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Elftes Kapitel.

Wenige Namen verdienen eine so rühmliche Erwähnung in der Geschichte des damaligen Schottland, wie der des Herzogs von Argyle, der die seltensten Fähigkeiten als Staatsmann und Krieger in sich vereinigte, dabei aber völlig frei von jenen Gebrechen, wie Falschheit und Heuchelei oder Großmannssucht, war, die so leicht den Charakter derjenigen Menschen verdunkeln, die das Geschick auf eine hohe Stufe der Gesellschaft stellt.

Sein Heimatland befand sich zu der Zeit, da unsere Erzählung spielt, in einer sehr unsicheren Lage; seine Einverleibung in das englische Königreich war noch nicht vollständig vollzogen, und der Groll, den frühere Jahre mit ihren steten Kriegen und Händeln in die Herzen der beiden Völker geimpft hatten, war noch lange nicht verraucht; dazu kam der bittere Haß, der die Gemüter zerriß und die Rassen trennte, und nur auf den geringsten Anlaß zum Ausbruch lauerte.

Unter solchen Umständen hätte manch anderer Mann im Besitze des Ansehens und der Fähigkeiten des Herzogs von Argyle, statt seinen Sinn zu mäßigen, wie er, den Wirbelsturm, der im Lande tobte, dazu zu benutzen versucht, selbst zur höchsten Macht in seinem Vaterlande zu gelangen. Er aber schlug eine Bahn ein, die, wenn auch weniger glanzvoll, doch sicherer und ehrenvoller war. Durch seine kriegerischen Gaben hatte er dem Hause Hannover bei der Empörung im Jahre 1715 wesentliche Dienste geleistet, und den Einfluß, den er dadurch gewonnen, verwandte er dazu, die schweren Folgen der jahrhundertelangen Kämpfe und Unruhen zu lindern. Darum gehörte ihm auch die Liebe und Achtung aller Schotten in hohem Grade.

Diese Gunst eines unzufriedenen, kriegslustigen Volks im Verein mit der dem Herzog eignen freien und oft stolzen Weise war wenig geeignet, ihn am Hofe beliebt zu machen; er genoß wohl Achtung, wurde, wo man ihn brauchte, berufen, galt aber nicht als Günstling. Sein Verhalten bei der Porteous-Affäre, sein lebhafter Widerstand gegen alle gewaltsamen Maßregeln, durch die man Edinburg demütigen wollte, hatte ihm sogar den besonderen Unwillen der Königin Karoline zugezogen, während ihm alle Edinburger dafür, daß es seinen Bemühungen schließlich doch gelungen war, die Strafe auf eine Geldbuße zu beschränken, die die Stadt an die Witwe des gemordeten Hauptmanns entrichten mußte, sich tief zu Dank verpflichtet fühlten.

Der Herzog saß allein in seinem Bücherzimmer, als ihm gemeldet wurde, daß ihn ein Landmädchen aus Schottland zu sprechen verlange.

»Ein Landmädchen? Aus Schottland?« rief er; »was mag denn das dumme Ding hierher geführt haben? Sicher doch, weil man ihr den Liebsten genommen und zum Matrosen gepreßt hat, oder weil ihre Angehörigen Geld in Südsee-Papieren verloren haben, oder sonst eine wichtige Angelegenheit dieser Art. Da muß dann immer der Mac Callumore herhalten! Volksgunst hat nämlich auch Unannehmlichkeit im Gefolge! Aber laß sie nur heraufkommen, unsere kleine Landsmännin, Archibald. Sie länger noch warten zu lassen, wäre ja unhöflich.«

Ein Mädchen, über die erste Jugend hinaus, von nicht großer Figur, mit einem Gesicht, zwar nicht schön und sonnenverbrannt, doch mit einem wohltuenden Ausdrucke sittsamer Bescheidenheit, gekleidet in echt schottische Tracht, mit dem großen Umschlagetuch, das ihr halb den Kopf bedeckte, halb über die Schultern zurückfiel, wurde in das glänzende Zimmer des Herzogs geführt. Eine Fülle von schönem Haar, einfach und anmutig geordnet, zierte ihr rundes, freundliches Gesicht, dem das wichtige Anliegen, das sie zu einem so hohen Herrn führte, und die tiefe Ehrfurcht vor demselben, fern jedoch von sklavischer Unterwürfigkeit oder blöder Schüchternheit, einen eigentümlichen Ausdruck von Hoheit verliehen. Sie blieb auf der Schwelle stehen, machte einen tiefen Knicks und legte, wie bittend, ohne aber eine Silbe zu sprechen, die Hände über der Brust zusammen. Der Herzog trat auf sie zu, und während sein edler Anstand, sein reiches, mit Orden geschmücktes Gewand, sein scharfer, von hoher Intelligenz kündender Blick die Verwunderung des schlichten Naturkindes erregten, fühlte er selbst sich nicht minder von dessen bescheidenem Wesen angezogen.

