Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XXIX.

Tonto-Indianer. – Cactus-Paß. – White Cliff Creek. – Big Sandy. – Bill Williams Fork. – Die Riesencactus ( Cereus giganteus). – Das Thal der Bill Williams Fork. – Das Biberdorf. – Der Biber.

Wir hatten gerade unsere Mahlzeit beendigt, als ein lautes Kreischen, welches wie Lachen klang, unsere Ohren traf, und gleich darauf einige Mexikaner mit zwei gefangenen Eingebornen aus dem Cederndickicht hervortraten. Die beiden Gefangenen bebten unter den festen Griffen der Mexikaner und ließen sich willenlos an das Wachtfeuer schleppen, wo der hinzugekommene Offizier der Escorte, Lieutenant Johns, sogleich einige Mann zur Bewachung derselben commandirte. Die beiden Wilden waren von den Hütern unserer Maulthiere in einer Höhle entdeckt worden, aus der ihnen ein Ausweg zur Flucht mangelte, und konnten daher leicht ergriffen werden; natürlich war ein solches Verfahren nicht in feindlicher oder grausamer Absicht von den commandirenden Offizieren vorgeschrieben worden, sondern einfach, um die Gefangenen zu zwingen, uns die in diesen Bergen so versteckten Quellen zu zeigen.

Widerlichere Physiognomien und Gestalten, als die der beiden Gefangenen, sind wohl kaum denkbar. Es war ein junger und ein älterer Mann, beide etwas unter mittlerer Größe und von kräftigem Gliederbau; große Köpfe, vorstehende Stirn und Backenknochen, dicke Nasen, aufgeworfene Lippen und kleine geschlitzte Augen, mit denen sie scheu und tückisch, wie gefangene Wölfe, um sich schauten, zeichneten dieselben aus. Ihr Gesicht war dunkler, als ich es jemals bei Indianern gefunden, ihre Haare hingen wild und verworren um das Haupt, doch fehlte ihnen nicht der indianische Zopf, den sie mit einigen Stücken Zeug und Leder umwunden hatten. Der Jüngere war mit zerrissenen Mokkasins, Leggins und einer Art von baumwollenem Jagdhemde bekleidet, während der Aeltere nur Fetzen einer Navahoe-Decke mit Dornen, die er als Stecknadeln zu benutzen gewußt, um seinen Oberkörper befestigt hatte. Seine Beine und Füße waren durch Nichts gegen die scharfen Steine, Dornen und Cactusstacheln geschützt, es sei denn, daß die dicken Schwielen, die wie Büffelleder seine Schienbeine und Kniee bedeckten, anderweitige Hüllen vertraten. Ihre Waffen bestanden in Bogen von 5 Fuß Länge nebst Rohrpfeilen, die starke 3 Fuß maßen und mit zierlich geschlagenen, steinernen Spitzen versehen waren. Sie wurden, um ausgefragt zu werden, in das Zelt des Lieutenant Johns gebracht, doch wollten oder konnten sie nicht die ihnen gemachten Zeichen verstehen, und schnatterten und jammerten fortwährend, griffen nach Allem, was ihnen geboten wurde oder was in ihrer Nähe lag, und steckten es in ihren aus geflochtenen Bast-Stricken bestehenden Gürtel. Wenn man diese beiden elenden Gestalten beobachtete, wie sie keinen anderen Ausdruck, als den äffischer Neugierde, und kein anderes Gefühl, als das der Furcht um das eigene Schicksal zeigten, so hätte man fragen mögen: Sind dies wirklich menschliche Wesen, in welchen ein göttlicher Funke glimmt, der nur angefacht zu werden braucht, um sie zu nützlichen Mitgliedern der bürgerlichen Gesellschaft zu machen? Man zweifelt daran und wendet sich mitleidig von solchen Geschöpfen ab.

Nach manchen vergeblichen Versuchen, irgend etwas über die Beschaffenheit des Landes aus den Eingebornen, die sich als Tonto-Indianer auswiesen, herauszubringen, wurden sie an's Wachtfeuer geführt und einem Soldaten und zweien Mexikanern übergeben, die ihre Flucht verhindern sollten, zugleich aber auch die Weisung erhielten, im Falle eines Fluchtversuches nicht auf sie zu schießen. Der Abend rückte jedoch weiter vor, und die Neugierigen, welche sich um die beiden Wilden versammelt hatten, entfernten sich allmälig, so daß nur die Schildwachen bei denselben zurückblieben. Die Gefangenen, die anscheinend theilnahmlos am Feuer saßen, hatten nicht die geringste Lust zu einem Fluchtversuche verrathen, wahrscheinlich wohl nur um die Wachsamkeit einzuschläfern; denn als die Schildwachen sie einen Moment aus den Augen ließen, erhoben sich beide wie der Blitz unerwartet von der Erde und stürzten dem nahen Gebüsch zu. Der Jüngere war mit einem mächtigen Satze aus dem Bereiche unserer Waffen, während der Aeltere, vielleicht weniger gewandt, in dem Augenblick, als er seinem Gefährten in's Dickicht folgen wollte, wieder ergriffen wurde. Da uns sehr darum zu thun war, diesen Indianer nicht auch noch zu verlieren, so befestigten wir ihm eine lange Kette mittels eines Schlosses am Fuße und hefteten diese durch einen starken Pfahl an den Boden; ein Bayonnet wurde dem Wilden alsdann auf die Brust gesetzt, so daß die scharfe Spitze in die Haut schnitt, und ihm durch unzweideutige Zeichen zu verstehen gegeben, man würde bei einem neuen Fluchtversuche es ihm durch die Brust stoßen. Mit einer Art von Neugierde beobachtete er dieses Verfahren, welches nur angewendet wurde, um ihn einzuschüchtern. Durch einzelne Klagelaute gab er zu erkennen, wie unheimlich ihm in unserer Mitte sei, mit ausdruckslosem Gesichte blickte er umher, aß von den ihm dargereichten Speisen, steckte die empfangenen Geschenke zu sich, kauerte sich wie ein Hund vor dem Feuer zusammen und schlief ruhig bis zum nächsten Morgen.

