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Elftes Kapitel.
Angelica und Reinhold

Angelica's Berechnung erwies sich als richtig. Zwar den Meister selbst trafen sie gar nicht zu Hause; er hatte sich mit dem kaum empfangenen Gelde sofort und trotz des Sonntags aufgemacht, neues Garn und andere Vorräthe einzukaufen, dergleichen die Bestellung des fremden Herrn, der heute früh so unerwartet, als solch ein rettender Bote des Himmels bei ihnen erschienen war, erforderte. Auch hatte er nicht unterlassen, einen Theil des Geldes zur Abzahlung seiner Steuerschuld zurückzulegen.

Der Eindruck jenes unvermutheten, für die Familie des Meisters so wichtigen Ereignisses schwebte noch auf den sonst so bleichen, kummervollen Gesichtern, als das Engelchen eintrat; man kann leicht denken, daß die Erscheinung des holden Mädchens sie nicht eben trüber machte. Margareth, über die heut ein ganz besonderer Glanz stiller Seligkeit gegossen war, wollte ihr laut weinend die Hand küssen: O, rief sie, nun ist ja alles wieder gut, nun ist ja auch unser Engelchen wieder da!

Tief gerührt schloß Angelica sie ans Herz. Am allerstärksten aber war die Freude des Wiedersehens bei der kranken Lene. Sie saß hoch aufrecht im Bett, bemühte sich vergebens ihrer Freude Worte zu geben, konnte nur die dürren Arme weit vorstrecken und winken, und ach, so innig schmerzlich winken …

Ich wußte es ja, flüsterte sie ganz leise, da Angelica sich auf den Rand ihres ärmlichen Bettes niedergesetzt hatte und ihr mit liebenden Worten zusprach: ich wußte ja, daß ich nicht sterben durfte, bevor das Engelchen wieder da wäre – o, ich habe dir noch viel, viel zu sagen, du holdes Engelchen, und dann will ich auch gern sterben, wie gern! …

Für Herrn Florus inzwischen gab es zwischen diesen einfachen vier Wänden so viel Neues und Merkwürdiges zu sehen. Es war so sehr das erste Mal, daß sein Fuß eine derartige Wohnung überhaupt betrat, diese ärmlichen Geräthschaften, dieser Webstuhl, diese bleichen, verkümmerten Menschen, bis hinunter zu diesem blödsinnigen Großvater, an dem er sich nun vollends nicht satt sehen konnte – das Alles war ihm so interessant, so merkwürdig, daß er, wie man zu sagen pflegt, aus einer Verwunderung in die andere gerieth und sogar (es klingt unglaublich, entsprach aber dem Charakter des Poeten vollkommen) die schwarzäugige Margareth vollständig darüber vergaß, besonders seitdem er in seinem Umherstöbern und Schnopern auch auf die andere Seite des Hauses gekommen war, und sich hier mit dem rothen Konrad, der dem närrischen fremden Herrn alsbald seine Schwäche abmerkte, in eine lange, lange Unterhaltung vertieft hatte, über Weberei, Armuth, Landleben, und was sie Mittags äßen und wo sie im Winter schliefen, und warum sie es sich denn gar nicht ein bischen behaglicher in ihrer Wohnung machten, die vier nackten weißen Wände, das wäre ja nicht ein bischen gemüthlich, und er, Herr Florus, könne gar nicht begreifen, wie nur ein Mensch darin aushalten könne …

Während dieser Unterhaltung, die schließlich damit endete, daß der gerührte Florus dem schlauen Konrad einiges Geld in die Hand drückte, gewann Angelica die erwünschte Gelegenheit, mit Reinhold unter die Hausthür zu treten und, in geflügelter Eile, die langersehnten traulichen Worte zu ihm zu sprechen.

Zwar im Grunde des Herzens hatte sie nicht übel Lust, das Wiedersehen, statt, wie es ihre Absicht gewesen war, mit Gruß und Dank, vielmehr jetzt mit einer kleinen Strafpredigt zu begehen: so hölzern, däuchte ihr, war Reinhold's Benehmen, so kühl hatte er ihr herzliches Willkommen, so ungeschickt und linkisch ihre innige Danksagung erwidert.