»Du willst mit mir sprechen, Kind?« fragte, durch den Gebrauch des »Du« bemüht, ihre beiderseitige Landsmannschaft hervorzuheben, der Herzog; »oder vielleicht mit der Herzogin?«

»Euer Gnaden, Mylord, – Eure Herrlichkeit wollte ich sagen,« verbesserte sie sich.

»Und welches Anliegen führt Dich zu mir?« fragte er in demselben milden Tone wie zuvor.

Jeanie sah sich nach dem Lakaien um, der noch im Zimmer stand. Der Herzog bemerkte den Blick.

»Verlaß uns, Archibald, und warte im Vorzimmer,« sagte er, worauf der Diener ging.

»Und nun setze Dich nieder, Kind, komm zu Atem, und dann sage mir, was Dein Herz bedrückt. Aus Deiner Kleidung sehe ich, daß Du geradeswegs aus unserm lieben alten Schottland kommst. – Bist Du mit Deinem Umschlagetuch durch die Straßen gegangen?«

»Nein, Herr,« sagte Jeanie, »eine gute Freundin hat mich in einer der Mietskutschen hergefahren, wie sie hier Mode sind. – Eine brave, anständige Frau,« fügte sie hinzu, denn je länger sie ihre Stimme hier hörte, desto größer wurde ihr Mut solchem vornehmen Herrn gegenüber; »Eure Herrlichkeit kennen Sie, Frau Glas, die den Laden zum Dornbusch hält!«

»Ach, die liebe Frau Glas!« rief der Herzog, »wenn ich meinen schottischen Schnupftabak bei ihr hole, schwatzen wir immer ein Weilchen. Aber, Mädchen, was führt Dich denn zu mir? Zeit, Ebbe und Flut warten, wie Du weißt, auf niemand.«

»Eure Herrlichkeit, bitte um Verzeihung, Mylord – Euer Gnaden wollte ich sagen,« – denn Frau Glas hatte ihr eingeschärft, den Herzog ja nicht anders anzureden – Jeanie hatte aber bislang, außer mit dem Laird Dumbiedike, noch mit keinem vornehmen Herrn gesprochen, – und so war es nicht eben verwunderlich, daß sie die »Herrlichkeit« mit der »Gnaden« durcheinander brachte.

Der Herzog bemerkte ihre Verlegenheit und sagte in der ihm eigenen leutseligen Weise: »Es tut nichts, Kind; sprich nur gerade zu, und tu Deiner schottischen Zunge keinerlei Zwang an.«

»Ach, vielen Dank, Herr; ich bin die Schwester einer armen, unglücklichen Gefangenen, Herr, die Schwester von Effie Deans, die in Edinburg zum Tode verurteilt worden ist.«

»Ah!« sagte der Herzog, »davon habe ich, dächte ich, schon gehört. Das Mädchen ist des Kindesmordes angeklagt und auf Grund eines Parlamentsbeschlusses verurteilt. Ja, ja, es wurde kürzlich bei Tische davon gesprochen.«

»Und ich bin vom Norden heruntergekommen, Herr, um ihr Begnadigung auszuwirken.«

»O, Du armes Ding, da hast Du eine lange mühsame Reise umsonst gemacht. – Deiner Schwester ist das Urteil gesprochen, und da gibt's keine Hilfe mehr.«

»Aber es ist mir gesagt worden, es gäbe ein Gesetz, nach welchem sie, wenn der König es will, begnadigt werden könne.«

»Gewiß gibt es ein solches Gesetz, allein nirgendswo geschrieben als in des Königs Brust. Das Verbrechen, das Deiner Schwester zur Last gelegt wird, ist in Schottland häufig vorgekommen, und so hält man ein warnendes Beispiel für nötig. Zudem ist wegen der jüngsten Unruhen in unserer Hauptstadt die Regierung gegen unser ganzes Volk sehr eingenommen, und glaubt blutige Strenge anwenden zu müssen. Welchen anderen Grund, mein armes Kind, als schwesterliche Liebe kannst Du ins Feld dagegen führen?«

»Nein, außer Gott und Eurer Durchlaucht niemand,« sagte Jeanie beherzt.

