Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XXIII.

Colonel Frémont's dritte Reise und seine Kämpfe mit den Eingebornen. – Befreiung Californiens. – Versteinertes Holz. – Der tiefgelegene Salzsee. – Trümmer von uralten Ansiedelungen. – Navahoe Spring. – Navahoe-Indianer. – Erster Anblick der San Francisco Mountains. – Edelsteine in den Ameisenhaufen.

Im Frühling des Jahres 1845 rüstete Colonel Frémont seine dritte Expedition aus, um den günstigsten Weg zu einer Verbindung zwischen den Vereinigten Staaten und den Küstenländern vom Oregon und Californien aufzusuchen, und zugleich Forschungen in dem großen Becken (Utah-Territorium) anzustellen. Doch auch für sich selbst beabsichtigte er Californien genau kennen zu lernen, indem es schon damals halb und halb sein Plan war, sich mit seiner Familie an irgend einem blühenden Orte in den Küstenländern der Südsee eine neue Heimath zu gründen. Der Sommer war ihm in den Steppen und in den Rocky Mountains mit der Untersuchung der Quellen größerer Flüsse hingegangen, so daß er im Anfange des Winters den Great Salt Lake erreichte und am westlichen Ende desselben am Rande einer großen, wasserlosen Wüste sein Lager aufschlug. So wie diese Ebene jeder Vegetation entbehrte, so schien dieselbe auch von den Eingebornen und den wilden Thieren gemieden zu werden; denn nur einzelne Indianer ließen sich blicken, die so wenig geistig begabt waren, daß sie nicht einmal als Führer benutzt werden konnten.

Es gelang Frémont, die 70 Meilen breite Wüste mit seiner Expedition und seiner Heerde zu überschreiten und am Ende derselben zwischen wilden, dürren Felsen eine rettende Quelle zu entdecken, Hier theilte er seine Expedition in zwei Abtheilungen. Die Hälfte unter dem Befehl eines gewissen Walker, eines berühmten und erfahrenen Trappers, sendete er gegen Süden mit der Anweisung, die Sierra Nevada südlich zu umgehen, während er selbst mit 10 Mann, Weißen und Delaware-Indianern, es unternahm, sich in gerader westlicher Richtung seinen Weg durch die Wüsten zu bahnen.

Obgleich der Winter schon weit vorgerückt war und er allen Hindernissen, die in den Gebirgsgegenden möglich sind, begegnete, so war er doch glücklich genug durch die Pässe zu gelangen und Sutters Farm auf der Westseite der Sierra Nevada zu erreichen, ehe noch die Passage durch tiefen Schnee gänzlich gehemmt wurde. Auf Sutters Farm versah sich Frémont wieder mit neuen Provisionen und brach Mitte December auf, um mit seiner Hauptabteilung, der Verabredung gemäß, im Thale des San Joaquin zusammenzutreffen.

Nach wenigen Tagen schon befand er sich wieder im Gebirge, wo er fortwährend von feindseligen Indianern umgeben war. An einer Stelle angekommen, wo er die zahlreichen Spuren dieser Wilden als ganz frisch erkannte, schickte er der Sicherheit wegen vier seiner Leute, unter diesen zwei Delawaren, voraus, um das Terrain vor sich recognosciren zu lassen. Des Abends erreichte er eine passende Lagerstelle, wo er die Nacht zu bleiben beabsichtigte. Seine Leute waren eben im Begriff abzusatteln, als aus der Ferne Indianergeheul zu ihnen herüberschallte und sie davon in Kenntniß setzte, daß die vier vorausgeschickten Jäger von den Indianern angegriffen waren. Augenblicklich wurden die Reitthiere wieder aufgezäumt, und vier Mann zur Bewachung im Lager zurücklassend, eilte Frémont mit den übrigen acht Männern in gestrecktem Galopp der Richtung zu, wo sie den Kampf vermutheten.

