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Gartenfest

 

Am gleichen Abend mußte Ulrich bei einem Gartenfest erscheinen. Er konnte nicht wohl absagen und hätte es doch getan, wenn ihn seine Mißstimmung nicht gerade hingetrieben hätte. Aber er erschien spät. Der größere Teil der Besucher hatte die Masken bereits abgelegt. Zwischen den Bäumen des alten Parks flammten Fackeln, die wie brennende Spieße in den Rasen gerammt oder mit Klammern an den Stämmen befestigt worden waren. Mit weißen Tüchern gedeckte riesige Tische waren aufgestellt. Eine flackernde Feuersbrunst rötete die Rinde der Bäume, das lautlos über den Häuptern schwebende Blätterdach und die Gesichter unzähliger zusammengedrängter Menschen, die auf einige Entfernung nur aus solchen roten und schwarzen Flecken zu bestehen schienen. Es hatte wohl bei den Damen als Parole gegolten, in Männertracht zu erscheinen: Frau Maja Sommer als Maria-Theresianischer Soldat, die Malerin von Hartbach als Tiroler Sepp mit nackten Knien, und Frau Klara Kahn, die Gattin des berühmten Arztes, allerdings in einem Beardsley-Kostüm. Ulrich stellte fest, daß auch von den jüngeren Damen des Hochadels, soweit er sie von Angesicht kannte, viele eine männliche oder knabenhafte Erscheinung gewählt hatten, es gab da Jockeis, Liftjungen, halbmännliche Dianen, weibliche Hamlets und beleibte Türken. Die vor nicht langer Zeit befürwortete Mode des Hosenrocks schien, obgleich ihr niemand gefolgt war, doch auf die Phantasie gewirkt zu haben; für die damalige Zeit, wo die Frauen höchstens von der Erde bis zur halben Wade der Welt angehörten, von da bis zum Hals aber nur ihren Gatten und Liebhabern, und auf einem Fest, wo man Mitglieder des Kaiserlichen Hauses erwarten durfte, war das etwas Unerhörtes, eine Revolution, wenn auch nur eine aus Laune, und der Vorbote vulgärer Sitten, die vorherzusehen die älteren und dickeren Damen damals schon bevorzugt waren, während die anderen nichts als die Ausgelassenheit bemerkten. Ulrich glaubte es sich erlassen zu dürfen, den alten Fürsten zu begrüßen, um den sich als Hausherrn immer ein Kreis von Menschen versammelt hielt, während er ihm kaum bekannt war; er suchte Tuzzi, dem er etwas zu bestellen hatte, und als er ihn nirgends traf, nahm er an, daß der arbeitsame Mann schon nach Hause gegangen sein werde, und schlenderte vom Mittelpunkt des Treibens fort an den Rand einer Baumgruppe, von wo man, über ein ungeheures Rasenparterre hinweg, den Blick aufs Schloß hatte. Das prachtvolle alte Schloß hatte eine Art Rampenlicht angesteckt, lange Reihen elektrischer Lämpchen, die unter den Gesimsen hin oder die Pfeiler hinauf liefen und die Formen der Architektur gleichsam aus dem Schatten schmolzen, als sei der strenge alte Meister, der sie erdacht hatte, mit unter den Gästen und hätte einen kleinen Schwips unter einer weisseidenen Papiermütze. Man konnte unten die Dienerschaft bei den dunklen Türöffnungen ein- und auslaufen sehen, und oben wölbte sich der häßliche rotgraue Nachthimmel der Großstadt wie ein Schirm nach vorne, in den anderen, dunkelreinen Nachthimmel hinein, den man mit seinen Sternen erblickte, wenn man das Auge in die Höhe hob. Ulrich tat es und war wie trunken von einem Gemisch aus Widerwillen und Freude. Als er seinen Blick sinken ließ, gewahrte er eine Gestalt in seiner Nähe, die ihm vorher entgangen war.