»Ach,« sprach der Herzog, »da möchte ich fast sagen, daß es kaum noch andere gäbe, deren Einfluß bei Königin und Staatsministern geringer wäre. Es gehört zu den Annehmlichkeiten unseres Standes, mein Kind, ich meine zu denen der Leute in meiner Lage, daß man ihnen eine Gewalt zuschreibt, die sie nicht besitzen. Aber ich will Dich nicht mit Hoffnungen täuschen, die Du auf meinen Einfluß zu setzen scheinst. Ich kann Deiner Schwester Schicksal nicht ändern. Sie ist zum Tode verurteilt und muß den Tod erleiden.«

»Wir müssen alle sterben, Herr, das ist unser allgemeines Los, um der Sünde unserer Väter willen. Allein es soll keiner des anderen Tod beschleunigen, und das wissen Euer Gnaden besser als ich.«

»Mein Kind,« sagte der Herzog mild, »wir Menschen sind alle geneigt, das Gesetz zu tadeln, unter dem wir gerade leiden. Du scheinst mir aber für Deinen Stand recht wohl erzogen, wirst also wissen, daß es göttliches und menschliches Gesetz ist, daß, wer einen Mitmenschen ums Leben gebracht hat, zur Strafe dafür vom Leben zum Tode gebracht wird.«

»Aber, Herr, Effie, – meine arme Schwester, Herr, – hat nicht gemordet, und wenn sie keine Mörderin ist, und das Gesetz sie dennoch vom Leben zum Tode bringt, wer ist dann Mörder?«

»Ich bin kein Jurist,« sagte der Herzog, »lasse aber gern gelten, daß dem Gesetzesparagraphen, unter dem Deine Schwester leidet, ein sehr strenger Charakter innewohnt.«

»Aber Sie sind mit Gesetzgeber, Mylord, haben also Macht über das Gesetz.«

»Nicht als einzelner,« sagte der Herzog, »sondern nur, als Mitglied des gesetzgebenden Körpers dieses Landes, eine Stimme zusammen mit vielen. Das kann Dir jedoch nicht helfen, Kind; auch ist zur Zeit, wie ja nicht unbekannt, in London und bei Hofe mein Einfluß auf den Landesherrn nicht gerade weither, und auch nur eine geringfügige Gunst von ihm zu fordern, möchte ich mir ohne ganz besonderen Anlaß nicht beikommen lassen. Was und wer hat Dich veranlaßt, mit solchem Anliegen grade mir zu nahen?«

»Sie selbst, Mylord.«

»Ich selbst?« sagte er; – »ich könnte mich nicht, besinnen, Kind, Dich jemals zuvor gesehen zu haben.«

»Nein, Mylord! Allein jedermann im Lande weiß, daß der Herzog von Argyle Schottlands Freund ist, für Recht und Gesetz kämpft, und für Recht und Gesetz eintritt. Drum suchen alle, die sich im Unrecht wähnen, Zuflucht bei Ihnen, Mylord, und wenn Sie es ablehnen, für das Leben einer unschuldigen Landsmännin sich zu verwenden, was dürfen wir dann erhoffen von Fremden und Ausländern? Uebrigens hat mich wohl noch ein weiterer Grund darauf gebracht, Euer Gnaden mit solchem Anliegen zu nahen.«

»Und was für ein Grund ist das?«

»Mein Vater hat oft davon gesprochen, daß Euer Gnaden Vorfahren in den Zeiten, da unser Vaterland unter schwerer Verfolgung litt, ihr Leben auf dem Hochgericht gelassen haben. So Ihr Großvater, Mylord, und auch Ihr Urgroßvater. Auch mein Vater hat schwer gelitten für die gute Sache, wie in Peter Walkers des Krämers Buche zu lesen steht, was Euer Gnaden, die in Schottland so gut bekannt sind, recht wohl wissen werden. Und einer von den wenigen, die Anteil an mir nehmen, hat mir gesagt, ich solle zu Euer Gnaden gehen, denn sein Großvater habe Euer Gnaden gnädigem Großvater einen erheblichen Dienst geleistet, wie aus den Papieren, die er mir mitgegeben, zu ersehen sei.«

Bei diesen Worten überreichte sie dem Großherzog das kleine Schriftenbündel, das Reuben Butler ihr gegeben hatte.

