Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XIII.

Fortsetzung der Erzählung des Naturaliensammlers. – Encampment Creek. – Reise auf der Llano Estacado. – Ankunft am Rocky Dell Creek. – Indianische Malereien.

»Es wird Ihnen nicht besser gehen wie mir,« rief der Doctor dem Naturaliensammler zu, indem er die Zügel seinem Maulthier auf den Hals legte, seinen zerdrückten, vielgebrauchten Hut zurecht klopfte und in die ursprüngliche Form zu bringen versuchte, »es wird Ihnen ganz gewiß nicht besser gehen; da reite ich schon seit einer Stunde umher, aber auch nicht das kleinste Pflänzchen habe ich gefunden, welches der Mühe des Mitnehmens werth gewesen wäre, und außer einigen Heuschrecken und den Schatten von Antilopen am fernen Horizont habe ich noch kein einziges lebendes Wesen wahrgenommen, was mich denn auf den Gedanken gebracht hat, daß Ihre Schlangen- und Eidechsenjagd heute so erfolglos bleiben wird, wie mein Botanisiren.« – »Ich fürchte, Sie haben Recht,« antwortete jener; »die Natur scheint hier oben ausgestorben zu sein, und werfen wir die Blicke auf unseren langen Zug, so ist es in's Auge fallend, wie die trostlose Umgebung sogar auf die rohesten Arbeiter einwirkt: alle scheinen zu träumen und sich wie unbelebte Maschinen fortzubewegen.« »Der Einfluß der Umgebung auf das Gemüth des Menschen, selbst desjenigen, dem kein tiefes Gefühl zugeschrieben werden kann, ist unwiderstehlich,« erwiederte der Doctor; »ich werde gewiß nicht leicht ein Opfer der Langeweile, so lange ich mich in Gottes schöner, freier Natur bewege, denn die Natur ist nicht stumm, sie gewährt uns eine schöne, eine edle Unterhaltung, die der Aufmerksame versteht. Sogar das dürre, spärliche Gras, welches unter den Hufen unserer Thiere zu Staub zerfällt, redet zu dem Menschen und belehrt ihn; dennoch muß ich ehrlich gestehen, daß hier oben, wo selbst die Cacteen nicht vermögen Wurzel zu schlagen, ich mich lieber mit meinem Nebenmenschen als mit der so wenig ansprechenden Naturumgebung unterhalte.« Der Doctor, voll Interesse für die Schilderungen des innern Indianerlebens, wandte sich nun an den, der ihm mehrfach bei frühern Gelegenheiten von seinen Erlebnissen während seines Aufenthaltes unter den Ottoe- und Omaha-Indianern erzählt hatte. »Beginnen Sie da,« sagte er, »wo Sie von dem Mr. Marten Abschied nahmen und zu den Ottoes übersiedelten. Wir Alle sind darauf gespannt zu erfahren, wie es Ihnen weiter erging.« »Mit Freuden,« antwortete der Erzähler, »willige ich in Ihren Vorschlag, um so mehr als ich gern und oft an jene Zeiten zurückdenke, um sie im Geiste gewissermaßen noch einmal zu durchleben. Ich befand mich also wieder unter weißen Menschen und erfreuete mich eines solchen Luxus, wie er im fernen Westen nur denkbar ist. Ich schlief in einem rohgezimmerten Bette und nahm meine Mahlzeiten an einem Tische ein, wobei ich auf einem Stuhle sah. Letzteres blieb indessen nicht ohne unangenehme Folgen für mich, denn ein fortwährendes Einschlafen der Füße, sowie unleidliche Schmerzen in denselben erinnerten mich stets daran, daß die sitzende Stellung mir nicht nur ungewohnt, sondern beinahe fremd geworden war. Den Tag über befand ich mich größtentheils in dem Raume, der zugleich als Waarenlager und Tauschladen diente, und blieb in fortwährendem Verkehr mit den Ottoes, die haufenweise über den gefrorenen Missouri kamen, um ihr Pelzwerk gegen Fabrikate der Weißen umzusetzen. Der alte Wo-nes-hee stellte sich regelmäßig des Morgens ein und zwar jedesmal in tiefer Trauer um seinen vor vielen Jahren erschlagenen Sohn. Die Haare hatte er sich mit einem Brei von Asche und Wasser zusammengeklebt und sein Gesicht ganz schwarz gefärbt. So trat er denn zu mir und weinte bitterlich; wenn ich ihn dann nicht gleich durch ein Gläschen Branntwein tröstete, brach er in ein lautes Klagegeheul aus, mit welchem er zur größten Belustigung meiner weißen Freunde nicht eher wieder einhielt, als bis ich ihm meine Theilnahme auf die erwünschte Art bewiesen hatte. Freilich bequemte ich mich nur ungern dazu: einesteils war ich ganz ohne Geld und gezwungen, die geringsten Kleinigkeiten auf Credit zu nehmen, ohne zu wissen, wann und wie ich dieselben jemals würde bezahlen können; dann aber auch war es mir ein schrecklicher Gedanke, daß ich dem alten Wo-nes-hee die Hand zur Befriedigung seiner verabscheuungswürdigen Gelüste bieten mußte. So wie meine alten Reisegefährten sich täglich bei mir zeigten, machte ich ihnen ebenfalls meine Besuche in ihren Wigwams; ich fand stets eine herzliche Aufnahme und eine Schüssel Fleisch für mich in Bereitschaft; ich jagte mit ihnen und fand in dem Umgange mit diesen armen Wilden reichen Stoff zur Unterhaltung, aber auch zum Nachdenken. So gingen acht Tage schnell vorüber und am Ende dieser Zeit war ich wieder im Stande, mich in meinen eigenen Kleidern zu präsentiren, welche ich der Geschicklichkeit einer Frau zu verdanken hatte, die mir aus einer grünen gestreiften Decke einen prächtigen Rock herstellte, mit welchem ich im Dorfe der Indianer nicht wenig Aufsehen erregte. Kaum hatte ich mich also etwas erholt und meine Waffen in gehörige Ordnung gebracht, als ich mich hinlänglich mit Munition versah, von meinen Gastfreunden Abschied nahm und zurück zu den Ottoes wanderte. Ich hatte nämlich in Erfahrung gebracht, daß 12 Meilen nördlich von Bethlehem, unter welchem Namen die Ansiedelung, wo ich mich aufgehalten, bekannt ist, das Dorf der Omaha-Indianer sei und nicht weit von diesem sollte sich ein Handelsposten der St. Louis-Pelzcompagnie, eine Indianer-Agentur und eine presbyterianische Mission befinden. Dorthin nun beabsichtigte ich überzusiedeln, doch nicht ohne mich vorher bei den Ottoes gehörig umgesehen zu haben.

