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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Der Brief war mit einem bloßen E unterzeichnet, und die Schrift wies eine solche Eleganz, Stil und Ausdruck eine solche Gewähltheit auf, daß Jeanie wohl im Zweifel hätte sein können, von wem er käme; aber sie wußte es auf den ersten Blick, daß er von Effie kam.

»Herzliebe Schwester!« schrieb sie. »Es mag gefährlich für mich sein, Dir zu schreiben, aber ich schreibe Dir, auf alle Gefahr hin, um Dir endlich ein Lebenszeichen zu geben, um Dir endlich zu sagen, daß ich mich auch in weltlicher Lage eines weit besseren Geschicks erfreuen darf, als ich verdiene, als ich je habe erwarten dürfen. Sind Reichtum, Rang und Ehren Faktoren, das Glück einer Frau Zu begründen, so bin ich glücklich, denn ich besitze dies alles; Du aber, Jeanie, die den Anschauungen der Welt nach in einer soviel tieferen Klasse lebt als ich, Du bist doch weit, weit glücklicher als ich. Wäre ich nicht imstande gewesen, hin und wieder Nachrichten über Dein Befinden zu bekommen, hätte ich nicht gewußt, daß es Dir gut geht, so wäre, glaube mir, mir das Herz schon lange gebrochen. O, wie innig hat es mich gefreut, daß drei Kinderchen Dein Glück vermehren; wir, Jeanie, wir sind solches Segens nicht würdig! Zwei Kinder sind uns schnell hintereinander entrissen worden, und nun sind wir kinderlos! Doch, wie Gott will! Aber hätten wir ein Kind, so möchte es ihn wohl von den finsteren Gedanken ableiten, die ihn sich selbst ein Schrecken sein lassen. Aber, Jeanie, sorge Dich nicht um mich deshalb; denn gegen mich ist er nach wie vor der beste Mann, und mein Schicksal hat sich wirklich weit, weit besser für mich gestaltet, als ich verdient hätte. Du wunderst Dich gewiß über meine bessere Schrift und Ausdrucksweise? Nun, als wir im Auslande lebten, hat mir mein Mann die besten Lehrer gehalten, und ich, bin eine fleißigere Schülerin gewesen, als Du mir wohl zutraust; aber weil ihn meine Fortschritte im Lernen erfreuten, habe ich mir keine Mühe verdrießen lassen. O, glaube mir, Jeanie, er ist gut, sehr gut, wenn ihn auch viel, vieles, besonders aus der Vergangenheit, bedrückt und bekümmert. Wenn, ich mich in die Vergangenheit versenke, dann blinkt mir immer ein heller Strahl entgegen, die Großmut meiner Schwester, die mich nicht vergaß, als mich jedermann vergessen hatte, die mir Hilfe und Beistand leistete, als mich alles verließ. Gott segne Dich nach wie vor dafür, Schwester!

»Als mein Mann in sein väterliches Erbe trat, führte er mich in seine Familie als«die Tochter eines vornehmen schottischen Edelmannes ein, der zur Zeit der Unabhängigkeitskämpfe aus dem Lande verwiesen worden sei und mich in einem Kloster habe erziehen lassen. Lange genug, um solche Rolle wahrscheinlich zu machen, habe ich ja in solcher Klausur verlebt. Treffe ich aber einmal mit einem Schotten zusammen und werde ich über die Familien gefragt, die an jenen Unruhen mitbeteiligt waren, dann beschleicht mich immer ein schreckliches Gefühl von Angst, daß ich mich verraten könnte, besonders wenn ich sehe, wie sein Auge sich dann auf mich richtet. Bis jetzt haben ja Courtoisie und Bonhommie mich vor allzu dringlichen Fragen bewahrt; aber sollte ich hierdurch Schmach über ihn bringen, so sagt mir mein Gefühl, daß er mich hassen würde, daß er mich, so innig er mich auch liebt, verstoßen, wenn nicht töten würde, denn er ist auf die Ehre seines Hauses jetzt ebenso eifersüchtig, wie sie ihm einst gleichgültig war.