Abermals wurden Versuche angestellt, über die Beschaffenheit des Landes etwas von ihm zu erfahren, doch scheiterten alle Bemühungen an dem starren Eigensinne oder dem wirklichen Stumpfsinne dieses Menschen. Die Ankunft zweier Mexikaner aber, die von Lieutenant Whipple zurückgeschickt waren, um uns zu seinem Lager zu führen, machte der ganzen Scene ein Ende. Der Wilde wurde jetzt sogleich mit einigen kleinen Geschenken entlassen und das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Obschon die Mexikaner, um nicht von den Eingebornen überfallen zu werden, den größten Theil der Nacht gereist waren, so konnte doch darauf nicht Rücksicht genommen werden, sondern sie setzten sich bald nach ihrer Ankunft an die Spitze des Zuges und schlugen die Richtung gegen Westen ein. Zwei Meilen hatten wir noch durch wildes unwegsames Land zu ziehen, worauf wir eine Ebene erreichten, die sich in der Breite von 1 Meile in einem Bogen von 4 Meilen gegen Südwesten erstreckte. Der Weg über diese Fläche war verhältnißmäßig gut zu nennen, doch endigte sie vor hohen Felsen und Anhäufungen von Granitgerölle, über welche die Wagen nur mit genauer Noth zu bringen waren. Die Reiter konnten indessen durch eine schmale, treppenartige Schlucht klettern, die in der Regenzeit einen prächtigen Wasserfall bilden mußte, indem die sich von den Gebirgen in der Ebene sammelnden Wassermassen nur den einen Ausweg durch diesen engen Felsenpaß haben. Die Schlucht mündet in einem Thale, in welchem ein Bach sich durch schmale Wiesen schlängelt, der gerade unten an der Felsentreppe mit reichlichem und gutem Wasser entspringt. Wir brachten die Nacht an dieser Stelle zu, obwohl der Marsch des Tages kaum 6 bis 8 Meilen betragen mochte; da aber unsere Lastthiere schon so heruntergekommen waren, daß einige derselben erschossen und sogar zwei Wagen zurückgelassen werden mußten, so beabsichtigten wir, unsere letzten Kräfte zu Märschen aufzusparen, die schlechterdings nicht abgekürzt werden konnten. Wir hatten ja gutes Wasser und etwas Gras, es war also kein Grund vorhanden, an einer so einladenden Lagerstelle vorbei und auf's Gerathewohl weiter in die Wildniß hinein zu ziehen. Hohes steiniges Land umgab uns von allen Seiten, und es gelang uns, manches interessante Exemplar von Vögeln, welche die Schluchten belebten, zu erlegen.

Am folgenden Tage hatten wir fast fortwährend erträglichen Weg, und wenn wir uns auch beständig zwischen cedernbewaldeten Hügeln befanden, so glückte es uns doch immer ohne Schwierigkeit, von einer Schlucht in die andere zu gelangen. Diese führten alle in dem Maße bergan, daß wir durchschnittlich 61 Fuß auf einer englischen Meile stiegen. Am Nachmittag trafen wir endlich mit Lieutenant Whipple und seiner Recognoscirungs-Abtheilung an einer Stelle zusammen, wo wir von dem Rücken des Gebirges in ein tief unter uns liegendes Thal hinabsteigen sollten. Der Paß, in welchem wir uns befanden, wurde auf den Wunsch des Doctor Bigelow Cactus-Paß genannt; der alte Herr bestand ausdrücklich darauf, weil er hier wieder auf zahlreiche Cacteen, seine Lieblingspflanzen, stieß, unter deren verschiedenen Species besonders die riesenhafte Echinocactus Wislizeni hervorragt, welche in der Gestalt von großen Tonnen und Fässern auf den Felsen umherstand.Alexander von Humboldt, Ansichten der Natur II, S. 177. Die Dimensionen der Cacteen (einer Gruppe, über welche der Fürst von Salm Dyck zuerst so viel Licht verbreitet hat) bieten die sonderbarsten Gegensätze dar. Echinocactus Wislizeni hat bei 4 Fuß Höhe 7 Fuß Umfang und nimmt nach dem E. ingens Zucc. und dem E. platyceras Lem. doch erst die dritte Stelle in Bezug auf die Größe ein. ( Wislizenus, Tour to Northern Mexico 1848, p. 94.)

