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Im Hinterhaus.

Im Hinterhaus, vier Treppen hoch,
es war ein dürftiges Zimmer,
scheu durch das einzige Fenster flog
ein dämmrunghellender Schimmer.
Ein Tisch, zwei Stühle, die Ofenbank,
ein ärmlich Paar von Betten,
und in des einen Kissen rang
ein Mädchen nach Atem, ächzend und bang,
kaum mehr für's Leben zu retten.

Vor dem vernutzten Tische saß
schweigend ich dir gegenüber.
Was ich in deinen Augen las,
stimmte mich trüber und trüber.
Du gingest, ach! so dunklen Pfad,
wo tausend Verderben drohten,
und als ich flehend um Einhalt bat,
hast zornigen Blickes du mir grad'
so verdächt'gende Reden verboten.

Ich hemmte meiner Worte Lauf,
mir wollte der Atem stocken,
das kleine Fenster stieß ich auf,
die Luft im Raum war so trocken.
Zur Bank am wärmenden Ofen schlich
die Wirtin, schieläugig und hager;
murmelnd schlug sie die Karten sich,
kichernd wandte sie sich an dich
und zur Kranken auf ärmlichem Lager.

»Schellen, Lisa! Geld, viel Geld!
Hörst Du, spitze die Ohren!
Und sieh! ein Herr aus der feinsten Welt,
Dich, Dich hat er erkoren.
Grete, nun Du! Paß auf: Grün Daus!
Mädel, das heißt: langes Leben.
Und weiter, hier: Du gehst schon aus.
Und nun: Dich holt wer in sein Haus.
Kind, Gold und Seide wird's geben.«

So plapperte kupplerisches Tun
der Kartenweisheit Berichte
und zwinkerte schielend herüber nun
zu Lisa's erregtem Gesichte.
»Was weiter, für mich!« so drängtest du,
tief zuckte am Mund dir die Falte,
zur Bank der Wirtin tratst du hinzu,
ein Geldstück fiel klappernd, du gabst nicht Ruh',
und wieder begann die Alte.

Vom Krankenlager flüstert' es matt:
»Ganz anders träumte mir heute!
Es traten an meine Bettestatt
nächtens viel traurige Leute.
Mir träumte, daß sie vorüber stumm
eine Bahre trügen – «
Leis schluchzte die Kranke: »Der Traum war so dumm.«
Ärgerlich drehte die Lisa sich um;
»Die Karte soll wohl lügen?«

1889
Franz Diederich.


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