Als sie jedoch jetzt mit dem theuren Jugendgefährten wieder zusammenstand auf derselben Stelle, wo sie so manches Mal als Kinder zusammen gespielt, als sie ihm wieder in die lichten braunen Augen schaute, die, bei aller Kälte, welche in Reinhold's übrigem Wesen lag, sie gleichwohl so treu, so gut anschauten, als auch hier wieder die ganze Erinnerung vergangner, glücklicher Zeiten zugleich mit dem Bewußtsein ihrer gegenwärtigen sorgenvollen Lage sie überkam: so vermochte sie ihren Vorsatz nicht auszuführen und mußte, mitten unter ihren Thränen, ihn dennoch anlächeln.

Nun, wie du auch bist, Reinhold? sagte sie, indem sie ihn mit kindlicher Vertraulichkeit bei beiden Händen faßte: Alle freuen sich, daß das Engelchen wieder da ist, und blos du nicht? Bist du mir böse, wie? daß ich dich gestern nicht gleich erkannt und dir nicht gleich meinen Dank gesagt habe für deinen Beistand? Ach, guter Reinhold, ich that wohl so, als ob ich tapfer wäre: aber wenn du wüßtest, wie ich mich innerlich geängstigt habe …

O, böse, erwiderte Reinhold verlegen, indem er seine Hände sanft losmachte: wie wäre denn nur ein Tropfen Bluts in meinem Herzen, der böse sein könnte auf das Engelchen? Aber verzeihen Sie, gnädigstes Fräulein, Sie sind jetzt eine große, vornehme Dame, es schickt sich nicht mehr –

Wirklich sahen sie auch, wie die Wirthin mit noch einer andern Frau vor der Schenke stand und spöttisch zu ihnen herübergesticulirte; es war dasselbe ältliche dicke Frauenzimmer, dessen Kind Reinhold unter den Pferden hervorgerissen und das durch ihre unmütterliche Sorglosigkeit die Veranlassung gegeben hatte zu dem ganzen Abenteuer.

Angelica fühlte sich wie von Blut übergossen. In ihrer Kindereinfalt hatte sie an jene Rücksichten, welche Gesellschaft, Rang, Reichthum, Verhältnisse aller Art zwischen sie legten, auch nicht im Entferntesten gedacht; ja es kränkte sie beinahe von Neuem, daß Reinhold, der, meinte sie im Stillen, sich noch viel eher darüber hinwegsetzen konnte, dieselben zuerst in Erinnerung brachte. Dennoch konnte ihr klarer, ruhiger Verstand nicht umhin ihm Recht zu geben; rasch zog sie die Hand zurück.

Sie haben Recht, Reinhold, es schickt sich nicht, sagte sie, und ich danke Ihnen, daß Sie mich zurecht gewiesen – ach, ich sehe wohl, es ist eben Alles anders geworden seitdem, und auch wir haben, fürchte ich, unsere guten Zeiten gehabt …

Diese Klage, entgegnete Reinhold, indem ein eigentümliches, fast bittres Lächeln um seine Lippen spielte, hätte ich nirgend weniger als vom Munde des gnädigen Fräuleins erwartet: Sie haben so viel Schönes erlebt in dieser Zeit, so viel Vortreffliches gesehen und gelernt, der Reichthum Ihres Herrn Vaters ist so gewachsen, das Schloß, wie ich höre, ist noch so viel prächtiger geworden als ehedem, Ihre Ankunft im Schloß zieht gleich am ersten Tage so viel fremde Gäste herbei, daß ich meinen sollte, die glücklichen Zeiten für Sie, gnädiges Fräulein, gingen erst recht an.

Verwundert, dennoch ruhig, blickte Angelica zu ihm empor. Ist das, sagte sie, unser Freund Reinhold, der zu mir spricht? Ach, armer Reinhold, wie böse muß es Ihnen gegangen sein, daß Ihr Herz hat so krank werden können?