Noch keine halbe Meile hatte er zurückgelegt, als er mehrere Hundert Indianer erblickte, die von allen Seiten einen kleinen Hügel hinanstürmten, auf dessen Spitze seine vier Jäger, gedeckt durch Buschwerk und Felsblöcke, sich vertheidigten. Es war augenscheinlich, daß diese unvermuthet auf die Indianer gestoßen waren und als erfahrene Trapper von ihren Pferden springend, sich in die kleine natürliche Festung geworfen hatten, von wo aus sie sich nachdrücklich vertheidigen konnten. Die Indianer hatten den kleinen Berg dicht umzingelt und waren eben im Begriff, Hand an die Pferde zu legen, als Frémont mit seinen Reitern erschien. Sein Ruf, als er den Hügel hinauf stürmte, wurde von den Delawaren, die sich zu ihren Pferden stürzten, um sich dieselben nicht entreißen zu lassen, mit wildem Geheul beantwortet, so wie von dem Knall der Büchsen der weißen Jäger, welche einen der vordersten Indianer auf's Korn genommen hatten und kopfüber mit zerschmettertem Schädel den Berg hinunter schickten. Wieder vereinigt, benutzte die Gesellschaft die erste Ueberraschung der Eingebornen, um sich eiligst auf den Weg nach ihrem Lager zu begeben, wo die vier Zurückgebliebenen ebenfalls angegriffen werden konnten. Die Indianer folgten ihnen nach, hielten sich indessen immer außerhalb des Bereiches der Büchsen, nur durch Schimpfen und Herausforderungen ihre feindseligen Gesinnungen zu erkennen gebend.

Frémont setzte die Forschungen mit seiner Hauptabtheilung fort und gerieth in wilde Gebirgsregionen, wo er förmlich einschneite. Es gelang ihm und seinen Leuten nur mit genauer Noth, sich zu retten, doch hatte er sein sämmtliches Rindvieh, welches er zur Nahrung mitgenommen hatte, im Gebirge eingebüßt. Er traf endlich mit Walker zusammen und wendete sich dem Thale von San Joaquin zu, wo er seine Leute zurückließ; er selbst schlug die Straße nach Monterey ein, welches damals noch zu Mexiko gehörte, um sich den Behörden vorzustellen und mit deren Zustimmung seine, Begleitung aufs Neue zu ergänzen.

Ohne das Geringste zu ahnen, zog er seines Weges, als er plötzlich von einem mexikanischen Offizier angehalten wurde, der ihm eine in feindseligen Ausdrücken abgefaßte Benachrichtigung von dem in Californien commandirenden General Castro überbrachte, welche für ihn die Weisung enthielt, sich augenblicklich aus dem Lande zu entfernen. Frémont gab die Erklärung, daß er der Aufforderung nicht Folge leisten werde und nicht Willens sei, sich in eine trostlose Wüste zurückzuziehen, die er eben erst verlassen habe. Er begab sich darauf mit seinen Leuten auf einen Berg, (Hawk's peak), errichtete auf dem Gipfel desselben von gefällten Bäumen eine rohe Befestigung und zog das Banner der Vereinigten Staaten auf. General Castro lagerte mit seiner Streitmacht in der Ebene, so daß Frémont und sein kleines Häufchen entschlossener Bärenjäger fast in jedes Zelt hineinsehen konnten. Ein Angriff erfolgte indessen nicht, sondern nur eine Aufforderung vom General Castro an Colonel Frémont, sich zu ihm zu gesellen, mit ihm vereint das Banner der Unabhängigkeit zu erheben und das mexikanische Joch abzuwerfen.

Frémont hatte jedoch seine feste Stellung schon verlassen und ohne weiter belästigt zu werden, den Weg nach Oregon eingeschlagen, um dort eine neue Route nach den Wah-lah-math-Ansiedelungen und den Regionen nahe der Mündung des Columbia River zu erforschen.