Es war die einer großen Frau im Kostüm eines napoleonischen Obersten, und sie trug noch eine Maske; Ulrich erkannte daran sofort, daß es Diotima war. Sie tat, als bemerke sie ihn nicht, und blickte versunken auf das leuchtende Schloß. –

»Guten Abend, Kusine!« sprach er sie an. »Versuchen Sie nicht zu leugnen, ich erkenne Sie unfehlbar daran, daß Sie als einzige noch eine Maske tragen.«

»Wie meinen Sie das?« fragte die Maske.

»Sehr einfach: Sie fühlen sich beschämt. Erklären Sie mir, warum so viele Damen in Hosen erschienen sind?«

Diotima zuckte heftig die Achseln. »Es hat sich herumgesprochen. Mein Gott, ich habe es begriffen, die alten Ideen sind schon so erschöpft. Aber ich muß Ihnen wirklich gestehen, daß ich mich verdrießlich fühle; es war eine unfeine Idee, man glaubt in eine Theaterredoute geraten zu sein.«

»Das Ganze ist unmöglich« meinte Ulrich. »Solche Feste gelingen heute nicht mehr, weil ihre Zeit vorüber ist.«

»Ach!« erwiderte Diotima obenhin. Sie fand den Anblick des Schlosses träumerisch.

»Herr Oberst befehlen mir wovon eine richtigere Auffassung zu haben?« fragte Ulrich und betrachtete herausfordernd den Körper Diotimas.

»Ach lieber Freund, sagen Sie nicht Oberst zu mir!«

Es war etwas Neues in ihrer Stimme. Ulrich trat nahe an sie heran. Sie hatte die Maske abgenommen. Er bemerkte zwei Tränen, die langsam aus ihren Augen traten. Dieser große weinende Offizier war sehr närrisch, aber auch sehr schön. Er ergriff ihre Hand und fragte leise, was ihr fehle. Diotima konnte nicht antworten; ein Schluchzen, das sie sich zu unterdrücken bemühte, bewegte den hellen Schein ihrer unter dem zurückgeschlagenen Mantel hoch hinaufreichenden weißen Reithosen. So standen sie im Halbdunkel des in den Wiesen versinkenden Lichts.

»Wir können uns hier nicht aussprechen,« flüsterte Ulrich »folgen Sie mir anderswohin. Ich bringe Sie, wenn Sie erlauben, zu mir.«

Diotima suchte ihre Hand aus der seinen zu ziehn; als es nicht gelang, ließ sie es sein. An dieser Bewegung fühlte Ulrich, was er kaum glauben konnte, daß seine Stunde bei dieser Frau gekommen sei. Er faßte Diotima ehrbar um die Taille und führte sie, zart stützend, tiefer in den Schatten hinein und dann in einem Bogen zur Ausfahrt.

Ehe sie wieder ins Licht traten, hatte Diotima ihre Tränen getrocknet und ihre Aufregung wenigstens äußerlich bemeistert.

»Sie haben nie bemerkt, Ulrich,« sagte sie mit tiefer Stimme »daß ich Sie schon seit langem liebe; wie einen Bruder. Ich habe keinen Menschen, mit dem ich sprechen kann.«

Da Leute in der Nähe waren, murmelte Ulrich nur: »Kommen Sie, wir werden sprechen.«

Im Wagen aber sagte er kein Wort, und Diotima drückte sich, ihren Mantel ängstlich zusammenhaltend, von ihm fort in die Ecke. Sie war entschlossen, ihm ihr Leid zu klagen, und ein Entschluß Diotimas war immer eine feste Sache; obgleich sie in ihrem ganzen Leben nie des Nachts bei einem anderen Mann gewesen war als bei Sektionschef Tuzzi, folgte sie Ulrich, weil sie sich, ehe sie ihn traf, vorgenommen hatte, sich mit ihm auszusprechen, falls er käme, und ein großes wehmütiges Verlangen nach einer solchen Aussprache hatte. Körperlich wirkte nun, in der Erregung der Durchführung, dieser feste Beschluß freilich nicht günstig auf sie; es ist die Wahrheit, daß er ihr im Magen lag wie eine harte Speise, wenn die Aufregung alle Säfte, die sie auflösen könnten, zurücktreten läßt, und Diotima fühlte kalten Schweiß auf Stirn und Nacken wie bei einer Übelkeit. Sie wurde von sich erst abgelenkt durch den Eindruck, den ihr die Ankunft bei Ulrich machte; den kleinen Park, wo die Glühbirnen an den Baumstämmen eine Gasse bildeten als sie hindurchschritten, fand sie bezaubernd, die Halle mit den Hirschgeweihen und der kleinen Barocktreppe erinnerte sie an Hifthorn, Meute und Kavaliere, und sie konnte sich – da solche Eindrücke in der Nacht doch verstärkt werden und ihre Schwächen verbergen – vor Bewunderung ihres Vetters nicht fassen, der niemals ein Aufheben von diesem Besitz gemacht hatte, sondern, wie es immer schien, darüber nur spottete.