Die Reihe des Erröthens war jetzt an Reinhold. Ich habe um Verzeihung zu bitten, sagte er, wenn ich durch ein ungeschicktes oder übelgewähltes Wort das gnädige Fräulein beleidigt habe; das gnädige Fräulein mag daraus nur sehen, wie rasch die Hand des Elends den Schimmer jener Bildung von mir abgestreift hat, die ich mir einst in Ihrem Hause, in Ihrer Gesellschaft erwerben durfte – glauben Sie mir, gnädiges Fräulein, sie ist schwer, sehr schwer, die Hand des Elends …

Erst bei diesen Worten und auch jetzt mehr unwillkürlich als absichtlich blickte Angelica um sich, und wurde jetzt erst all diese Zeichen tiefsten Verfalles und bitterster Armuth gewahr, die aus jedem Winkel dieses Hauses, jeder Miene seiner Bewohner sprachen.

O, sagte sie rasch, dies muß geändert werden; armer Meister! armer Reinhold!

Daß sie dieser Familie kein Almosen bieten konnte, gerade sie am Wenigsten, das fühlte das junge Mädchen Augenblicks, und darum machte sie auch keinen Versuch, keine leiseste Andeutung dazu. Aber ebenso rasch stand auch der Entschluß in ihr fest, die Dauer ihres Aufenthaltes im Dorf zu benutzen zu Begründung irgend welcher Einrichtungen und Anstalten, durch welche diesem Elend in einer zweckmäßigen und nachhaltigen Weise könne abgeholfen werden. Und zwar nicht blos dem Elend des Meisters allein: im Hause des Professors waren Gegenstände dieser Art oft und gründlich durchgesprochen, die zweckmäßigsten Mittel, durch Erweckung eigener geregelter Thätigkeit dem Elend der Armen und Nahrungslosen abzuhelfen, mannigfach geprüft worden; sogar Angelica selbst hatte bereits an verschiedenen derartigen Vereinen Antheil genommen und sich nur deshalb wieder davon zurückgezogen, weil sie gefunden, daß es bei der Mehrzahl dieser Vereine weit mehr auf die Eitelkeit der Unternehmer, als wirklich auf das Bedürfniß der Armen abgesehen war. So schien es, besonders indem sie sich an das eben stattgefundene Gespräch mit Herrn von Lehfeldt erinnerte, ihrer leichtbewegten Phantasie denn allerdings ein Kleines, in Verbindung mit dem Überlegsamen, praktischen, vielgewandten Lehfeldt, Mittel auszufinden, durch welche die Armuth dieser Bevölkerung überhaupt gelindert würde. Welchen Widerstand Pläne dieser Art bei ihrem Vater finden mußten, und wie wenig, nach der ausdrücklichen Erklärung desselben, gerade im Umkreis seiner Autorität der Ort war, ihre wohlwollenden, humanen Ideen zu verwirklichen, daran freilich dachte das gute Kind nicht …

Reinhold inzwischen hatte den Faden des Gesprächs wieder aufgenommen. Seien Sie überzeugt, sagte er, gnädiges Fräulein, daß ich das Glück, das unserm Dorfe und jetzt nun gar unserm armen Hause durch Ihre Rückkehr widerfährt, so tief empfinde, wie irgend Einer, und daß alle die Jahre Ihrer Entfernung her kein Morgen gewesen ist und kein Abend, daß ich nicht den innigsten Segen des Himmels herabgefleht habe auf Sie und Julian, den theuren Julian, meinen wie Ihren Bruder.

Wol öfters, fuhr er mit trübem Lächeln fort, habe ich, trotz des Verbotes von Ihrem Herrn Vater und trotz des Kummers, den ich den Meinen damit machte, mich in die Nähe des Schlosses geschlichen, und habe emporgesehen zu den Fenstern, ob ich nicht irgendwo das Antlitz meines Freundes erblicken könnte – ach, ich fürchte, er ist krank, noch kränker als ehedem: denn schon seit Langem bin ich keine Spur mehr von ihm gewahr geworden!

