Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XXVIII.

Turkey Spring. – Pueblo Creek. – Ruinen am Pueblo Creek. – Vordringen der Recognoscirungs-Abtheilung in südlicher Richtung und deren Rückkehr an den Pueblo Creek. – Quelle des Pueblo Creek und Paß im Azteken-Gebirge. – Die Wasserscheide. – Schneesturm im Gebirge. – Rückkehr der Recognoscirungs-Abtheilung und deren Zusammentreffen mit der Expedition am Pueblo Creek. – Reise der Expedition durch den Azteken-Paß. – Yampay Creek. – Abermalige Trennung der Recognoscirungs-Abtheilung von der Expedition. – Cañon Creek. – Unwegsamkeit des Bodens. – Anwesenheit von Eingebornen in den Schluchten.

Hell leuchtete am folgenden Morgen die Sonne über festgefrornen Boden und bereifte Vegetation, als wir unseren Weg am Fuße des Gebirges fortsetzten. Hinauf und hinab ging es über die Hügel, die aneinander stießen und mit der Bergkette in Verbindung standen. Wir hatten erst wenige Meilen zurückgelegt, als unsere Aufmerksamkeit durch eine Reihe von Cottonwood-Bäumen gefesselt wurde. Bei unserer Annäherung entdeckten wir das trockene Bett eines Baches, der aus dem Gebirge zu kommen schien. Die nach einer Schlucht zu dichter werdenden Weiden ließen uns auf die Nähe von Wasser schließen und dorthin lenkten wir also den Schritt unserer Thiere. Als wir uns durch das hohe, abgestorbene Gras, welches eine Lichtung bedeckte, hinwanden, bemerkten wir plötzlich eine zahlreiche Heerde wilder Truthühner, die durch unseren Zug aufgeschreckt, mit leichten Füßen dem Walde zueilten. Die unter sie abgefeuerten Schüsse hatten den besten Erfolg: es fielen mehrere, worauf die übrigen die Flügel ausbreiteten und davonflogen. Die getödteten Vögel waren in der Nähe des Wassers gefallen, welches auf der Fläche von einigen Morgen aus dem Boden quoll und dieselbe in eine Art Sumpf mit kleinen Wasserspiegeln verwandelte; nur an einer Stelle floß es hell und klar dem eben erwähnten Bette zu, doch verlor es sich in demselben schon wieder nach kurzem Lauf. Die geschlossenen Truthühner gaben die beste Veranlassung zur Benennung der Quelle, und Turkey Spring schrieb ein jeder in sein Tagebuch, als er am Abend die Erlebnisse des Tages in dasselbe eintrug. Wir tränkten unsere durstigen Thiere an einer Stelle, wo wenige Tage vor unserer Ankunft Eingeborne gelagert hatten, füllten unsere Lederflaschen und setzten nach kurzem Aufenthalt unsere Reise fort. Durch das Hinaufgehen zum Turkey Spring waren wir tiefer in's Gebirge gerathen, was unser Vordringen bedeutend erschwerte. Die Höhen, die wir zu überschreiten hatten, wurden schroffer, die Schluchten tiefer und dadurch, daß die Bergkette sich mehr gegen Osten bog, wir selbst aber unsere Richtung nicht veränderten, waren wir bald von Bergen umgeben, von denen die östlichen freilich nur Hügel genannt werden konnten. Nicht mehr vulkanisches Terrain umgab uns jetzt, sondern metamorphosirte Gebirgsart ( roches éruptives et métamorphosiques). Granitmassen lagen hoch aufgethürmt und schauten wie Schlösser stolz über die dunkle, niedrige Waldung hinweg, auch weiße Quarzblöcke mit gelben Adern lagen umher, an den goldhaltigen Quarz in Californien erinnernd. Die ganze Umgebung war überhaupt schön zu nennen und mag auch unsere so lange Reise über trauriges, ödes, vulkanisches Terrain einigen Antheil an diesem Urtheil haben, genug, mit Wohlgefallen ruhte das Auge hier bald aus den hoch aufstrebenden steilen Felsmassen, bald aus dem dunklen Grün der Tannen und Cedern, bald auf den Haufen phantastisch geformter Granitblöcke, bald auf den im Osten fast verschwindenden blauen Gebirgszügen.