Der Herzog löste die Schnur davon und las nicht ohne Staunen auf dem Umschlag: Musterrolle der Mannschaften, die unter dem Hauptmann Salathiel Bangtext gedient haben: Obadiah Muggleton, sündiger Rottenführer; Gips, Getreuer im Glauben; Thwack, gewandt in allem, was recht ist; fürwahr, alles Namen aus Cromwells bibelfesten Rotten! Was aber soll mir das bedeuten, Kind?«

»Das andre Papier, Mylord, ist das richtige,« sagte Jeanie, leicht beschämt über den Irrtum.

»O, sicher, das ist die Handschrift meines unglücklichen Großvaters! Und was schreibt er? – Allen, die dem Hause Argyle Wohlwollen,« las jetzt der Herzog, »bezeuge dies, daß Benjamin Butler von den Monkschen Dragonern mit Gottes gnädiger Hülfe mich aus den Händen von vier englischen Reitern errettet hat, die nahe daran waren, mir das Lebenslicht auszublasen. Da ich jetzt nicht im stande bin, ihm meine Dankbarkeit zu beweisen, gebe ich ihm das Zeugnis hier in der Hoffnung, daß es ihm in diesen unruhigen Zeiten noch einmal nützlich sein möchte, und beschwöre meine Freunde, Pächter, Verwandte und alle, die mir wohlwollen und imstande sind, etwas für mich zu tun, besagtem Benjamin Butler und seinen Nachkommen und Angehörigen in allen vor Gott gerechten Dingen beizustehen, und ihm allen mit Recht und Gesetz vereinbarlichen Schutz zu gewähren, zur Vergeltung dessen, was er an mir getan. Urkunddessen setze ich meine Namensschrift als Zeugnis hierher. Lorne.

»Dies ist freilich ein Zeugnis, dem ich mich beuge, Kind! – Benjamin Butler war wohl Dein Großvater? Um seine Tochter zu sein, scheinst Du doch zu jung, Kind!«

»Es war kein Verwandter von mir, Mylord, sondern der Großvater eines jungen Mannes aus der Nachbarschaft, der es gut, recht gut mit mir meint, Mylord.« Sie machte einen sittsamen Knicks, als sie dies sagte. »O, ich merke, ich merke, eine Herzenssache! Benjamin Butler war der Großvater eines Mannes, mit dem Du versprochen bist?«

»Versprochen war, Mylord,« sagte Jeanie mit schmerzlichem Seufzer; »aber der unglückliche Fall mit meiner Schwester –«

»Was?« fiel der Herzog ihr hastig ins Wort, »er hat Dich doch deshalb nicht sitzen lassen? Das will ich nicht hoffen, um seinetwillen nicht hoffen!«

»Nein, Mylord: Er wäre sicher der letzte, der den Freund in Not verließe. Aber an mir war es, auf sein und nicht bloß mein Bestes zu denken. Er ist Geistlicher, Mylord, und mich zu heiraten, nachdem solche Schmach über mich und die Meinigen gekommen, hatte sich für einen Mann seines Standes wohl kaum geschickt.«

»Du scheinst mir ein wunderliches Mädchen,« sagte der Herzog: denn Du denkst, wie mir vorkommt, an alle andern eher als an Dich selbst. Und Du bist wirklich zu Fuß von Edinburg hierher gewandert, um es mit diesem hoffnungslosen Anliegen für Deine Schwester zu versuchen?«

»Nicht ganz, Mylord, zuweilen habe ich einen Platz auf einem Frachtwagen gefunden, von Ferrybridge ab hatte ich ein Pferd, und von dort bin ich in der Landkutsche –«

»Laß gut sein,« fiel ihr der Herzog ins Wort. »Welche Umstände bestimmen Dich, Deine Schwester für unschuldig zu halten?«

»Daß sie der Schuld nicht überführt worden, wie aus diesen Schriftstücken hervorgeht.«

Jeanie übergab dem Herzog die protokollierten Zeugen-Aussagen, nebst der von ihrer Schwester gemachten Aussage, die sich Butler gleich nach ihrer Abreise durch Saddletree verschafft und nach London an Frau Glas geschickt hatte, wo Jeanie sie bei ihrem Eintreffen vorfand.

»Setze Dich solange, bis ich diese Schriftstücke durchgesehen, auf den Stuhl, mein Kind,« sagte der Herzog.

