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XVI.

 

20. Juni.

Ich bin in einem unausstehlichen Sanatorium.

Natürlich war ich krank, als man mich herbrachte, denn freiwillig hätte ich mich niemals hier einsperren lassen. Zwar habe ich sehr schöne Zimmer und einen Erker, in dem ich mit Vorliebe sitze. Ich kann von dort über eine wunderschöne, sanftgeschwungene und bewaldete Bergkette sehen. Aber sonst –

Der Chefarzt ist ein süßlicher Bär mit einem schwarzen Vollbart, der alles lügt, was er spricht.

Der Assistenzarzt ist ein Filou, der seine Anwesenheit im Sanatorium dazu geeignet sieht, Frauen zu verführen. Vielleicht ist er eigens dazu engagiert. Was ich bisher sah von Patienten, ist ein Konglomerat von unverstandenen, unbefriedigten Weibern und halb idiotischen Männern.

Der Tag verläuft so:

Früh kalte Abreibung, die ich mir höchstens einmal in der Woche gefallen lasse. Frühstück im Bett. Dann kommt der Assistenzarzt, und wir führen ein artiges Gespräch über die Unfähigkeit des Chefarztes. Ich liege noch zu Bett. Wenn er mir zu nahe kommt, greife ich nach der Klingel. Er lacht. Einmal wagte er zu sagen: »Sie klingeln ja doch nicht, gnädige Frau.« Ich läutete Sturm. Meine Jungfer kam angestürzt und das Zimmermädchen auch. Ich sagte: »Bitte, führen Sie den Herrn hinaus.«

Er tat, als sei das ein guter Witz, aber er wagt sich seitdem doch nicht nahe heran.

Dann stehe ich auf. Dann gieße ich die Milch, die man mir bringt, in den Eimer und werfe die Brötchen zum Fenster hinaus.

Dann bade ich.

Dann werde ich vom Chefarzt elektrisiert. Er redet wie ein Wasserfall dabei über die Erfolge seiner Kuren.

Dann muß ich bei Tisch an der Table d'hote sitzen. Der Chefarzt behauptet, ich müßte durch angenehme Gespräche von meiner Menschenscheu geheilt werden. Neben mir sitzt die Frau des Chefarztes. Sie ist so dumm, daß sie vermutlich noch an die Existenz des Kinder bringenden Storches glaubt. Auf der anderen Seite ein blonder, junger Mann, der für Goethe schwärmt. Gegenüber der Chefarzt. Schräg gegenüber eine Hünin, irgendwo aus dem Norden, die immer beleidigt ist. Neben ihr ein schmatzender Russe. Neben ihm ein Herr mit einem kahlen Schädel, der manchmal nicht weiß, was er spricht, weil er an Gehirnerweichung leidet. Neben ihm eine dicke, schmutzige Breslauer Jüdin. So, das ist die Galerie, die ich sehen kann. Die übrigen höre ich nur, aber deutlich.

Wenn der Braten vorbei ist, rücke ich den Stuhl zurück und stehe ostentativ auf.

Der Chefarzt macht Augen wie ein afrikanischer Löwe in gereiztem Zustande und sagt: »Sie müssen noch essen, gnädige Frau.«

Ich sage: »Ich bin satt,« und gehe.

Oben falle ich auf meine Chaiselongue und lese ein Buch.

Um vier Uhr kommt die Milch in den Eimer, die Brötchen aus dem Fenster. Dann gehe ich spazieren.

Jemand lauert mir auf und fragt: »Darf ich mitgehen?«

Ich antworte nicht und gehe vorbei.

Um sechs Uhr bekomme ich Tee, den trinke ich.

Um halb acht Uhr Abendbrot, siehe Mittagessen. Doch bin ich meistens leidend und lasse oben servieren.

Und die Nacht.

Wenn Sie denken, Herr Doktor, daß Sie mir Veronal entziehen können, so sind Sie im Irrtum. Ich habe fünfundzwanzig Röhren in meinem Koffer verpackt mitgebracht.

Am quälendsten ist es, zu denken, was unterdessen in Berlin geschieht.