Ulrich lachte und besorgte warmes Getränk. »Das ist, näher gesehen, eine dumme Spielerei,« sagte er »aber wir wollen nicht von mir sprechen. Erzählen Sie mir, was Ihnen geschehen ist!«

Diotima brachte kein Wort hervor, das war ihr noch nie widerfahren; sie saß in ihrer Uniform und fühlte sich von den vielen Glühbirnen beleuchtet, die Ulrich angezündet hatte. Es beirrte sie. –

»Also Arnheim hat sich unschön benommen?« half Ulrich nach.

Diotima nickte. Dann begann sie: Arnheim sei frei, zu machen, was er wolle. Zwischen ihr und ihm sei nie etwas vorgekommen, was ihm, im gewöhnlichen Sinn, Pflichten auferlegen oder Rechte geben sollte.

»Aber wenn ich richtig beobachtet habe, stand es zwischen Ihnen doch schon so, daß Sie sich scheiden lassen und ihn heiraten wollten?« warf Ulrich ein.

»Oh heiraten?« sagte der Oberst. »Wir hätten vielleicht geheiratet, wenn er sich besser benommen hätte; das kann kommen, wie ein Band, das man zum Schluß noch lose auflegt, aber es soll kein Reif zum Zusammenhalten sein!«

»Und was hat Arnheim getan? Meinen Sie seinen Seitensprung mit Leona?«

»Sie kennen diese Person?«

»Flüchtig.«

»Sie ist schön?«

»Das kann man vielleicht sagen.«

»Hat sie Charme? Geist? Welchen Geist hat sie?«

»Aber liebe Kusine, sie hat nicht den geringsten Geist!«

Diotima schlug ein Bein über das andere und ließ sich eine Zigarette reichen; sie hatte etwas Mut gefunden.

»Sie sind aus Protest in diesem Kostüm auf dem Fest erschienen?« fragte Ulrich. »Habe ich recht? Sie wären sonst durch nichts dazu zu bringen gewesen. Eine Art Übermann in Ihnen hat Sie verlockt, nach dem Versagen der Männer; ich kann es nicht recht ausdrücken.«

»Aber mein Lieber« begann Diotima, und plötzlich rannen ihr hinter dem Rauch der Zigarette die Tränen wieder über das Gesicht. »Ich war die älteste von fünf Töchtern. Meine ganze Jugend lang habe ich die Mutter spielen müssen; wir haben keine Mutter gehabt; ich habe immer alle Fragen beantworten müssen, alles besser wissen müssen. Ich habe Sektionschef Tuzzi geheiratet, weil er um vieles älter war als ich und schon die Haare zu verlieren begann; ich wollte endlich einmal einen Menschen haben, dem ich mich unterwerfen durfte, aus dessen Hand mein Scheitel die Gnade oder Ungnade empfing. Ich bin nicht unweiblich. Ich bin nicht so stolz, wie Sie mich kennen. Ich beichte Ihnen, daß ich während der ersten Jahre in den Armen Tuzzis Wonnen empfunden habe wie ein kleines Mädchen, das der Tod zu Gott dem Vater entführt. Aber seit Jahren muß ich ihn verachten. Er ist ein platter Nützlichkeitsmensch. Von allem anderen sieht und versteht er nichts. Begreifen Sie, was das bedeutet?!«