Im Anfang des Mai 1846 befand er sich am Nordende des Tlamath-Sees. Dort nun erreichten ihn zwei Boten des Lieutenant Gillespie von der Marine der Vereinigten Staaten, welcher mit Briefen unter der Bedeckung von 6 tüchtigen Gebirgsjägern an ihn abgesendet worden war. Die Boten beschrieben Frémont die unglückliche Lage, in welcher sich Lieutenant Gillespie mit seinen vier Jägern in der tiefsten Wildniß befand und ersuchten ihn, demselben Hülfe zu senden. Colonel Frémont machte sich selbst mit zehn seiner besten Leute, unter diesen vier Delaware-Indianern, auf den Weg und traf nach einigem vergeblichen Suchen glücklich mit Lieutenant Gillespie zusammen. Während er die ihm zugegangenen Briefe und Instructionen vor einem großen Feuer las, war ihm die Hälfte der Nacht hingegangen. Alle Leute, von den fast übermenschlichen Anstrengungen erschöpft, waren in tiefen Schlaf gesunken; auch Colonel Frémonts Feuer brannte allmälig niedriger. Es war die zweite Nacht auf allen seinen Reisen, in welcher er, die Mattigkeit der Leute berücksichtigend, keine Wache ausgestellt hatte. Carson und ein gewisser Owens, die neben einander schliefen, wurden plötzlich durch ein eigenthümliches Geräusch geweckt. »Was ist los?« rief Carson einem nicht weit von ihm ruhenden Jäger, Namens Basil zu; doch Basil antwortete nicht, denn der Tomahawk eines Tlamath-Indianers hatte dem Schlafenden den Schädel zerschmettert. Das Stöhnen eines zweiten zum Tode Verwundeten traf darauf Carsons Ohr, der mit lautem Ruf seine Gefährten weckte und augenblicklich auf den Kampfplatz stürzte. Die Delawaren hatten auf das erste Geräusch ihre Waffen ergriffen und sich kühn den angreifenden Eingebornen gegenübergestellt; sie kämpften wie verwundete Bären, besonders einer, der mit einem abgeschossenen Gewehr die Wilden so lange zurückhielt, bis er von zahlreichen Pfeilen durchbohrt, entseelt zu Boden stürzte. Frémont, Carson und noch vier Andere sprangen den Delawaren zu Hülfe, schossen unter die Angreifenden und tödteten glücklicher Weise sogleich den Häuptling derselben. Als die Tlamaths ihr Oberhaupt fallen sahen, geriethen sie in Unordnung und zogen sich schleunigst zurück.

Bis zum hellen Tage blieb Jeder im Lager mit der gespannten Büchse auf der Lauer liegen, um bei einem erneuten Angriff vollständig vorbereitet zu sein, doch wurden sie nicht weiter gestört.

Nachdem die Gesellschaft ihre beiden weißen und den indianischen Gefährten, die bei diesem Kampfe gefallen waren, begraben hatten (der Tlamath-Häuptling blieb, nachdem ihn ein verwundeter Delaware scalpirt hatte, liegen, wo ihn die Kugel hingestreckt), schlug sie den Rückweg nach Californien ein und stieß nach zwei Tagen auf ein großes Dorf der Tlamath-Indianer, die über hundert Krieger zu stellen vermochten. Carson ritt mit zehn Mann voraus und war von den Wilden entdeckt worden, als es zu spät war, Colonel Frémont mit den übrigen Leuten erst herankommen zu lassen. Es blieb ihm daher weiter nichts übrig, als die erste Ueberraschung zu benutzen und das Dorf anzugreifen. Entschlossen stürzte sich die kleine Abtheilung auf die Indianer, tödtete viele derselben und jagte die übrigen in die Flucht. Weiber und Kinder verschonten die erbitterten Jäger, doch verbrannten sie das ganze Dorf, sogar die Canoes und Fischnetze.

An demselben Tage hätte Carson in einem zweiten Scharmützel beinahe sein Leben eingebüßt. Er war nämlich einige Schritte vorausgaloppirt, als er einen Indianer bemerkte, der einen Pfeil auf seinen Bogen legte, um auf ihn zu schießen; Carson zielte mit der Büchse auf den Wilden, doch versagte ihm seine Waffe und sicher würde ihm der Pfeil in die Brust geflogen sein, wenn nicht in dem entscheidenden Augenblicke Frémont den Indianer übergeritten und niedergeschlagen hätte.

Unter solchen Gefahren führte Frémont seine Arbeiten in den wilden Regionen aus, als er durch die ihm überbrachten Briefe dazu bestimmt wurde, nicht nach Oregon, sondern zurück nach Californien zu ziehen.

Noch im Mai 1846 gelangte er in das Thal des Sacramento River und fand das ganze Land in Aufregung über drohende Gefahren, die nur durch die schleunigste Hülfe abgewendet werden konnten. Es sollten nämlich die Amerikaner ermordet und deren Ansiedelungen im Thale des Sacramento River zerstört werden. Californien sollte sich unter britischen Schutz begeben und die öffentliche Verwaltung britischen Unterthanen in die Hände geleitet werden. Auf die Bitten der amerikanischen Ansiedler, die Deputation auf Deputation in Frémonts Lager schickten und ihm diese Gefahren ausmalten, und die Nachricht, daß General Castro im Anmarsch sei und daß die Eingebornen zu Mord und Brand verleitet wurden, entschied sich Fremont, an die Spitze der Ansiedler zu treten, sie in dem bevorstehenden Kampfe zu führen und das Land zu retten. Von allen Seiten kamen Amerikaner mit Waffen, Pferden und Munition zu ihm in´s Lager und stellten sich freudig unter seinen Befehl.