»Ich bin schon vier Monate lang m England und habe Dir schon oft schreiben wollen; fürchtete mich aber vor der Gefahr, daß ein Brief aufgefangen werden könnte, und unterließ es noch immer. Jetzt aber muß ich es auf diese Gefahr ankommen lassen. Vorige Woche lernte ich nämlich den Herzog v. A. kennen; er wurde mir vorgestellt und machte mir in meiner Loge seine Aufwartung. Eine Szene in dem Theaterstücke brachte ihm Dich in Erinnerung. Und denke Dir! er erzählte nun allen, die mit in der Loge waren, das Heldenstück Deiner schwesterlichen Aufopferung! Hätte er geahnt, daß er in mir jene Elende vor sich hatte, über die er nicht mit den zartesten Reden herzog, wer weiß, was dann noch gekommen wäre! Welche Qualen ich dabei litt, kann ich Dir nicht beschreiben. Eine Zeitlang habe ich sie ertragen; dann aber überstieg es meine Kräfte, und eine Ohnmacht umfing mich. Sie wurde der in dem Raume herrschenden Hitze beigemessen,, von manchen auch meiner großen Teilnahme an dem Schicksale des unglücklichen Mädchens. Und ich, ich vollendete Heuchlerin ließ beides gelten, O! ein Glück, daß »Er« nicht dabei war! Aber die Begebenheit blieb nicht ohne Folgen. Ich sehe Deinen Freund jetzt öfter, und niemals unterläßt er es, von E. D., J. D., von R. B. und D. D. zu reden, die so glücklich gewesen seien, mein Interesse in so hohem Maße zu fesseln. Und das alles wird mir gesagt in jenem gräßlichen Tone zeremonieller Seichtheit, in dem sich die »Hautvolée«, über die tragischsten Vorkommnisse zu unterhalten pflegt. In der ersten Unterhaltung mit dem Herzoge kamen die Dinge Schlag auf Schlag, und jetzt, jetzt martern mich Nadelstiche langsam zu Tode.

»Der H. v. A. gedenkt im nächsten Monat Schottland zu besuchen, weil er dort jagen will. Wie er sagt, nimmt er im Pfarrhause von R. B. regelmäßig die Mahlzeiten ein. Sei also auf Deiner Hut, Jeanie, falls er die Rede auf mich bringen sollte, und laß Dir nicht etwa was merken! Wiederum ruht E.'s Leben in Deiner Hand, Du getreue Schwester! Wieder sollst Du sie beschützen, damit ihr das fremde Gefieder nicht ausgerupft werde! damit sie nicht entlarvt, nicht gebrandmarkt werde von eben dem, der sie auf die erste Stufe zu dem glitzernden Gipfel hinaufführte, auf dem sie jetzt steht ... Was ich Dir beifüge, Jeanie, lehne nicht ab; ich nehme es von meinem Nadelgelde, und ich will es Dir hinfort zweimal im Jahre senden ... Ist's Dir recht, so kann ich es, ohne mir wehe zu tun, verdoppeln. Bei Dir kann das Geld wohl nützliche Zinsen bringen ... bei mir nie!

Schreib mir recht bald, Jeanie! Sonst schwebe ich in der schrecklichsten Angst, daß diese Zeilen in unrechte Hände gefallen sein könnten ... Adressiere die Antwort nur an L. S. und lege sie ohne eine begleitende Zeile in einen Umschlag, den Du an Seine Hochwürden George Whiterose, Pfarrer zu York, richtest. Er befindet sich in der Meinung, ich stände mit einem jakobitischen Verwandten vom Hochadel in Schriftwechsel. Wüßte er, daß er den Brief nicht für Euphemia Seton aus dem hohen Hause von Winton besorgt, sondern für E. D., eines presbyterianischen Viehpächters jüngste Tochter: wie würde das dem geistlichen Herrn in die Glieder fahren! Ich glaube, die Röte der Entrüstung wiche wochenlang nicht von seiner echt jakobitischen Wange! O, Schwester! Du siehst, ich kann noch immer einmal lustig sein; aber, Kind! Gott schütze Dich vor solcher Lustigkeit! Der Vater Dein Vater, Jeanie, wollte ich schreiben, möchte es vergleichen mit dem Prasseln dürren Dorngestrüpps, aber die Dornen verbrennen dabei nicht mit, sondern bewahren ihre Spitzen. Lebe wohl, Jeanie! Zeige den Brief niemand, auch Deinem Manne nicht! Ich achte ihn gewiß hoch; aber er ist ein Mann von strengen Grundsätzen, und meine Situation verträgt keine Strenge ...

