Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

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Viertes Kapitel.

Ueber den Aschermitwoch und die Fasten.

Der vernünftige Katholik wird von selbst begreiffen, daß hier nicht von der Fasten, sondern von den Misbräuchen, die aus der unrecht verstandenen Fasten entstehen, die Rede sey. Dies finden wir für die übrigen Katholiken nöthig zu erinnern, um ebenfalls nicht unrecht verstanden zu werden.

So wie in der Natur sich die äußersten Punkte von Licht und Schatten, Hitz und Kälte usw. berühren, so gränzet auch die Zeit des Muthwillens und der Zerstreuung, an die Zeit der Andacht und ernster Betrachtungen.

Kaum hat der lachende Faschingdiensttag mit einem lustigen Kehraus seinen Abschied genommen, so erscheint der finstre Aschermitwoch. Die Masken fliehen bey seinem Anblick aus den Tanzsälen – die Instrumente verstummen – und die losen Amoretten und Scherze verkriechen sich unter die leeren Bänke.

An diesem Tag pflegen sich viele katholische Christen zur Erinnerung, daß sie Staub und Asche sind, in der Kirche, ebenfalls von Asche, ein Kreuz an die Stirne zeichnen zu lassen. In vorigen Zeiten sah man auch Dominos, Venezianermäntel, und Harlekins in der Reihe knien; seitdem aber diese durch den Anblick des leeren Beutels schon zu sehr an ihr Nichts erinnert werden, lassen sie diese Ceremonie dem Pöbel über.

Mit dem Aschermitwoch tritt aber auch die Fasten ein. Wir wissen, daß Christus 40 Täge gefastet hat. Das 22 konnte er aber nicht als Mensch gethan haben; denn kein gesunder Mensch kann ohne Speis und Trank 40 Täge ausdauren. Es also Christo in diesem Punkte nachmachen wollen, und so fasten, wie er gefastet hat, wäre für Menschen, deren erste Pflicht die Erhaltung ihres Lebens ist, ein unbesonnenes Unternehmen.

Indessen haben wir doch ebenfalls dem Namen nach eine 40tägige Fasten, worin wir aber eben so wenig Christo nachahmen, als die Kreuzzieher, die ein hohles Kreuz nach dem Kalvarienberg schleppten.

Wann diese 40tägige Fasten, so wie sie ist, eigentlich ihren Anfang genommen habe, läßt sich so genau nicht bestimmen; so viel wissen wir indessen aus der Geschichte, daß die Apostel öfters Fasttäge hielten, und auch andere fromme Christen sie darinn nachahmten. Aber diese Fasten war bey ihrem Ursprung willkührlich; in der Folge wurde sie unter verschiedenen Gemeinden zur Gewohnheit, die endlich, wie es mit vielen Gewohnheiten gieng, zum Gesetz anwuchs.

Fasten hieß bey den Aposteln und ersten Christen, kein Mittagmahl einnehmen, und sich blos mit dem Vesperbrod begnügen; sie fasteten aus Andacht, und um sich desto besser zum Gebeth vorzubereiten.

Daß wir sehr vom Geist der ersten Kirche abgewichen sind, wird wohl Niemand läugnen, der einen unparteyischen Blick auf unsre Art zu fasten wirft.

Wir können unmöglich etwas Treffenders über unsre Art zu fasten sagen, als was bereits ein berühmter Gottesgelehrter darüber gesagt hat.

»Die alte Kirche, sagte er, machte keine Fastengesetze. Sie überließ alles dem freyen Willen, und es wurde wahrhaft gefastet – – Die neue Kirche machte Fastengesetze – vervielfältigte die Fasttäge – verordnete die Enthaltung von gewissen Speisen, und nun wird von 23 bürgerlichen Leuten bürgerlich, von Vornehmen vornehm, von Bischöfen und Prälaten prächtig dabey gegessen, und hierdurch zwar der ächte Geist der Fasten, nicht aber die heutige Art zu fasten übertretten. Denn diese erlaubt ein gutes Frühstück, erlaubt zu Mittag sich satt zu essen, am Abend wieder eine Erfrischung zu nehmen, und im Trinken (weil flüssige Dinge die Fasten nicht brechen) überhaupt schon gar nicht skrupelhaft zu seyn.»Nach Inhalt des IV dist. can. 6 sollte man zwar nicht glauben, daß Menschen dem Fastengebothe genugthun, wenn sie nur einmal des Tags zur rechten Zeit speisen, und sich vom Fleische enthalten, dafür aber unter dem Vorwande, als gäben diese Speisen weniger Nahrung, und als reizten sie weniger zu Lüsten des Fleisches, sich den Bauch mit Fischen, und allem, was Flüsse und Seen Kostbares liefern, vollschoppen, und sich an stärkenden Weinen voll trinken.
                Anmerkung des Theologen.
Gemeiniglich werden in der Fasten die prächtigsten Traktamente gegeben, und wer immer die Ehre hatte, solchen herrlichen Traktamenten in der Fasten beyzuwohnen, wird mit mir gestehen müssen, daß er in der Fasten treflich gespeiset, und in der Fasten recht gut getrunken habe.

