Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Kapitel.

Ueber die Nationfeste.

Jede katholische Nation setzt ihr besonders Vertrauen vorzüglich in diesen oder jenen Heiligen, weil er entweder in ihrem Lande gebohren worden, oder sich ihr durch verschiedene Gnaden oder Wunderwerke vor allen übrigen Heiligen günstig und geneigt gewiesen hat. Dieser Heilige ist nun ihr Schutz- und Nationpatron. Er muß bey Gott für sie vorsprechen, und sich ihrer annehmen.

Um nun ihrem heiligen Patron ihr dankbares Gemüth für seine Bemühung zu bezeigen, pflegt jede Nation denselben jährlich durch ein feyerliches Kirchenfest zu verehren. Das thun sie aber nicht nur in ihrem Lande, sondern sie rechnen es sich zur Pflicht, auch wenn sie ausser Land sind, das Opfer ihrer Erkenntlichkeit zu entrichten.

So begiengen also die Steyrer das Nationfest des H. Egidy – die Mährer der H. H. Cyrili und Methudi – die Bayern des H. HenriciDiesem Heiligen hat laut der Legende S. 648. in der Schlacht bey Meerßburg, während er in der Andacht begriffen war, ein Engel den Gefallen gethan, das feindliche Lager anzugreifen, und die Sarazenen in die Flucht zu schlagen. – die Franken des H. Killians – die Schlesier der H. Hedwiga – die Tyroler des H. Kassian – die Böhmen des H. WenzelVon diesem heiligen Könige sagt uns Sein geistlicher Biograph in der verbesserten Legende S. 932. daß er mehr dem Gebethe und den Kirchenceremonien, als den Regierungsgeschäften obgelegen wäre, und obwohl sein Volk sehr darüber murrte, so schreibt er ihm doch diese heilige Nachlässigkeit als ein grosses Verdienst an. So erzählt er uns auch als ein sehr grosses Wunder, daß man an dem Leichnam dieses Heiligen, als er 3 Jahre nach seinem Tode ausgegraben worden, von allen Wunden, die ihm sein gottloser Bruder Boleslaus versetzt hat, nicht die geringste Spur fand, über welchen Umstand der diabulus Rotae in Rom wohl die Bemerkung bey seiner Heiligsprechung wird gemacht haben; daß der heilige Wenzel vielleicht gar nicht verwundet worden. – die Ungarn des 70 H. Stephan – und die Schwaben des H. UdalrikusWenn dieser Heilige auch nicht Bischof von Augsburg gewesen wäre, so verdiente er schon bloß wegen nachstehendem Wunder von den Schwaben als Nationpatron verehret zu werden. Wir wollen es seinem frommen und glaubwürdigen Biographen, so wie es in besagter Legende S 650. geschrieben steht, wörtlich nacherzählen. »Der heilige Udalrikus war eines Tags in der Besuchung seines Bisthums beschäfftiget, und kehrte in einem Schloß bey einem Grafen ein, welcher aus lauter Eifersucht einen Edelmann unschuldiger Weise getödtet, und dessen abgeschlagenes Haupt seiner frommen Gemahlinn nicht nur an den Hals mit einer Kette gehängt, sondern auch sie des Tags mit den Hunden öffentlich essen, und des Nachts in dem Hundsstall bey den Hunden schlafen ließ. Dieß elende Wesen hatte die arme Gräfinn ein ganzes Jahr ausgestanden, und als St. Ulrich neben dem Grafen an der Tafel saß, da wurde sie auf Befehl ihres Herrn in die Gaststube durch die Diener geführt. Der Graf fieng an, dem heiligen Mann zu erzählen, wie daß dieß seine Gemahlinn sey, und solche Buß wegen ihres begangenen Ehebruchs müsse ausstehen. Dieß hörte der gottselige Bischof mit Verwunderung an, und erkannte durch göttliche Offenbarung, daß diese Frau unschuldig sey, und sie der Graf aus blossem Argwohn also übel traktirte. Deswegen redete er dem Grafen ernsthaftig zu, und weil er hartnäckigerweise sein tyrannisches Verfahren beschönen wollte, so ließ er alle Anwesende niederknien, und Gott bitten; damit er die Unschuld des Ritters und der Gräfinn offenbaren wollte. Der heilige Mann hatte nur eine Weile gebethet, siehe, da fienge der Todtenkopf an seine verfaulte Zunge zu bewegen, und mit deutlicher Stimme diese Worte zu reden: Ich habe mit der Gräfinn nicht gesündiget. Durch diese wenige Worte wurde der Graf dermassen erschrecket, daß er in Ohnmacht fiel und sich kaum erholen konnte. St. Ulrich ließ den Leib des getödteten Ritters ausgraben, und in den Saal tragen. Als dessen Todtenbeine an das bestimmte Ort gebracht wurden, legte Sie der H. Bischof nach ihrer Ordnung an einander; nahm auch der Gräfinn den Todtenkopf vom Hals, und setzte ihn zu den Füssen des todten Körpers. O grosses Wunder! das todte Haupt wälzte sich selbst von den Füssen zum obern Theil des Leibs, wuchse augenblicklich an den Hals, die Gebeine wuchsen mit Nerven aneinander, wurden mit Fleisch und Haut überzogen, und endlich stund der unschuldige Ritter von den Todten auf. Da der wunderthätige Mann die Gräfinn überredete, ihrem Herrn zu verzeihen, (und nach der Gefälligkeit, die er ihr eben erwies, wäre es wohl unhöflich gewesen, es ihm abzuschlagen) und sie beyde völlig mit einander versöhnet hatte, reisete er mit dem auferweckten Edelmann nach Augsburg, hielt ihn all sein Lebtag bey sich, und machte ihn in der Mutterkirche zu einem Stuhlbruder. Nach dem Tod des H. Ulrichs verharrte der Ritter bey dessen Grab noch sieben und zwanzig Jahre, nach welchen er gottselig im Herrn entschlaffen ist.« So weit gehen die Worte der Legende. Wir lassen es nun jedem katholischen Christen über, seine weitern Reflexionen über dieses Wunderwerk anzustellen. Was uns betrift, so halten wir es für so ausserordentlich groß und seltsam, daß uns die Erweckung des Lazarus nur eine Kleinigkeit dagegen scheint. u. s. w.