Wieder erreichten wir eine Reihe blätterloser Cottonwood-Bäume, doch standen sie dieses Mal nicht auf den Ufern eines trockenen Flußbettes, sondern es erfreute uns ein schnellrieselndes Flüßchen. Dasselbe mußte auf einem weiten Wege aus dem Gebirge kommen, und sein Thal konnte daher möglicher Weise der Paß sein, nach welchem wir nun schon so lange suchten. Wir vermochten auch ziemlich weit in das Gebirge hineinzublicken, doch schienen wilde Felsmassen das Flüßchen immer mehr einzuengen und dadurch noch mit mancher Schwierigkeit für das Fortbringen der Wagen zu drohen. Wir hatten indessen nun eine Oeffnung vor uns, zu der wir immer zurückkehren konnten, wenn sich unsere weiteren Forschungen als erfolglos ausweisen sollten. Wir folgten dem Flüßchen, welches bis jetzt noch keinen Namen hatte, aufwärts bis zu einem sanftansteigenden, fast baumlosen Hügel, um von demselben aus eine bessere Aussicht auf die nächste Umgebung zu gewinnen. Auf dem Hügel fanden wir die letzten Ueberreste von uralten Ruinen, nach welchen wir nicht nur den Fluß, sondern auch den ganzen Gebirgszug benannten. Wer hätte es aber wohl vermuthet, daß hier an dieser abgelegenen Stelle sich die Spuren der Azteken wiederholen würden? Doch es war so, wir hatten die Fundamentsteine kleiner Gebäude vor uns, die noch in derselben Ordnung lagen, in welche sie von den Erbauern gebracht worden waren. Die Mauern waren allerdings schon längst verschwunden, und nicht einmal Ueberreste derselben mehr zu erblicken, weshalb wir annahmen, daß die Gebäude aus Adobes bestanden hatten, die sich im Laufe der Zeit auflösten und weggeschwemmt wurden. Die Fundamentsteine lagen in runden und ovalen Kreisen von 15 bis 20 Fuß Durchmesser, als wenn die Mauern, die auf denselben gestanden, Thürme gebildet hätten. Ueber den Ursprung des Mauerwerks konnte kein Zweifel mehr obwalten, als wir die an solchen Stellen gewöhnlichen bemalten Topfscherben fanden. Es lagen indessen nur wenige derselben umher, ein sicherer Beweis, daß nur ein geringer Theil der städtebauenden Nation einst die fruchtbaren Thäler in diesem Gebirge bevölkerte. Die Stelle war übrigens vortrefflich zu einer Ansiedelung geeignet, denn der Pueblo-Creek bewässerte ein reizendes kleines Thal, welches sowohl durch seine Lage als auch durch seine Fruchtbarkeit die früheren Bewohner dieser Ruinen zur Anlegung einer Stadt bewogen haben mochte.

Wir setzten durch den Pueblo Creek, dessen Breite dort zwischen 10 und 25 Fuß schwankt, und suchten einen Weg auf seinem südlichen Ufer in das Gebirge, welches sich weit hinaus gegen Osten erstreckte, denn es lag in unserem Plane, immer weiter gegen Süden vorzudringen, um auf diese Weise vielleicht auf ein quer durch das Gebirge laufendes Thal oder einen Paß zu stoßen. Zu einer Höhe von 200 Fuß mußten wir uns hinaufarbeiten, ehe wir unsere Richtung weiter verfolgen konnten; dann aber hatten wir die Urwildniß wieder vor uns, unangetastet, unverändert, so vielleicht, wie sie aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen. Es war aber nicht der erhabene Urwald, wie man ihn weit im Osten suchen muß; es war auch nichts Wüstenähnliches, was dieses Gebirge charakterisirte, sondern niedrige Cedern, einzelne Eichen und Tannen standen im wilden Durcheinander zwischen wie zufällig hingeworfenen, phantastisch geformten Felsblöcken und Bauwerken ähnlichen Haufen Gerölle, so daß man sich eines bangen Gefühls in dieser unheimlichen Wildniß kaum zu erwehren vermochte. Hierzu kam noch die lautlose Stille, die zwischen diesen Bergen herrschte, welche jeden Hufschlag, jedes laut gesprochene Wort im Echo deutlich wiedergaben. Selbst die Thiere schienen diese Wildniß zu meiden und das liebliche Thal des Pueblo-Flusses vorzuziehen. Nur einem Stinkthiere, Mephitis mesoleuca Lichtenstein (scunk) begegneten wir, welches mit verdrießlicher Miene und hoch emporgehaltenem zottigen Schweife Jedem mit der Waffe, die ihm die Natur gegeben, drohte. Doch seines Drohens nicht achtend, tödteten unsere Mexikaner dasselbe aus der Ferne durch Steinwürfe, um nicht durch einen Schuß die Blase mit der durch den Geruch fast betäubenden Flüssigkeit zu zerreißen, in welchem Falle der Balg, der für meine Sammlung bestimmt war, unbrauchbar geworden wäre. Das Vorhaben gelang vollkommen, und wenn mir beim Abbalgen auch fast der Athem ausging, so sicherte ich mir doch ein Exemplar, wie es nicht schöner gefunden werden kann. Dieses Thier war nämlich schwarz und weiß, und zwar so eigenthümlich gezeichnet, daß es aussah, als wäre es ursprünglich ganz weiß gewesen und durch Schwimmen, in schwarzer Farbe die untere Hälfte vom Mundwinkel bis zur Schwanzwurzel schwarz gefärbt worden. Die langen, schönen Haare, die besonders den Schweif wie eine Fahne zierten, gaben dem Thiere ein noch schöneres Aussehen, und wohl hätte man fragen mögen, warum die Natur einem so reizenden Geschöpfe eine so widrige Waffe gegeben habe.