Allein alle diese ärgerlichen Misbräuche scheinen uns unter andern auch eine Folge des Zwangs, den die Kirche in diesem Punkt den Gläubigen auflegte. Es gehört zum Fasten eine gewisse Disposition des Gemüths, wie zum Gebeth, und gezwungene Fasten ist wie gezwungenes Gebeth: beydes kann Gott nicht anders als misfällig seyn –

Es ist also zu vermuthen, daß die Monarchen als Beschützer des reinen Gottesdienstes auch im Punkt der Fasten eine Reforme vornehmen werden, um so mehr, da es keinen wesentlichen Artikel der Religion, sondern nur eine Disciplinsache betrift. 24

Religion und Sitten müssen gewinnen, wenn man wieder die Fasten auf den ersten Geist der Kirche zurückführt, und nur die fasten läßt, die gerne fasten wollen. – – –

Die meisten Misbräuche, die nun unumgänglich mit unsrer Art zu fasten verbunden sind, werden verschwinden. Wir werden zwar, wie bis itzt, kostbare Fische, Rohrhühner und Arsenalaustern essen, aber wir werden nicht sagen, daß wir fasten, und wenn dann auch die Medici einige Prälaten und Mönche an einer Indigestion kuriren, so wird es doch weniger ärgerlich seyn, als wenn solches in der heiligen Fastenzeit geschieht. Man wird zwar auch noch dann Prälaten, Mönche und andere katholische Christen wohlgefüttert und beleibt herumwandeln sehen: aber Niemand wird ihnen – wie es leider itzt geschieht, übel nachreden, und sagen, daß sie mit ihren dicken angefüllten Bäuchen nach einer 40tägigen Fasten ein Pasquil auf die Fasten hätten machen wollen.

Der erste Schritt zur Reforme der Fasten scheint uns schon dadurch geschehen zu seyn, daß nun die Art, wie die Fasten durch diese 40 Täge zu beobachten ist, gleich von der Kanzel herab bekannt gemacht wird, und man nicht mehr nöthig hat, in der Pfarr um eine besondere Erlaubniß anzuhalten.

Diese Erlaubniß war ohnehin nichts anders als eine Demüthigung vor der Kirche; denn sie wurde immer dem Supplikanten auf sein Gewissen gegeben. Aber sonderbar war es immer, daß diesem das Fleischessen bis auf den schwarzen Sonntag, jenem aber, mit den nämlichen Beweggründen, bis Palmsonntag erlaubt wurde. Hier durfte ein Frauenzimmer drey Schalen Koffee zum Frühstück nehmen, indessen einem andern, das mit dem nämlichen Gewissen vier hätte trinken können, nur eine Schale gestattet wurde. 25

Alles kam hier auf die Laune des Herrn Pfarrers, Herrn Kapellans, oder der Herren Seelsorger an; vieles aber auch auf die Art, mit der man um die Dispens ansuchte. – – –

Rom, das überall sein Netz auswirft, wo etwas zu fischen ist, hatte auch hier die Hände im Spiel, und unsere Nachkommen werden es vielleicht für ein Mährchen halten, wenn sie hier lesen, daß eine Zeit war, in der die Bischöfe so wenig auf ihre Rechte hielten, daß sie unahndend zusehen konnten, wie die Christen aus ihrer Gemeinde vom Portier der NunziaturWir sagen mit Recht vom Portier: denn man gab diesem ohne Beysatz des Beweggrundes, den blossen Namen, und nach Mittag hatte man von ihm die Dispens. die Dispens zum Fleischessen für 17 kr. einlöseten. Doch diese Zeit ist vorüber, und wir hoffen zu Gott, daß sie für die christkatholische Kirche nie wieder kommen werde. 26

 


 


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