Die Ottoes (ursprünglich O-ta-ta-toes) zählen kaum noch 600 Seelen; die Missouris, ihre früheren Nachbarn, sind seit einer Reihe von Jahren dem Ottoe-Stamme einverleibt, wozu die Aehnlichkeit der Sprache, besonders aber die Abnahme ihrer Seelenzahl, die Veranlassung gewesen sein mag, denn die Missouris waren schon bis auf 400 Köpfe herabgekommen. Beide Stämme bewohnen jetzt gemeinsam ein Dorf, stehen aber unter besonderen Häuptlingen. Ottoes und Missouris sind indessen gewöhnlich zusammen zu finden, vereint ziehen sie zum Kampf und auf die Jagd, und gemeinschaftlich führen sie ihre wilden, malerischen Tänze in dem Thale an der Mündung des Nebrasca auf. Die Männer sind groß und kräftig gebaut, während die Weiber und Mädchen manches schöne Gesicht aufzuweisen haben. Bei den freundlichen Gesinnungen, welche dieser Stamm gegen die Weißen hegt, können Sie sich denken, lieber Doctor, wie frei ich mich unter diesen Wilden bewegen durfte und mit welcher Herzlichkeit mir jedes Wigwam geöffnet wurde. Schade nur, daß ich vor den Betrunkenen sehr auf meiner Hut sein mußte; denn da es ihnen leicht wurde, Branntwein von den Weißen jenseits des zugefrorenen Missouri zu erlangen, so waren fast fortwährend einige von ihnen in einer so vergnügten Laune, daß sie mit Messer und Tomahawk wie mit Federbällen spielten, und ich oftmals meine ganze Gewandtheit aufbieten mußte, um einem sausenden Mordinstrumente auszuweichen. Ich war indessen vorsichtig genug, derartig aufgeregte Gemüther nicht durch unzeitige Empfindsamkeit zur Wuth zu reizen, sondern lachte zu ihren Späßen, und niemals bin ich mit Einem in Streit gerathen. Am zweiten Abende meines Verweilens in dem Dorfe wurde mein Gleichmuth auf eine so harte Probe gestellt, daß, hätte ich nur die Möglichkeit eines heimlichen Entkommens gesehen, ich mich gewiß geflüchtet hätte, um nicht länger Scenen ausgesetzt zu bleiben, die für mich zu ernsthaft zu werden drohten, während sie mich von einer anderen Seite, ihrer Merkwürdigkeit wegen, doch wieder mächtig anzogen. Der Pferdetanz wurde nämlich aufgeführt und zwar mit einer Leidenschaft, Feierlichkeit und Pracht, wie sie nur immer bei Indianern gefunden werden kann. Wären alle Mitglieder nüchtern gewesen, so hätte der Anblick ein wahrer Genuß sein müssen. Denken Sie sich einen Haufen Männer, deren nackte Oberkörper und Gesichter aufs Schrecklichste bemalt und deren Glieder mit den phantastischsten Schmucksachen bedeckt sind, die mit flatternden Skalplocken und Federn geputzt und, von Kopf bis zu Fuß bewaffnet, laut heulend ein mächtiges Feuer umkreisen, dessen lodernde Flammen die Nacht weithin erhellt, dabei springen und hüpfen und ihre schön gewachsenen Glieder auf das Wunderlichste verdrehen, ihre Waffen kräftig schwingend, als gälte es unsichtbare Feinde zu bekriegen. Denken Sie sich also einen solchen Anblick und Sie werden gewiß zugeben, daß dadurch die Aufmerksamkeit auf's Höchste gefesselt werden muß. Ich saß beim Beginne des Tanzes im Schnee bei einem kleinen Feuer und sah auf das tolle Treiben vor mir. Nach dem Takte dreier Trommeln, einiger Pfeifen und nach dem allgemeinen Gesang und Heulen drehte sich die wilde Schaar im Kreise: die Melodien ihrer Schlachtgesänge und die Erinnerung an ihre Kriegsthaten regten die Gemüther heftig auf, stampfend fielen die Füße auf den gefrorenen Boden, die Waffen blitzten im röthlichen Schein der Flamme und der Schweiß lief in Folge der Anstrengung reichlich über die bemalten Wangen. Ein riesenhafter Krieger, der an mir vorübertanzte, stieß plötzlich mit der Lanze nach meiner Brust, aber natürlich nicht in der Absicht, mir zu schaden; ich fuhr erschrocken vor der feindlichen Geberde zurück, erregte aber dadurch ein allgemeines Hohngelächter bei der ganzen Versammlung, und zu meinem größten Aerger auch bei den Weibern und Kindern, die in bescheidener Ferne dem Tanze aufmerksam zuschauten. Ich hatte eine Blöße gegeben, die wieder gut gemacht werden mußte, und ohne mit den Augen zu zucken sah ich einen geschwungenen Tomahawk an mir vorübersausen, Waffen aller Art wie grüßend und in höchst unangenehmer Nähe an mir vorbeifahren, so daß ich anfing ernstlich zu befürchten, daß die unsichere Hand eines Betrunkenen das scharfe Kriegsbeil in verderbliche Berührung mit meinem Schädel bringen würde. Ich saß und rauchte mein Pfeifchen Tabak, überlegte aber dabei, auf welche Weise ich mich am sichersten dieser Lage würde entziehen können; entfernen durfte ich mich nicht, wenn ich nicht als Feigling gebrandmarkt und mit Hohn und Spott verfolgt werden wollte, und länger sitzen zu bleiben schien mir eben so wenig rathsam. Die Leute waren mir freilich zugethan, wie selbst aus dem Benehmen während des Tanzes hervorging, aber welche Sicherheit konnte dieses Wohlwollen mir gewähren, wenn die Waffe der Hand eines Betrunkenen entglitt und mein Leben dadurch gefährdet wurde?

Die braven Ottoes sowohl wie die benachbarten Weißen würden meinen Tod als einen Unglücksfall betrachtet und davon gesprochen haben, wie wir, wenn wir eines unglücklichen Zufalles auf einem Balle gedenken, wo vielleicht durch eine unvorhergesehene Bewegung eines Tanzenden dem Kellner einige Gläser Wein aus den Händen gestoßen und deren Inhalt auf das neue Ballkleid einer Dame gegossen wird. Jedenfalls hätte ich ein ruhmloses Ende genommen; deshalb, wenn auch nur um der scheinbaren Gefahr zu entgehen, entschloß ich mich zu einem Schritte, der mir bei den Indianern die größte Achtung verschaffte, mir aber, wenn ich davon den sogenannten Förderern der Civilisation erzähle, manches Lächeln über meine Schwachheit einbringen wird. Ich warf meinen Rock zur Seite, entblößte meine Arme und beschmierte diese, sowie mein Gesicht, mit Fett und rother Farbe, welche mir dienstfertig von allen Seiten dargeboten wurden, nahm in die linke Hand mein langes Jagdmesser, in die rechte Hand einen Revolver, und sprang in den Kreis, um meine Lungen und Füße ächt indianisch arbeiten zu lassen. Mein Benehmen erregte eine allgemeine Heiterkeit, wie ich an dem verdoppelten Gellen und Heulen wahrnehmen konnte, und dadurch aufgemuntert, gab ich mir die größte Mühe, es meinen würdigen Vortänzern gleich zu thun. Das war eine harte Arbeit, doch führte ich dieselbe zur größten Zufriedenheit Aller aus; abgesehen davon, daß ich mich durch die Anstrengung erwärmte, war ich auch der früheren unangenehmen Lage enthoben. Ja, was noch mehr war, die Krieger hielten mich für ein ganz hoffnungsvolles Bleichgesicht und manche hübsche, aber noch mehr die häßlichen Squaws bewiesen mir durch kleine Geschenke, Erzeugnisse ihrer eigenen Geschicklichkeit und Phantasie, in welchem vortheilhaften Lichte ich mich an diesem Abend in den Augen des schönen Geschlechtes gezeigt hatte. Dies war also ein indianischer Ball, Herr Doctor; eine gewisse Scheu vor einer Wiederholung veranlaßte mich, früher, als ich sonst gethan haben würde, von den Ottoes Abschied zu nehmen, um in der Begleitung Farfar's und mehrerer anderer jungen Bursche zu den Omahas und dem Handelsposten der großen Pelzcompagnie zu wandern. Mein Verkehr mit den Ottoes hatte hiermit sein Ende noch lange nicht erreicht, denn oftmals kamen meine alten Gefährten zur Agentur oder in den Tauschladen und verabsäumten dann nie, mir ihre Aufwartung zu machen und bei dieser Gelegenheit nach Tabak und bunter Farbe zu fragen. Besonders feierlich war der Besuch, als zwei hervorragende Männer des Stammes, Wa-ruck-scha-mo-nee und Ki-ka-poo, die, mit Geschenken beladen, von einer Reise nach Washington zurückgekehrt waren, von den angesehensten Kriegern begleitet, zur Agentur kamen, um über die Unterredung, die sie mit dem großen Großvater gehabt, Bericht zu erstatten.