Diotima war aufgesprungen; ihr Mantel war am Stuhl liegen geblieben; das Haar hing ihr konventsmäßig in die Wangen; ihre linke Hand stützte sich bald männlich auf den Säbelknauf, bald griff sie sich damit weiblich in die Haare; ihr rechter Arm machte große rednerische Bewegungen; sie stellte das Bein vor oder schloß die Beine eng zusammen, und der runde Bauch in den weißen Reithosen hatte, was merkwürdigerweise komisch wirkte, nicht die kleinste Unregelmäßigkeit, wie sie den Mann verrät. Ulrich bemerkte erst jetzt, daß Diotima leicht betrunken war. Sie hatte auf dem Fest in ihrer kummervollen Stimmung mehrere Gläser schweren Getränks hintereinander getrunken, und nun, nachdem auch Ulrich ihr Alkohol angeboten hatte, war der Glanz des Rausches davon wieder frisch gefirnißt worden. Aber ihre Trunkenheit war gerade nur so groß, daß sie die Hemmungen und Einbildungen wegschwemmte, aus denen sie sonst bestand, und legte eigentlich nur so etwas wie ihre natürliche Natur bloß, allerdings auch das nicht ganz, denn sowie Diotima nun auf Arnheim zu sprechen kam, begann sie von ihrer Seele zu reden.

Sie habe ihre ganze Seele diesem Mann gegeben, ob Ulrich glaube, daß ein Österreicher in solchen Fragen ein feineres Empfinden, mehr Kultur habe?

»Nein.«

»Vielleicht doch!« Arnheim sei gewiß ein bedeutender Mensch. Aber er habe schmählich versagt. Schmählich! »Ich habe ihm alles gegeben, er hat mich ausgenutzt, und nun bin ich arm!«

Es war klar, das übernatürliche andeutende Liebesspiel mit Arnheim, körperlich höchstens bis zu einem Kuß ansteigend, gedanklich dagegen grenzenlos und ein schwebendes Duett der Seelen, hatte in seiner wochenlangen, und zuletzt durch das Zerwürfnis Diotimas mit ihrem Gatten, reinen Dauer, das natürliche Feuer in Diotima so geschürt, daß man, respektlos gesagt, es gleichsam mit einem Ruck unter dem Kessel wegreißen sollte, um irgendein Unglück zerberstender Nerven zu verhüten. Das war es, was Diotima, bewußt oder nicht, von Ulrich verlangte. Sie hatte sich auf ein Sofa gesetzt, ihr Schwert lag über ihren Knien und über ihren Augen der schweflige Nebel der leichten Entrücktheit, als sie zu Ulrich sagte: »Hören Sie, Ulrich, Sie sind der einzige Mensch, vor dem ich mich nicht schäme. Weil Sie so schlecht sind. Weil Sie so viel schlechter als ich sind –!«

Ulrich war verzweifelt. Die Umstände erinnerten ihn an einen Auftritt mit Gerda, der sich vor Wochen hier abgespielt hatte, Ergebnis vorangegangener Überreizung wie dieser. Aber Diotima war kein Mädchen, das von verbotenen Umarmungen überreizt worden ist. Ihre Lippen waren groß und offen, ihr Körper feucht und atmend wie aufgeworfene Gartenerde, und ihre Augen unter dem Schleier des Verlangens wie zwei in einen dunklen Gang geöffnete Tore. Aber Ulrich dachte gar nicht an Gerda; er sah Agathe vor sich, und er hätte schreien mögen vor Eifersucht, im Anblick dieses weiblichen Unvermögens, länger Widerstand zu leisten, obgleich er seinen eigenen Widerstand von Sekunde zu Sekunde schwinden fühlte. Schon spiegelte ihm seine Erwartung das Brechen dieser Augen vor, ihr Glanzloswerden, wie es nur der Tod und die Liebe hervorrufen, das ohnmächtige Aufbrechen der Lippen, zwischen denen sich der letzte Atem fortschleicht, und er konnte es kaum noch erwarten, diesen Menschen, den er da vor sich hatte, ganz zusammenbrechen zu fühlen und ihm zuzusehen, während er sich im Moder wand, wie ein Kapuziner, der in die Schädelgruft hinabsteigt. Wahrscheinlich gingen da seine Gedanken schon in einer Richtung, in der er Rettung erhoffte, denn er wehrte sich mit allen Kräften gegen seinen eigenen Zusammenbruch. Er hatte die Fäuste geballt und bohrte seine Augen, von Diotima aus gesehen, fürchterlich in ihr Gesicht. In diesem Augenblick empfand sie nichts als Angst und Anerkennung für ihn. Da fiel Ulrich ein verzerrter Gedanke ein, oder er las ihn aus der Verzerrung des Gesichtes, in das er blickte. Leise und bedeutsam erwiderte er: »Sie wissen gar nicht, wie schlecht ich bin. Ich kann Sie nicht lieben; ich müßte Sie schlagen dürfen, um Sie lieben zu können –!«