Heiße Thränen tropften aus Angelica's schönen Augen. Sie vermuthen recht, sagte sie, theurer Reinhold, mein armer Bruder ist in der That kränker als je, sehr krank, fürchte auch ich. Aber in Ihre Hand wird es gegeben sein, ihn zu heilen und ihm den Muth und die Freude wieder zu bringen, deren Mangel ihn eben krank macht.

Muth und Freude? wiederholte der junge Weberssohn bitter: Sie reden von Dingen, gnädiges Fräulein, die ich unmöglich Jemand mittheilen kann, weil ich selbst sie nicht mehr besitze. Hätten Sie erlebt, ja könnten Sie ahnen in Ihrem klaren glücklichen Sinn, was ich erlebt seit Jahren, wären Sie auf wenige Tage nur Zeuge gewesen oder dürften Sie es nur jemals sein – denn Gott behüte mich, daß ich Ihr reines frohes Leben trüben sollte mit dem Anblick solcher Schatten –! von dem Trauerspiel, das sich ohne Aufhören, ohne Aenderung, alle Tage, alle Nächte, abwickelt zwischen diesen Mauern; sähen Sie die Jammergestalt dieses zum Kind, ja unter das Kind herabgesunkenen Greisen, der bei alledem nicht sterben kann; sähen Sie das langsame qualvolle Hinscheiden meiner armen Tante; sähen Sie diese Verzweiflung meiner unglücklichen Schwester, diese faule Nichtswürdigkeit meines Schwagers; ja hätten Sie nur meinen Vater gesehen, nur ein Mal, ein einziges Mal, in einem Augenblick wie gestern …

Der junge Mann verstummte. Auch Angelika, aufs Tiefste erschüttert, wagte nicht die traurige Stille zu unterbrechen.

Erst nach einer längern Pause fuhr Reinhold fort:

Sie werden meine Muthlosigkeit schelten, gnädiges Fräulein, Sie werden verwundert fragen, wo mein ehemals so heiterer Sinn, meine sonst so kühnen Hoffnungen, meine Pläne und Träume geblieben sind. Ich thue es auch, ich schelte und frage mich selbst: aber ich finde doch keine andere Antwort, als daß man Muth und Hoffnung und Leben nicht suchen darf bei – den Todten. Wir sind todt, allesammt, gnädiges Fräulein, wie diese Hütte uns hier umschließt: todt, hingewürgt von dem Verhängniß der Zeit, gegen das mein Vater sich vergebens auflehnt und das die Thätigkeit, zu der wir erzogen sind, nun einmal nicht mehr haben will. Auch sind wir es ja nicht allein: noch Hunderttausende unserer Brüder sind ja in derselben Lage, ich sehe das sehr wohl ein, und sehe auch ein, daß es gar nicht anders sein kann, daß wir die unerläßlichen Opfer sind, sein müssen für die neue Zeit, die neue Weltordnung, die über unserm Lande emporsteigt. Ihr Herr Vater mit seinen Maschinen hat doch Recht, und nur wir selbst tragen die Schuld unseres Unterganges. Aber Sie werden auch von einem Sohne, dessen Gehorsam das Einzige ist, womit er das kummervolle Leben seines Vaters noch erheitern kann, nicht verlangen, daß er soll klüger sein wollen als der Vater, und soll sich dem Verhängniß entziehen, das über jenen unrettbar geworfen ist. Betrachten Sie uns denn als Gestorbene, theures Fräulein, und wenden, o wenden Sie, deren ganzer Anblick nur Luft und Leben athmet, die Sie von Gott berufen sind, Freude und Glück zu verbreiten überall, wo Sie erscheinen – wenden Sie Sich ab von diesem Hause der Todten, vergessen Sie uns, wie man die Todten vergißt, vergessen muß …

Nein, nein, rief Angelica, von Schmerz überwältigt, Sie sollen leben, Reinhold! leben und glücklich sein, ja Glück und Leben verbreiten!