Zu beiden Seiten unseres Lagers ragten abgesonderte Bergkuppen empor, die noch stellenweise mit Schnee bedeckt waren; wir erstiegen dieselben in der Hoffnung, von dort aus den Colorado zu erblicken, doch nichts zeigte sich uns, als ein tiefes, breites, unebenes Thal, durch dessen Mitte sich ein augenscheinlich trockenes Flußbett zog und auf dessen anderer Seite sich ununterbrochen Gebirgsmassen bis dahin ausdehnten, wo wieder höhere Berge in bläulicher Ferne den Horizont begrenzten. Wir befanden uns bedeutend höher, als das sich gegen Westen ausdehnende Land, denn aus halber Vogelperspective vermochten wir die verschiedenen Gebirgszüge zu erkennen, die sich fast alle von Norden nach Süden neben einander hinzogen.

(Anmerkung 24) Vom Cactus-Paß bis zur Vereinigung der Bill Williams-Fork mit dem großen Colorado kommen wir nach einander über drei oder vier Gebirgsketten, die sich von Norden nach Süden erstrecken und die Kette des Mogoyon-Systems durchschneiden. Diese Gebirge, welche zum System der Sierra Nevada gehören und die wir Cerbat-Gebirge nannten, sind gänzlich von eruptiven und metamorphosirten Felsen gebildet, mit einigen Lagen von Conglomerat und rothem Lehm der tertiären Epoche. An der Bill Williams Fork entlang erkannte ich mehrfach Adern silberhaltigen Bleierzes, eine Anzeige, daß Silber in diesen Gebirgen nicht selten ist.

(Marcou: Resumé of a geolog. reconnaissance etc.)

Der große Colorado of the west konnte nicht mehr sehr fern sein, in gerader Richtung vielleicht 3 bis 5 Tagereisen; doch bot die dürre Wildniß vor uns einen so abschreckenden Anblick, sowohl wegen der Unebenheit, als auch wegen Wasser- und Futtermangels, daß der Gedanke, den Colorado in gerader Richtung gegen Westen zu erreichen, sogleich aufgegeben wurde, um so mehr, als die Noth und schwere Arbeit täglich einige unserer Lastthiere hinraffte und wir äußerst haushälterisch mit der letzten Kraft derselben umgehen mußten. Eine neue Reducirung unserer Bagage wurde im Cactus-Passe vorgenommen, wo wir abermals die entbehrlichsten Gegenstände zurückließen.

Seit wir die San Francisco Mountains verlassen hatten, waren 150 Meilen zurückgelegt, doch deutlich vermochten wir noch ihre in Schnee und Eis gehüllten Gipfel zu erkennen; es war aber das letzte Mal, daß wir zu ihnen hinüberschauten, denn der Weg, der jetzt hinab in's Thal führte, lag vor uns, und zwar so steil, daß beim Hinunterbringen der Wagen alle Hände in Bewegung gesetzt werden mußten, die einen, um Gestein und Gebüsch fortzuräumen oder Risse im Boden zuzuwerfen, die anderen, um mittels angebrachter Taue und Stricke das Umschlagen der Wagen oder, was noch schlimmer gewesen wäre, das Hinabstürzen derselben auf die Thiere zu verhüten.

Es war am 1. Februar, als das Niedersteigen vom Cactus-Passe bewerkstelligt wurde, und diese Arbeit nahm fast den ganzen Tag in Anspruch, da auf die erste Meile 700 und auf die ersten 25 Meilen 1711 Fuß Senkung des Bodens kamen. Als wir am Fuße des Gebirges angelangt waren, bogen wir gleich südlich und zogen an demselben hin, bis wir einen aus dem Gebirge kommenden Bach erreichten, der wegen seiner weißen Felsenufer White Cliff Creek genannt wurde. Dort schlugen wir unser Lager auf, und da nach den letzten schweren Tagen ein Ruhetag nöthig geworden und die Recognoscirungs-Abtheilung einen neuen Vorsprung gewinnen mußte, um den nachfolgenden Train besser bei seinem Vorschreiten lenken zu können, so blieb die Expedition am White Cliff Creek zurück, während Lieutenant Whipple schon am 2. Februar wieder aufbrach.