 

2. Juli.

Es geht mir besser; auch mein Kopf ist klar. Ich weiß jetzt, warum ich den Krampfanfall bekam. Es ist eine unangenehme Geschichte, die mich vielleicht verraten könnte. Aber Gott sei Dank ahnt noch niemand, was für ein Vorhaben ich hatte. Ich hatte die Kapsel des Ringes auch noch nicht geöffnet, das sehe ich daran, daß der Skarabäus ganz unverletzt ist. So viel ich mich erinnerte, hatte ich aber den Ring schon abgezogen, als ich den Tee eingoß. Wer ihn mir wieder auf den Finger streifte, weiß ich nicht, vielleicht ich selbst. Genau erinnere ich mich, daß Josephine auf mich zusprang und mich aufrecht hielt. Dann kam wohl die Ohnmacht.

Es ist ein ungeheures Glück, daß ich mir damals den Ring allein kaufte, und daß niemand weiß, wie es um ihn bestellt ist.

Seit ich meine Energie wieder habe, bin ich natürlich zur Abreise entschlossen. Die Jungfer packt schon. Der Arzt weiß noch nichts von seinem Glück, mich zu verlieren, ich werde aber meine Meinung deutlich zum Ausdruck bringen. Er soll noch einige Zeit an mich denken.

Wie ich es hasse, hier zu sein! Und was geschieht unterdessen in Berlin?

Die Briefe, die ich bekomme, besagen gar nichts.

O, ich leide unerhört.

 

Berlin, 4. Juli.

Unumstößliche Sicherheit bringt Ruhe. Aber wenn wir durch diese Sicherheit die letzte Hoffnung verlieren, ist das nicht ein größeres Unglück?

Ich kam hier an.

Es war ein heißer Tag; es war in der Bahn fast unerträglich gewesen.

Der Chauffeur war am Bahnhof und berichtete, daß sich Herr Granier für den Nachmittag telegraphisch angemeldet hatte. Ich war nicht sehr begeistert von der Nachricht. Meinetwegen hätte er gut und gern in Braunshagen bei Bubi bleiben können. Aber natürlich denkt er, daß er mich, die Genesende, Zurückgekehrte, hier empfangen muß. Das ist ja ganz nett von ihm, es paßt mir aber wenig.

Ich freute mich gerade auf die Einsamkeit hier. Es ist ja alle Welt fort; Hasso, Günther, alles flieht Berlin. Mutter befindet sich mit dem Fräulein auch in Braunshagen; ebenso Josephine mit den Kindern. Die gute Josephine muß doch eine Sommerfrische haben.

Ich hatte bald nach seiner Ankunft eine Unterredung mit Fritz. Er teilte mir klar und bestimmt seine Ansichten mit, ich ihm in gleicher Weise die meinen. Leider gehen diese Ansichten diametral auseinander. Er nämlich behauptet, auf ärztliche Aussage gestützt, daß ich in einem Sanatorium bleiben müßte.

Ich entgegnete, daß ich gesund sei und nichts brauchte als Ruhe. Ich wäre es zufrieden, hier in Berlin einsam zu leben; in ein Sanatorium ginge ich nicht mehr.

So stritten wir uns in zwar liebenswürdiger, aber beiderseits mit dem Vorsatz größester Energie gefestigter Art hin und her.

Da kam plötzlich das Gespräch auf Braunshagen. Ich erfuhr zu meinem wahrhaftig nicht geringen Erstaunen, daß C. T. jeden Sonnabend hinüberführe und am Montag erst zurückkehrte. Diese Josephine, von der jedermann begeistert spricht, hat also nicht einmal den Takt, während des Trauerjahres ohne ihren Galan leben zu wollen. Sie läßt ihn sich einladen, und der brave Fritz und Mutter Beer nicken nur gerührt und stiften Ehen.

Ich hütete mich, auch nur ein Wort von all dem zu sprechen, was in mir vorging. Aber ich änderte meine Taktik. Ich setzte es durch, daß ich mit Fritz nach Braunshagen gehe. Die Gäste dürfen bleiben, obgleich der Cerberus Lori kommt. Aber ich werde über der Liebe des schönen Pärchens wachen. Allein, das Wort gebe ich mir, sollen die beiden sich niemals sehen.

