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Wie die Nation es aufnahm

Als er sagte, wir könnten nicht mit gekreuzten Armen zur Seite stehen und zusehen, wie unser Freund und Nachbar Frankreich beschossen und bekämpft würde, erhob sich die ganze Nation in Zustimmung. Das ganze Mißtrauen des Auswärtigen Amtes in die öffentliche Meinung, die Verheimlichung des englisch-französischen Feldzugsplanes, die Maskerade der Entente unter einem Quäkerhut und die Täuschung der englischen Öffentlichkeit und des Kaisers durch ein und dieselbe Ausflucht war gänzlich unnötig gewesen, wie die meisten dieser Kniffe, von denen Diplomaten meinen, sie seien schlau und machiavellistisch. Das britische Publikum stand die ganze Zeit hinter Mr. Winston Churchill. Es hatte von Sir Edward erwartet, daß er genau das tat, was Sazonoff von ihm zu tun verlangte und was ich in den Spalten der Daily News anregte, er möge es neun Monate früher tun (man muß mir wirklich zugestehen, daß ich nicht nur hinterher klug bin), nämlich bis zu den Zähnen sich waffnen, unbekümmert um die Kosten, die für uns nur ein Flohbiß gewesen wären, und Deutschland erklären, daß, wenn es Frankreich anrühre, wir uns mit Frankreich vereinigen würden, um Deutschland zu schlagen. Und gleichzeitig zum Trost für diese Bedrohung ihm die Sicherheit bieten, daß wir ebenso gegen Frankreich vorgehen würden, wenn dieses mutwillig den Frieden bricht, indem es Deutschland angriff. Kein nicht amtlicher Engländer von Witz wollte heuchlerisch über unsere Friedensliebe sich schneuzen, über unsere Achtung vor Verträgen, unsere feierliche Annahme einer schmerzlichen Pflicht und die übrige ekelhafte Mischung von Schulmeistergeschwätz, Provinzblatt-Cant und Kinomelodrama, womit man uns überschwemmt hat. Wir waren durchaus bereit, des Kaisers Kopf abzuschneiden, nur um ihm zu zeigen, daß, wenn er dachte, er könnte rücksichtslos Europa überreiten, unsere neuen Freunde, die Franzosen und das tapfere kleine Belgien, eingeschlossen, er ohne Old England gerechnet hatte. Und in dieser streitsüchtigen, doch vollkommen ehrlichen und menschlichen Haltung bedurfte die Nation keiner Entschuldigung, denn die Nation wußte ehrlich nichts davon, daß wir den Kaiser überrumpelten, oder daß das französisch-russische Bündnis ebensosehr eine Friedensbedrohung war wie das deutsch-österreichische. Aber das Auswärtige Amt wußte das sehr wohl und begann deshalb überflüssige, unaufrichtige und recht häßliche Entschuldigungen in großem Maßstab zu erfinden. Die Nation hatte ein reines Gewissen und machte sich tatsächlich keiner herausfordernden Taktik schuldig. Das Auswärtige Amt hatte keine reinen Hände und wollte nicht dabei ertappt sein, daher seine Predigten.


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