Gutes Wasser war das Einzige, was uns im Lager am White Cliff Creek von der Natur geboten wurde, doch auch dieses nur ganz in der Nähe der aus dem Boden sprudelnden Quelle, denn kaum 100 Schritte von derselben entfernt, war das sandige Bett schon wieder trocken und staubig. Das Gebirge, welches sich östlich von uns von Norden nach Süden ausdehnte, schien mineralhaltig zu sein, denn mehrfach wurden Proben von Kupfer und Bleierz von den Leuten gefunden und in's Lager gebracht, so wie im Gebirge selbst Granit und Trappformation abwechselte. Am 3. Febr. folgten wir unseren vorausgeeilten Kameraden nach. Wir hatten eine mühselige Reise, denn zogen wir in der Nähe des White Cliff Creek, so hinderten uns fortwährend Haufen von Gerölle oder die vom Wasser gewühlten Vertiefungen im Boden; zogen wir in dem trockenen Bette des Flusses selbst, so hatten die Zugthiere die größte Mühe, die nur noch wenig beladenen Wagen durch den tiefen Sand zu schleppen, ein Uebelstand, der noch zunahm, als wir die Mündung dieses Creek in den Big Sandy erreichten und in diesem weiter zogen. (Die Mündung des White Cliff Creek in den Big Sandy liegt 35° 03' nördlicher Breite, 113° 16' Länge westlich von Greenwich.) Als wir das südliche Ende des breiten Thales, welches wir vom Cactus-Paß aus übersehen hatten, erreichten, waren wir nur auf das trockene Flußbett angewiesen; denn so wie wir auf unserer linken Seite schon fortwährend Gebirge gehabt hatten, so schlossen nun auch rechts kahle Berge den Big Sandy ein. Bis gegen Abend folgten wir unserer mühseligen Straße, dann lagerten wir aber dort, wo einige Indianer- und Wildpfade, die in einer Schlucht zusammenführten, auf das Vorhandensein einer Quelle deuteten, auf dem Ufer des Flusses unter wildem Dornengestrüpp. Die Quelle fanden wir leicht, obschon sie sehr abgelegen von unseren Zelten war. Wie bei der letzten Quelle war auch hier nur auf einer ganz kleinen Strecke Wasser auf der Oberfläche des Bodens zu finden und zwar gerade nur so viel, um unsere Heerde, von der höchstens 6 oder 7 zu gleicher Zeit getränkt werden konnten, einmal zu erquicken. Ohne daher am folgenden Morgen das zeitraubende Tränken noch einmal vorzunehmen, brachen wir zur rechten Zeit auf und zogen in dem vom Felsen eingeschlossenen Flußbette weiter; dieses öffnete sich nach kurzer Zeit in ein weites, gegen Süden von Felsen abgesperrtes Thal. Weiter als bis an den Fuß dieser Felsen brauchten wir indessen die südliche Richtung nicht beizubehalten, denn frisch und klar kam aus dem östlichen Gebirge in eiligem Laufe der Cañon Creek, der Hauptarm der Bill Williams Fork, daher und zeigte uns in seinem Thale einen Weg, welcher uns nach kurzer Zeit an die Bill Williams Fork selbst und von dort an den großen Colorado führte und den die Recognoscirer schon eingeschlagen hatten. Wo wir den Cañon Creek zuerst erreichten, schwankte seine Breite zwischen 10 und 20 Fuß; einige Cottonwood-Bäume standen hin und wieder auf seinem Ufer, so wie Mezquit-Büsche und dürres Gestrüpp das Thal theilweise bedeckten. So weit wir dasselbe gegen Südwest übersehen konnten, bildeten abwechselnd Felsen, hohe steinige Berge oder niedrige Hügel, deren Vegetation allein aus vereinzelten Mezquit-Büschen und Cacteen bestand, seine Einfassung. Das schöne, frische Wasser des Flusses war zu einladend, der Durst der Thiere zu groß, als daß wir nicht sogleich angehalten und eine kurze Zeit gerastet hätten. Der Tag war indessen noch nicht weit vorgerückt und wir zogen daher in dem Thale, in welchem wir nur mit geringen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, noch an 5 bis 6 Meilen weiter. Als wir uns dann nach einer bequemen Lagerstelle umsahen, fanden wir uns dadurch in Verlegenheit gesetzt, daß wir statt eines schnellfließenden Wassers nur ein trockenes Flußbett und Triebsand fanden, was uns zwang, unseren nöthigsten Bedarf an Wasser durch zurückgesendete berittene Boten herbeischaffen zu lassen. Eine milde Frühlingsluft wehte in diesem Thale, und wenn auch noch nicht die Knospen an den Bäumen und Sträuchern sproßten, hatte sie doch überall unter dem Gestrüpp frisches Gras aus dem Boden gelockt, welches von unseren Thieren begierig aufgesucht wurde. Wir befanden uns nur noch 2000 Fuß über dem Meeresspiegel, und mit starkem Gefälle eilte die Bill Williams Fork, an welcher wir uns nun schon befanden, gegen Westen dem Colorado zu. Ein Marsch von wenigen Meilen brachte uns am folgenden Morgen in der Frühe an eine Stelle, wo der Fluß wieder plötzlich aus dem Sande hervorsprudelte, das Thal in seiner ganzen Breite reichlich mit Wasser versah, die Wurzeln der in demselben zerstreut stehenden Cottonwood-Bäume und Weiden netzte und zwischen den Halmen des vertrockneten Rohrs neue grüne Schößlinge hervortrieb. Wir rasteten dort, wo uns so ungewöhnlich viele Annehmlichkeiten geboten wurden, einige Stunden, um dann bis zum späten Abend ununterbrochen unsere Straße weiterziehen zu können. An diesem Tage hatten wir zum ersten Male den Anblick der Riesencactus ( Cereus giganteus), die hier erst vereinzelt und in geraden Säulen auf der Einfassung des Thales umherstand; bei unserem Weiterschreiten aber erblickten wir dieselbe häufiger und in anderer Form, größtentheils als riesenhafte Kandelaber von der ungewöhnlichen Höhe von 36 Fuß, die zwischen Gestein und in Felsspalten Wurzel gefaßt hatten und auf den Abhängen der Berge und Felsen einsam und verlassen emporragten.