Immer unwegsamer fanden wir bei unserem Vordringen die Wildniß; tief hinab in öde Schluchten und wieder hinauf an den Abhängen der Berge vorbei zogen wir, bis wir einen alten Indianerpfad zu erkennen glaubten. Auf diesem gelangten wir in eine Schlucht hinab, wo in einem schmalen Bette eine kleine Quelle aus dem Boden rieselte, die sich indessen bald wieder in dem trockenen Boden verlor. Da sich vor uns hohe Berge erhoben und wir nicht hoffen durften, bald wieder auf Wasser zu stoßen, so trafen wir unsere Vorkehrungen für die Nacht und stiegen dann noch den nächsten Berg hinauf, um von dort aus in die Ferne zu spähen; doch umgab uns von allen Seiten bergige Wildniß, so daß wir jede Hoffnung auf einen bequemen Paß durch das Gebirge aufgaben und am folgenden Tage an den Pueblo Creek zurückzukehren beschlossen, um, demselben bis zu seinen Quellen folgend, auf alle Fälle westlich durchzudringen. Nicht weit von unserem Lager entdeckten wir eine verlassene Hütte der dortigen Eingebornen, ein erbärmliches Obdach, von welchem wir schon genugsam auf den niedrigen Kulturzustand dieser Wilden schließen konnten. Sie bestand aus Stücken Baumrinde, die in Zeltform aufrecht an einander gelehnt waren. Sie mochte 3 Fuß in der Höhe und 4 Fuß im Durchmesser haben, und es war durchaus kein Versuch sichtbar, der gemacht worden wäre, die weiten Oeffnungen zu verstopfen, die zwischen den Rindenstücken Wind und Wetter durchließen. Es mußte eine Sommerwohnung von Tonto-, Cosmino- oder Yampay-Indianern sein, Menschen, die den größten Theil des Jahres von den Wurzeln der mexikanischen Agave leben, denn wir fanden nahe der Hütte die Ueberreste dieser Pflanze, so wie auch die Stelle, wo die Zubereitung derselben stattgefunden hatte.

Diese Menschen graben nämlich die Wurzel, die in einer dicken Knolle besteht, aus, legen sie zwischen heiße Steine in eine Höhlung im Boden und bedecken sie dann dicht mit Erde. Alles Aetzende oder Giftige, was die Wurzel enthält, wird ihr auf diese Weise entzogen, und eine süßliche, durchaus nicht schlecht schmeckende Masse bleibt zurück. Es wurde später von Einigen unserer Expedition der Versuch gemacht, die auf Kohlen gerösteten Agaven zu genießen, doch hatte dieses üble Folgen, indem ihnen der Mund auf einige Tage wund wurde.

Auf dergleichen Nahrungsmittel angewiesen, können in diesen Regionen nur wenige Indianer zusammenleben, wenn sie nicht der größten Noth ausgesetzt sein wollen; auch fanden wir in der That nur die Spuren von kleinen Trupps oder Familien, die weit von einander entfernt in abgelegenen Winkeln ein elendes Dasein fristeten.

