Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

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Fünfzehntes Kapitel.

Ueber die H. Gräber, Auferstehung, und Himmelfahrt.

Christus wurde nach der überstandenen Kreuzigung begraben – gieng nach drey Tägen aus dem Grab hervor, und fuhr (wie uns die Evangelisten, bis auf Matthäus und Johannes, erzählen) gegen Himmel.

Das wußten, und glaubten die ersten Christen so gut als wir. Es ist auch nicht zu zweifeln, daß sie diese drey wichtigen Perioden durch freywilliges Fasten und andere fromme Andachtsübungen werden gefeyert haben; aber so wenig es ihnen beyfiel, durch 40 Täge zu fasten, weil Christus durch 40 Täge fastete, oder Leidenchristiprozessionen anzustellen, weil Christus für uns gelitten hatte, eben so wenig kam es ihnen in den Sinn, unsern göttlichen Lehrer, der nun schon im 18ten Jahrhundert für uns gestorben, auferstanden, und gen Himmel gefahren ist, jährlich neuerdings zu begraben, auferstehen, und gen Himmel fahren zu lassen.

Es ist also auch diese sinnliche Vorstellung, und die mit ihr verbundene Misbräuche eine Frucht späterer Jahrhunderte, und des zum Sinnlichen so erfindungreichen Mönchgenies.

Wir wollen der Nachkömmlinge wegen nur die Aussenlinien dieser Begräbniß- Auferstehung- und Himmelfahrtszeremonie herzeichnen. 76

Die Begräbnißzeremonie wurde in einigen Kirchen mit der größten Feyerlichkeit gehalten. Eine prächtige Trauermusik ertönte durch den weiten Tempel, und begleitete den Leichenzug. Christus selbst lag von Holz geschnitzt auf einer Todtenbaare in schwarzen Flor gehüllt. Vor ihm trat die Geistlichkeit zahlreicher, als sie je bey der bestbezahlten Leiche erschien, andächtig einher; ja selbst die Dommherren halfen durch ihre Hermelinmäntchen und schöne Stimmen die Funktion verherrlichen. Vor und hinter der Baare giengen viele vornehme Herren und Damen in Trauerkleidern. Obschon wir alle Erben des Himmels sind, so wurde doch sehr auf den Rang dabey gesehen, und that sich der und diese nicht wenig darauf zu gut, den gewöhnlichen Platz des Universalerben einzunehmen.

Den Beschluß machte ein Anhang ganz weiß gekleideter Frauen, die man die heiligen Frauen hieß. Sie hatten das Gesicht mit weißen Flor vermummt, und trugen jede eine brennende Ampel. An ihrer Spitze gieng Maria, die H. Veronika, und die H. Magdalena, und so waren sie wenigstens in so lang heilige Frauen, als sie diese Rolle spielten.

Aber nicht in allen Kirchen wurde Christus mit gleichem Pracht ins Grab gelegt – ja wir kennen eine Vorstadtkirche, wo man es der ganzen Funktion ansah, daß sie gratis ware.

So band man sich auch bey der Beerdigung nicht an die nämliche Zeit, und so wie die Kapuziner sich durch ihre Kapuzen von den übrigen Mönchen, und durch ihre Tracht überhaupt von allen andern Menschen unterscheiden, so zeigten sie auch bey dieser Gelegenheit ihre Originalität, und begruben Christus um einen Tag früher; hielten auch, um sich abermal auszuzeichnen, ihre Kirchen durch die ganze 77 Nacht offen, wodurch diese aber eben nicht in den besten Ruf kamenDieß ist nicht Verleumdung – Schon der gewöhnliche Abendsegen, und die lateinische Litaney, die Kutscher und Sesselträger, ohne eine Silbe davon zu verstehen, mitsangen, hat ihren Kirchen einen zweydeutigen Namen gemacht, und schon mehr als ein rechtschaffener Mann hat sich öffentlich erkläret, nicht leicht ein Mädchen zum Weib zu nehmen, das Abends in den Kapuzinersegen geht..

Die Gräber endlich selbst waren theils kindisch, theils unanständig, theils wirklich ärgerlich. Wir wollen die sinnliche Vorstellung von Jesus Begräbniß noch hingehen lassen; aber ihn statt des Grabes in ein Theater zu legen, es mit unzählichen Lampen von allen Farben zu beleuchten, das Sanctissimum bald in einem Apfelbaum anzubringen, bald aus dem Bauch eines Lammes, bald aus der Seitenwunde des sterbenden Christus (und folglich Christus aus Christus) heraussehen zu lassen, ist, wenn wir es nicht Unsinn nennen müssen, doch gewiß ein ärgerlicher Misbrauch. Und doch stritten hier Kirchen mit Kirchen um den Vorrang, und bestrebten sich, das Volk durch ausserordentliche und unerwartete Dekorationen zu überraschen: die meisten waren aber so klug, sich unsre Neugierde vorläufig bezahlen zu lassen – und sammelten für ihr heiliges Grab, von welcher Sammlung freylich immer etwas auf ein fettes Osterlamm übrig geblieben seyn mag.