Cereus giganteus, die Königin der Cacteen, ist in Californien und in Neu-Mexiko unter dem Namen Petahaya bekannt. Schon die Missionaire, die vor mehr denn 100 Jahren den Colorado und Gila bereisten, sprachen von den Früchten der Petahaya, die den dortigen Eingebornen als Nahrungsmittel dienten, und erwähnten damals schon, wie in neuerer Zeit die Pelzjäger gethan, eines merkwürdigen Baumes, der wohl Zweige, aber keine Blätter trage und trotzdem einen bedeutenden Umfang und eine Höhe bis zu 60 Fuß erlange. Wir berührten auf unserer Reise die nördliche Grenze dieser eigenthümlichen Cactusart; von dort ab ist dieselbe südlich weit über den Gila hinaus verbreitet; auch wird sie vielfach im Staate Sonora und dem südlichen Californien gefunden. Die wildesten und unwirthsamsten Regionen scheinen die Heimath dieser Pflanze zu sein, denn zwischen Gestein und in Spalten, wo man bei genauester Untersuchung kaum im Stande ist, ein Stäubchen Erde zu entdecken, haben diese fleischigen Gewächse Wurzel geschlagen und gedeihen bis zu einer überraschenden Größe. Ihre Form ist verschieden, und gewöhnlich abhängig von dem Alter, welches sie erlangt haben. Die erste Form ist die einer mächtigen Keule, die aufrecht auf dem Boden steht und oben mehr als den doppelten Umfang hat. Bei einer Höhe von 2 bis 6 Fuß ist die eben beschriebene Form am auffallendsten, während der Unterschied der Stärke sich mehr ausgleicht, wenn die Pflanzen höher emporschießen. Bis zu einer Höhe von 25 Fuß sieht man dieselben als regelmäßige Säulen hervorragen, wo sie dann gewöhnlich beginnen, ihre Nebenzweige auszuwerfen. Kugelförmig wachsen diese aus dem Hauptstamme, biegen sich in ihrer Verlängerung nach oben und wachsen dann in gewisser Entfernung parallel mit dem Stamme empor, so daß eine mit mehreren Zweigen versehene Cereus genau das Bild eines riesenhaften Kandelabers zeigt, um so mehr, da die Zweige gewöhnlich symmetrisch an dem Stamme vertheilt sind. Dieser erreicht mitunter eine Stärke von 2½ Fuß Durchmesser, doch ist die gewöhnlichste Dicke nur l½ Fuß. In der Höhe sind sie sehr verschieden; die höchsten, die wir an der Bill Williams Fort fanden, maßen 36 bis 40 Fuß, doch sollen sie weiter südlich am Gila bis zu 60 Fuß hoch werden. Wenn man diese colossale Cactus auf der äußersten Spitze eines überhängenden Felsens erblickt, wo ihr nur eine Fläche von wenigen Quadratzollen zur Stütze dient, so kann man nicht umhin, sich zu verwundern, daß der erste Sturm sie nicht von ihrem luftigen Standpunkte hinabstürzt. Doch erhält sie ihre Kraft, den Stürmen zu trotzen, durch einen Kreis von Rippen, die innerhalb der fleischigen Säule sich bis zur Spitze hinaus erstrecken und die zwar einzeln nur l bis l½ Zoll im Durchmesser haben, doch dicht und fest sind, wie das Holz aller Cacteen.Alexander von Humboldt, Ansichten der Natur Bd. II, S. 178. Wenn man gewohnt ist, Cactusarten blos in unseren Treibhäusern zu sehen, so erstaunt man über die Dichtigkeit, zu der die Holzfasern in alten Cactusstämmen erhärten. Die Indianer wissen, daß Cactusholz unverweslich und zu Rudern und Thürschwellen vortrefflich zu gebrauchen ist. Nach dem Absterben der Pflanzen fällt das Fleisch allmälig von den Holzfasern ab, und wie das Gerippe eines Riesen stehen letztere noch viele Jahre, ehe sie ein Raub der Verwesung werden. Der Stamm sowohl wie die Zweige sind rund herum gekerbt, so daß die Furchen in regelmäßiger Entfernung von einander von der Wurzel bis zur Spitze hinauf reichen; die zwischen denselben stehen gebliebenen Theile laufen in einem spitzen Winkel zu, wodurch die Bildung der äußeren Rinde dieser Cactus eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Orgel erhält.Alexander von Humboldt, Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne Vol. II, p. 264. – Au pied des montagnes de la Californie on ne voit que sables ou une couche pierreuse sur laquelle s'élèvent des Cactus cylindriques (Organos del Tunal) à des hauteurs extraordinaires. Die scharfen Kanten sind dicht mit gleich weit von einander entfernten Büscheln von grauen Stacheln besetzt, zwischen welchen dann die hellgrüne Farbe der Pflanze selbst hindurchschimmert. Im Mai oder Juni schmücken große weiße Blüthen die Spitzen der Zweige wie des Hauptstammes, und wohlschmeckende Früchte nehmen deren Stelle im Juli und August ein. Diese haben getrocknet im Geschmack große Aehnlichkeit mit Feigen; sie werden von den dort lebenden Indianern gesammelt und dienen ihnen zu einer ihrer beliebtesten Speisen; auch bereiten sie daraus durch Zerkochen in irdenen Gefäßen eine Art Syrup.

Erregten die kleineren Exemplare des Cereus giganteus, deren wir am frühen Morgen ansichtig wurden, unser ganzes Erstaunen, so wurde dieses noch gesteigert, als wir bei unserer Weiterreise diese stattliche Pflanze in ihrer ganzen Pracht sahen. Der Mangel an jeder anderen Vegetation war die Ursache, daß wir weithin jede einzelne dieser Pflanzensäulen wahrnehmen konnten, die, scheinbar symmetrisch geordnet, besonders die Höhen und Abhänge der Berge bedeckten und dadurch einen eigenthümlichen Eindruck hervorriefen. Ein schöner Anblick war es keineswegs, denn wenn auch jeder einzelne Stamm, für sich betrachtet, ein wahrhaft bedeutendes Bild aus dem Pflanzenleben zeigte, so verliehen diese imposanten, schweigsamen Gestalten, die selbst im Orkan unbeweglich und unerschüttert blieben, ihrer Umgebung einen öden und starren Charakter. Wie versteinerte Riesen, die in stummem Schmerze die Arme zu den Wolken emporstreckten, nahmen sich einzelne der wunderlichen Figuren von fernher aus, während andere am Rande von Abgründen wie einsame Schildwachen umherstanden und gleichsam trauernd auf ihre wüste Umgebung oder auf das freundliche Thal der Bill Williams Fort blickten, aus welchen die Schaaren der Vögel sich nicht hinauswagten, am wenigsten, um sich auf den stachligen Armen der Petahaya auszuruhen. Nur zu tranken und schadhaften Cacteen eilten leicht beschwingte Wespen und buntgefiederte Spechte, um in den alten Wunden und Narben dieser Pflanzen ihre Wohnungen aufzuschlagen.

