Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

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Neuntes Kapitel.

Ueber die Johannesandachten,
und Hausmütter.

Der Mensch wechselt in seinen Andachten, wie in seinen Moden. Ein Kleid verdrängt das andere, ein Heiliger den andern. Aber unter allen Heiligen ist keiner so anhaltend und übermässig verehret worden, als der H. Johann von Nepomuck. Es ist fast keine Brücke, wo er nicht eine Statue, keine Treppe, auf der er nicht eine Nitsche, und fast keine Kirche, in der er nicht einen Altar hätte. Wir wollen hier nicht untersuchen, wie dieser Heilige so geschwind über die übrigen Himmelsbürger von dem Volke erhoben wurde, (das Vertrauen des schönen Geschlechts mag er sich dadurch gewonnen haben, daß er die Beicht der Königinn nicht verrieth) aber so viel ist gewiß, daß die Verehrung gegen diesen Heiligen in einen ärgerlichen Misbrauch ausgeartet ist.

Die katholische Kirche stellt uns die verstorbenen frommen Männer der Vorzeit besonders als Muster zur Nachahmung vor: wir sollen sie verehren, sollen uns bestreben, ihnen an Tugenden zu gleichen; wir sollen sie aber nicht als blosse Wundermänner ansehen, und für jedes Vaterunser ein Mirackel von ihnen fodern. So eine Andacht ist eigennützig, und doch ist es die Andacht der meisten.

Dieser kniet in frommer Andacht vor die Statue des Heiligen hin – es ist ihm aber weder um seine Tugenden, noch weniger um ihre Nachahmung zu thun, sondern er bittet den H. Nepomuck, ihm die Uhr wieder zu verschaffen, die ihm gestohlen worden – Dort flehet ein gutes Mädchen mit 45 gefalteten Händen, daß der H. Johann doch das Herz des Hofraths bewege, und ihrem Liebhaber den Dienst gebe, um den er angehalten hat. Eine junge Frau hängt an seinen Altar ein silbernes Kind als Opfer hin, und bittet ihn, ihr ein lebendiges dafür zu geben – Die Schiffer bethen täglich ein Vaterunser zu Ehren dieses Heiligen, und glauben, er werde das Schiff, wenn sie betrunken sind, schon glücklich durch die Brücke leiten – Indessen kömmt die Uhr nicht wieder zum Vorschein – der Liebhaber bekömmt den Dienst nicht – die junge Frau bleibt unfruchtbar, und das Schiff geht zu Grund.

Das Schädlichste bey dieser falschen Verehrung der Heiligen ist endlich, daß sie das Herz nach und nach von Gott wegwendet, ihm das fromme Vertrauen entzieht, und aus Christen – Andächtler macht.

Unsre Nachkömmlinge werden es kaum glauben, daß eine Zeit war, wo der Altar des H. Johann von unten bis oben beleuchtet gewesen, indessen Christus unbemerkt auf einem Seitenaltar stand, und gleichsam nur tolerirt wurde. – Was würden sie aber erst für Begriffe von unserm Gottesdienst, und der Lehre unsrer Seelenhirten sich machen, wenn sie die Auftritte bey den Hausandachten zu dem H. Johann gesehen hätten?

Die Hausherren thaten es einander in der Beleuchtung und Herausputzung ihres heiligen Treppenbewohners bevor, wobey sie freylich so vorsichtig waren, die Herzen der übrigen Einwohner mit in das Mitleid zu ziehen. Sie waren aber auch nicht damit zufrieden, die Illumination zu gleicher Zeit zu geben. Daher traf es sich, daß mancher H. Johann erst nach einigen Wochen die Visiten bekam, indessen sein Nachbar, ebenfalls H. Johann, beleuchtet, besucht und besungen wurde. Auf diese Art dehnte sich die Hausandacht gegen diesen böhmischen Heiligen oft über drey Monate aus, und durch diese ganze Zeit war diese Abendandacht ein 46 Rendes-vous für die galante Welt; und wenn der verliebte Hausknecht die noch verliebtere Köchinn fragte: Wo sehen wir uns morgen, so war immer die Antwort: beym H. Johann.

Je später die Andacht anhob, je schöner die Beleuchtung war, desto zahlreicher war der Zuspruch – War noch eine hübsche Musik dabey, so giengs um so lustiger zu.

Man sang, flüsterte sich ins Ohr, warf sich verstohlne Blicke zu, drückte sich die Hände – und anstatt seinem Mädchen über die Schultern weg in das Lied zu sehen, sah man ihr ins Halstuch. Kurz man trieb bey dieser Andacht so viele Possen, daß der H. Johann wirklich der gute Mann seyn muß, der er ist, um über diesen Unfug nicht unwillig zu werden.

Was wir hier von der Andacht zum H. Johann gesagt haben, trift zum Theil auch alle übrigen sogenannten 9tägige Andachten mit. Es ist kein Orden, der nicht irgend einen Heiligen zur besondern Verehrung durch 9 Täge ausgestellt, und dadurch zu ärgerlichen Scenen Anlaß gegeben hätte. Vorzüglich haben sich die Nonnen mit ihren Hausmüttern ausgezeichnet; doch seitdem die Töchter nicht mehr im Haus sind, hat sich die Andacht für die Mütter von selbst aufgehoben –

Wir müssen es zur Ehre unsrer Religion gestehen, daß auch die Johannesandachten, und die meisten anderen zwecklose und schädliche Andachtsübungen eingestellt worden, und wenn wir hier davon sprachen, so geschah es mehr, um unsern Nachkömmlingen, wie wir in der Vorrede erkläret haben, ein Denkmal dieser Misbräuche zu hinterlassen; denn wir hoffen zu Gott, daß von den Misbräuchen selbst keine Spur auf sie kommen werde. 47

 


 


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