Fritz, o dieser Tor, ist fast gerührt von der großen Veränderung, die mit mir vorgeht. Lori will im Sommer auf das Land.

Lori hat nichts gegen den Verwandtentrubel dort.

Lori ist weich und sanft und verzichtet auf Vergnügen.

Lori wird vielleicht doch noch einmal eine ideale Frau.

Jawohl, mein Herr, aber nicht an Ihrer Seite.

 

Braunshagen, 8. Juli.

Das Braunshagener Haus ist groß. Es ist nur ein einfacher, einstöckiger Bau, aber es hat zwei Flügel. Der Mittelbau beherbergt im Unterstock die Wohnräume. Im Oberstock sind die geheiligten Zimmer der Hausfrau, die von ihr selbst eingerichtet sind, und die den Blick über den Park bis weithin zum Horizont haben, wo Felder, Wälder, Seen liegen.

Der rechte Flügel, der den Blick auch in den Park hat, ist für Herrn Granier und Bubi eingerichtet. Der linke Flügel, dessen Fenster auf das Wasser und die stille, kleine Mühle sehen, gehört den Fremden.

Frau Lori Granier ist sehr liebenswürdig. Sie kommt sogar zu Tisch herab und erlaubt es, daß die Kinder mit bei den Großen essen. Nur zum Abend zieht sie sich manchmal zurück, damit sie besser schlafen kann, denn die angeregten Unterhaltungen unten rauben ihr die Nachtruhe.

Eine Probe der Unterhaltungen.

Terrasse vor dem Hause.

Es liegt eine Matte auf dem Stein, hübsche, weiße Korbmöbel stehen darauf. Der Blick ist weit und verliert sich in eine blaue Dämmerung.

Fräulein von Wernheimb, welche mit geradem Rücken auf dem unbequemsten der Stühle sitzt, sagt: »Wie still ist es hier.«

Ein Hund bellt.

Frau von Beer hebt die Hand wie in Entzücken. »Ach, wie verloren der Hund bellt. Als wir noch in der kleinen Stadt wohnten, hörte ich auch abends in der Ferne die Hunde bellen, und die Glocken schlugen die Stunden.«

Frau Biron sieht sich um, sie ist verträumt. »Ja, es ist schön hier. In Berlin lebt man immer in Hast.«

Frau Lori Granier: »Ich begreife dich überhaupt nicht, Josephine, daß du in Berlin lebst, wenn du es doch nicht nötig hast.«

Frau Biron, sehr sanft: »Es würde mir zu schwer, mich erst in irgendeiner fremden Stadt einzugewöhnen. In Berlin habe ich meine Freunde.«

Alle fallen ein und meinen, daß ihnen das sehr verständlich wäre.

Es dunkelt langsam. Fräulein von Wernheimb legt das Strickzeug zusammen, und Granier fragt, ob er eine Lampe bringen lassen soll.

Lebhafter Protest und Begeisterung über die Schönheit der Dämmerung.

Frau von Beer erzählt wieder etwas von der kleinen Stadt. Herr Granier erzählt von derselben kleinen Stadt, die ein Ideal ist. Beide nicken sich zu.

Stille.

Hunde bellen, und der Nachtwächter ruft die Stunde aus. Hinter den Bäumen geht der Mond auf.

Frau Biron: »Wir müssen still sein, das ist zu schön.«

Frau von Beer flüstert: »Bei uns zu Hause gab es so viele Frösche.«

Der Nachtwächterruf verhallt, die Hunde schweigen, der Mond wird heller. Herr Granier steht auf und sagt entschuldigend: »Ich muß doch mal nach Bubi sehen, ob er auch gut schläft.«

Die Welt ist sehr fern. Nur manchmal hört man die kleine Eisenbahn, deren letzter Zug um halb zehn durch Braunshagen fährt. Er bimmelt, er schnauft, er rattert. Er hat Verspätung, denn der Nachtwächter ruft bald darauf wieder etwas aus.

»Schon zehn Uhr,« sagt jemand, und dann geht man hinein. Frau Lori Granier gähnt verzweifelt und findet, daß sie sehr müde ist.

»Dann wirst du gewiß gut schlafen, Lorichen! Ohne Veronal,« sagt Frau von Beer.