In dreißig Tagen war das ganze nördliche Californien vom mexikanischen Joch befreit, die Unabhängigkeit erklärt, General Castro auf seiner Flucht nach dem Süden, die amerikanische Bevölkerung gerettet und die Pläne der britischen Partei in Californien zerstört.

Der erste Schritt zur Einverleibung Californiens in die Vereinigten Staaten war geschehen, doch hatte Frémont, der zu jener Zeit nichts von dem Ausbruch eines Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko wissen konnte, ohne den Befehl seines Gouvernements auf eigene Verantwortlichkeit gehandelt. Nichts desto weniger setzte er seine Operationen ununterbrochen fort, vereinigte sich mit dem Commandeur Stockton und brachte schleunigst die vollständige Unterwerfung Californiens im Januar 1847 zu Ende.

Dadurch daß Frémont von seinem Gouvernement nicht zu solchen Schritten ermächtigt worden war, wenn er freilich auch bei der großen Entfernung und der schwierigen Communication zwischen Washington und Californien im entscheidenden Augenblicke nicht so schnell die Ermächtigung einholen konnte, und obgleich er durch unvorhergesehene Zufälle und dringende Verhältnisse dazu gezwungen war, als Befreier Californiens aufzutreten, hatte er sich unter seinen Vorgesetzten, die nach ihm dorthin kamen, ja selbst unter seinen Kameraden, Feinde erworben. Vor seinen Vorgesetzten, die ihn mit einem Kriegsgericht bedrohten, verantwortete er sich mit Achtung, aber auch mit Festigkeit, seinen Kameraden, unter diesen Colonel R. R. Mason, mit welchem es bis zu einem Duell auf Doppelflinten kam, trat er als Ehrenmann gegenüber. Die amerikanische Bevölkerung von Californien aber jauchzte ihm als ihrem Befreier entgegen, und wie sehr sie seine Verdienste anerkannte und in wie hohem Grade sie ihm ihr volles Vertrauen schenkte, geht gewiß am besten daraus hervor, daß sie ihn freudig als ihren Gouverneur begrüßte.

Die widrigen Verhältnisse, hervorgerufen theils durch die Zwistigkeiten der commandirenden Land- und See-Offiziere unter sich, theils durch böswillige Gesinnungen gegen ihn selbst, machten Frémont die erste Hälfte des Jahres 1847 in Californien zu einem unangenehmen Zeitraume.

Im Juni desselben Jahres verließ er Californien zusammen mit dem General Kearney und dessen Abtheilung, und kehrte auf dem Landwege nach den Vereinigten Staaten zurück, wohin er durch einen Befehl von Washington aus berufen worden war. In der Mitte des Augusts erreichte er Fort Leavenworth am Missouri, wo ihm der Befehl ertheilt wurde, sich als Arrestant nach Washington zu begeben. Er reiste in Folge dessen sogleich den Missouri hinunter und gelangte nach wenigen Tagen nach St. Louis, wo er von den angesehensten Bürgern der Stadt erwartet und zu einem ihm zu Ehren veranstalteten Festmahle eingeladen wurde. Wenn auch gerührt durch die freundliche Aufnahme, glaubte er doch als Arrestant nicht an dergleichen Festlichkeiten Theil nehmen zu dürfen. Er lehnte die Einladung ab und setzte seine Reise mit möglichster Eile fort, bis er am l6. September 1847 in Washington eintraf und sich bei seiner Behörde meldete. Auf seinen Wunsch wurde sogleich ein Kriegsgericht gebildet, dessen Gutachten und Urtheil sein ganzes Thun und Treiben während der letzten zwei Jahre unterworfen werden sollte. Die Beschuldigungen gegen ihn lauteten: 1) auf Meuterei, 2) auf Ungehorsam gegen dienstliche Befehle eines höheren Offiziers, 3) auf Verstoß gegen militairische Ordnung und Disciplin. Die Untersuchung begann am 2. November 1847 und wurde am 31. Januar 1848 geschlossen, worauf Frémont der eben angeführten drei Vergehen schuldig erklärt und in Folge dessen aus dem Dienste entlassen wurde.