Mit dem Frühesten begaben wir uns am folgenden Morgen auf den Rückweg und befanden uns nach einem zweistündigen scharfen Marsche an der Stelle, von welcher wir in das Thal des Pueblo Creek hinabsteigen mußten. Wir eilten, so schnell es uns die etwas schwierige Furth erlauben wollte, nach der anderen Seite des Flüßchens und begannen sogleich ein großes Signalfeuer anzulegen, um unseren Train zum Aufbruch zu veranlassen. Da derselbe aber zwei Tage bis zu dieser Stelle zu reisen hatte, so schickte Lieutenant Whipple zwei Mexikaner ab, die dem Wagenzuge entgegenreiten und ihn auf den besten Wegen an den Pueblo Creek führen sollten, während wir selbst den Weg in die Schlucht einschlugen. Die vielen Windungen des Flusses, die kleinen Seen oder Sümpfe, so wie die Inselchen, die von demselben gebildet wurden, hielten uns zuerst hin und wieder auf, doch kamen wir bald auf festeren Boden, wo nur die dichten Stellen des Waldes zu vermeiden und weniger Schwierigkeiten beim Durchbringen der Wagen zu besiegen waren. Die Freude darüber war indessen nur von kurzer Dauer; die beiden Gebirgszüge, die mit ihren stolzen und imposanten Felsenpartien an der Mündung der Schlucht weit von einander standen und sogar wilden Pyramiden hinlänglich Raum im Thale zwischen sich gelassen hatten, rückten immer mehr zusammen, und bald gelangten wir bis dahin, wo das Flüßchen seinen Weg zwischen den ineinander greifenden Zacken der Berge hindurch suchen und sich um deren Fuß dicht herumwinden mußte. Die Schwierigkeit, die Wagen durchzubringen, schien immer zuzunehmen. Bäume mußten gefällt, Abhänge niedergestochen werden, doch da wir fortwährend im Steigen blieben, so konnten wir hoffen, daß wir bald die Wasserscheide erreichen würden, wo es dann nur darauf ankam, welche Aussichten auf dem westlichen Abhange des Azteken-Gebirges, wie wir diesen Gebirgszug nannten, sich uns bieten würden. Ein Indianerpfad, der an dem Flüßchen hinaufführte, kam uns sehr zu statten. Reiter und Packthiere zogen auf demselben, einer hinter dem anderen, weiter; das Flüßchen wurde immer kleiner und unbedeutender, doch nahm die Zahl der Windungen zu, so daß wir uns bald auf dem einen, bald auf dem anderen Ufer befanden, je nachdem die Eingebornen bei Anlegung des Pfades die zum Gehen bequemsten Stellen ausgesucht hatten.

Nach einem mühseligen Marsche erreichten wir endlich die letzte Quelle des Pueblo Creek. Ein Berg von 200 Fuß Höhe lag vor uns, und an demselben hinauf zog sich das nunmehr trockene Bett des Baches. Der Berg mußte die Wasserscheide bilden, und da wir auf der Ostseite desselben Schutz vor dem kalten Nordwestwinde fanden, so beschlossen wir, daselbst zu übernachten und am folgenden Morgen den westlichen Abhang und die angrenzenden Ländereien zu durchforschen. Wir stiegen noch vor dem Dunkelwerden auf die Anhöhe und hatten die große Freude, das Land sich gegen Westen abflachen zu sehen. Zackige Gebirgszüge begrenzten freilich in der Ferne den Horizont, ausgebrannte Vulkane in nicht allzu großer Entfernung vor uns deuteten auf rauhes Terrain, doch war es auch wieder ein großer Trost für uns, daß nur ein paar hundert Schritte von der Quelle des Pueblo Creek neue Furchen und Spalten uns den Beginn eines Flüßchens zeigten, dessen Bette sich in der Ferne im Westen verlor. Ein Paß durch das Azteken-Gebirge war somit gefunden; nur durch große Anstrengungen und harte Arbeit konnten die Wagen durch denselben geschafft werden, doch waren die Hindernisse der Art, daß wir sie mit unseren Kräften beseitigen oder überwinden konnten und lagen mehr in der rauhen Oberfläche, als in der wirklichen Bildung des Terrains; nur der letzte Berg war steil und drohete mit einer schweren Arbeit für unsere Thiere.

Vorläufig mit dieser Aussicht zufrieden, begaben wir uns zurück in das Lager, welches wir uns unter einer Gruppe dichter Cedern eingerichtet hatten. Die Luft war kalt, der Himmel trübe und die Nacht hüllte unsere ganze Umgebung in undurchdringliche Finsterniß ein. Die Feuer, von kienigem Holze genährt, warfen ein rothes Licht auf die nächsten schlanken Tannen, auf die bemoosten Felsen und die zwischen denselben wuchernden verkrüppelten Cedern. Zusammengekauert saßen wir vor unserem Scheiterhaufen und benutzten den hellen Schein der Flammen, um in unsere Journale Tagesbegebenheiten einzutragen, als einige Schneeflocken ihren Weg zwischen den Cedern hindurch fanden und uns auf die frisch beschriebenen Seiten fielen; jetzt erst wurden wir gewahr, daß einzelne Flocken in der Luft wirbelten und spielten, gleichsam sich scheuend, in's Feuer zu sinken. Es war schon spät, der lange Ritt des Tages hatte uns ermüdet, wir wickelten uns dicht in unsere Decken und schliefen bald ein.