»Gute Nacht!«

»Gute Nacht!«

»Gott behüte dich in der Nacht.«

»Schlaft wohl.«

Jeder hat ein Licht in der Hand und geht seinen Weg.

Frau Granier geradeaus, Herr Granier rechts, die anderen links.

»Gute Nacht!«

 

14. Juli.

Es ist alles Galgenhumor. Und das, was mich innerlich, tief innerlich angeht, das steht in diesem Buch nicht geschrieben; das kann überhaupt nicht geschrieben werden, und es ist auch besser, es bleibt den Blättern fern.

Ich bin matt und nervös. Manchmal fange ich an zu zittern, ohne daß irgendein Grund vorliegt. Nur einfach aus Nervenschwäche oder im Entsetzen über einen Gedanken.

Gespräch des heutigen Nachmittags:

Die Luft ist warm, und wir sitzen in der Laube am Wasser. Ich rauche Zigaretten, der Mücken wegen; ich trinke Tee.

Meine Mutter hat sich in einen Stuhl auf den sonnigen Rasen gesetzt. Fritz ist auf dem Felde. Wir drei Frauen sind allein in der Laube. Von fern her tönen fortgesetzt die Stimmen der Kinder, die spielen. Aus den Ställen klingt das Muhen des zurückgelassenen Viehes. Ganz fern läuten ein paar Kuhglocken.

Da sagt Fräulein von Wernheimb: »Morgen kommt doch wohl Herr Togena.«

Ich schweige; ich will, daß Josephine antwortet. Sie sieht mich stutzig an. Als sie merkt, daß ich sie antworten lassen will, wird sie ein wenig verlegen. Dann sagt sie rasch: »Ich glaube wohl. Hast du keine Nachricht von ihm, Lori?«

Ich verneine. Die Karte, die er an Fritz schrieb, brauche ich nicht gesehen zu haben.

Fräulein von Wernheimb spricht wieder. »Es ist so nett, wenn er kommt. Er bringt ein bißchen Leben mit sich. Wir alle sind doch sehr still. Namentlich du, Lori, du bist jetzt besonders still.«

Ich: »Ich fühle mich noch nicht so recht wohl.« Nach einer Weile, nachdenklich: »Sag' mir, Josephine, wie war das eigentlich mit meinem Krampfanfall? Schrie ich denn?«

Josephine fragt: »Soll ich dir davon erzählen; regt es dich auch nicht auf?«

Ich lache und schüttele den Kopf.

Da erzählt sie: »Du warst gerade an den Teetisch gegangen und hattest eine Tasse eingegossen. Da machtest du plötzlich eine Bewegung mit beiden Händen – als ob du etwas wegwerfen wolltest, und dann fielst du zur Seite gegen die Wand. Dabei stütztest du dich nicht, sondern fuhrst mit den Händen fortwährend gegeneinander. Ich dachte zuerst, du hättest dich schwer verbrannt, weil du immer den Ringfinger riebst. Ich sprang auf dich zu, aber da fingst du schon an zu schreien. Du schriest so, daß alles zusammenlief.«

Fräulein von Wernheimb: »Es ist doch merkwürdig, wie das gekommen sein mag. Hast du denn vorher gar keine Schmerzen oder Unbehagen gefühlt?«

Ich sage: »Ich war nicht wohl an dem Tage, vielleicht kam es daher. Berthold meint, es könnte damit zusammenhängen.«

Wir schweigen wieder. Der Wind fährt durch die Bäume, und auf dem Rasen leuchtet golden die Sonne. Die Kinderstimmen sind laut und lustig.

Dann spreche ich wieder in harmloser Art von Togena. Ich merke, Josephine wird rot, wenn ich von ihm rede.

 

19. Juli.

Togena kam.

Er ist so schlank. Er hat so bewegliche, interessante Züge.

Der ganze Fanatismus meiner Eifersucht ist wach. Ich weiß, daß ich mit allen Mitteln kämpfen muß. Diesmal darf ich nicht versagen.

Ich hatte eine Unterredung mit ihm, dabei sagte er klipp und klar: »Ja, ich will, wenn die Trauer vorüber ist und wenn Josephine einwilligt, sie heiraten.«

»Und wenn sie nicht einwilligt?« fragte ich.