Auch Wa-ki-ta-mo-nee war zu der Zeit im Gefolge dieser Häuptlinge und redete mir freundschaftlich zu, mit dem Stehlen der Pferde und Jagen der Büffel zeitig im Frühjahre den Anfang zu machen. Er ließ dabei einige Andeutungen fallen, daß die Pferde, wenn sie von den Sioux, den Erbfeinden der Ottoes, genommen wären, viel größeren Werth haben würden und daß ein Raubzug zu dieser Nation um so mehr zu empfehlen sei, als ich dort Gelegenheit finden könne, einen oder mehrere Skalpe zu erbeuten. Daß dort Gefahr für meine eigenen Locken sei, sagte er gerade nicht, mag es auch wohl vergessen haben.

An einem klaren, aber entsetzlich kalten Morgen kehrten wir dem Ottoe-Dorfe den Rücken und wanderten rüstig am Missouri hinauf; der Schnee war mit einer harten Kruste überzogen und leicht ging es über denselben hin. Je näher wir unserem Ziele rückten, je lichter wurde die Waldung, und als wir den Papillon oder Butterfly Creek, wie das Flüßchen zuweilen genannt wird, nicht weit von seiner Mündung in den Missouri überschritten hatten, befanden wir uns am Rande einer weiten Prairie, an deren anderem Ende die Mission und die Agentur mit ihren Einfriedigungen und Nebengebäuden uns freundlich entgegenschimmerten. Ohne zu rasten eilten wir vorwärts, die Mission blieb links von uns auf einem Hügel liegen, und als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Anhöhen sandte, stand ich in der Thüre des Mr. Sarpy, des Chefs des Handelspostens, welcher mich mit der dem fernen Westen eigenthümlichen Höflichkeit und Gastfreundschaft empfing.

»Wie geht's, Herr? Kaltes Wetter, Herr! Werfen Sie Ihr dünnes Schuhzeug in die Ecke! Ziehen Sie ein Paar von den meinigen an! Bill! Jo! wälzt frische Blöcke in's Kamin! Sehen Sie mein Haus als Ihre Heimath an, Herr!« Dies waren ungefähr die Worte, die Mr. Sarpy mir wie einen Hagel entgegenwarf, jedoch mit einer solchen Herzlichkeit, daß ich mich sogleich zu ihm hingezogen fühlte, um so mehr, als er bei meinem Eintritt in die Stube ein kurzes Negerpfeifchen aus seinem Munde nahm, mir dasselbe auf indianische Weise darreichte, um einige Züge daraus zu thun, und sie nach diesem Zeichen des Willkommens wieder zwischen seine Zähne schob. Die Stube, ein geräumiges Gemach, schien das Unterhaltungs- und Gesellschaftszimmer zu sein; ein Schreibtisch, ein Wiegenstuhl, einige Sessel und ein altes Sopha waren die einzigen Möbel, während mehrere alte Lithographien, Portraits von Indianern, die rohen Blockwände zierten. Trotz der wenigen Sitze war der Raum fast überfüllt von Menschen, die in Ermangelung besserer Gelegenheit sich auf die bequemste Weise auf den Fußboden gelagert hatten und sich der behaglichen Wärme erfreuten, die von dem kolossalen Kamine ausströmte. Ich folgte dem Mr. Sarpy zwischen Indianern, Halbindianern und Weißen hindurch nach und nahm ihm gegenüber neben dem Scheiterhaufen Platz, um in gemüthlicher Unterhaltung den Abend zu verplaudern. Dieser Mr. P. A. Sarpy ist das merkwürdigste Exemplar eines Hinterwäldlers ( blackwoodman), welches ich je gesehen habe. Zu den Häuptern der Pelzcompagnie gehörend und seit mehr denn dreißig Jahren ein thätiger Mitarbeiter, hat derselbe ein Vermögen erworben, welches einer Million nahe kommen muß. Da er nun mit einer Indianerin verheirathet ist und keine Nachkommen hat, so fällt der ganze Reichthum dereinst den Kindern seines Bruders zu; trotzdem erträgt er lieber die größten Unbequemlichkeiten und Entbehrungen, als daß er sich von einer Lebensweise lossagte, die ihm nicht nur zur Gewohnheit, sondern zur anderen Natur geworden ist. Ich fragte ihn einst, warum er sich seiner Schätze nicht besser erfreue und in irgend einer Hauptstadt Europa's auf seinen Lorbeern oder vielmehr Geldsäcken ruhe. »Sie haben gut reden,« gab er mir zur Antwort; »ich gehe schon seit vierzehn Jahren mit diesem Gedanken um und bin seit dieser Zeit alljährlich nach St. Louis gereist, um nicht wieder hierher zurückzukehren, doch hielt ich es daselbst nie länger als vier Wochen aus. Die ersten acht Tage vergingen mir auf die angenehmste Weise in Saus und Braus, die zweiten acht Tage fing ich an mich zu langweilen, in der dritten Woche dachte ich an das gemüthliche Leben im fernen Westen, und in der vierten kaufte ich mir einen neuen Anzug, einige Paar Stiefeln, sah mich nach einem Dampfboot um und kehrte so rasch wie möglich zu meiner alten Necoma heim, die sich vor Freude nicht zu lassen wußte, wenn ich wieder da war. So ist es nun schon seit einer Reihe von Jahren gegangen, bis ich endlich alle Hoffnung aufgegeben habe, etwas Anderes zu werden als was ich jetzt bin, und im Grunde genommen möchte ich auch mit keinem anderen Menschen der Welt tauschen,«

