mit Ausrufen wie: »Was ist es mit Denshawai?« »Was kostet Tom Mann?« »Frauenstimmrecht!« »Waren Sie kürzlich in Indien?« »Macht McKenna zum Kaiser!« »Oder den lieben alten Herbert Gladstone.« Die andere Tatsache ist die, daß, abgesehen vom Militarismus, Deutschland in Wirklichkeit vielfach demokratischer ist als England. Tatsächlich wurde der Kaiser von seinen Junkern ganz offen als Feigling angegriffen, weil er an Gleichgültigkeit gegen freiheitliche Grundsätze und gänzlicher Unkenntnis der Sympathien, Anschauungen und Interessen der arbeitenden Klassen an Mr. Asquith nicht heranreicht.

Mr. Asquith mußte auch die öffentliche Aufmerksamkeit davon ablenken, daß drei offizielle Mitglieder seiner Regierung, lauter Männer von zweifellosem und offenkundigem Patriotismus und verständnisvoller Ehrlichkeit, bei der Kriegserklärung sich sofort ins Privatleben zurückzogen. Einer derselben, Mr. John Burns, tat das mit sehr großen persönlichen Opfern und hat seither ein zürnendes Schweigen bewahrt, weit beredter als der berühmte Speech, den Deutschland ihm in den Mund gelegt hat. Es wird nicht allgemein geglaubt, daß diese drei Staatsmänner aus Leidenschaft für die Verletzung belgischer Neutralität so gehandelt haben.

Im ganzen war es für die Regierung unmöglich, ihre große Gelegenheit wahrzunehmen und sich an die Spitze der Volksbewegung zu stellen, die Sir Edward Greys Erklärung hervorrief. Aus dem sehr einfachen Grunde, daß die Regierung nicht die Nation vertritt und in ihren Neigungen ebensosehr eine Junker-Regierung ist als die des Kaisers. Was die Regierung nicht vermochte, mußte darum von außeramtlichen Personen mit sauberem und glänzendem Anti-Junker-Ruf getan werden, wie Mr. Wells, Mr. Arnold Bennett, Mr. Neil Lyons und Mr. Jerome K. Jerome. Weder Mr. Asquith noch Sir Edward Grey können, so wie diese wirklichen Wortführer ihrer Zeit es tun, die Tatsache erfassen, daß wir einfach der »Potsdamnation« daheim und anderwärts ein Ende zu machen wünschen. Sie beide halten wahrscheinlich Potsdam für eine sehr schöne und beneidenswerte Einrichtung und wünschen England, es Potsdam vorauszutun und die Beherrschung des Meeres zu monopolisieren. Ein ungeheuerlicher Anspruch! Wie ich es auffasse, wünschen wir diese Herrschaft zur See, als ein gemeinsames menschliches Erbteil, dem schwächsten Staat und dem armseligsten Fischer zu gewährleisten, der für seinen Lebensunterhalt vom Meere abhängt. Wir wünschen die Nordsee für jedermann, ob Engländer, ob Deutscher, ebenso sicher als Portland Place.


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