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Was Deutschland getan haben sollte

Zunächst, da ich Kritiker verachte, die Leute ins Unrecht setzen, ohne die Fähigkeit, sie auch zu berichtigen, will ich, bevor ich mit meiner Kritik unserer offiziellen Stellungnahme weiterfahre, der Regierung und dem Auswärtigen Amt den Dienst erweisen, eine korrekte, offizielle Stellungnahme für sie zu finden; denn ich gebe zu, daß die volkstümliche Stellungnahme, wenngleich soweit richtig, für den offiziellen Gebrauch ungeeignet ist. Diese korrekte offizielle Stellungnahme kann nur gefunden werden, wenn man überlegt, was Deutschland getan haben sollte und wohl auch getan haben würde, wäre es nicht, wie unsere eigenen Junker, so sehr verblendet durch die fixe Idee des Militarismus und besessen von der chronischen militaristischen Panik, daß es ihm gar so eilig war, den Teufel an die Wand zu malen. Die Sache ist einfach genug. Deutschland hätte die Sicherheit seiner westlichen Grenze der öffentlichen Meinung von Westeuropa und Amerika anvertrauen und, wenn angegriffen, gegen Rußland kämpfen sollen, ohne besondere Deckung im Rücken. Die militaristische Theorie lautet, daß wir, Frankreich und England, sofort Deutschland von hinten überfallen haben würden. Das zeigt eben, wie die militaristische Theorie ihre Anhänger in Schwierigkeiten bringt, durch die Voraussetzung, Europa sei ein Schachbrett. Europa ist aber nicht ein Schachbrett, sondern ein bevölkerter Kontinent, auf dem sehr wenige Leute das militärische Schachspiel betreiben. Und eben diese Wenigen haben noch vieles andere zu beachten, als den Fang des gegnerischen Königs. Nicht nur wäre es für England unmöglich gewesen, unter solchen Umständen Deutschland anzugreifen, sondern, wenn Frankreich das getan hätte, hätte England ihm nicht beispringen können und hätte sogar durch die öffentliche Meinung gezwungen werden können, in Form eines gemeinsamen Protestes mit Amerika oder selbst eines bewaffneten Eingreifens zu Deutschlands Gunsten zu handeln, wäre dieses von beiden Seiten mörderisch bedrängt worden. Sogar unsere Militaristen und Diplomaten würden für eine solche Intervention Gründe gehabt haben. Eine agressive franko-russische Hegemonie, die Deutschland zerschmettert hätte, wäre für uns ebenso unangenehm als eine deutsche. So hätte Deutschland im schlimmsten Fall gegen Rußland und Frankreich zu kämpfen gehabt, mit dem Wohlwollen aller anderen Mächte für sich und mit der Möglichkeit tätigen Beistands von einigen derselben. Besonders derer, die seine Feindschaft gegen die russische Regierung teilten. Hätte Frankreich Deutschland nicht angegriffen – und wenn ich auch über die Bedingungen des franko-russischen Bündnisses ebenso unwissend bin, wie Sir Edward Grey merkwürdigerweise zu sein sich begnügt, vermag ich nicht zu sehen, wie die französische Regierung vor ihrem eigenen Volk einen schrecklich gefährlichen Angriff auf Deutschland hätte begründen können, falls Rußland der Angreifer gewesen wäre – Deutschland hätte sich für seinen Kampf mit Rußland ehrlich Spiel gesichert. Doch sogar der Kampf mit Rußland war nicht unvermeidlich. Das Ultimatum an Serbien war ein wahnwitziger Einfall; ein schlimmeres Verbrechen als der Mord, der es verursachte. Es besteht kein Grund, an der Schlußfolgerung in Sir Maurice de Bunsens Depesche (Nr. 161) zu zweifeln, daß man darüber hinausgekommen wäre, und daß Rußland und Österreich es sich überlegt haben würden zu kämpfen und sich verständigt hätten. Es war tatsächlich Friede unter den Karten, und um diesen hätte man spielen sollen.


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