So steht es also mit dem Mr. Sarpy; seine Blockhäuser sind für ihn Paläste, der weite Westen ist seine Welt, die Indianer bieten ihm Unterhaltung, das Reisen zu den verschiedenen Prairien Beschäftigung; die dabei vorkommenden Gefahren und Entbehrungen würzen sein Leben und erhalten ihn jung und rüstig; so wie er vielleicht vor fünfzehn Jahren ausgesehen hat, findet man ihn an dem heutigen Tage noch unverändert wieder, wenn auch einige Schneeflocken auf seinem Haupte zurückgeblieben sind. Als Mr. Sarpy sich am späten Abend von mir trennte, um in seine etwas bequemer eingerichtete Schlafstube hinauf zu steigen, war er mit dem größten Theile meiner Lebensgeschichte bekannt, namentlich auch mit dem Umstande, daß ich außer meinen Waffen nichts mein Eigenthum nennen konnte, im Gegentheile für die Kleidung, die ich trug, noch schuldete. Aeußerst leicht nahm er das Letztere und von der Thür aus rief er mir noch zu: »Ihre erste Sorge unter meinem Dache muß sein, Ihre Gesundheit und Ihre Kräfte vollständig herzustellen und dann erst denken Sie an's Geldverdienen. Gelegenheit wird Ihnen reichlich dazu geboten werden, weniger jedoch, dasselbe wieder zu verbrauchen. Gute Nacht für heute! dort in der Ecke liegen Büffelhäute, Otter- und Biberfelle, machen Sie es sich bequem und schlafen Sie wohl!« Die Wärme, die von dem Kamin ausströmte und das Gemach erfüllte, trug dazu bei, ein Lager angenehm zu machen, welches aus weichgegerbten Büffelhäuten und zottigen Bärenpelzen bestand, und ich kann wohl sagen, daß mir diese Art von Bett ausgezeichnet gefiel, besser als das Schlafgerüste bei Herrn Marten. Die Flammen flackerten lustig, erleuchteten das Gemach bis in die äußersten Winkel und ließen deutlich die wilden Gestalten erkennen, die halb oder ganz in ihre Decken gehüllt reihenweise nebeneinander auf dem Fußboden lagen; einzelne schliefen, andere sangen oder unterhielten sich mit einander, bis der Schlaf sich auf alle Augenlider senkte und kein anderes Geräusch vernehmbar war als das tiefe Athmen, das Knistern des Feuers und das Heulen des Sturmes im Schlot. Nur auf wenige Minuten trat zuweilen eine Unterbrechung ein, wenn ein träumender Krieger eine wilde Weise summte oder wenn eine nackte glänzende Gestalt sich erhob, leise an's Kamin trat und das erlöschende Feuer schürte. In solcher Umgebung brachte ich meine erste Nacht bei Mr. Sarpy zu und so lange ich mich dort aufgehalten habe, vergingen mir alle folgenden Nächte in derselben Weise, nur daß das Personal, welches hier versammelt war, mit Ausnahme der Weißen, sich an jedem Tage veränderte. In der ersten Zeit hatte ich fast nichts Anderes zu thun, als immer neue Bekanntschaften zu schließen; Leute kamen, Leute gingen, immer neue Gesichter und Gestalten belebten Mr. Sarpy's Halle, die dadurch einer wohlbesetzten Bühne nicht unähnlich wurde, um so mehr, als der furchtbar strenge Winter Hausbewohner wie Besuchende hinter geschlossene Thüren bannte. Ich hatte auf diese Weise unausgesetzt die beste Gelegenheit, mich im Zeichnen zu üben, welcher Beschäftigung ich mit um so größerem Fleiße oblag, als es mir darum zu thun war, dereinst mehr als die bloße Erinnerung an diese Zeit mit in meine Heimath zu nehmen. Wenn ich Ihnen nun erzählen sollte, wie ich jeden Tag in Belle Vue, dem Etablissement des Mr. Sarpy, verlebte, so würde das zu viel von mir verlangt sein und Ihnen langweilig werden; ich will daher nur von einzelnen Erlebnissen und Gegenständen Ihnen erzählen.

Wie ich schon früher bemerkte, verkehrten wir hauptsächlich mit Omaha-Indianern, einem Stamme, der sich sowohl durch gute Häuptlinge wie durch freundliches Benehmen gegen die Weißen stets ausgezeichnet hat. Auf dem hohen Ufer des Papillon Creek, ungefähr 6 Meilen vom Missouri, liegt das Dorf dieses Stammes. Es hat eine klug gewählte Lage, so daß die Bewohner, deren Zahl kaum noch 1500 übersteigt, vollkommen im Stande sind, sich gegen eine bedeutend überlegene Macht zu vertheidigen. Der Häuptling, Ongpa-tonga (der große Hirsch), steht in großem Ansehen, wenn auch nicht in so hohem Grade wie sein Vater, der als achtzigjähriger blinder Greis starb und nicht nur von seinem ganzen Stamme, sondern auch von der weißen Bevölkerung, die auf der andern Seite des Missouri lebt, betrauert wurde. Das Grab dieses hervorragenden Kriegers befindet sich auf einem Hügel, von welchem man das Thal des Missouri weithin übersieht; dort liegt der große Elkhirsch mit seinem Streitroß und seinen Waffen; ein Pfahl und Steine bezeichnen die Stelle, um jeden Vorübergehenden an den Dahingeschiedenen zu erinnern. Doch bedarf es nicht solcher Zeichen; der Name Ongpa-tonga's wird an den Council Bluffs fortleben, selbst noch wenn der Pflug den Rasen über seinen irdischen Ueberresten aufgerissen und betriebsame Menschen Saamen in die Furchen gestreut haben. Einen Zug aus dem Leben dieses Wilden kann ich Ihnen mittheilen, in welchem sein edler Charakter so recht klar zu Tage tritt. Die westlichen Handelsposten der St. Louis-Pelzcompagnie, obgleich weit von einander entfernt, halten dennoch fortwährend einen gewissen Verkehr unter sich aufrecht. Die Chefs der Forts bedienen sich zur Beförderung ihrer Nachrichten und Befehle gewöhnlich weißer, doch auch indianischer Läufer, die, mit einigen Lebensmitteln und ihren Waffen versehen, Hunderte von Meilen durch die Urwildniß wandern, ihre Briefe und Bestellungen an Ort und Stelle schaffen und nach kurzer Rast sich wieder auf den Heimweg begeben. Um weniger Spuren zurückzulassen und sich in der Nähe feindlicher Indianer leichter verbergen zu können, reisen diese Läufer gewöhnlich zu Fuße, und dennoch schneller, als es ihnen zu Pferde in der pfadlosen Wildniß möglich sein würde. Vor einer Reihe von Jahren also, als der große Ongpa-tonga noch lebte, und, zwar schon ein alter Mann, doch immer noch rüstig mit seinen jungen Kriegern auf die Jagd zog, wurde von Belle Vue aus ein Canadier mit Briefen und Depeschen an den Commandeur des Handelspostens der Ponka-Indianer am Eau qui court abgesendet. Der Läufer, ein junger, rüstiger Jäger, zog es aus den oben angeführten Gründen vor, die Reise, die an 200 Meilen den Missouri hinaufführte, zu Fuße zurückzulegen und begab sich wohlgemuth auf den Weg. Eine Woche hatte er seine Straße verfolgt, ohne irgendwie auf Hindernisse gestoßen zu sein, als er sich des Morgens beim Erwachen in einem so krankhaften Zustande fühlte, daß es ihm unmöglich war, sich von der Stelle zu bewegen. Hülflos lag er mehrere Tage da, als er inne wurde, daß er von den Blattern, der fürchterlichen Seuche, welche die westlichen Regionen auf so unbarmherzige Weise heimsucht, befallen sei. In sein Geschick ergeben, sah der Unglückliche seinem Ende entgegen und dankte in seinem Herzen der Vorsehung, die ihn wenigstens einen sprudelnden Quell hatte erreichen lassen, in welchem er seine fieberhaft glühende Zunge zu kühlen vermochte.