Wieder verlief sich der eigenwillige Fluß vor unseren Augen im Sande, doch erreichten wir noch vor Abend Baumgruppen, die uns während des größten Theiles des Tages sichtbar gewesen waren, und wo sich der Fluß wieder in aller Fülle in seinem schmalen Bette dahindrängte. An einer Stelle, wo wir vorbei mußten, hatte einer von Lieutenant Whipple's Gefährten eine prächtige Weihe aufgehängt, die er geschossen hatte; wir wurden derselben gleich gewahr, und es gelang mir, den Balg noch zu retten, obgleich die milde Luft ihren schädlichen Einfluß auf denselben auszuüben nicht verfehlt hatte. Neben dem Vogel fanden wir auch noch einen Brief von Lieutenant Whipple, in welchem wir aufgefordert wurden, immer rüstig seinen Spuren zu folgen. Es war auch in der That kein Grund vorhanden, der uns hätte veranlassen können, länger als unumgänglich nothwendig war, stille zu liegen; die Bäume und das Weidengesträuch um uns her trieben freilich Knospen, immer häufiger wurden die frischen Grasplätze, herrliches Wasser war stets in unserer Nähe, doch hatten unsere Thiere schon zu sehr gelitten, als daß sie sich in kurzer Zeit wieder hätten erholen können, und es verging kein Tag, an welchem wir nicht eins oder mehrere derselben erschießen oder zurücklassen mußten; ein Wagen nach dem anderen wurde aufgegeben, ihre Ladung auf die wunden Rücken unserer armen Thiere vertheilt, und wir durch solche Verhältnisse jeden Augenblick zur größten Eile gemahnt. Auch von einer anderen Seite drohte uns Noth: unsere Schafheerde wurde immer kleiner, denn 116 Mann bezogen aus derselben täglich ihre Fleischrationen, die nicht verkürzt werden durften, weil die Mehlrationen schon bis zur Hälfte herabgesetzt waren, und auf das Fleisch unserer Maulthiere durften wir nur im äußersten Nothfalle rechnen, um nicht durch Verringerung unserer Transportmittel an der glücklichen Durchbringung unserer Sammlungen und Arbeiten verhindert zu werden. Wild, wodurch wir unsere Lebensmittel hätten merklich vermehren können, fehlte uns fast ganz; Rebhühner umschwärmten uns zwar täglich, auch lieferte das Geflügel, mit dem die breiteren Stellen des Flusses, die angrenzenden Sümpfe und überschwemmten Wiesen bedeckt waren, uns manchen guten Braten, doch konnten dergleichen Aushülfen nicht gerechnet werden, sie waren zu gering im Vergleich mit unserer großen Gesellschaft, deren Appetit mit der Noth zuzunehmen schien. Bergschafe befanden sich genug in den benachbarten Gebirgen, auch wurden wir hin und wieder eines solchen ansichtig, wie es scheu an den Abhängen hinzuschweben schien, oder, wenn verfolgt, sich kopfüber in einen Abgrund stürzte; doch kamen sie nie in den Bereich unserer Büchsen, und wir können uns nicht rühmen, während unserer ganzen Reise auch nur eines dieser so interessanten Thiere erlegt zu haben. Es waren also genug Gründe vorhanden, die uns bestimmten, wenn auch in kleinen Märschen, so doch unausgesetzt unserem Ziele zuzueilen.