Er sah mich an. »Sie liebt mich.«

Und dann zog ich ein Gesicht, dessen Ausdruck ihn erröten machte vor Zorn. »Sie liebt Sie?« fragte ich. »Hat sie es Ihnen schon jetzt, nachdem der Mann kein halbes Jahr im Grabe liegt, gesagt?«

Er stand auf. Ich sah, daß meine Frage ihn empörte; aber ich lachte ihn und die großen Worte, die er von der Heiligkeit ihrer und seiner Liebe sprach, aus.

Ein Mann vergißt leicht. Wenn die Frau, die er liebt, nicht mehr ist, wird er die Heiligkeit seiner Liebe zu ihr bald vergessen.

Künstler sind Kinder.

Und meine Stärke ist groß, ich baue auf sie, ich vertraue mir selbst blindlings.

In einem halben Jahre hat er sie vergessen.

Nur die Lebenden haben Rechte.

Übrigens waren die Tage seiner Anwesenheit nicht ganz ohne Schatten für ihn. Ich beobachtete die beiden wie ein gelernter Detektiv. Ich wich nicht von ihnen.

Aber ich gestehe Josephine ein, daß sie sich tadellos benimmt. Sie ist nur freundlich, einzig und allein freundlich, fast kühl.

Zu meinem Erstaunen glaubte ich zu bemerken, daß ich nicht allein die zwei beobachtete. Ich habe eine Helferin: Inge.

Ich glaube, das Kind haßt C. T.

 

22. Juli.

Ich verstehe im Grunde die Natur dieses Künstlers nicht. Sieht er denn nicht ein, daß seine Heirat mit Josephine der Tod seiner Kunst ist? Ich verstehe seinen Körper nicht, der sich nach dieser wenig reizenden Frau sehnt, weniger aber noch verstehe ich seinen Geist.

Der Geist der Kunst in ihm müßte doch so stark sein, daß er ihn vor Mißgriffen hütet. Der Geist seiner zarten, wundervoll zarten, in ihrer künstlerischen Qualität vollendeten Kunst müßte die Einsicht haben, daß im philiströsen Familienleben jede dieser Zartheiten zerrissen wird.

Schon das Unverstehen, das Josephine dem entgegenbringt, indem sie überhaupt an eine Heirat denkt, richtet sie. Es ist wahr, er fühlt sich von der sanften Art, mit der sie seinem Spiel lauscht, inspiriert. Aber nur so lange, wie sie nicht seine Frau ist. Denn wenn sie mit Küchenschürze und Küchendunst im Haar seinem Spiel lauschen würde, wäre jede Illusion verloren. Ein Künstler braucht den Wechsel, denn der Wechsel ist die Quelle der Anregung.

Nach all dem, was ich jetzt mit Josephine sprach, ist es nicht anzunehmen, daß sie ihm ihre Hand verweigert, denn nach einigen kurzen Worten, die ich hörte, scheint sie dem Wunsch ihres verstorbenen Gatten gemäß zu handeln, wenn sie C. T. heiratet. Wie weit dies nur unnütze Rederei ist, kann ich nicht beurteilen, doch wäre es wohl auch denkbar, daß er es für Josephine wünschte.

Eine Versorgung wäre das, – aber auf Kosten von C. T.s ganzer Kunst und ganzer Eigenart.

Sein Talent muß Anregung haben, es muß beinahe im Kampf stehen, muß sich behaupten müssen. Sein Talent ist etwas, das vom Parfüm einer Kokotte begeistert wird. Ich kann Kokotte sein in dieser Hinsicht, ich kann das flirrende, unruhige, die Nerven anspannende Parfüm um mich verbreiten; sie nicht. Ich kann heute hassen, morgen küssen, mit Launen plagen und mit Ästhetik Sonne geben; sie nicht.

Aber C. T. ist ein Künstler. Er gehört nicht nur Josephine oder mir; er gehört als Künstler der Welt. Ich, die ich das erkannte, habe das Recht, mit allen Mitteln ihn der Welt zu erhalten. Die Pflicht sogar –

Ich warte noch die Abreise meiner Mutter und Fräulein von Wernheimbs ab.

Mein Herz klopft nicht einmal.


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