Zu derselben Zeit befand sich der alte Ongpa-tonga mit sechs seiner Krieger auf der Jagd und wie der Zufall es oft so wunderbar fügt, so geschah es hier, daß der kranke Weiße von den Indianern gefunden wurde. Auf den ersten Blick erkannte der Häuptling die ansteckende Krankheit, hieß seine Leute sich aus der gefährlichen Nähe des Jägers entfernen und faßte nach kurzer Berathung einen Entschluß, der manchem frommen Missionair zur Ehre gereicht haben würde. Es ergab sich nämlich, daß drei von Ongpa-tonga's Leuten in früherer Zeit einen Anfall dieser schrecklichen Krankheit glücklich überstanden hatten, während er selbst so wie die drei Uebrigen von derselben verschont geblieben waren. Die Ersteren waren also nach seiner Ansicht gegen eine neue Ansteckung geschützt, und in Verbindung mit diesen unternahm es der Häuptling, den Weißen zu retten und zurück nach Belle Vue zu schaffen, während er die Anderen anwies, Wege einzuschlagen, auf welchen sie dem Kranken nicht würden begegnen können. Seinen Befehlen wurde Folge geleistet; auf eine von Zweigen geflochtene Bahre legten die edelmüthigen Indianer den leidenden Jäger und traten dann, die Last auf ihre Schultern vertheilend, den Heimweg an. Nach einer unbeschreiblich mühevollen Reise von vierzehn Tagen erreichten sie Belle Vue, wo sie von ihren Gefährten schon angemeldet waren; für die aufopfernde Mühe fanden sie reichen Lohn, denn der Zustand des jungen Jägers hatte sich auf der Reise so weit gebessert, daß derselbe zur großen Genugthuung der Indianer nach kurzer Zeit schon wieder seinen Arbeiten obliegen konnte und nur noch die unauslöschlichen Zeichen der überstandenen Leiden in seinem Gesichte trug. Durch solche Handlungen hatte sich der greise Krieger die allgemeine Zuneigung und Achtung der Weißen erworben und mit in's Grab genommen, und wenn sich Jemand an den Council Bluffs nach dem großen Häuptling erkundigt, dann schallt ihm von allen Seiten entgegen: bei den Leiden seiner Mitmenschen war er weichherzig wie ein Kind, doch schrecklich klang sein wilder Kriegsruf in die Ohren seiner Feinde, von denen er sich manchen geschmückten Skalp erbeutete, der jetzt mit ihm an seiner Seite in Verwesung übergegangen ist. Als dieser Häuptling einst nach Washington gezogen war, wurde er daselbst auf Befehl des Gouvernements portraitirt; sein wohlgetroffenes Bildniß, umgeben von den Portraits anderer berühmter indianischer Krieger, wurde in dem Saale der ethnologischen Sammlung in der Patent Office aufgehangen, wo man es noch heute sehen kann.

Der junge Ongpa-tonga ist ebenfalls ein tüchtiger Häuptling, doch vermißt man an demselben die edleren Gefühle, die seinen Vater auszeichneten. Er ist indessen gastfreundlich gegen Fremde, und da ich eine Art Freundschaft mit ihm geschlossen hatte, so wurde es mir nicht schwer, häufig Zeuge der Medizintänze der Omahas zu sein. Die Krieger dieses Stammes sind in zwei Compagnien getheilt, die ihre verschiedenen Trachten und Gebräuche haben; die jungen Leute schließen sich der einen oder der andern an, je nachdem sie durch Träume oder Ansichten über Medizin und Zaubereien dazu veranlaßt werden. Die eine Abtheilung trägt langes Haar, welches bei besonderen Gelegenheiten mit einem mächtigen Busch Eulen- und Geierfedern geschmückt wird, an deren jeder ein Büschel gefärbter Pferdehaare prangt. Die andere dagegen scheert den Schädel kahl und läßt nur den Wirbelbusch wachsen, an welchem der hochrothgefärbte Schweif des virginischen Hirsches befestigt wird, so daß er sich wie ein Kamm über das Haupt zieht und auf herausfordernde Weise dem Feinde einen bequemen Griff bei der Procedur des Skalpirens bietet. In der Malerei herrscht keine Gleichmäßigkeit, sondern Jeder färbt Gesicht und Körper nach seinem Geschmack und sucht es dabei an Absonderlichkeit seinen Gefährten zuvor zu thun. Beim Rauchen werden ebenfalls verschiedene Formen beobachtet: die Einen lassen nämlich bei ihren Versammlungen die Pfeife von Hand zu Hand gehen, während die Anderen den Pfeifenkopf mit der glimmenden Füllung in beiden Händen halten und die Spitze des Rohres von Mund zu Mund reichen, wobei es den Rauchenden verwehrt ist, die dargereichte Pfeife mit den Händen zu berühren. Alle indianischen Tänze haben in so weit Aehnlichkeit mit einander, als sie in Stampfen mit den Füßen nach dem Takte von Trommeln bestehen. Die Tanzenden bleiben dann entweder auf derselben Stelle und hüpfen von einem Fuß auf den andern, oder bewegen sich im Kreise und ahmen dabei die Bewegungen von Thieren nach, wodurch die Tänze dann ihre verschiedene Bezeichnung erhalten, wie z. B. Büffel-, Biber-, Bären-, Pferde- und Hundetänze.

Das Interessanteste dieser Art sah ich einst in Belle Vue, als ein Trupp der langhaarigen Omahas uns besuchte und Tänze vor unserer Thüre aufführte. Der Aufzug allein hatte schon so viel Merkwürdiges und zeigte ein solches Durcheinander greller Farben, daß es wirklich Mühe kostete, die schlanken menschlichen Gestalten unter der Ueberladung der eigenthümlichsten Schmucksachen zu erkennen. Der Kopfschmuck war bei Allen derselbe, nämlich der große Federbusch; außerdem waren aber bei der ganzen Gesellschaft, die über dreißig Mann zählte, auch nicht zwei Linien in der Malerei einander ähnlich. Die Gesichter und Oberkörper schienen dem Chamäleon entnommen zu sein, und die aus weichem Leder angefertigten Kleidungsstücke waren mit bunten Perlen und gefärbten Stacheln des nordamerikanischen Stachelschweines reich gestickt. Ganze Massen lederner Fransen, Skalp-Locken, Pferdehaare, Bälge von Vögeln, vierfüßigen Thieren und Reptilien waren an den Armen und an den Leggins befestigt, Ketten von Perlen, Muscheln, Tigerzähnen und Bärenkrallen vielfach um die bemalten und tätowirten Hälse geschlungen, und messingene Spangen reihten sich auf den Armen dicht aneinander. Diese wilde Schaar in ihrem festlichen Anzuge bot in der That einen prächtigen Anblick, als sie sich in weitem Bogen in einer Reihe aufstellte. Jeder hielt in der rechten Hand eine Rassel in Form eines zierlich geschnitzten Stäbchens, an welchem eine Anzahl Hirschklauen befestigt war, und begleitete das Dröhnen der Trommel, die von vier alten Kriegern geschlagen wurde, mit taktmäßigem Gerassel; alle Tanzenden stimmten in den wilden Gesang ein, und schrilles Pfeifen auf ausgehöhlten Schwanenknochen half das unharmonische Concert vervollständigen. Alte schwarzbemalte Krieger gingen hinter den Tanzenden auf und ab, munterten mit lauter Stimme zu neuen Anstrengungen auf, prahlten mit der Tapferkeit ihres Stammes und redeten den Zuschauern zu, mit offenen Händen Geschenke zu spenden. Jeder der anwesenden Weißen und Halbindianer leistete denn auch der Aufforderung Folge und steuerte nach Kräften dazu bei, die Tänzer durch Geschenke zu erfreuen.