Früher als gewöhnlich erwachte ich am anderen Morgen in Folge einer unleidlichen Hitze, die ich empfand; die Decken lagen so schwer auf mir, daß der Schweiß mir aus den Poren drang, und Mangel an frischer Luft ein drückendes Gefühl in meiner Brust verursachte; ich erschrak, glaubte mich erkrankt, stieß die Decken, die ich mir am Abend über den Kopf gezogen, zurück und fand dann sogleich die Erklärung für das unbehagliche Gefühl, welches sich meiner bemächtigt hatte. Lockerer Schnee fiel mir nämlich entgegen und obschon es noch dunkel war, vermochte ich doch leicht zu erkennen, daß wir tief eingeschneit waren. Noch immer sauste der Sturm über uns hin; laut brüllte er in den Schluchten, brach morsche Bäume nieder und rüttelte mit Wuth an kräftigen Stämmen und dichtem Gebüsch; Schnee fiel in dichten Massen und wurde von dem Winde in großer Menge in unser Versteck getrieben. Unsere ganze Gesellschaft war allmälig munter geworden, doch Keiner wagte sich von der Stelle zu bewegen, denn da der Schnee die Luftöffnung, die Jeder in den Decken gelassen, verstopft und das Gewicht der Decken mehr als verdoppelt hatte, so waren Alle gleich mir selbst erhitzt und fürchteten sich, in zu plötzliche Berührung mit demselben zu kommen. So lagen wir denn still, bis der Tag anbrach. Mit größter Mühe gelang es uns, das erloschene Feuer wieder zum Brennen zu bringen und an demselben ein kärgliches Mahl herzustellen; doch nur wenig empfanden wir von der wohlthuenden Nähe der Flammen, da der Schnee fortwährend dicht um uns herumwirbelte. Unsere Thiere standen mit abgewendeten Köpfen hinter Felsblöcken und Strauchwerk, auf ihren Rücken lag dicker Schnee, der durch die animalische Wärme schmelzend, als kaltes Wasser an ihren Seiten hinunterlief und sie erkältete, so daß sie vor Frost bebten, und mit gekrümmten Rücken sich nicht von der Stelle zu bewegen wagten.

Lange warteten wir vergebens darauf, daß der Schneesturm etwas nachlassen sollte; der Befehl zum Aufbruch wurde daher ertheilt, die Thiere herangeführt, gesattelt und bepackt und hinauf ging es nach der Höhe, von welcher wir am vorhergehenden Tage einen Blick über die westlich liegenden Territorien geworfen hatten. Oben angelangt, vermochten wir kaum die Augen zu öffnen, mit solcher Gewalt trieb uns der Sturm dichten Schnee entgegen. Von einer Aussicht in die Ferne konnte keine Rede sein, wir mußten uns sogar dicht zusammenhalten, um nicht von einander getrennt zu werden. Mit Mühe trieben wir unsere Thiere die Höhe hinab, dem Wetter entgegen und erreichten das mit Schnee angefüllte Flußbett, welches wir am Tage vorher aus der Ferne wahrgenommen hatten und dem wir nun langsam nachfolgten; lichte Tannenwaldungen umgaben uns zwar zeitweise, doch gewährten sie uns nur wenig Schutz gegen das anhaltend tobende Wetter.

Einige Meilen waren wir auf diese Weise vorgedrungen, als wir auf eine steile Hügelkette stießen, zwischen welcher hindurch ein breiter Paß führte, der von dem, auf dem Azteken-Gebirge entspringenden Bach und dessen ziemlich breitem Thale gebildet wurde. Nachdem wir dieses, wenn auch nur oberflächlich, in Augenschein genommen hatten, kehrten wir auf demselben Wege wieder zurück, doch waren die Spuren, die wir im tiefen Schnee gelassen, schon längst wieder zugetrieben, und eine neue Bahn mußte gebrochen werden. Wir fanden indessen einige Erleichterung dadurch, daß wir den Sturm nunmehr im Rücken hatten. Wir zogen wieder über die Wasserscheide der Aztek Mountains an unserem verlassenen Lager vorbei und einige Meilen am Fluß hinunter, wo wir unter dichtem Gesträuch auf seinem Ufer den Schnee entfernten und im Kreise um ein mächtiges Feuer unsere Decken und Büffelpelze zum Lager ausbreiteten. Der Schnee hatte unterdessen zu fallen aufgehört, der Himmel wurde sternenklar, und es stellte sich eine so bitterliche Kälte ein, daß wir uns ihrer kaum zu erwehren vermochten, besonders da wir den größten Theil unserer Habseligkeiten im Vertrauen auf anhaltend trockenes Wetter bei den Wagen zurückgelassen hatten. Durch Tannenzweige, die wir unter unsere Decken auf den Boden legten und gegen den Wind um uns herum in den Schnee steckten, schafften wir uns zuletzt dennoch ein ganz erträgliches Nachtquartier.

