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Nichts gelernt, alles vergessen

Doch ich will die militaristische Theorie nicht an einer hypothetischen Zukunft prüfen, sondern an der erfüllten und unwiderruflichen Vergangenheit. Ist es wahr, daß Völker erobern müssen oder untergehen und daß militärische Eroberung Gedeihen und Macht für den Sieger und für den Besiegten Vernichtung bedeutet? Ich habe bereits vorübergehend auf die Tatsache hingewiesen, daß Österreich wiederholt besiegt worden ist: von Frankreich, von Italien, von Deutschland, fast von jedem, dem es der Mühe wert schien, Händel mit ihm zu suchen, und doch ist es eine der Großmächte und wurde vom unbesiegbaren Deutschland als Bundesgenosse begehrt. Frankreich wurde 1870 von Deutschland in einer Weise niedergeworfen, die unglaublich schien, dennoch hat Frankreich sein Territorium seither erweitert, während Deutschland immer noch vergeblich einen Platz an der Sonne anstrebt. Rußland wurde von Japan in der Mandschurei derart geschlagen, daß der alte Begriff, der Westen sei dem Osten von Natur aus militärisch überlegen, für immer seine Geltung verlor. Dennoch ist es die Furcht vor Rußland, die Deutschland in seinen jetzigen verzweifelten Angriff gegen Frankreich trieb. Und es ist das Bündnis mit Rußland, von dem Frankreichs und Englands Sicherheit für einen endgültigen Erfolg abhängen. Wir selbst gestehen ein, daß die militärische Tüchtigkeit, mit der wir die Deutschen so sehr überrascht haben, nicht die Wirkung von Waterloo und Inkerman ist, sondern die der Schläge, die wir von den Buren bekamen, die wahrscheinlich uns besiegt hätten, wären wir ihnen an Zahl nicht überlegen gewesen. Griechenland hat sich wenige Jahre nach einer schmählichen Niederlage durch die Türken letzthin kriegerisch ausgezeichnet. Es wäre leicht, die Einzelheiten um solche aus der älteren Geschichte zu vermehren. Zum Beispiel die Rückwirkung auf Englands Stellung nach den wiederholten Niederlagen unserer Truppen durch die Franzosen unter Luxembourg im Krieg um den Kräfteausgleich Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Sie unterscheiden sich überraschend wenig, wenn überhaupt, von der Nachwirkung unserer späteren Siege unter Marlborough. Und die Folgerung der militaristischen Theorie, daß die Staaten, die zurzeit nicht als Militärstaaten zählen, überhaupt nicht zählen, ist offenkundig absurd. Monaco scheint im ganzen der gedeihlichste und wohnlichste Staat Europas zu sein.


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