Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Kapitel.

Ueber die Kirchenmusik, und Cäciliavesper.

Der Mensch, der sich von der Gottheit keine andere als sinnliche Begriffe machen kann, sucht seine Verehrung gegen das höchste Wesen auch größtentheils durch äusserliche sinnliche Zeichen und Ceremonien auszudrücken.

Er beleuchtet die Altäre mit unzählichen Lichtern, streut Wohlgerüche umher, schmücket die Kirchen mit Gold und Silber, und weil sein Herz an Gesang und Musik ein besonders Wohlgefallen findet, so glaubt er, daß Gott ebenfalls ein grosses Vergnügen daran finde, und daß ein lautes Gebeth in Versen, von einer rauschenden Musik begleitet, viel leichter durch die Wolken dringe, als stille Herzensseufzer in Prosa.

Christus sagt zwar: Bethet, auf daß ihr nicht in Versuchung fallet; nirgends aber sagt er: singet und musicirt. – – Weil wir indessen schon im alten Testament einen Mann nach dem Herzen Gottes, den königlichen Propheten David vor uns haben, der mit seiner Harfe singend und musicirend vor der Arche tanzte, und überhaupt ein geistiger Gottesdienst nie ein Gottesdienst für alle Menschen seyn wird, so ist eben die Kirchenmusik nicht aus den geheiligten Tempeln zu verbannen, nur wünschten wir, daß sie wieder in die Schranken des Einfachen, und auf ihre Bestimmung zurückgeführet würde.

Als die Musik in der katholischen Kirche eingeführet worden, diente sie gewiß bloß dazu, den Gesang der Gläubigen zu begleiten, und diejenigen, die öfters im Singen ausglitschten, im Takt zu erhalten. Wie aber gemeiniglich 32 die beßten Einrichtungen in Misbräuche ausarteten, so ergieng es auch mit der Kirchenmusik.

Man begnügte sich nicht mehr mit einem einfachen Instrument. Es kamen bald mehrere dazu, bis sie endlich zu einem vollständigen Orchester anwuchsen.

Man schuf einen eignen Kirchenstil. Da aber die Musik nicht ursprünglich in der Kirche war, so wissen wir nicht, was man durch den Kirchenstil eigentlich sagen wolle. Vermuthlich versteht man darunter ernste, erhabne, grosse Musikstücke, und da müssen wir bekennen, daß wirklich viele darunter sehr geschickt waren, das Herz gegen Gott zu erheben.

Allein auch dieser sogenannte Kirchenstil artete gar bald aus. Die Kapellmeister wollten es einander bevor thun; vielleicht war das Volk selbst des ewigen ernsthaften Einerley müde. Es schlichen sich also unvermerkt bald ein Trio aus einem Minuete, bald ein Trum einer Simphonie, nach und nach Fragmente von einem Walzerischen, und endlich halbe und ganze Opernarien in den Kirchenstil über: ja man trug kein Bedenken, durch das Gekrächz wälscher Kapaune die Kirche Gottes zu profaniren.

Die Sänger und Sängerinnen der komischen Oper hatten öfters wechselweise die Kirche und das Theater zu versehen.

Der primo buffo, der im Karneval den Marchese villano spielte, übernahm in der Fasten die Rolle des heiligen Petrus, und die prima donna, die uns vom Theater Liebe und Wollust in die Seele sang, wollte nun durch ein rührendes Stabat Mater ihre und unsre Sünden wieder gut machen. Es fanden sich auch bey diesem Bußgesang so viele reumüthige Sünder ein, daß es nöthig gewesen wäre, gleichwie bey Freybällen, die Thüren mit Wachen zu besetzen. 33

Am buntesten aber gieng es her, wann das Fest irgend eines grossen Heiligen oder Kirchenpatrons gefeyert wurde. Da begnügte man sich nicht mit einem wohlbesetzten Orchester, sondern es wurden auch auf Seitenchören Trompeter und Pauker angebracht, die mit den Trompetern und Paukern des Hauptorchester gleichsam eine Kontrovers halten mußten. So wie es aber bey allen Kontroversen hitzig zugeht, so war es auch hier nicht rathsam den Kontroversisten zu nahe am Leibe zu stehen.

Das Fest der heiligen Cäcilie zeichnete sich unter allen übrigen Festen im Punkt der Musik vorzüglich aus. An diesem Tag giebt die Gesellschaft der Tonkünstler zu Ehren ihrer heiligen Musikpatroninn eine prächtige Serenade. Wer ein Liebhaber von schönen Singstimmen, oder von künstlicher Instrumentalmusik ist, konnte sich nach Herzenslust daran sättigen. Der Zulauf an diesem Tag war also so häufig, daß die grosse Kirche zu klein wurde, und es gab gewiß mehr Musiker und Musikliebhaber im Tempel des Herrn, als andächtige Christen.

Da über dies diese Feyerlichkeit noch am Abend vor sich gieng, so ist leicht zu vermuthen, daß es an ärgerlichen Auftritten nicht mag gefehlt haben.

Ueberhaupt verträgt sich eine lärmende Musik nicht mit dem einfachen Gottesdienst der christlichen Gemeinde. Lärmende Musik zerstreut, und ein zerstreuter Geist kann sich nicht in Andacht zu seinem Schöpfer hinaufschwingen.

Freylich findet man es bequemer einer schönen Musik zuzuhören, als die eigne Kehlen anzustrengen; allein man vergißt über die schöne Musik gar oft das nothwendige Gebeth.

Wir dürfen mit Recht hoffen, daß unser Gottesdienst, der sich immer mehr und mehr seiner ersten Einfalt und Auferbaulichkeit nähert, auch in Ansehung der Kirchenmusik eine wohlthätige Reforme leiden werde. 34

Man wird gewiß die kriegerischen Trompeten und Pauken dem Feld wieder zurückgeben – die Jagdhörner in den Wald verweisen, die Baßgeigen, Flöten, und andere Instrumente auf Tanzsäle verbannen, und von allen zur Begleitung des auferbäulichen Kirchengesanges bloß die ernste feyerliche Orgel beybehalten – Und so wird man zwar auch den Tonkünstlern erlauben, ihre Patroninn mit Musik zu ehren; aber man wird ihnen sicher nicht gestatten, solches in der Kirche zu thun. 35

 


 


 << zurück weiter >>