Kälter hatten wir es in den San Francisco-Gebirgen nicht gefunden als am Morgen nach dem Schneefall, obgleich wir uns 1191 Fuß niedriger, oder wie später die barometrischen Messungen ergaben, 6281 Fuß über dem Meeresspiegel befanden. Die Luft war still und klar; dicker Reif hatte sich an die Bäume gesetzt, Millionen kleiner Eiskrystalle funkelten im hellen Sonnenschein, und der Schnee pfiff und knirschte unter den Hufen unserer Thiere, als wir den Azteken-Ruinen wieder zuzogen. Auch die Truthühner schienen zu frieren, denn gleichsam als ob sie sich erwärmen wollten, liefen sie zwischen Felsstücken und Gebüsch hin, und achteten nicht auf die nahenden Jäger, von welchen sie mit Schüssen begrüßt wurden. Etwas unterhalb des Hügels mit den Ruinen entdeckten wir am Ufer des Flusses eine Stelle, welche sich vortrefflich zum Nachtlager eignete; wir beschlossen daher daselbst zu halten und unseren Wagenzug zu erwarten, dessen Ankunft wir schon an demselben Tage entgegensahen. Doch fanden wir uns getäuscht, indem erst am folgenden Vormittage die ersten Vorläufer desselben bei uns erschienen und uns von dem guten Zustande, in welchem sich die Menschen und verhältnißmäßig auch die Thiere befanden, benachrichtigten; es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis Wagen und Packthiere eintrafen, wo sogleich Anstalten getroffen wurden, das Lager zu beziehen.

Am 23. Januar unternahmen wir es also mit unserer ganzen Expedition, den Azteken-Paß hinaufzumarschiren. Beim Beginn ging Alles nach Wunsch, doch dauerte es leider nicht lange, und alle nur zu entbehrenden Hände mußten mit Aexten, Hacken und Schaufeln die sich immer wieder aufs Neue entgegenstellenden Hindernisse aus dem Wege räumen. Nur äußerst langsam kamen wir vorwärts, und noch waren wir  ½ Meile von der Wasserscheide entfernt, als Erschöpfung, so wie die hereinbrechende Nacht uns zum Halten nöthigten. Es hatte am Tage etwas gethaut, doch brachte die Nacht wieder Frost und führte somit einen Stillstand in dem Verschwinden des Schnee's herbei.

Am 24. Januar bereiteten wir uns vor, den höchsten Punkt, den wir vor Erreichung der Südsee noch zu berühren hatten, zu überschreiten. Eine schwere Arbeit machte uns dieser letzte Berg, doch ging Alles mit der frischen Kraft, die Jeder am Morgen nach einer ungestörten nächtlichen Ruhe fühlt, an's Werk, und in einigen Stunden rollte der letzte Wagen, ritt der letzte Reiter den westlichen Abhang des Azteken-Gebirges hinunter. Ich konnte mich von diesem Punkte nicht trennen, ohne vorher eine Skizze von der Aussicht entworfen zu haben, die sich mir bot, als ich dorthin schaute, woher wir gekommen waren. Ich vermochte die ganze Länge der Schlucht zu übersehen und nahm noch deutlich die fernen bläulichen Gebirge wahr, die sich weit auf der östlichen Seite des Val de Chino erhoben. In der Tiefe glich die Schlucht von oben gesehen einer dichten, lang gestreckten Tannenwaldung, die zu beiden Seiten von hohen Felsen und Bergen eingefaßt war. Der Schnee, der überall lag, ließ deutlich Sträuche und Bäume weithin erkennen, welche hier die mit horizontalen Lagen von Gestein durchzogenen und überdeckten Plateaus, dort die grotesk gebildeten imposant emporstrebenden Feldmassen zierten. Es war ein schönes Bild im winterlichen Kleide, doch schöner noch müßte sich dasselbe ausgenommen haben, wenn die blätterlosen Cottonwood-Bäume, die den Pueblo Creek einfaßten, im reichen Frühlingsschmuck geprangt und eine lichtgrüne Schlangenlinie in der dunklen Tannenwaldung gebildet hätten. Gegen Westen lag eine ganz andere Naturscene vor mir. Als wir von den San Francisco Mountains aus die Kette des Azteken-Gebirges erblickten, hofften wir vom Gipfel desselben schon den Colorado und sein Thal mit den Augen erreichen zu können, statt dessen aber hatten wir wiederum wildes Gebirgsland vor uns, welches von wüsten Ebenen durchzogen war. Gegen Süden wie gegen Norden erstreckte sich, so weit das Auge reichte, das Gebirge, welches wir eben überschritten hatten; in südwestlicher Richtung erblickten wir ausgebrannte Vulkane, gegen Norden hohe Plateaus; gerade gegen Westen aber in weitester Ferne zeigten sich mit Schnee bedeckte Gebirgszüge, die von Norden nach Süden an einander hinzulaufen schienen. Es ist wohl kaum denkbar, daß vor uns jemals der Fuß eines Weißen diesen Paß betrat; viele Jahre mögen darüber hingehen, ehe nach uns wieder Weiße ihren Weg durch denselben finden, möglich ist es aber, daß, ehe 10 Jahre vergehen, die Locomotive mit ihrem Schnauben das Echo in diesen wilden Bergen wecken wird. Solche Gedanken beschäftigten mich, als ich die Wasserscheide des Azteken-Gebirges verließ und den vorausgeeilten Wagen langsam nachfolgte.

