Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

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Zweytes Kapitel.

Ueber das Räucherngehen.

Der schwache menschliche Geist ist schon von Natur für das Wunderbare geneigt. Wenn sich nun außerordentliche Fälle ereignen, von denen er die geheime Triebfeder nicht gleich ergründen kann, so können und müssen sie in seinen Augen nichts anders, als Wirkungen einer übernatürlichen Macht seyn, daher so viele Mirakel, daher die Teufeln, Hexen, Kobolde u. s. w. Die Kuh giebt verdorbene Milch – gleich muß sie verhext sein. – Der Hagel zerschlägt die Felder – das hat der böse Feind gethan. – Die Thüre kracht – es wird also jemand aus der Familie sterben. Die Mönche, die wohl wissen, zu was der Teufel ihnen gut seyn mag, haben nicht ermangelt, diesen Hang zum Wunderbaren durch ihre Hexengeschichten, Exorzismen, und falsche Wunderwerke noch mehr zu nähren; aber sie haben sich auch das Vertrauen der Layen dadurch zu gewinnen gesucht, daß sie sich zugleich als Befehlshaber über die Teufel aufwarfen. Wenn in irgend einem Schloß der Schreiber in ein weißes Leintuch gehüllet, der schönen Verwalterstochter zu Nachts einen Besuch machte, oder sich im Kühstall der Knecht bey der Magd als Gespenst sehen ließ, wurde alsogleich ein ehrwürdiger Kapuziner geholt – der bespritzte dann die Wände mit Weihwasser – räucherte den stinkenden Stall mit einem ebenfalls stinkenden Rauch aus, und las seinen lateinischen Exorzismus (denn der ärgste Teufel soll das Mönchlatein nicht eine Minute aushalten können). Erschien das Gespenst nach der Hand wieder, so wars kein Teufel mehr, sondern eine arme Seele, für die zu wenig Messen gelesen wurden – 14 gemeiniglich aber blieb das Gespenst auf die erste Citation weg. Der verliebte Schreiber entdeckte dem guten Pater seine Liebe zur Verwalterstochter. – Der Pater, dem daran lag, daß sein Kloster nicht das Renommee des Teufelbannens verlor, mußte (öfters that ers gern) in dieser kitzlichen Sache noch den Unterhändler machen, und das Gespenst wurde lebenslänglich in die Arme der schönen Verwalterstochter gebannt.

Wir mußten diese kleine Einleitung vorausschicken, weil das Räuchern, von dem wir in diesem Kapitel reden wollen, seinen Ursprung aus dieser Hexen- und Teufelsperiode herschreibt.

Freylich weis man nun nichts mehr von dergleichen Erscheinungen, und nachdem man angefangen, die Teufel mit Stockschlägen auszutreiben, müßte der wohl ein närrischer Teufel seyn, der sich bey uns sehen ließ. – Es scheint also das Räuchern schon bloß in dieser Rücksicht überflüssig. – Allein wenn es schon keine Teufel und Gespenster mehr unter uns giebt, so giebt es doch noch hübsche Thaler, die den Herren in die Augen stechen. – Es dürfte also dieser Misbrauch so bald kein Ende nehmen.

Die Täge, wo dieser öffentliche Aktus vor sich geht, sind die Vorabende des Christtags, neuen Jahrs, und der H. drey Könige. – An diesen Tägen laufen die Geistlichen in einem weißen Chorhemd über die Gassen von Haus zu Haus. – Hinter ihnen wackeln zwey Kirchendiener her, denen vermuthlich der Weihrauch (die Wiener sagen Weinrauch) in den Kopf muß gestiegen seyn. Der eine trägt das Rauchfaß, und der andere einen Bund H. 3 Königezettel und die geweihte Kreide.

Was man diesen Räuchern zum Ruhme nachsagen muß, ist, daß sie sich mit ihrem Rauchfaß Niemanden aufdringen, sondern nur in diejenigen Häuser eintreten, wo sie auf gute Einnahmen rechnen dürfen. 15

Freylich ließ sich dagegen einwenden, daß, wenn es, wie die Mönche noch immer behaupten, Gespenster und Teufel gebe, es unbillig, und wider alle christliche Liebe sey, diese ungebetene Inwohner nur aus den reichen Häusern zu vertreiben, in den armen aber ungestört logiren zu lassen; allein eben dadurch wollen sie uns zu verstehen geben, um was es ihnen eigentlich zu thun sey – und daß sie sich mit keinem armen Teufel mehr abgeben wollen.

Wir müssen also diese ganze Ceremonie als einen blossen Handlungszweig des geistlichen Kommerzes ansehen, der mit so vielen wesentlichen Vortheilen für die lieben Herren verbunden ist, daß dieser Misbrauch, wenn nicht ein höherer Machtspruch ihm Einhalt thut, wohl noch lange fortdauren dürfte.

Möchten wir doch irren! möchte doch noch in diesem Jahrhundert die Religion von diesem unschuldig scheinenden, aber gewiß schädlichen Gaukelspiel gereiniget werden!!! 16

 


 


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