Wie gewöhnlich begünstigte das prächtigste Wetter unseren Aufbruch am 6. Februar. Dichtes Weidengestrüpp umgab uns von allen Seiten, so daß wir im Flusse selbst langsam unsere Straße verfolgen mußten. Anfangs war der Sand fest, doch je weiter wir zogen, desto unsicherer wurde der Boden; das Thal verengte sich, und hätten wir auch das Flußbette verlassen und uns einen Weg durch wild verworrenes Gestrüpp bahnen wollen, so würden wir doch wenig dadurch gewonnen haben, denn rings umher stand das Thal unter Wasser. Wir überzeugten uns davon, daß dieses eine künstlich hergestellte Ueberschwemmung war, denn wir erreichten bald eine Anzahl von Dämmen, die mit solchem Scharfsinn und solcher Ueberlegung gebaut waren, daß das zuströmende Wasser eine gewisse Höhe nicht übersteigen, zugleich aber auch der Wasserstand in den Teichen nicht abnehmen konnte. Als ich so auf meinem vorsichtig watenden Maulthiere durch's tiefe Wasser ritt und mich über die kunstvollen Anlagen der fleißigen Biber freute (denn in einer Biber-Ansiedelung befanden wir uns), ergötzte ich mich vielfach über die Bemerkungen einiger Soldaten, die in den Wasserbauwerken die Nähe der Ansiedelungen von Menschen zu erkennen glaubten und sich schon am Ziele der halben Rationen wähnten. Es ist übrigens natürlich, daß Derjenige, der noch nie ein Biberdorf gesehen, die Arbeiten dieser klugen Thiere für Werke von Menschenhänden hält: denn auch nicht der geringste Verstoß in der Bauart verräth eine Unkenntniß der Wasserkraft und der nothwendigen Stärke der dem Wasser entgegenzustellenden Mauern. Kein einziger der Dämme ist in der ganzen Breite dem Drucke des gerade entgegenkommenden Wassers ausgesetzt, sondern schräg mit dem Strome und allmälig durch denselben ziehen sich die Bauwerke, die so lange erhöht werden, bis das vor denselben sich ansammelnde Wasser hinreichend tief befunden wird: ganz am Ende des Dammes wird eine Oeffnung gelassen, deren Größe ebenfalls so genau berechnet ist, daß eben so wenig das überflüssige Wasser über den Damm hinwegrieseln und denselben zerstören, als zu viel hinausfließen kann, wodurch der zur Anlage der Hütten nothwendige Wasserstand verringert würde. Leider sind die Biber so sehr scheu, daß es nur selten einem Menschen gelingt, sie bei ihrer Arbeit zu beobachten, und daher ist man größtentheils nur im Stande, in ihren Ansiedelungen durch die dort geschaffenen Werke auf den unermüdlichen Fleiß der Erbauer zu schließen. So giebt es z. B. in einer Biberrepublik zwei besondere Klassen von Arbeiten, nämlich erstens die zum allgemeinen Besten des ganzen Dorfes nothwendigen Dienstleistungen bei dem Erbauen neuer und bei dem Ausbessern schadhaft gewordener Dämme, und dann die Errichtung der einzelnen Wohnungen oder Hütten, die etagenweise im Wasser ausgeführt werden, so daß das obere Stockwerk die Höhe des Wasserspiegels überragt. An der ersten Art von Arbeit nimmt die ganze Bevölkerung ohne Unterschied des Geschlechts oder Alters Theil, und daher gelingt den vereinten Kräften der ganzen Bevölkerung Manches, was uns beim ersten Anblick unglaublich erscheinen muß. So werden überhängende Bäume, die mehr als einen Fuß im Durchmesser haben, geschickt abgenagt, so daß sie niederbrechend in's Wasser stürzen müssen; frische Arbeiter sind dann sogleich zur Hand, um Zweige und Aeste von den Stämmen zu trennen und die Stämme selbst so weit abzunagen, wie sie noch etwa auf dem Ufer festliegen, um sodann den schwimmenden Theil mit Leichtigkeit an den Ort seiner Bestimmung zu flößen. Dort nun befinden sich wieder andere Arbeiter, die mit Zweigen, Schlamm und Erde vorausgeeilt sind, um den treibenden Block sogleich zu befestigen; immer neues Baumaterial wird herbeigeschafft, mit Umsicht übereinander gefügt und befestigt, und bald erhebt sich wie eine Mauer der Damm aus dem Wasser, welchen die klugen Baumeister, an demselben hinaufkriechend, mit ihren breiten Schwänzen wie mit Maurerkellen glätten, wodurch sie ihm nicht nur ein besseres Ansehen, sondern auch mehr Festigkeit geben. Nun erst, nachdem diese öffentliche Arbeit beendigt ist, denken die einzelnen Mitglieder an die zweite Art ihrer Arbeiten, nämlich an die Errichtung ihrer eigenen Hütten, und Jeder, unbekümmert um den Andern, geht an's Werk, an einer ihm passenden Stelle eine seinen Wünschen und Neigungen entsprechende Wohnung zu gründen, in welcher er nach Bequemlichkeit in einem Gemache oberhalb des Wassers der Ruhe pflegen und bei herannahender Gefahr durch den Boden unbemerkt hinab in's Wasser gleiten kann. Den Stand des Wassers berechnen die klugen Thiere an ihren Wohnungen; nimmt das Wasser durch Regengüsse oder auf andere Weise zu sehr überhand, so werden bald einige Biber an der Oeffnung des Dammes sein, die zur Entfernung des überflüssigen Wassers bestimmt ist, und dieselbe erweitern, oder wenn lange Trockenheit es erheischen sollte, dieselbe verengen oder nach Umständen auch ganz verstopfen. Auf diese Weise geben die Biber das Bild einer friedlichen, in Allem unter sich einverstandenen, betriebsamen Gemeinde. Der Mensch, der mit unbefangenem Geiste die weisen Gesetze der Natur bewundert und liebevoll die zarten Keime der Pflanzen beobachtet, die, einer unwiderstehlichen Kraft gehorchend, üppig emporschießen, Reiz und Anmuth über die Erde verbreitend, findet auch in dem Leben und Treiben der harmlosen Biber, so wie der ganzen Thierwelt, eine Hinweisung auf eine Alles lenkende gewaltige Macht, vor der er sich mit frommem Gemüthe demüthig beugt.