Diotima blickte ihm blöde in die Augen. Ulrich hoffte ihren Stolz zu verletzen, ihre Eitelkeit, ihre Vernunft; vielleicht waren es aber auch nur die natürlichen, in ihm aufgehäuften Gefühle des Grolls gegen sie, die er aussprach.

Er fuhr fort: »Ich denke seit Monaten an nichts anderes, als Sie zu schlagen, bis Sie brüllen wie ein kleines Kind!« In diesem Augenblick hatte er sie aber schon bei den Schultern gepackt, nahe beim Hals. Die Opferblödheit in ihrem Gesicht nahm zu. Noch zuckten Ansätze darin, etwas zu sagen, die Lage durch eine überlegene Bemerkung zu retten. In ihren Schenkeln zuckten Ansätze, aufzustehen, und kehrten vor dem Ziel um. Ulrich hatte ihren Pallasch ergriffen und halb aus der Scheide gezogen. Um Gotteswillen! – fühlte er – ich werde, wenn nicht etwas dazwischen tritt, sie damit über den Kopf schlagen, bis sie kein Zeichen ihres verfluchten Lebens mehr von sich gibt! – Er bemerkte nicht, daß in dem napoleonischen Obersten indessen eine entscheidende Veränderung vor sich ging. Diotima seufzte schwer auf, als entflöhe die ganze Frau, die sie nach ihrem zwölften Lebensjahr gewesen sei, aus ihrer Brust, und dann neigte sie sich zur Seite, um Ulrichs Lust sich über die ihre ergießen zu lassen, wie er mochte.

Wäre ihr Gesicht nicht gewesen, Ulrich hätte in diesem Augenblick aufgelacht. Aber dieses Gesicht war unbeschreiblich wie der Wahnsinn und ebenso ansteckend. Er warf den Säbel fort und gab ihr zweimal einen derben Klaps. Sie hatte es anders erwartet, aber die physische Erschütterung wirkte trotzdem. Es kam etwas in Gang, wie manchmal Uhren zu gehen beginnen, wenn man sie roh behandelt, und auch in den gewöhnlichen Ablauf, den die Begebnisse von da an nahmen, blieb ein Ungewöhnliches gemengt, ein Schrei und Röcheln des Gefühls.

Weit zurückliegende Kinderworte und Gebärden mengten sich hinein, und die ablaufenden wenigen Stunden bis zum Morgen waren wie erfüllt von einem dunklen, kindischen und seligen Traumzustand, der Diotima von ihrem Charakter befreite und sie in die Zeit zurückführte, wo man noch nichts überlegt und alles gut ist. Als der Tag durch die Scheiben schien, lag sie auf den Knien, ihre Uniform war über den Boden verstreut, die Haare waren ihr über das Gesicht gefallen und die Wangen voll Speichel. Sie konnte sich nicht erinnern, wie sie in diese Stellung gekommen war, und ihre erwachende Vernunft entsetzte sich über ihre entweichende Entrücktheit. Von Ulrich war aber nichts zu sehen.

 

Aus Urheberrechtsgründen gelöscht: 121-128. Re


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