Mit treuer schwesterliche Liebe Deine E.«

Es war gar manches, was in dem langen Briefe Frau Butlers Staunen sowohl als Schmerz wachrufen konnte. Was ihr aber tatsächlich in dem Briefe mißfiel, war die Selbstsucht, die aus manchen Sätzen sprach, und die sie zu dem Schlusse brachte, daß Effie vielleicht auch jetzt nichts von sich hätte hören lassen, wenn es ihr nicht darum zu tun wäre, dem Herzog von Argyle ihre niedrige Herkunft zu verheimlichen. »An sich,« sagte Jeanie traurig, »hat ja doch Effie immer mehr als an andere gedacht!« Dann war es die Geldsumme, die Effie beigelegt hatte. »Fünfzig Pfund! Sieht es nicht aus, als wollte sie mich damit beschwichtigen oder gar bestechen? Wir haben doch, was wir brauchen, und daß ich ihr für alle Schätze Londons kein Leid antun möchte, dessen kann sie sich doch versichert halten. Aber mit meinem Manne muß ich darüber reden. Was sie von diesem redlichen Herzen zu befürchten hätte, wüßte ich nicht; bloß den lärmigen Hauptmann will ich zuvor aus dem Hause lassen«. Sie ging zur Tür, blieb aber auf der Schwelle stehen und drehte sich um ... »Ich weiß wahrhaftig nicht, wie mir zu Mute ist,« sagte sie, »so töricht, mich darüber zu ärgern, daß Effie eine vornehme Dame, ich aber bloß eine Pfarrersfrau geworden, bin ich doch wahrlich nicht, und doch verdrießt es mich, während ich doch vielmehr dem lieben Gott dankbar sein sollte, daß er sie aus Not und Schande erlöst hat!«

Es gelang ihr aber, die Empfindung von Unmut zu bekämpfen, die in ihr aufgestiegen war, und sie begab sich in das kleine Wohnzimmer zurück, wo ihr Mann und Knockdunder eben ihr Spiel beendigten. Der letztere bestätigte, was der Brief ihr gemeldet hatte, daß die Ankunft Seiner Herrlichkeit in den nächsten Tagen zu erwarten sei. »Es wird eine gute Jagd setzen, denn an Wildbret mangelt es, Gott sei Dank! in Auchingower noch immer nicht, und soweit ich unterrichtet bin, gedenkt der Herr, wie es immer seine Gewohnheit war, im Pfarrhause zu speisen.« »Ich denke, das Recht dazu möchte ihm wohl niemand bestreiten wollen,« versetzte Frau Butler. »Freilich, freilich, Frau Pfarrerin! Aber ich meine, Ihrem Vater sagten Sie doch vielleicht lieber, daß er sein Vieh in Ordnung hielte und auf ein paar Tage seinen presbyterianischen Kram an den Nagel hinge; denn kein Wort darf man gegen die Biester fallen lassen, ohne daß er einem mit einem Worte aus der Bibel Antwort gibt und unter Männern, wenn nicht gerade einer davon ein Pfaffe ist, schmeckt einem so etwas doch ein bißchen herb und sauer.« '

In der andern Woche traf, wie Effie geschrieben, der Herzog auf Roseneath ein und meldete sich in der Pfarrei als Gast an; schon bei dem ersten Mittagessen, das er dort einnahm, brachte er gleich die Rede auf Lady Staunton von Willingham in Lincolnshire und erzählte von dem Aufsehen, das ihr Witz und ihre Schönheit in London wachriefen. Jeanie hatte sich doch anders besonnen, als Hauptmann Knockdunder in seiner »sechsspännigen Equipage« wieder abgefahren war. Sie hatte sich gesagt, daß es ein gar zu schreckliches Geheimnis sei, das sie ihrem Manne offenbaren müsse, wenn sie ihn von dem durch den Hauptmann ihr überbrachten Briefe Kenntnis geben wolle. Wie konnte sie wissen, ob er es mit seinem geistlichen Berufe für vereinbar halte, dasselbe in seinem Heizen zu verschließen? Daß Effie mit jenem schrecklichen Robertson entflohen sei, mußte er ja ohnehin annehmen, aber davon, daß dieser Robertson identisch sei mit Georg Staunton, der eine solche Stellung jetzt in der englischen Gesellschaft einnahm, davon wußte er nichts, und das ahnte er auch gewiß nicht! Darum hielt sie es für richtiger, dem Manne gegenüber reinen Mund zu halten: das Geld wollte sie erst zurückschicken, entschied sich aber später ebenfalls anders, indem sie sich vornahm, es auf die Erziehung der Kinder zu verwenden.