Es war dies gewiß der merkwürdigste Prozeß, welcher jemals in den Vereinigten Staaten gehalten und dessen Verlauf von jedem einzelnen Bürger mit dem größten Interesse verfolgt wurde. Die Vergehen, welche Frémont zur Last gelegt wurden, hatten ihren Grund in dem Umstande, daß zwei Generäle, von denen jeder das Obercommando während der ereignißvollen Zeit in Californien zu führen glaubte oder vorgab, ihm zu gleicher Zeit Befehle ertheilt hatten. Deshalb wurde das Urtheil dem Präsidenten Polk vorgelegt und zur Milderung empfohlen. Der Präsident änderte dasselbe dahin, daß Frémont sowohl seiner früheren Verdienste wegen, als auch auf die Empfehlungen der meisten Mitglieder des Gerichts in Diensten zu verbleiben habe. Frémont, in dem Bewußtsein, das Urtheil des Kriegsgerichts nicht verdient zu haben und eines Gnadenactes des Präsidenten daher auch nicht zu bedürfen, kam um seinen Abschied ein und erhielt denselben nach einiger Zögerung am 15. Mai 1848.

Mit seinem vierunddreißigsten Jahre hatte also Frémont's Militaircarriere schon ihr Ende erreicht, doch hatte er seinen Namen auf die engste Weise mit der historischen, geographischen, wissenschaftlichen und politischen Entwickelung des nordamerikanischen Continentes verflochten, zu gleicher Zeit aber auch unter seinen Landsleuten eine Popularität gewonnen, die kaum im Verhältniß mit seinem Alter stand. Dieser Umstand, so wie die Beweise freundlicher Theilnahme und Verehrung, die ihm von allen Seiten zu Theil wurden, dienten dazu, die bittern Gefühle, welche die letzten Erlebnisse in ihm angeregt hatten, zu mildern, und auf's Neue bildete er Pläne, seine Kenntnisse und Erfahrungen auf die nützlichste und erfolgreichste Weise anzuwenden. Wie sich denken läßt, waren es wiederum die Regionen des fernen Westens, wo er so viel gelernt, so viel erduldet hatte, die ihn unwiderstehlich anzogen.

Während seiner Anwesenheit in Californien war Frémont mit der Idee umgegangen, einen Landstrich, bekannt unter dem Namen Mariposas, anzukaufen. Den Werth dieser Ländereien hatte er auf seiner dritten Expedition kennen gelernt und daher beschlossen, sich auf demselben niederzulassen. Ehe er sich indessen Ruhe gönnte, hatte ei sich die Aufgabe gestellt, die Wichtigkeit einer Verbindung der östlichen Staaten mit Californien mittels einer Landstraße darzulegen, und rüstete aufs Neue, dieses Mal aber auf seine eigenen Kosten, eine Expedition aus, an deren Spitze er abermals an den stillen Ocean zu ziehen beabsichtigte, um dort für sich und seine Familie eine neue Heimath zu gründen. Er wählte dieses Mal den Winter zu seiner Reise, indem er sich von allen Hindernissen überzeugen wollte, die in der ungünstigsten Zeit des Jahres bei der Anlage und Erhaltung einer öffentlichen Landstraße besiegt werden müßten.

Unglaublich ist es, was Frémont und seine braven Jäger auf dieser seiner vierten Expedition zu erdulden gehabt haben; Einen nach dem Andern der treuen Gefährten sah er an seiner Seite zu Grunde gehen, im Kampfe mit den Elementen und mit der gräßlichsten Noth, durch welche sie sogar gezwungen wurden, ihren Hunger mit dem Fleische ihrer gestorbenen Kameraden zu stillen. Mr. Leroux befand sich gerade in seiner Heimath Taos, als die letzten Ueberreste der unglücklichen Expedition Zuflucht suchend dort anlangten; und von ihm erfuhr ich bei einer späteren Gelegenheit die näheren Umstände dieser Reise. –