Und mit geflügelten Worten (denn schon hörte sie, wie auch Herr Florus wieder in Anzug war: derselbe hatte sich endlich auch der schwarzen Margareth wieder erinnert, ohne jedoch das gehoffte Glück bei ihr machen zu können, im Gegentheil, sie hatte ihn sehr kalt und still abfallen lassen) erzählte sie in Kürze die Unterredung, welche sie in Betreff Julian's mit dem Commerzienrath gehabt hatte. Sie deutete auf die Möglichkeit hin, daß Reinhold der Eintritt in das Schloß wieder gestattet würde, und bat ihn dringend, sich für diesen Fall ihrem Bruder, für dessen Wiederherstellung, körperliche wie geistige, sie so viel davon hoffe und dessen Sehnsucht nach ihm so unüberwindlich sei, nicht zu entziehen.

Wieder indeß hatte sie den Schmerz, daß etwas, dessen bloßer Gedanke sie schon vor Freuden schwindeln gemacht hatte, von Reinhold vielmehr mit mistrauischer Kälte zurückgewiesen ward.

Sie vergessen, sagte er, gnädiges Fräulein, daß ich nicht freiwillig aus dem Hause Ihres Herrn Vaters geschieden bin, sondern gezwungener Weise, und nach einer Behandlung, welche mir den längeren Aufenthalt daselbst unmöglich machte. Ich bin nur ein armer, elender Mensch, ein verhungernder Weber, weiter nichts, und die Bedienten Ihres Herrn Vaters dünken sich, nicht mit Unrecht, große Herren gegen mich. Gleichwohl, so niedrig ich bin, habe ich doch meine Ehre, gnädiges Fräulein, meine Ehre …

Und indem er dies Wort Ehre wiederholte, funkelte sein Auge so männlich, so tapfer, daß Angelica, so ungern sie seine Weigerung übrigens auch hörte, ihm dennoch nicht gram sein konnte.

Diese meine Ehre, fuhr der Webersohn fort, gestattet mir nicht, Ihren Antrag anzunehmen; es ist eine Sache, welche eine Dame vielleicht nicht so nachempfinden kann, aber genug, ich empfinde sie.

Ja, sagte Angelica schmollend, und davon, daß mein armer Bruder über Ihrem Ehrgefühl zu Grunde geht, empfinden Sie nichts …

Wohl, erwiederte Reinhold, nach einigem Bedenken: wäre dieser Grund der einzige, ich würde ihn dem Wunsche Ihres theuren Bruders und – Ihrem eignen, gnädiges Fräulein, vielleicht zum Opfer bringen. Aber bedenken Sie, daß weder mein Wille allein noch selbst auch der Wille Ihres Herrn Vaters die Entscheidung geben kann: sondern daß auch mein Vater eine Stimme hat in dieser Sache. Nach Allem, was ich über das Verhältniß zwischen dem Herrn Commerzienrath und meinem Vater weiß, und was allerdings bis auf diese Stunde nicht ein Buchstabe mehr ist, als alle Welt weiß, zweifle ich sehr, daß es möglich sein wird, jemals die Einwilligung meines Vaters zu Ihrem Plane zu erhalten.

Angelica machte allerhand Vertröstungen, mehr freilich sich selbst als Reinhold zu überreden. Reinhold zauderte.

Gestatten Sie mir, gnädiges Fräulein, sagte er endlich, diese Sache, noch bevor mein Vater irgend etwas davon erfährt, mit unserm gemeinschaftlichen Freunde, meinem theuren Jugendlehrer Leonhard zu besprechen. Das Unglück, in welchem derselbe sich befindet, hat seinen Blick nur noch einsichtiger, noch milder gemacht. Auch wissen Sie ja, wie sehr er Ihrem Bruder, wie sehr er Ihnen selbst, wie sehr er uns Allen zugethan ist; er kennt alle Verhältnisse, alle Rechte und auch alle Pflichten: was er mir räth, dem will ich folgen und weiß zum voraus, theures Fräulein, daß auch Sie damit einverstanden sein werden.

Angelica wußte diesem Vorschlage nichts entgegenzusetzen; sie nahm nur noch Abrede, daß Reinhold, wenn möglich, noch heut mit Leonhard sprechen sollte, und verließ sodann, von dem Poeten begleitet, die Wohnung des Meisters.


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