Die Worte des Herzogs trafen sie also in mancher Hinsicht nicht unvorbereitet; in anderer Hinsicht aber überraschten sie dieselben. Nie hätte sie für möglich gehalten, daß Effie in ihrer Bildung es so weit bringen werde, daß sie die Aufmerksamkeit der Londoner Gesellschaft, wie der Herzog sagte, damit wachrief; war es ihr doch nicht bekannt, daß man in den höheren Ständen über die Menschen ebenso gern herzieht, wie in den unteren Klassen. Der Herzog bemerkte vielleicht einen Zug von Ungläubigkeit in dem Gesichte der Frau Pfarrerin, denn er setzte jetzt hinzu: »O, wie ich Ihnen sage; sie war im vergangenen Winter die gefeiertste Schönheit, der leuchtende Stern! Keine Dame, die beim Geburtsfeste Seiner Majestät zur Cour erschien, konnte mit ihr wetteifern!«

»Wie zur Cour? Wie bei Hofe?« und Jeanie dachte der Audienz, die sie selbst bei der Königin gehabt, und all die seltsamen Umstände, unter denen sie sich vollzogen hatte, zogen noch einmal an ihrem Geiste vorüber.

»Ich spreche nur darum Ihnen gegenüber von dieser Dame,« bemerkte der Herzog, »weil mich der Klang ihrer Stimme und der Schnitt ihres Gesichts in so eigentümlicher Weise an Sie erinnerte, Frau Butler; aber wenn Sie so bleich aussehen wie heute, dann verliert sich dieser Zug von Ähnlichkeit. Sie haben sich gewiß zu sehr angestrengt um meinetwillen, Frau Butler. Ich muß Sie deshalb schon bitten, mir mit einem Gläschen Wein Bescheid zu tun.« Während sie der Aufforderung des Herzogs nachkam, meinte Reuben, es sei für eine schlichte Predigersfrau doch eine gar nicht so unverfängliche Schmeichelei, durch herzogliche Durchlaucht mit einer Schönheit bei Hofe verglichen zu werden. »Ei, ei! Herr Pfarrer, Sie werden doch nicht etwa eifersüchtig? Damit kämen Sie aber ein bißchen zu spät; denn ich gehöre ja schon geraume Zeit zu den Verehrern Ihrer lieben Frau. Aber im Ernste, zwischen den beiden Damen besteht Aehnlichkeit, und zwar eine jener unerklärlichen Ähnlichkeiten, die man in Gesichtern findet, die, sich doch eigentlich nicht ähnlich sehen.« Jeanie mochte fühlen, daß es einen ungünstigen Eindruck auf den Herzog machen müßte, wenn sie sich aller Aeußerung zu der Frage enthielte, und meinte, die Aehnlichkeit könne vielleicht mehr in dem Anklange des hochländischen Idioms liegen als im Aussehen oder doch den Eindruck desselben wesentlich beeinflussen. »Sie dürften mit dieser Meinung den eigentlichen Kernpunkt getroffen haben,« erwiderte der Herzog, »die Dame, ist tatsächlich Schottin und spricht auch das Englische mit schottischem Accent, ja hin und wieder passiert es ihr, daß ihr eine echt provinzielle Wendung entschlüpft, was sich aber immer wie lauter Poesie anhört. »Ich hätte gemeint,« warf Reuben Butler dazwischen, »daß die vornehme Welt eine Redeweise, die sich nicht frei von provinziellen Wendungen zu halten weiß, für vulgär ansieht?« »Nicht im geringsten, lieber Herr Pfarrer, nicht im geringsten,« antwortete der Herzog, »denn Sie dürfen nicht etwa meinen, die Dame spräche jenes grobe schottische Platt, das man in den Edinburger Vorstädten hört ... Meines Wissens hat die Dame überhaupt nur wenig in Schottland gelebt, sondern ist in einem ausländischen Kloster erzogen worden. Sie spricht das reine, vornehme Schottisch, das zu meiner Jugendzeit am Hofe gesprochen wurde, aber jetzt leider so außer Gebrauch gekommen ist, daß es einen wie fremdartig anmutet, wenn man es noch einmal hört.«

So große Beklommenheit Jeanie fühlte, konnte sie sich doch nicht genug wundern, wie sich auch ein so feiner Kenner der gesellschaftlichen Verhältnisse wie der Herzog von Argyle von einer vorgefaßten Meinung so vollständig beherrschen lassen konnte. Der Herzog aber fuhr fort: »Die Dame entstammt dem vom Unglück schwerverfolgten Geschlechte der Wintons. Infolge ihrer im Auslande vollendeten Erziehung ist sie jedoch mit ihrem Stammbaume nicht recht vertraut, und begrüßte es recht dankbar, als ich ihr sagte, daß sie ein Seton von Windygout sei. Vergleiche hierüber den Roman »Der Abt« von Walter Scott. Ich hätte Ihnen gewünscht, die Röte zu sehen, die infolge dieser Belehrung ihre Wangen färbte. Ich wurde an die Rose erinnert, die verborgen und ungepflückt im keuschen Schatten eines Klostergartens blüht.«

