Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

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Siebenzehntes Kapitel.

Ueber Bruderschaften.

Die ersten Christen wußten nichts von Bruderschaften. Zu was hätten sie ihnen auch dienen sollen? Sie waren ja ohnehin alle Brüder unter sich, und würden sich gewiß sehr beleidiget gefunden haben, wenn sich einzelne Glieder aus ihnen das Recht wohlzuthun gleichsam ausschlüssungsweise angemasset hätten. Auch war damals die fromme Meynung: sich durch häufige Seelenmessen, und Bruderschafts-Vaterunser nach dem Tod den Himmel zu erkaufen, eine noch unbekannte Sache, und folglich scheinen diese Institute abermal blosse Früchte der Mönchsindustrie zu seyn.

Doch wir wollen ihnen einen edlern Ursprung zumuthen. Wir wollen glauben, daß in spätern Zeiten, wo die von den Aposteln eingeführte Gleichheit aufgehört hatte, einige fromme und vermöglichere Christen in eine Art von Gesellschaft zusammengetretten seyen, in der löblichen Absicht, an ihren ärmern Brüdern die Werke der Barmherzigkeit auszuüben. Diese werden die Hungrigen gespeiset, die Nackenden gekleidet, und die Todten begraben haben. Das war allerdings lobwürdig, und der Vorschrift unsers göttlichen Lehrers gemäß, und wenn unsre gegenwärtige Bruderschaften diesen wohlthätigen Gesellschaften noch immer gleichen, so wollen wir gern den Hut vor ihren Kapuzen abziehen.

Sie scheinen uns aber schon in der Hauptsache von ihrer ehrwürdigen Einrichtung abzuweichen; denn die Früchte ihrer Vereinigung erstrecken sich nicht auf ihre übrigen leidende 90 Mitbrüder, sondern bloß auf die Glieder ihrer Gesellschaft. Aber auch diesen fliessen nur sehr geringe Vortheile zu, wenn sie gleich eine sehr in die Augen fallende Aussenseite haben, die aber beym Licht besehen dem verführerischen Gewinnste der Zahlenlotterie wie ein Ey dem andern gleichet.

In Krankheiten Doktor und Apotheke frey haben, nach dem Tod noch 10 oder mehrere Gulden auf die Leiche, und nebenbey noch 50 heilige Messen gratis erhalten, klingt gewiß prächtig, und das alles für elende 2 oder 4 Gulden, die ich jährlich an die Bruderschaft bezahle – Aber diese Lockspeise kann, so wie die Lotterie, nur diejenigen an sich ziehen, die nicht rechnen können.

Wir müssen hier die Wahrscheinlichkeit annehmen, daß von 100 Mitbrüdern und Mitschwestern (bey manchen Bruderschaften gieng es wohl in die vier und fünf Hunderte) vielleicht drey oder viere die ersten Jahre nach ihrer Einverleibung in die Bruderschaft starben; diese machten also eine Terno, und zogen für die wenigen eingelegten Gulden einen immer noch ansehnlichen Gewinnst (obwohl jeder für so eine Terno gehorsamst danken wird.) Allein wie verhält sich die Zahl der Gewinnenden gegen die verlierende Zahl?

Mancher befand sich zwanzig und mehrere Jahre in der Bruderschaft, bis ihn das glückliche Loos zu sterben traf. Viele von diesen waren aber oft in 10 und mehrere Bruderschaften eingeschrieben (weil sie es vermuthlich sehr bequem fanden, durch Seelenmessen gut zu machen, was sie Uebels gethan hatten.) Nehmen wir nun an, daß ihnen jede dieser Bruderschaften im Durchschnitte genommen (die Neue-Jahrspräsente und Bruderschaftpicknicks mitgerechnet) auf fünf Gulden kam, und daß sie nur in 10 Bruderschaften einverleibt waren, so ergiebt sich in 10 Jahren eine Summe von 500 Gulden; allein manche waren auch 30 und 40 Jahre Kontribuenten. Und diese mußten also, um 91 ungefähr 50 fl. – und einige Seelenmessen nach ihrem Tode zu erhalten, durch ihr Leben ein Quantum von fünfzehn und mehr hundert Gulden entrichten. Und so ruinirte sich mancher im Leben, um nach seinem Tode gratis begraben zu werden, welches ihm auch widerfahren wäre, wenn er sich, wie ein gewisser lustiger Kopf sagte, auf das Stinken verlassen hätte.

Wären diese Abgaben an Bruderschaften wieder in die grosse Masse zurückgeflossen, aus der sie kamen, so ließen sich diese Institute entschuldigen; allein so fielen sie in den bodenlosen Säckel der Geistlichkeit, die die Bruderschaften als blosse Geldbüchsen ansah – und so waren sie schon bloß in dieser Rücksicht schädlich.

Das ist aber nicht die einzige nachtheilige Seite der Bruderschaften. Ein grosser Theil der Mitbrüder war von der arbeitenden Klasse. Da gab es aber bald WallfahrtenWir kennen eine Bruderschaft, der eine jährliche Wallfahrt gegen 800 Gulden kostete. Freylich wurde dabey herrlich gegessen und getrunken, und von Station zu Station der Küchenzettel vorausgeschickt., bald Leichenbegängnisse, bald Rektorwahlen, bald andere Konsultationstäge und Nothdurftsabhandlungen, die den arbeitsamen Bürger das Jahr hindurch wenigstens um 30 Täge brachten, und immer mit kleinen Ausgaben verbunden waren.

Wie vortheilhaft übrigens die geistlichen Herren die Bruderschaften müssen gefunden haben, läßt sich daraus schliessen, daß sie ihre Anzahl unter verschiedenen, öfters sehr komischen Titeln, zu vermehren suchten.

Wir wollen der Nachkömmlinge wegen die vielleicht noch unvollständige Bruderschaftenliste einer einzigen Stadt hier beyfügen, und stellen es jedem frey über ihre Anzahl 92 und ihre Benennungen nach Herzenslust zu lachen, oder sich – zu ärgern.

In dieser einzigen Stadt waren also

Weiters giebt es in dieser Stadt

Und also hätten wir in einer einzigen Stadt 57 Bruderschaften.

Aus verschiedenen vor uns liegenden Bruderschaftslisten ersehen wir, daß aus mancher Bruderschaft jährlich hundert und mehrere Mitglieder sterben. Wir wollen aber, weil sie nicht alle gleich zahlreich sind, nur 20 im Durchschnitte annehmen. Wenn nun für jedes verstorbene Mitglied nur 40 heilige Messen gelesen werden, so tragen bloß diese 57 Bruderschaften der Geistlichkeit eine jährliche Revenüe von 22 800 Gulden, die (mit aller Ehrfurcht für die H. Messen sey es gesagt) noch nützlicher verwendet werden könnten.

Aber diese Bruderschaften haben auch Kapitalien, und es heißt die Sache nicht übertreiben, wenn wir das Vermögen jeder dieser 57 Bruderschaften, eine in die andere gerechnet, mit Inbegriff ihrer goldnen und silbernen Kirchengefässe und Ornate, auf 5000 Gulden anschlagen, wodurch aber wieder eine Summe von zweymal hundert fünf und achzig tausend Gulden entsteht, die offenbar dem allgemeinen Kreislauf entzogen wird.

Das Resultat also aus allen diesem wäre: Die Bruderschaften sind, wo nicht schädlich, doch wenigstens unnütz. Sie helfen dem Reichen nichts, und ruiniren den Armen. Sie nähren den Aberglauben, entstellen die reine Religion, und wären also – aufzuheben, oder wenigstens zu metamorphosiren – – 95

 


 


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