Mehl, Decken, Farbe, Tabak, ja Pferde wurden ihnen zu Theil, so daß der gute Humor zur wilden Ausgelassenheit gesteigert wurde, bis endlich ein Medizinmann den Tanz für beendigt erklärte und die Mitglieder sich trennten, um für den übrigen Theil des Tages in ihren phantastischen Anzügen umherzustolziren und sich von Jedermann bewundern zu lassen. Die Indianer sind überhaupt außerordentlich eitel; sie verwenden viel Zeit und Mühe auf ihren Putz, und ich glaube kaum, daß die feinsten Dandys der civilisirten Welt mit größerer Gewissenhaftigkeit ihren Anzug vor einem Trumeau ordnen, als die Indianer vor einem kleinen Handspiegel die bunten Linien auf Gesicht und Körper ziehen. Daher mag es auch wohl kommen, daß ich beim Anblick eines geckenhaft gekleideten Stutzers immer an uncivilisirte Menschen denken muß; natürlich flößt aber das Aeußere einer Rothhaut mehr Achtung ein, weil man neben zarter Schminke die Krallen eines erlegten Bären und neben unschuldigem Flitterstaat die gegerbten Kopfhäute erschlagener Feinde sehen kann. Das Skalpiren nun, dessen von der civilisirten Welt mit gerechtem Abscheu gedacht wird, ist ohne Zweifel ein barbarischer Brauch, der aber bei näherer Kenntniß der Operation von seinem schaudererregenden Eindrucke verliert. Die Vorstellung von den dabei zu erduldenden Schmerzen wird weniger entsetzlich, wenn man erwägt, daß der Indianer nur dann im Stande ist, die Haut von dem Schädel seines Feindes zu entfernen, wenn derselbe der letzten Lebenskraft beraubt ist, denn jeder Widerstand würde dem Skalpiren hinderlich sein; doch soll es, freilich selten, vorgekommen sein, daß der Besiegte durch einen heftigen Schlag nur betäubt war und skalpirt erwachte, denn die Entfernung der Schädelhaut allein verursacht nicht den Tod und macht die Wiederherstellung des Verwundeten nicht unmöglich. Der Gebrauch des Skalpirens hat sich aus dem grauen Alterthume bis auf den heutigen Tag erhalten und wird so lange dauern, als noch Indianer im Urzustande die Wälder und Steppen Amerika's beleben. – Selbst der Halbcivilisirte wird der ererbten Neigung nicht so leicht widerstehen können und noch oft heimlicher Weise die Locken eines Feindes an seinem Gürtel befestigen. Diese Operation, obgleich an und für sich mit geringer Mühe ausgeführt, ist doch fast immer mit den größten Schwierigkeiten und Gefahren verbunden, und es gehört unstreitig mehr persönlicher Muth dazu, im Schlachtgetümmel um die blutige Trophäe zu kämpfen, als aus weiter, sicherer Ferne das tödtliche Blei in eine nackte Brust zu senden. Das heiße Streben nach so sprechenden, untrüglichen Beweisen eines kalten Muthes stempelt den indianischen Jüngling zum Krieger und verschafft dem Krieger Achtung und Ansehen. Da Prahlen eine der Haupteigenschaften der amerikanischen Eingeborenen ist und sie vom Prahlen zu leicht zum Lügen hingerissen werden, so folgt daraus, daß ein Krieger nie von einem überwundenen Feinde spricht, wenn er dessen Skalp nicht in dem Rauche seines Wigwams aufgehängt hat. Er weiß, es würde ihm nicht geglaubt werden und Jeder ihn für einen Lügner halten.« – »Das Skalpiren eines Erschlagenen,« unterbrach hier der Doctor den Erzähler, »billige ich keinesweges, doch halte ich es gewiß nicht für so verabscheuungswürdig, wie das Benehmen so vieler civilisirter Menschen, die auf kalte, berechnende Weise ihren Nächsten um Eigenthum und, was noch schlimmer ist, um Ehre und Ruf bringen.«

»Doctor, sehen Sie dort den Vincenti,« rief einer der uns zunächst Reitenden, »wie der sein armes Pferd grausam behandelt; ist Ihnen je so etwas vorgekommen?« – »Ich beobachte ihn schon seit einer Weile,« antwortete der Doctor, »der wilde Junge macht seinen indianischen Lehrern alle Ehre, sonst würde er nie auf die Idee gekommen sein, mit seinem kleinen Schimmel die flüchtigen Antilopen einholen zu wollen.« – Die Wendung in der Unterhaltung war durch den kleinen Mexikaner veranlaßt worden, der eine Heerde Antilopen verfolgte, und als ihn sein Pferd denselben nicht näher brachte, in blinder Wuth auf dasselbe einhieb, ohne von der so fruchtlosen Jagd abzustehen. Aller Augen folgten den Bewegungen des wilden Burschen, als plötzlich Antilopen und Reiter verschwanden und scheinbar in der kahlen Ebene versanken. Der ganze Zug war weit hinter dem wilden Jäger zurückgeblieben und Mancher konnte sich das Gesehene nicht erklären, zumal die weite Fläche keine Erhebung oder Senkung zeigte, welche die Jagd hätten verbergen können. Das Räthsel löste sich, als wir bei weiterem Fortschreiten durch eine breite Schlucht aufgehalten wurden, welche sich von Norden nach Süden erstreckte und durch die zerrissenen Ufer und Nebenspalten andeutete, wie die schweren Regen nicht nur an dem Rande der Hochebene emsig nagen, sondern auch mitten auf derselben die dicken Sandsteinlagen durchbrechen, um dann nach allen Richtungen zerstörend wirken und neue Thäler bilden zu können. Es war der Encampment Creek, an welchem unsere Expedition hielt und sich dann einen Weg hinunterbahnte, um unter vereinzelten, schattigen Pappelweiden die Wagen zusammenzufahren und den Thieren einige Stunden Ruhe zu gönnen. Wenn auch die Mannschaft für einen Tag hinlänglich mit Wasser versehen war, so machte sich der Mangel desselben bei den Thieren um so fühlbarer, und ein Trunk, wenn auch nur ein karger, wäre gewiß mehr als erwünscht gewesen. Einige Leute wurden daher beauftragt, das staubige Bett des Baches nach allen Richtungen zu untersuchen, ob vielleicht ein Wasserpfuhl zu entdecken sei. Kaum waren sie indessen hinabgestiegen, als ihnen Vincenti begegnete, der eine weite Strecke unterhalb in das Thal hinabgeritten war, wodurch sich sein plötzliches Verschwinden erklärte, und der die unerfreuliche Nachricht überbrachte, daß, soweit er den Encampment Creek gesehen, kein Merkmal der Nähe von Wasser zu finden sei. Es wurde darauf der Versuch mit Schaufeln gemacht und tief in den Sand hinein gegraben, aber vergebens. Die Thiere mußten sich mit etwas frischem Grase, das spärlich in dem wilden Thale emporschoß, und mit der Hoffnung auf reichlichere Labung am späten Abend begnügen. Kurz vor dem Aufbruch brachte ein Soldat der Escorte, der in der Nachbarschaft suchend umhergestreift war, die Nachricht, daß er in einer Schlucht eine kleine Quelle entdeckt habe. Die nähere Untersuchung ergab, daß er sich nicht getäuscht hatte und daß wirklich aus den Adern einer mächtigen Sandsteinlage klare Tropfen rieselten, welche bis auf 50 Schritte von der Quelle allmälig kleine Pfützen gebildet hatten, da das harte Gestein das Eindringen des Wassers verhinderte; über dieselben hinaus hatte es sich dagegen spurlos in dem Sande verloren. Bei der geringen Wassermenge wäre das Tränken der Thiere in der engen, unbequemen Schlucht nur zeitraubend gewesen, und bald zogen wir daher vom Encampment Creek wieder nach der Höhe hinauf, über die dürre Ebene weiter eilend. Zwei Reiter waren indessen zurückgeblieben, die auf dem Ufer einen Punkt suchten, von welchem sie die beste Aussicht über das Thal zu haben glaubten. Der Geologe der Expedition hatte mich als den Zeichner derselben aufgefordert, ihm eine Skizze des Encampment Creek zu entwerfen. Er machte deshalb auf die Punkte aufmerksam, die er besonders hervorgehoben wünschte, unter diesen auf die horizontalen, grauen Sandstein-Niederlagen, die nur einige Fuß unter der Oberfläche die Hochebene deckten und die an den zerrissenen und gespaltenen Ufern, soweit das Thal zu übersehen war, stets in derselben Höhe wieder hervortraten; dann auf das gewundene Bett des Flüßchens und auf die große Ebenheit der Llano. Da der Encampment Creek das einzige Flüßchen war, welches auf der Llano Estacado von der Expedition berührt wurde, so verstand es sich von selbst, daß dieses mit größerer Aufmerksamkeit untersucht wurde, um so mehr, da die Ufer bis zu einer Tiefe von 180 Fuß die geologische Formation bloßlegten.