Die Anstrengungen, zu denen unsere Thiere an diesem Tage gezwungen gewesen, ließen es rathsam erscheinen, uns mit einem nur ganz kurzen Marsche zu begnügen. Wir machten also an der Stelle Halt, bis zu welcher wir zwei Tage früher durchgedrungen waren, um am folgenden Tage in nordwestlicher Richtung über anscheinend ebenes Land unseren Weg fortzusetzen. Das plötzlich eingetretene gelinde Wetter hatte den Schnee fast gänzlich geschmolzen, und der Boden, der nur wenig gefroren gewesen, nahm das Wasser willig auf, die Räder der Wagen und die Hufe der Thiere sanken daher tief in den weichen Boden, und mühsam bewegten wir uns am 25. Januar über die wogenförmige Ebene gegen Westen. Ein niedriger Holzstreifen westlich von uns, dem wir uns in schräger Linie näherten, deutete auf eine veränderte Gestaltung des Terrains, und wir befanden uns auch wirklich, als wir denselben erreichten, unvermuthet vor einer förmlichen Abstufung von mehr als hundert Fuß Tiefe, an welcher wir eine Strecke entlang ziehen mußten, ehe wir einen Punkt entdeckten, wo wir an dem steilen Ufer hinab gelangen konnten. Ein Gießbach schien sich hier sein Bett gewühlt zu haben; doch nur sein östliches Ufer war von bedeutender Höhe, während sein westliches sich wenig über das Bett erhob. Auf dem westlichen Ufer zogen wir noch einige Meilen weiter und wurden dann gewahr, daß dieser Bach in einen Fluß mündete, von dessen steilem Felsenufer wir nur ein paar hundert Schritte entfernt unser Lager aufschlugen.