» Ut flos in septis secretus nascitur hortis Wie das Blümchen erblüht, versteckt im umfriedeten Garten,« konnte der an klassischen Sentenzen reiche Pfarrer sich nicht erwehren, aus Catull zu zitieren, während die Frau Pfarrerin es kaum für möglich halten konnte, daß sich alle die Reden und Worte auf ihre einst so unglückliche Schwester beziehen sollten. Sie meinte jedoch, die Gelegenheit, die sich ihr so unerwartet bot, über Effies Verhältnisse einiges Nähere zu erfahren, wahrnehmen zu sollen, wenn auch nur, um sich über die bangen Sorgen hinwegzutäuschen, in die sie durch die Aeußerungen des Herzogs versetzt wurde; darum wagte sie einige Fragen nach dem Gemahl der Dame, die Seine Herrlichkeit in so hohem Maße interessierte.

»Es ist ein sehr vermögender Herr, und ein Herr aus sehr altem vornehmen Geschlecht,« erklärte der Herzog, »auch ein Herr natürlich, der über ein sehr feines und vornehmes Benehmen gebietet. Es läßt sich indessen von ihm nicht sagen, daß er in der Gesellschaft die gleiche Beliebtheit besäße wie seine Gemahlin. Manche meinen wohl, daß er ein sehr angenehmer Gesellschafter sei; ich habe ihn als solchen jedoch noch nie kennen gelernt; auf mich hat er immer nur den Eindruck eines finstern, verschlossenen Mannes gemacht. Er soll eine stürmische Jugend hinter sich haben, ist auch nicht im Besitz einer sonderlich festen Gesundheit; immerhin gilt er noch immer als ein stattlicher und auch schöner Herr, der übrigens,« sagte er, zu dem Pfarrer sich wendend, »mit Ihrem Oberkirchenrat in sehr freundlichen Beziehungen steht.« »Dann hätte er sich ja des Umganges eines unserer würdigsten Herren vom schottischen Adel zu erfreuen,« bemerkte Reuben Butler.

»Verehrt er seine Gattin auch, wie es die Gesellschaft, Ihren Worten nach, Durchlaucht, tut?« fragte Jeanie schüchtern. »Sir George? Nun, man sagt, er liebe sie abgöttisch,« erwiderte der Herzog. »Indessen habe ich wohl schon, wenn er das Auge auf sie richtet, ein leichtes Erbeben ihrer Züge bemerkt, und das erachte ich für kein sonderlich gutes Zeichen. Ich kann mich aber wirklich gar nicht beruhigen über die eigentümliche Aehnlichkeit, die zwischen Ihnen, Frau Pfarrerin, und Lady Staunton vorwaltet, im Blick sowohl als in der Stimme. Man könnte wirklich schwören darauf, sie müßten Schwestern sein.«

Jetzt war es Jeanie nicht mehr möglich, die Unruhe, die sie quälte, in sich zu verschließen. Der Herzog, bestürzt über die Wirkung seiner Worte, war gutmütig genug, dies auf Rechnung der Erregung zu setzen, in die sie durch seine Unvorsichtigkeit, sie an ihre unglückliche Schwester zu erinnern, geraten war, und wechselte, durch ein Taktgefühl verhindert, sich zu entschuldigen, was das Uebel nicht gebessert, sondern nur verschlimmert hätte, das Thema, indem er einige Differenzen zwischen dem Geistlichen und Hauptmann von Knockdunder erörterte, dem er seinerseits nicht abstreiten wollte, daß er sich nach bestem Wissen und Können befleißige, ihn schicklich zu vertreten, während er ihn anderseits von einer gehörigen Portion Eigensinn und Heftigkeit nicht freizusprechen vermochte.

Reuben Butler erwiderte, daß sich weder gegen das eine, noch gegen das andere etwas sagen ließe, nur sei es zu wünschen, daß sich der Hauptmann im Weingenuß Mäßigung auferlegen, wenigstens in solcher Stimmung nicht allzu derb über die Stränge schlagen möchte; und nun lenkte die Unterhaltung der beiden Herren auf Kirchspielangelegenheiten hinüber, mit denen wir den freundlichen Leser nicht zu behelligen brauchen.


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