Sobald wir unsere Arbeiten vollendet, wendeten wir unsere Thiere und beeilten uns, unsere Kameraden wieder einzuholen; in kurzer Entfernung vom Encampment Creek schauten wir noch einmal zurück, doch zeigte sich überall nur die Ebene in ihrer ganzen Oede und Einförmigkeit, die Spalten und Schluchten mit ihrer spärlichen Vegetation waren unseren Augen schon entzogen.

Die Sonne neigte sich ihrem Untergange entgegen, als noch ein weites, unabsehbares Feld sich vor uns ausdehnte und uns darauf vorbereitete, an diesem Tage ein spätes Nachtlager zu finden.

Kleine Heerden von Antilopen begleiteten den Zug und sprengten neugierig in geringer Entfernung an demselben auf und ab, neckten die jagdlustigen Schützen, munterten sie immer wieder zu neuen erfolglosen Anstrengungen auf, führten sie weit von dem Zuge fort und wie im Fluge eilten sie zurück, um sich wieder in den ungewohnten Anblick von Reitern und Wagen zu versenken. Schräger fielen die Strahlen der Sonne auf die Ebene, bis sie endlich den kleinen Hügeln der weit ausgedehnten Dörfer der Prairiehunde kurze Schatten entlockten, die sich verlängerten und endlich einander berührten; der trockene Wind, der während des Tages über die graue Fläche hingestrichen, schlief ein und ließ das leiseste Geräusch aus großer Ferne zu unsern Ohren dringen. Wie Gemurmel klang der Chor der feinen Stimmchen von Tausenden der fröhlichen Erdbewohner durch die stille Abendluft, matt schnaubten die ermüdeten Thiere, der Staub, der während des Tages von dem Luftzuge entführt worden war, wirbelte vor ihnen auf, vermischte sich mit ihrem Athem und wurde ihnen beschwerlich; wir Alle schauten gegen Westen, doch nichts verkündigte uns das Ende der Llano Estacado und das Ziel eines langen, ermüdenden Marsches. Immer tiefer sank die Sonne und wie ein feuriger Ball lag sie wenige Momente lang auf der öden Fläche; doch nicht funkelnd und strahlend wie am frühen Morgen, sondern dunkelrothglühend warf sie ihre Scheideblicke auf die müden Wanderer; auch die Sonne sah ermattet von ihrer weiten Reise aus, träge und schläfrig begab sie sich zur Ruhe, führte neidisch die Dämmerung mit sich fort, und Nacht verhüllte die Reisenden und ihre Straße.

Wenn am Tage schon die spiegelglatte, unabsehbar hingestreckte Prairie an den weiten Ocean erinnerte, so gehörte bei Nacht nur wenig Einbildungskraft dazu, sich am Meeresstrand oder auf einer kleinen Insel in der großen Wasserwüste des Oceans zu wähnen. Das nächtliche Schauspiel ward durch den Aufgang der Gestirne am äußersten Saume der Ebene verschönert. Sie stiegen auf wie am Meereshorizont, funkelnd an der tiefblauen Himmelsdecke; der hochgekrümmte Bogen der Milchstraße goß sein mildschimmerndes Licht über uns aus. Das erhabene Schauspiel der aufsteigenden und niedersinkenden Sternbilder erfüllte uns mit ernsten, frommen Betrachtungen. Schweigend wie ein schwarzer Schatten verfolgte unsere Expedition die dunkle Straße. Ein mildes Licht im Osten verkündigte den baldigen Aufgang des Mondes; es verstärkte sich, bis es dem röthlich gelben Schein einer fernen Feuersbrunst glich; die Atmosphäre wurde heller und verbleichte allmälig den Glanz der Sterne, bis in glühender Röthe die Scheibe des Mondes sich von der Ebene trennte, die, von magischem Lichte übergossen, vor uns lag. So bewundert, auf das fern erleuchtete Meer hinblickend, der Schiffer das oft gesehene große Schauspiel des Aufganges, wenn er müßig auf dem Verdeck schreitet und darüber die Windstille vergißt.

»Halt!« tönte es plötzlich von der Spitze des Zuges zurück; dem Rufe wurde augenblicklich Folge geleistet und nach der Ursache des Stillstandes geforscht. Die Thiere wieherten und schüttelten sich in den bestaubten Geschirren, der Instinkt hatte ihnen gesagt, daß das Ende der Hochebene erreicht und Wasser in der Nähe sei. Die Reiter eilten nach vorn, um die günstigste Bahn in das Thal hinab aufzusuchen, in welches das Licht des Mondes noch nicht dringen konnte, und das sie noch wie ein schwarzer Abgrund angähnte. Vorausgeschickte Mexikaner hatten bei Tage schon das Thal untersucht und die passendste Stelle zu einem Nachtlager am Rocky Dell Creek ausgekundschaftet; diese nun erleichterten durch angezündete Feuer und durch Schießen die Aufgabe, die ganze Expedition über Gerölle an Schluchten vorbei die steile Höhe hinabzubringen. Alle kamen wohlbehalten an dem bezeichneten Orte an und waren bald mit dem Aufschlagen des Lagers emsig beschäftigt, wobei sie zuweilen ihre Blicke hinüber nach der Hochebene sendeten, wo ihnen der Mond zum zweiten Male an diesem Tage, doch nun hinter schwarzen Felsenmassen, aufging und zu ihren Beschäftigungen leuchtete.

Als wir am nächsten Morgen die Zelte verließen, machten wir die Entdeckung, daß wir uns auf einem rauhen, steinigen Landstrich befanden, der sich am Fuße der Hochebene hinzog. Obgleich die Unfruchtbarkeit des Bodens nur kärgliche Nahrung für die Thiere bot, so wurde doch beschlossen, an diesem Tage zu rasten, wodurch die einzelnen Mitglieder hinlänglich Zeit gewannen, die nächste Nachbarschaft forschend zu durchstreifen. Der Rocky Dell Creek, in dessen Nähe die Zelte mit vieler Mühe auf dem sandigen Boden zum Stehen gebracht waren, zeigte ein Bett, welches rothe und graue Sandsteinfelsen und Gerölle einfaßten. Zur Zeit unserer Ankunft trieb kein Wasser in dem Flusse; doch waren die tiefen Bassins, welche im Laufe der Zeit von den stürzenden Wassermassen ausgewaschen waren und einen klaren und kühlen Trunk boten, bis zum Rande gefüllt und von Fischen aller Art belebt. Mächtige Felsblöcke hingen malerisch übereinander und bildeten Höhlen und Gemächer, manche so groß, daß sie bei schlechtem Wetter einen bequemen Zufluchtsort für eine Gesellschaft von zwanzig Mann hätten bieten können. Die Spalten in den Höhlen schienen ein Lieblingsaufenthalt der rautenförmig gezeichneten Klapperschlange zu sein, deren mehrere von außerordentlicher Größe von den umherstreifenden Leuten getödtet wurden. Die überhängenden Felsen waren dagegen mit kleinen Schwalbennestern reich verziert, die in bunten Guirlanden dicht aneinander geklebt waren. Es wurde mehrfach der Versuch gemacht, einzelne derselben von dem Felsen zu trennen, um sie der Naturaliensammlung einzuverleiben, allein, so sorgfältig auch dabei zu Werke gegangen wurde, so gelang es doch nicht, ein einziges unbeschädigt zu erhalten, denn die leiseste Berührung zerstörte den zarten Bau, der aus Lehmerde bestand und dabei so fest an die Mauer gekittet war, daß nur mit einem Messer die letzten Ueberreste derselben entfernt werden konnten. Eine der größten Höhlen erregte besondere Aufmerksamkeit durch die Malereien, die an den glatten Stellen der Wände und Decken aufgetragen oder mittels Eisenstückchen und Pfeilspitzen in den weichen Stein gemeißelt waren. Natürlich hatten viele der absonderlichen Darstellungen ihren Ursprung in der Laune muthwilliger Indianer oder Mexikaner gefunden, doch trugen die meisten einen Charakter, der nur in den Ideen abergläubischer Pueblo-IndianerPueblo-Indianer werden von den Amerikanern nur die Eingeborenen genannt, die in Städten oder zusammenhängend gebauten Dörfern leben, abgeleitet von der spanischen Bezeichnung: Pueblo, die Stadt, das Dorf, also Städte-Indianer, wie man auch sagt Prairie- oder Steppen-Indianer. entstanden sein konnte.

