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Hinterm Zaun.

Meine Mutter war 'ne feine Dirn'
mit Augen hell und blank,
blond flog das Haar ihr um die Stirn,
ihr Leib war weiß und schlank;
mein Vater war ein stolzer Mann,
– ich konnt' ihn niemals schau'n, –
die beiden – 's ging nicht anders an –
sie sah'n sich hinterm Zaun.

Sie hatten viel zu heißes Blut
bei ihrem Liebesweh;
sie löschten ihre wilde Glut,
– dann sagte er Ade.
Sie aber ward, ein schwang'res Weib,
gejagt in Nacht und Grau'n –
Die Stunde kam – und ihrem Leib
entkroch ich hinterm Zaun.

Ich wuchs heran, hab's bald gewußt,
daß wir geächtet sind:
Für meiner Eltern tolle Lust
büßt' ich – das Jungfernkind.
Die Mutter starb, an Fremde hat
man mich getan, zu kau'n
gab's wenig dort, doch hab' ich satt
geheult mich hinterm Zaun.

Wer stets die Hundepeitsche spürt,
der sinkt zuletzt zum Hund,
so ward auch ich, wie sich's gebührt,
Ein Lump, ein Vagabund.
Spuckt mich nur an! Kehrt das Gesicht
nur von mir weg, ihr Frau'n!
– Mein Einziges nehmt ihr doch mir nicht;
den Winkel hinterm Zaun!

Martin Drescher.


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