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Der Tag des Gerichts

Wir wollen hoffen, daß die europäische Verständigung bei Kriegsende nicht von einer Regimentstafel von Eisenfressern verwirklicht werden wird, die um eine umgestülpte Trommel in einem besiegten Berlin oder Wien Sitzung halten, sondern auf einer Art Kongreß, auf dem alle Mächte (sehr notwendigerweise auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika) vertreten sein werden. Ich erblicke nun eine gewisse Gefahr darin, daß wir auf einem solchen Kongreß überrascht sein werden und unnötig schwierig und unvernünftig uns verhalten werden, wenn wir uns dort in der Rolle der beleidigten Unschuld aufspielen. Man wird uns in dieser Rolle nicht gelten lassen. Ein derartiger Kongreß wird uns ganz sicher nächst Preußen (wenn er diese Ausnahme überhaupt zuläßt) für das streitsüchtigste Volk der Welt ansehen. Ich bin mir wohl bewußt, daß diese Voraussage bei meinen hochmütigeren Lesern (die Deutschen sagen hochnäsig) Überraschung und Ärger verursachen wird. Ich will deshalb dieses Thema behutsam anfassen, indem ich mich zunächst über den Begriff von Junkertum und Militarismus im allgemeinen verbreite, sowie auch über die Geschichte der literarischen Propaganda für einen Krieg zwischen England und Potsdam, wie sie die letzten vierzig Jahre von beiden Seiten offen betrieben wurde. Ich erbitte die Geduld meiner Leser während dieser schmerzlichen Operation. Sollte es unerträglich für sie werden, so können sie jederzeit das Blatt weglegen und Erholung darin finden, daß sie etwa zwanzigmal den Kaiser einen Attila und Keir-Hardie einen Verräter nennen. Ich hoffe, sie werden dann genügend erfrischt sein, um weiter lesen zu können. Ihr Schimpfen auf den Kaiser oder Keir-Hardie oder mich wird schließlich den Deutschen nicht weh tun, wogegen eine klare Übersicht der politischen Lage uns sicherlich von Nutzen sein wird. Ich glaube übrigens nicht, daß der wahre Engländer in seinem Innersten an der Pose der beleidigten Unschuld mehr Freude hat als ich selbst. Er nimmt diese Pose lediglich an, weil man ihm gesagt hat, sie sei wohlanständig.


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