Es wäre unbillig, die Dankbegierde dieser Nationen zu tadeln, so lang diese Feste in ihren Schranken blieben. Wenn sie aber den nothwendigen Dienst gegen Gott verdrangen, den Seelsorger im Plan seines Unterrichtes 71 unterbrachen, zur Fortpflanzung abergläubischer Meynungen dienten, dann zu Schmausereyen und andern unanständigen Auftritten Anlaß gaben, so gehören sie allerdings in die Zahl katholischer Misbräuche – und folglich auch in unsre 72 Bildergalerie. Wir wollen sehen, ob diese Nationsfeste solche Vorwürfe verdienen.

Daß der gewöhnliche Unterricht der Gemeinde durch sie unterbrochen wurde, unterliegt wohl keinem Zweifel.

Der ordentliche Sonn- oder Feyertagprediger mußte an so einem Fest die Kanzel einem gedungenen Lobredner überlassen, der statt dem reinen Wort Gottes und Erklärung des Evangeliums das Volk von den Heldenthaten, und oft sehr zweydeutigen Wunderwerken eines Heiligen unterhielt, den die Gemeinde, weil es ein ausländischer Heiliger war, oft kaum dem Namen nach kannte.

Diese Gastprediger wollten sich nebst der komptanten Bezahlung auch Beyfall und Ehre sammeln; daher suchten sie ihren Heiligen so groß und ansehnlich zu machen, daß er über alle übrigen Heilige wegragte.