Vor Allem fiel das phantastische Bild eines großen Thieres in's Auge, welches halb Drache, halb Klapperschlange, und mit zwei menschlichen Füßen versehen war. Dieses Ungethüm, welches die Hälfte der Länge der ganzen Höhle einnahm, konnte nur eine Art Gottheit der Abkömmlinge der Azteken sein und wurde von zwei hinzugekommenen Pueblo-Indianern auf folgende Weise erklärt. Die Gewalt über Meere, Seen, Flüsse, so wie über den Regen, sei einer großen Klapperschlange ertheilt worden, die so dick wie viele Männer zusammengenommen, und viel länger als alle Schlangen der Welt sei; sie bewege sich in großen, bogenförmigen Windungen und sei den bösen Menschen verderblich; sie herrsche über alle Wasser, von ihr erbäten sich die Bewohner der Pueblos Regen und verehrten ihre Macht. Die Abbildungen zweier unförmlicher, rothhaariger Männer wurden von denselben Indianern (kühn genug) als Abbildungen Montezuma's bezeichnet, auf dessen Wiedererscheinen die Bewohner der Pueblos, obgleich sie sich Christen nennen, noch immer im Stillen hoffen.

Die Sonne, als das Bild der größten Macht, fehlte nicht unter den Malereien, die im Uebrigen aus naiven Darstellungen aller dort lebenden Thiere, Indianer und deren Kämpfe bestanden.

Wenn man an einem Rasttage unser aufgeschlagenes Lager beobachtete, so wurde man fast überrascht, daß das sonst gewöhnlich geschäftige Treiben und die eiligen Bewegungen verschwunden waren. Nur phlegmatisch werden dann kleine, nothwendige Arbeiten vorgenommen, wobei Jeder seine individuelle Bequemlichkeit sucht und seine eigene Person, so viel wie nur immer möglich, pflegt. Die Meisten liegen dann auf ihren Decken, bessern ihre Kleidungsstücke und ihr Schuhzeug aus, Andere lesen in abgenutzten Büchern oder vergnügen sich mit Kartenspiel, manche der bärtigen Gestalten liegen am Rande des Wassers und sind mit der Wäsche beschäftigt, mit welcher ungewohnten Arbeit auf solcher Reise es nicht so sehr genau genommen werden kann und die deshalb sehr oberflächlich besorgt wird. Nur von der Feldschmiede dröhnen dann gewöhnlich Hammerschläge zu dem Lager herüber und verrathen einige fleißige Hände, die mit dem Ersetzen der auf dem harten Boden abgenutzten Hufeisen der Thiere beschäftigt sind. Dem Astronomen fallen unterdessen bei Berechnung der aufgenommenen Winkel und beim Aufschlagen der Logarithmentafeln manchmal die Augen zu und die Bleifeder liegt müßig auf dem Tagebuche neben einem Schläfer; das letzte halb ausgeschriebene Wort beweist deutlich, daß Bequemlichkeit ansteckend ist. Der Botaniker hat indessen am frühen Morgen schon einen ganzen Stoß feuchten Papieres sorgfältig auf der Ebene zum Trocknen ausgebreitet und sitzt im Schatten eines Zeltes vor dem Naturaliensammler, dem er beim Ausbalgen eines Wolfes behülflich ist und dabei Vorlesungen über Anatomie hält, »Ich bin recht glücklich, daß wir heute Ruhetag und gutes Wetter haben,« bemerkte der gemüthliche Doctor, »mein Vorrath trockenen Papieres ist beinahe verbraucht und so werde ich in wenigen Stunden, wenn kein besonderer Unfall eintritt, wieder auf lange Zeit mit solchem versehen sein.« Kaum hatte der alte Herr diese Worte gesprochen, als ein unheimliches Rauschen sich über dem Lager vernehmen ließ; Zelte wankten und stürzten zu Boden vor der unsichtbaren Gewalt eines Wirbelwindes, der Staub und Sand in die Lüfte trieb und zu des Botanikers namenlosem Schrecken sich in der Richtung nach dem ausgebreiteten Löschpapier fortbewegte. »Mein schönes Papier!« rief der Doctor klagend aus, ließ den blutigen Körper des Wolfes auf den Schooß seines Freundes fallen und stürzte nach der Stelle hin, wo die Bogen zu Hunderten in die Luft wirbelten und wie eine Wolke von dannen zogen. Unaufhaltsam folgte der Doctor nach, fort über den Rocky Dell Creek die Felswand hinauf, das kreisende Papier behielt er stets im Auge und spornstreichs ging es über die Ebene. Gewiß war es verzeihlich, daß Jeder, der diese komische Jagd beobachtete, auf's Höchste durch dieselbe belustigt wurde und auf Rechnung des eifrigen Herrn aus vollem Halse lachte. Endlich erstarb der neckende Wirbelwind und wie leichte Flocken hin- und herwiegend sanken die zerknitterten Bogen allmälig zur Erde nieder. Als nun der Doctor keuchend hin- und herlief, um sich wieder in den Besitz der leichtfertigen Flüchtlinge zu setzen, erregte sein Unglück wiederum Mitleid und mancher Bogen wurde ihm von gefälligen Händen zurückerstattet. Von der mühsamen Arbeit endlich nach seinem Zelte zurückkehrend, wurde er von seinem Freunde mit der Bitte angerufen, bei dem Präpariren der Wolfshaut seine Hand mit anzulegen, doch in dem Zustande höchster Aufregung gab ihm der Doctor zur Antwort: »In drei Tagen kann ich an weiter nichts, als an das Glätten meines zerknitterten Papieres denken,« und verschwand damit hinter den leinenen Vorhang. »Sie sind mir noch Entschädigung schuldig dafür, daß durch Ihre Schuld meine Kleidung über und über mit Blut besudelt ist,« rief der Andere dem ärgerlichen Herrn lachend nach, und beendigte seine Arbeit, um dann an der allgemeinen Schießübung Theil zu nehmen, mit welcher Beschäftigung der Rest des Tages ausgefüllt wurde.

Ich schildere kleine Begebenheiten unseres Wanderlebens, weil sie den Charakter einer militairischen und zugleich wissenschaftlichen Expedition bezeichnen, die ausgeschickt ist, nicht bloß einen neuen sichern Weg zu eröffnen und sich dabei im Nothfalle gegen feindliche Angriffe zu vertheidigen, sondern auch die geologische Formation des Bodens, die Pflanzendecke und das Thierleben zu erforschen, und ein Bild des Landes nach astronomischen Ortsbestimmungen zu entwerfen.


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