Die Auferstehung gieng so wie die Begräbniß zu verschiedenen Stunden vor sich. Das Sanctissimum wurde in einer feyerlichen Prozession aus dem Grab geholt, in der Kirche herum getragen, und endlich auf dem Hauptaltar zur Anbethung ausgesetzt. Wenn wir das erbärmliche Auferstehungslied, die übertriebene Beleuchtung des Altars, und das entsetzliche Geläute der Glocken (man könnt' es ihnen 78 verzeihen, weil sie eben von Rom kamen) nebst den vielen Seegen, die bey Einsetzung der Ciborien gegeben wurden, ausnehmen, so war diese Ceremonie ungleich anständiger, als die vorhergehende.

Wir kommen zu der Himmelfahrt. Welchen Tag nach der Auferstehung Christus eigentlich gegen Himmel gefahren sey, wird von den Evangelisten selbst nicht bestimmt. Lukas erzählt uns in seiner Geschichte der Apostel bloß, daß Jesus bey Bethanien mit ihnen auf den Olivenberg gegangen, und von da aus gegen Himmel aufgefahren wäre. Indessen feyert die Kirche dieses Fest 40 Täge nach Ostern.

Vom Tag der Auferstehung an steht Christus als Statue, das Triumphfähnchen in der Hand, auf dem Haupt- oder einem Seitenaltar, zum Andenken, daß er sichtbar unter den Aposteln und seinen Jüngern nach seinem Tod herumgewandelt ist; um dieses Herumwandeln aber noch anschaulicher vorzustellen, werden an verschiedenen Ständchen kleine Kopien von dieser Statue verkauft, und giebt es nicht leicht eine fest katholische Familie, unter der nicht so eine kleine wächserne Statue herumwandelte.

Am Tag der Himmelfahrt versammelte sich die katholische Gemeinde viel zahlreicher in den Kirchen, als an andern Sonn- oder Feyertägen. Wenn die meisten dieser gut katholischen Christen aufrichtig wären, so würden sie eingestehen müssen, daß es nicht aus Andacht, sondern des Schauspiels wegen geschah. Die Kirche war an diesem Tag prächtig beleuchtet – die Musik wohlbesetzt, kurz alles verkündigte eine besondere Feyerlichkeit.

Diese begann während dem Hochamt – Alle Augen waren nach dem obern Kirchengewölbe gerichtet; denn man wußte noch von vergangenen Jahren her das Loch, wodurch die Statue, welche Christus vorstellte, hinausfahren werde. 79

Indessen war die Statue bereits an einem Seile befestiget, und erwartete nur den Wink des pontifizirenden Priesters, um sich auf die Diskretion des Machinisten zu verlassen, und ihre Reise anzutreten.

Dieser Wink wurde endlich gegeben, und nun fuhr der geschnitzte Christus zum allgemeinen Frohlocken der versammelten Gemeinde gen Himmel – – Nein! liebe Christen, die Reise gieng nur bis an den Boden des Kirchendaches und zwar durch das nämliche Loch, durch welches das Merzwasser und verschiedene Baumaterialien hinaufgezogen wurden – und so beschloß sich dieses ärgerliche Kirchenschauspiel. – – –

Allein es folgte noch ein anderer noch viel komischer Auftritt.

Die guten Herren lasen in den Evangelisten, daß Christus den heiligen Geist über seine Jünger ausgegossen habe, auch lasen sie so etwas von Feuerflammen und doppelfeurigen Zungen. Auch dieß mußte sinnlich vorgestellt werden – Eine Taube kann die Stelle des H. Geists vertreten, und Feuerflammen und doppelfeurige Zungen lassen sich ja auf Papier mahlen – aber es steht in der Schrift ausgiessen? Doch auch dieß läßt sich sinnlich ausdrücken: es giebt ja noch Wasser in der Welt, und so wurde wirklich, als Christus aufgefahren war, eine Taube zum Loch herausgelassen, Bildchen herabgeworfen, und die fromme Gemeinde mit einem tüchtigen Wasserguß abermal zur Herzensfreude beehret; aber auf dem Kopf dieser Taube stand ausser dem noch ein Preis, und wer sie fieng und zur Sakristey brachte, erhielt ausser der Erlaubniß, sie rupfen und braten zu dürfen, noch ein Prämium in Geld.

Jeder noch so feste Katholik lege hier die Hand aufs Herz, und antworte, ob das nicht Gott und die Religion entehrende Misbräuche waren, und ob sie nicht um 80 so ärgerlicher seyn mußten, da sie nicht etwann in Mönchskirchen allein, sondern in Hauptpfarren ausgeübet wurden?

Doch es sind nun bereits viele Jahre, daß das Fest der Himmelfahrt Christi nicht mehr so unanständig begangen wird. Auch in Ansehung der H. Gräber und Auferstehung ist seit kurzen der erste Schritt zur Reforme gemacht worden – Freylich bleibt noch manches zu thun übrig; allein Leute, die man am Staar operiret hat, muß man nur nach und nach ans helle Tageslicht gewöhnen, wenn sie nicht noch blinder werden sollen. Menschen sind Kinder, und Kinder schreyen, wenn man ihnen ihr Spielzeug nimmt. 81

 


 


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