Der eigenthümliche Scharfsinn, den die Biber überall verrathen, wo sie gesellschaftlich leben, ist gar nicht mehr in den Thieren zu entdecken, wenn sie abgesondert von einander sind. Sie wohnen alsdann in Höhlen, die sie in die Ufer scharren, und mir planlos dem Instinkte folgend, nagen sie an Bäumen und Holzblöcken. Auch in der Gefangenschaft zeigen sie nur unbeholfene Bewegungen, statt der großen Gewandtheit in der Freiheit, doch gewöhnen sie sich, wenn sie noch jung sind, schnell und leicht an menschliche Gesellschaft. Ich hatte einst lange Gelegenheit, den Biber zu beobachten, als ich auf einer Reise von New-Orleans nach Bremen zwei junge Exemplare mit mir führte, die durch ihr zutrauliches Wesen, so wie durch ihre klagenden, bettelnden Stimmen, die durchaus den Stimmen kleiner Kinder glichen, mir manche Zerstreuung auf der langen Seefahrt verschafften. Auch wurden sie nicht seekrank, während ein Paar mächtige graue Bären, einige andere reißende Thiere, so wie ein Adler, die sich ebenfalls in meiner Gesellschaft befanden, deutliche Symptome der Seekrankheit, besonders während eines lange anhaltenden Orkans, zeigten. Nachdem wir das Biberdorf hinter uns hatten, verengte sich das Thal des Flusses so sehr und zog sich in so kurzen Windungen dahin, daß wir vielfach genöthigt waren, unseren Weg über die Ausläufer der nächsten Berge zu nehmen. Das Thal erweiterte sich indessen bald wieder in eine Wiese, die zur Hälfte mit hohem Rohr, zur Hälfte mit niedrigem Grase bewachsen, uns eine passende Stelle zum Nachtlager bot. Der Fluß, der sich hier in einem etwas tieferen Bette durch das Thal schlängelte, war nicht sehr breit, doch ziemlich reißend. Verkrüppelte Bäume standen hin und wieder auf seinen Ufern, und unter denselben wenige frische Grashalme, die ersten Verkündiger des herannahenden Frühlings. Auch Spuren von Indianern fanden wir an diesem Tage, nämlich Abdrücke von Sandalen einiger Männer, die an Bill Williams Fork hinunter dem Colorado zugewandert waren; die Spuren mußten schon einige Tage alt sein, und die Eingebornen, von welchen dieselben herrührten, hatten sich anscheinend vor Lieutenant Whipple zurückgezogen. Wir setzten am 7. Februar in gewohnter Ordnung unsere Weiterreise fort, immer dem gewundenen Bette der Bill Williams Fork folgend; nach einigen Meilen rückten die Berge und Felsen näher zusammen und bildeten eine enge Schlucht, durch welche sich uns ein einziger Weg öffnete. Anfänglich waren die Schwierigkeiten leicht zu besiegen, indem fester Boden, wenn auch uneben und felsig, den Füßen Widerstand leistete; es währte indessen nicht lange, so befanden wir uns der Art von Felsen, die sich zu beiden Seiten hoch aufthürmten, eingeengt, daß wir, wenn wir auch gewollt hätten, nicht im Stande gewesen wären, auf dem einmal eingeschlagenen Wege umzukehren. Schilf und Gestrüpp bedeckte manchmal dicht unsere Straße, und wo dieses uns nicht hindernd im Wege stand, da war es wilder Triebsand, der Wagen und Maulthiere zu verschlingen drohte. Der Boden unter den Hufen unserer Thiere war unsicher, als sie durch das denselben bedeckende Wasser wateten, und immer tiefer schnitten die Räder der einander folgenden Wagen ein, so daß die letzten derselben auf ihren Axen geschleift wurden und zuletzt nicht mehr von der Stelle gebracht werden konnten, weshalb zum Aufschlagen des Lagers geschritten werden mußte. Die an diesem Tage zurückgelegte Strecke war nur sehr klein, doch mußten wir uns in die Nothwendigkeit fügen, Lieutenant Tittball nebst seiner Escorte und einer Anzahl Packthiere, die sich mit leichterer Mühe durch die Hindernisse hatten hindurch arbeiten können, mitunter auch im Stande gewesen waren, an den Abhängen der Berge hinzuziehen, hatte einen Vorsprung vor den Wagen gewonnen, als er davon benachrichtigt wurde, daß an ein Weiterreisen an diesem Tage nicht mehr gedacht werden könne. Ich befand mich zu der Zeit gerade in seiner Gesellschaft und zog es vor, von seiner Gastfreundschaft Gebrauch zu machen und nicht auf dem höchst unbequemen Wege zu meinen Zeltkameraden zurückzukehren. Bis zum Abend beschäftigte ich mich daher mit der Jagd auf Vögel, die in großer Anzahl das Thal und die Abhänge belebten. Besonders erregten die reizenden Kolibri´s, die wie blitzende Smaragde um die wenigen aufbrechenden Blüthenknospen im Thale summten, meine Aufmerksamkeit, und ich war so glücklich, einige Exemplare derselben zu erlangen. Heerden von Rebhühnern belebten die Schluchten und lockten mich weit fort in's Gebirge, wo ich dann einen der höchsten Punkte erstieg, um einen Blick um mich zu werfen. Wie ein Chaos umgaben mich dort oben wilde, zackige Gebirgsmassen, unfreundlich und öde starrte mir von allen Seiten die Natur entgegen, und einsam schaute von den Gipfeln der Berge und Felsen die riesenhafte Petahaya um sich; ich konnte mich eines beängstigenden Gefühls in dieser unwirthsamen Urwildniß kaum erwehren, und behutsam kletterte ich hinab von dem kahlen Bergrücken.


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