Am folgenden Morgen, dem 28. November, hatte es stark gefroren und gereift, doch wurde der Himmel gleich nach unserem Aufbruch von unserem zweiten Lager, westlich von Zuñi, trübe und das Wetter milder. Die Umwege, welchen unser Wagenzug in den Waldungen zu folgen genöthigt war, und die damit verbundene Verzögerung kamen uns sehr zu statten, denn wir gewannen dadurch Zeit genug, nach allen Richtungen das Holz zu durchstreifen. Außer den verschiedenen kleinen Vögeln, die wir für unsere Sammlung erlegten, fanden wir Nichts, was unsere Jagdlust hätte anregen können. Fossile Muscheln lagen an den Abhängen der Hügel umher, so wie Stückchen versteinerten Holzes, die in den grellsten Farben spielend den Boden bedeckten. Als José Hatche, unser Indianer, bemerkte, daß wir einige der interessantesten Exemplare aufsammelten und aufbewahrten, rieth er uns, von der Mühe abzustehen, indem wir bald an eine Stelle gelangen würden, wo so schwere Blöcke dieses Steinholzes (wie er es nannte) umherlägen, daß wir sie nicht von der Stelle zu bewegen im Stande wären, und wo wir uns nach Willkühr ganze Wagenladungen davon abschlagen könnten. An die Uebertreibungen der Indianer gewöhnt, schenkten wir seinen Worten nur wenig Glauben, bis wir nach einigen Tagen durch einen wirklichen versteinerten Wald an seine Bemerkung erinnert wurden.

Bis um die Mittagszeit hatten wir fortwährendes Ansteigen des Landes zu bekämpfen, erreichten aber dann eine Stelle, an welcher unser Fortschreiten durch einen rauhen und steilen Abhang gehemmt wurde. Es waren keine Felsen und Gerölle, sondern sandiger Boden, der das hohe Ufer bildete, welches durch Regengüsse in allen Richtungen aufgerissen und unterwühlt war. Von diesem Punkte aus hatten wir eine weite Aussicht über eine tief unter uns liegende Grasebene, die im Westen und Norden durch kahle Hügel und allmälig ansteigendes Land, im Süden aber durch niedrige Cedern und Tannenwaldungen begrenzt wurde. Einen öden, traurigen Charakter trug diese Fläche, denn so weit das Auge reichte, belebte nichts die schauerliche Einsamkeit. Am westlichen Ende der Ebene sollten wir, nach den Aussagen des Indianers, auf gutes Wasser stoßen, wenige Meilen vorher aber noch an einem Teiche mit salzigem Wasser vorbeikommen. Natürlich wünschten wir ersteres zu erreichen, doch war die Entfernung noch zu groß, und daß Alle, Arbeiter wie Wagenführer, mit Hacken und Schaufeln einen Weg hinab in das Thal ebenen mußten, auf welchem die Wagen einer nach dem anderen allmälig hinabgelassen werden konnten, war ebenfalls Ursache einer Verzögerung. Nach langem Aufenthalt waren wir endlich in der Ebene versammelt und zogen in gerader Richtung an dem südlichen Waldrande hin. Nichts störte die Einförmigkeit unserer Umgebung, unser Zug wurde länger und länger, je nachdem die ermüdeten Menschen und durstenden Thiere sich durch stärkeres oder schwächeres Ausschreiten von einander trennten.

Die Sonne war schon hinter den Hügeln verschwunden, als die Vordersten des Zuges bei dem salzigen Teiche, der einige Hundert Schritte von dem Holze und zugleich von unserer Richtung entfernt war, anlangten. Ohne unseren Führer würden wir denselben kaum entdeckt haben, denn nicht die geringste Schwellung oder Senkung des Bodens oder üppigere Vegetation verrieth die Nähe des Wassers. Mit einem Krater könnte man wohl diesen merkwürdigen See am besten vergleichen, denn wie ein Trichter gähnte uns der Abgrund an, in dessen Tiefe, trotz der schon eintretenden Dämmerung, ein kleiner Wasserspiegel glänzte. Dieser befand sich in einer sich nach unten verengenden Niederung; denn während die Breite der oberen Oeffnung wohl 200 Fuß betrug, war die Breite des etwa 200 Fuß darunter liegenden Wasserspiegels kaum 60. Ein schmaler Pfad wand sich inwendig in dem runden Trichter an der steilen, lehmigen Uferwand herum bis hinunter an's Wasser, und bot die einzige Möglichkeit, hinab und wieder hinauf zu steigen, wobei man aber vorsichtig zu Werke gehen mußte, um nicht durch Ausgleiten oder Stolpern einen Unfall zu erleiden. Nur in geringer Anzahl konnten unsere Thiere zu gleicher Zeit hinab getrieben werden, indem an einer einzigen Stelle das Wasser für dieselben zugänglich war und sie auch dort schon beim ersten Schritt bis über die Kniee in Morast sanken. Annäherungsweise die Tiefe dieses geheimnißvollen See's anzugeben ist nicht möglich, doch daß es noch sehr tief hinabging, bewies die dunkle Farbe des Wassers, in welchem sich einige verkrüppelte, am Ufer stehende Cottonwood-Bäume spiegelten, so wie die langen Binsen, die in der Entfernung weniger Fuß vom Lande nur gerade mit den Spitzen hervorragten. Das Wasser hatte ganz denselben Geschmack, wie das östlich der Felsengebirge in den Gypsregionen, und schien deshalb unseren Thieren nur noch angenehmer zu sein. Heerden von schwarzschwänzigen Hirschen und Antilopen zeigten sich noch in der Dämmerung und alarmirten unsere Leute, von welchen sie anfänglich für einen Trupp Navahoe-Indianer gehalten wurden. Das Wild wollte augenscheinlich zu dem See hinab, doch gestört durch unsere Gegenwart, zog es weiter gegen Westen,