Jeanie gehorchte, mit höchster Angst nach jedem Wechsel seiner Miene spähend, solange er die Papiere durchging; hie und da unterstrich er eine Stelle, las manche Stelle ein paarmal, dann blickte er auf, im Begriff, etwas zu sagen, änderte jedoch seinen Vorsatz, als befürchte er, seine Meinung allzurasch zu äußern, las ein paar Stellen noch einmal, und zwar, wie Jeanie sah, diejenigen, die er als besonders wichtig unterstrichen hatte. Nachdem er noch einige Minuten in tiefem Sinnen gesessen, erhob er sich und sagte: »Mein Kind, es ist wirklich ein hartes, recht hartes Urteil, das über Deine Schwester gefällt worden ist.«

»Gott segne Sie, Mylord, für dieses Wort!« sagte Jeanie.

»Es scheint dem Geiste britischen Gesetzes zuwider,« fuhr er fort, »als wahr anzunehmen, was nicht erwiesen ist, oder ein Verbrechen mit dem Tode zu strafen, das trotz allem, was vom Staatsanwalt vorgebracht worden, vielleicht doch nicht begangen worden ist.«

»Gott segne Sie für solche Worte, Mylord,« rief Jeanie abermals; sie war aufgestanden, mit verschlungenen Händen, bebenden Lippen und nassen Augen, gierig nach jedem Worte aus dem Munde des Herzogs haschend.

»Aber, aber mein gutes Mädchen,« fuhr er fort, »was hilft Dir meine Ansicht, wenn sie nicht von denjenigen geteilt wird, in deren Händen Deiner Schwester Leben liegt? Indem bin ich, wie schon gesagt, kein Jurist und muß deshalb erst mit einigen unserer schottischen Rechtsgelehrten über den Fall sprechen.«

»O, Mylord, was Euer Gnaden recht und billig erscheint, wird es auch ihnen sein.«

»Wer weiß! Jeder knüpft sich den Gurt nach seiner Art, wie unser schottisches Sprichwort sagt, das Du ja kennen wirst. Aber Du sollst mir nicht vergebens Zutrauen geschenkt haben. Laß mir diese Schriftstücke da, Du wirst morgen oder übermorgen von mir hören. Halte Dich bereit, auf der Stelle zu mir zu kommen, wenn ich schicke. Daß Frau Glas Dich begleite, ist unnütz. Aber es wäre mir lieb, hörst Du, wenn Du in der gleichen Tracht kämest wie heute.«

»Ich hätte einen Hut aufgesetzt, Mylord,« sagte Jeanie, »aber Euer Gnaden wissen ja, daß ihn ledige Frauen in Schottland nicht tragen, und ich dachte,« sie sah nach dem Zipfel ihres Tuches, »soviele Meilen weit von der schottischen Heimat möchte der schottische Schleier vielleicht Euer Gnaden Herz erwärmen.«

»Darin hast Du nicht geirrt, Kind,« erwiderte der Herzog; »ich kenne den vollen Wert des jungfräulichen Haarschmucks; und Mac Callumores Herz muß erst im Tode erkaltet sein, wenn es der Anblick des schottischen Schleiers nicht mehr erwärmt. – Geh nun, Kind, und sorge, daß man Dich zu Hause finde, wenn ich schicke.«

»O gewiß, Mylord,« antwortete sie; »es drängt mich ganz und gar nicht, in der Wildnis schwarzer Mauern umherzulaufen. – Sollten aber Euer Gnaden so gütig sein, meinetwegen mit einem Vornehmern als Sie selbst zu sprechen, – es ist vielleicht ungezogen von mir, das zu sagen, – dann bitte ich Euer Gnaden zu bedenken, daß doch wahrlich kein so großer Abstand herrschen kann, wie zwischen der armen Jeanie Deans aus St. Leonard und dem Herzog von Argyle, – ich meine, daß Sie also sich nicht gleich durch die erste harte Abweisung abschrecken lassen sollten.«

»Nun, Kind, mir viel aus harten Antworten zu machen, ist nicht gerade meine Gewohnheit,« sagte der Herzog lachend; »immerhin gib Dich nicht allzugroßen Hoffnungen hin! Ich will ja mein Bestes tun, aber die Herzen der Könige sind in Gottes Hand.«

Jeanie knickste noch einmal, dann ging sie und wurde vom Diener des Herzogs zu der Mietskutsche zurückgeführt, so artig und höflich, daß man annehmen darf, daß weniger ihre demütige Erscheinung als die lange Unterredung, die sein Herr dem Mädchen gewährte, den Grund dazu abgegeben.


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