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Vor der Liebsten Thür.

Frage.

Du schläfst nun schon auf beyden Ohren,
ich armer Teufel wache noch,
ich sehne mich in deine Kammer
und finde doch zu meinem Jammer
auch nicht ein kleines Mauße Loch.

Antwort.

Ich schlaf noch nicht auf beyden Ohren,
contrair mein Kind, ich wache noch;
wenn Du nur solltest sehn den Jammer,
den ich aussteh in meiner Kammer,
du sprängst mit mir ins tiefste Loch.

Frage.

Die Liebe treibt mich in dem Dunkeln
gleich einem Nacht-Geist hin und her,
ich geh die Gassen auf und nieder,
ich denk' und sinne hin und wieder,
doch gehet alles mir contrair.

Antwort.

So ist's die Liebe, die dich treibet
bald hie, bald da, bald dorten hin;
ich weiß oft nicht, was mich so quälet,
ich lieg im Bette halb entseelet,
oft weiß ich gar nicht, was ich bin.

Frage.

Der Wächter kommt, ich muß nun gehen,
du läßt mich doch bey dir nicht ein,
drum wünsch ich gute Nacht Lisettgen,
ach könt ich nur dein Oberbettgen
auf eine halbe Stunde seyn.

Antwort.

Vom Wächter laß dich nicht vertreiben,
komm nur fein bald zu mir herein!
Wir wollen miteinander scherzen
und thun als zwei verliebte Herzen,
biß es wird heller Morgen seyn.

(Aus der Handschrift des Fräulein von Crailsheim.
18. Jahrhundert.)


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