Der Abend war wieder so frisch und klar wie der vorhergehende, doch fehlte es uns an trockenem Holze, um uns wieder eben so behaglich einrichten zu können; denn das dichte Cederngebüsch bot uns nur grüne, saftige Massen, die am Feuer knisterten und flackerten, ohne die geringste Wärme zu verbreiten. Dieses sowohl als die Ermüdung von dem langen Marsche veranlaßte uns, früher als gewöhnlich zu unseren wärmenden Decken unsere Zuflucht zu nehmen, und die Stille, die bald im Lager herrschte, wurde nur durch rauhes Wiehern der Maulthiere und das ferne Geheul Beute suchender Wölfe unterbrochen.

Von dem merkwürdigen See zogen wir am 29. November in mehr nördlicher Richtung weiter. Wir hatten noch keine 6 Meilen zurückgelegt, als wir die angedeuteten Quellen erreichten und auch sogleich Anstalt zum Rasten und Uebernachten trafen. An verschiedenen Stellen quoll hier das Wasser aus dem Boden, ohne jedoch sich in einem Bache zu vereinigen, vielmehr überschwemmte es nur die nächste niedrige Umgebung und verwandelte sie in einen seichten Sumpf, in dessen kleinen Lachen wir reichlich gutes Wasser für uns und unsere Heerden fanden. Die in der Nähe dieser Quelle umherliegenden Topfscherben veranlaßten uns, nach weiteren Spuren von den früheren Bewohnern dieser Regionen zu suchen, und so entdeckten wir denn auf einer kleinen Anhöhe die Grundmauern einer alten Ansiedelung oder Stadt. Erst bei näherer Untersuchung erkannten wir die Fundamente, von welchen die Lehmmauern schon seit Jahrhunderten fortgewaschen sein mußten; denn außer den kaum aus der Erde hervorragenden Steinen waren es nur noch die Scherbenmassen, welche Kunde von der entschwundenen Bevölkerung gaben. Trockenes Heidekraut und Gestrüpp lieferte uns an diesem Tage kaum Brennmaterial genug, um unsere Speisen bereiten zu können, und Mancher von uns sendete am Abend seine Blicke sehnsüchtig nach dem dunklen Cedernwalde hinüber und bedauerte, die Decke fester um die Schultern ziehend, gar sehr den Mangel eines guten Feuers.

Als die Dämmerung am Abende so stark geworden war, daß wir nur noch mit Mühe entferntere Gegenstände zu erkennen vermochten, wurden Alle im Lager durch den Ruf: »Navahoes!« alarmirt. Solche waren es in der That, doch nur zwei einzelne Reiter dieses räuberischen Stammes, die sich vorsichtig unserem Lager genähert hatten, um dasselbe zu beobachten. José Hatche und Leroux knüpften alsbald ein Gespräch mit ihnen an und luden sie auf Lieutenant Whipple's Befehl ein, abzusteigen und im Zelte eine Unterredung mit den »von dem großen Großvater in Washington abgeschickten weißen Capitanos« zu halten. Doch scheu wichen die beiden Indianer zurück und führten in einiger Entfernung das Gespräch mit José Hatche weiter. Nach ihren Aeußerungen fürchteten sie sich vor José Hatche, indem derselbe aus einer Stadt komme, wo die Blattern herrschten; als sie durch denselben erfuhren, daß auch wir in unserem Lager einige Blatterkranke hatten, wurde ihre Furcht vor Ansteckung noch vergrößert, und schnell entfernten sich die beiden Reiter wieder. Leicht erklärlich ist es, daß die Indianer, die seit ihrer ersten Bekanntschaft mit den Weißen von dieser Seuche auf so schreckenerregende Weise heimgesucht wurden, sich nur mit Beben in die Nachbarschaft solcher Kranken wagen,Die Blattern wurden schon, wie man behauptet, zur Zeit der Eroberung Mexiko's durch Ferdinand Cortez von einem Neger im Gefolge des Generals dorthin gebracht und richteten die furchtbarsten Verwüstungen unter den Azteken an.
Die Blattern-Epidemie, welche im Jahre 1538 in Mexiko viele Eingeborne hinraffte, hat Alexander von Humboldt bildlich dargestellt gefunden in der Copie von altaztekischen Manuscripten, die einst der Erzbischof Le Tellier zu Rheims besaß, und die jetzt der Bibliothek zu Paris gehören. (Codex Teleriano-Remensis. Geroclyhcos que usavan los Mexicanos. Manuscript von 1616.) Siehe Alexander von Humboldt: Vues des Cordillères et momuments des peuples indigénes de l'Amérique. Planche 56. f. 3.
und so hatten wir es vielleicht theilweise unseren Patienten zu verdanken, daß wir auf unserer ganzen Reise durch die Reviere der Navahoes nie von denselben belästigt wurden.