Jede tagtägliche Handlung ihres Helden wurde so lang hin und her gedrehet, bis von irgend einer Seite ein Funken von Wunderkraft herausstralte. Weil ihnen aber bey so einer Dukatenpredigt nicht darum zu thun war, die Herzen ihrer Zuhörer zu rühren, so suchten sie bloß durch schöne Worte, prächtige Phrasen, kolossalische Figuren und künstliche Wendungen zu glänzen – – und so konnte man so ein Nationfest mit Recht ein glänzendes Fest nennen.

Aber bey diesen Feyerlichkeiten konnte man zugleich bemerken, was der Nationalstolz vermag. Diese Völkerschaften suchten es sich an ihren Nationfesten einander zuvorzuthun. Steckten die Böhmen 500 Kerzen auf den Altar, so steckten die Bayern gewiß tausend auf, wodurch es sich aber einmal ereignete, daß durch eine entstandene Feuersbrunst bald der Altar sammt dem Bilde des Nationpatrons in Feuer aufgegangen wäre.

Dieser Nationalstolz oder Nationalhaß zeigte sich so in Ansehung der Musik, der Prediger, und sogar des gewöhnlichen Nationschmauses. 73

Wir erinnern uns, daß die Schwaben, die gern original sind, einst auf den originellen Gedanken gerathen, einen berühmten Prediger aus ihrem Vaterland zu verschreiben, der ihrem schwäbischen Heiligen mitten in Oesterreich eine schwäbische Lobrede halten mußte, von der aber die Zuhörer, die nicht das Glück hatten Schwaben zu seyn, nicht eine Silbe verstanden.

Nehmen wir nun an, daß im Jahre wenigstens dreysig Nationpredigten und Lobreden verschiedener Heiligen gehalten wurden, so ergeben sich für die Gemeinde dreyßig verlorne Täge, an denen zur Nahrung ihrer Seelen das Wort Gottes unterbleiben mußte. Nehmen wir nun ferners an, (welches aber so ziemlich bewiesen scheint) daß alle diese erkaufte Lobreden nur dazu dienten, die Herzen der Gläubigen mehr zur Verehrung der Heiligen, als zur Anbethung Gottes aufzumuntern, und überhaupt verschiedene abergläubische Meynungen von falschen Heldentugenden und unerwiesenen Mirakeln (worunter man vielleicht auch das in der Note angeführte Meisterstück des H. Udalrikus ohne Sünde zählen dürfte) im Volke auszustreuen, so fällt der schädliche Einfluß, den alle diese Nation- und Patronfeste auf die Religion und den reinen Unterricht nothwendig haben mußten, wohl von selbst in die Augen.

Wir wollen die prächtigen Schmausereyen, mit denen gewöhnlichermassen diese Nationfeste beschlossen worden, mit Stillschweigen übergehen. So viel ist indessen gewiß, daß diese verschiedenen Nationen es auch in diesem Punkte einander zuvorthun wollten, und daß der P. Prediger, der auf der Kanzel die grossen Tugenden des Nationpatrons mit hinreissender Wohlredenheit erhob, sich bey der Tafel in Lobsprüchen auf den vortreflichen Koch und die niedlichen Speisen gleichsam erschöpfte.

Die würdige schwäbische Nation, die es fühlte, daß ihr Heiliger weit mehr geehret werde, wenn sie die Summe, 74 die jährlich zu diesem Fest verwendet wurde, zum Besten ihrer leidenden Mitbrüder bestimmte, ist den übrigen Nationen mit einem Beyspil vorgegangen, das zwar schon öffentlich bekannt gemacht wurde, das sie aber auch im gegenwärtigen Werke den Nachkömmlingen verehrungswürdig machen muß –Nun wollen wir ihnen die Verschreibung ihres schwäbischen Predigers gerne verzeihen. Sie hat nämlich die ganze Summe an das Armeninstitut geschenkt.

Wir können mit Recht hoffen, daß die übrigen Nationen diesem Beyspiel aus eigenem Trieb, und ohne höhern Wink folgen werden. Dadurch würden sie sich den Segen der Armen verdienen, die Achtung ihrer Mitbürger erobern, und sich manches Kopfweh ersparen. 75

 


 


 << zurück weiter >>