Als wir die Quelle, die den Namen Navahoe Spring erhielt, am 30. November verliehen, hatten wir wellenförmiges Land zu überschreiten, welches durch den unfruchtbaren Sand und den fast gänzlichen Mangel an Vegetation nur zu sehr den Namen einer Wüste verdiente. Tiefe Schluchten und trockene Flußbetten durchschnitten vielfach hindernd unsere Straße, Wälder und Bäume traten immer weiter zurück, entschwanden unseren Augen endlich ganz, und nur ein trostloser Anblick war es, der sich uns nach allen Seiten hin bot. Gerade vor uns in bläulicher Ferne erblickten wir die Kuppen eines hohen Gebirges; es waren die San Francisco Mountains, die riesigen ausgebrannten Vulkane, an denen unser Weg vorbeiführen sollte. Doch manche Tagereise war es noch bis dahin, manchen mühevollen Marsch hatten wir noch zurückzulegen und manches Hinderniß zu besiegen, ehe wir an der Quelle (Leroux Spring, nach unserem Führer, der sie früher schon entdeckt hatte, benannt) uns laben konnten, die am Fuße des Hauptberges entspringt.

Bei den Zuñi-Indianern war es uns aufgefallen, daß Viele derselben edle Steine, besonders schöne, große Granaten als Schmuck in den Ohren trugen; wir hatten nur erfahren können, daß sie sich dieselben aus der Richtung von Sonnenuntergang her geholt hatten, und waren sehr gespannt darauf, den Edelstein bergenden Boden genauer kennen zu lernen. An diesem Tage nun endlich gelangten wir in die Regionen, wo dieselben gleich den uns schon in Albuquerque gezeigten gefunden sein mochten. Eine Menge kleiner, von großen Ameisen zusammengetragener Hügel bedeckte nämlich die Niederungen; die Hügel an sich bestanden aus lauter kleinen Steinchen, und ließen sich, da die Ameisen sich vor der Kälte tiefer in die Erde zurückgezogen hatten, auseinander scharren, ohne daß wir durch dieselben belästigt wurden. Der helle Sonnenschein begünstigte uns bei unserem Suchen, denn wo die Sonnenstrahlen einen edlen Stein trafen, da entlockten sie ihm einen rothen oder grünen Blitz, und wir brauchten dann nur den Granat, Rubin oder Smaragd aufzuheben. Leider mußten größere Steine die Kräfte der Ameisen überstiegen haben, denn selten fanden wir solche, welche die Größe einer Erbse überschritten. Es läßt sich aber denken, daß bei der Menge von kleinen Edelsteinen, die wir dort zu sammeln Gelegenheit fanden, der Boden auch große und werthvolle Steine von derselben Gattung bergen muß. Die Notwendigkeit, die uns gebot, schnell zu reisen, um am Abend Wasser zu erreichen, ließ uns nur wenig Zeit, nach Schätzen zu suchen, und deshalb zurückzubleiben oder gar den Wagenzug aus den Augen zu verlieren, war nicht rathsam, denn wir konnten nicht wissen, ob nicht die Navahoe-Indianer nur auf Gelegenheit warteten, den Einen oder den Andern vom Zuge abzuschneiden, auszuplündern oder vielleicht gar zu erschlagen.


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