Seit Überschreitung des Azteken-Gebirges waren wir schon bedeutend abwärts gereist, und es zeigte sich das Land westlich von uns nunmehr ganz anders, als es uns von der Höhe aus erschienen war. Das Senken des Bodens vermochten wir noch weithin deutlich wahrzunehmen, doch war das, was wir aus der Ferne für hügeliges Terrain gehalten, rauhes Gebirgsland, welches durch die zahlreichen, tief ausgewühlten Schluchten nur noch doppelt uneben und schwierig für unser Fortschreiten wurde. Eine neue Recognoscirungs-Abtheilung sollte deshalb wieder vorausziehen, um dasselbe zu durchforschen und eine Fahrstraße auszukundschaften. Da einiges Leben sich in unserer Umgebung zeigte und Vögel und vierfüßige Thiere, besonders hamsterartige Ratten, nicht selten waren, so blieb ich beim Hauptzuge zurück, wo ich mehr Gelegenheit hatte, unsere Sammlung zu bereichern. Lieutenant Whipple trat wieder an die Spitze einer kleinen Abtheilung Reiter und zog am 26. Januar gegen Westen, nachdem verabredet worden war, daß, wie früher, durch zurückgesandte Boten uns die Richtung, die wir einzuschlagen hatten, angegeben werden sollte. Die beiden Tage der Ruhe, die wir am Yampay Creek wieder zuzubringen hatten, verwendeten wir zu kleinen Ausflügen in die Umgegend, und so beschlossen unter Anderem Doctor Kennerly und ich, das Bette des Yampay Creek, so weit es uns möglich sein sollte, genauer zu untersuchen. Um indessen zu demselben hinab zu gelangen, mußten wir nach der Stelle hinwandern, wo der Bach, an welchem wir lagerten, in den Yampay Creek mündete, indem auf jeder anderen Stelle die schroffen Uferwände des Thales uns nicht den geringsten Haltepunkt weder für die Hände noch für die Füße boten. Das Bette des Flüßchens war 10 bis 20 Fuß breit und hielt nur noch an den tiefen Stellen Wasser, welches mit einer Eisrinde überzogen war. Laubholz verschiedener Art, jedoch von nur geringer Stärke und größtentheils verkrüppelt, stand auf seinen Ufern und war nahe dem Boden mit Ranken und Gestrüpp dicht durchwachsen. Die Breite des Thales von einer Felswand bis zur anderen betrug etwa 200 Schritte, und auf diesem Raume wand sich der Fluß von der einen zur anderen Seite hinüber. Was unsere Aufmerksamkeit am meisten erregte, das waren die Ufer selbst, die von rothem Sandstein in den wunderlichsten Formen bald als Säulen, bald als Blöcke, Tafeln oder ganze Colonnaden senkrecht emporragten. Zahlreiche Höhlen und Spalten waren überall sichtbar, und als wir in eine derselben hineinkletterten, fanden wir, daß von der Natur hier Gänge und Gemächer gebildet waren, die wie in einem Labyrinthe ineinander liefen und geräumige Wohnungen bildeten. Licht und Luft erhielten fast alle diese Gemächer von oben, so daß ein Indianer sich nie eine bessere Wohnung hätte wünschen können. Wir fanden in der That auch die untrüglichen Spuren, daß Mezcal (gebackene Herzblätter einer Art Agave) essende Eingeborene zu gewissen Jahreszeiten diese unterirdischen Gänge belebten. Obschon die Höhlen nicht weit in die Ufer hineinreichten, so waren wir dennoch so lange in denselben herumgeklettert, daß wir den Rückweg nicht mehr finden konnten. Wir gelangten zwar oft genug an Oeffnungen, die hinaus in's Freie führten, doch vermochten wir aus denselben eben so wenig hinab in's Thal, wie hinauf auf die Ebene zu gelangen, indem die Wände selbst für einen Tonto- oder Yampay-Indianer zu schroff gewesen wären, und bei der Höhe der Oeffnung vom Boden an einen Sprung nicht gedacht werden konnte. Lange waren wir so umhergeirrt, bis es uns endlich möglich wurde, durch eine schornsteinartige, ganz enge Oeffnung nach oben auf die Ebene hinauf zu kriechen. Wir gelangten nicht weit vom Lager wieder auf die Oberwelt, hätten also, um in's Thal zurückzukehren, den weiten Umweg noch einmal machen müssen, was zu weit gewesen wäre, und so blieben denn unsere Forschungen im Thale des Yampay Creek auf eine nur sehr mäßige Strecke beschränkt.

Als wir am zweiten Morgen unseres Aufenthaltes am Yampay Creek aus den Zelten traten, überraschte uns 2 Zoll tiefer Schnee, der während der Nacht gefallen war. Sogleich gingen wir aus, um auf demselben nach Wild oder sonstigen lebenden Wesen zu spüren und dieselben bis in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen, und kamen bei dieser Gelegenheit in den Besitz einer prachtvoll gezeichneten Ratte ( Dipodomys Ordii), die sich sowohl durch die schöne gelb und weiße Färbung, als auch durch die langen Hinterfüße und die Backentaschen auszeichnete. Wölfe hatten unser Lager während der Nacht vielfach umschlichen, doch bekamen wir am Tage keinen zu Gesicht; nur unter den reizenden, gekrönten Rebhühnern, von denen wir einige Familien in den nahen Schluchten entdeckten, richteten wir eine starke Verwüstung an. In den Mittagsstunden verschwand die leichte Schneedecke, und Alles hatte wieder die alte graue Farbe angenommen, mit Ausnahme der Cedernbüsche, die bald einzeln, bald kleine Wälder bildend, etwas Mannigfaltigkeit in diese Einöde brachten.

Gegen Abend kam endlich Nachricht von Lieutenant Whipple mit der Weisung, am folgenden Tage aufzubrechen und den Boten zugleich als Führer zu benutzen. An der Stelle, wo Doctor Kennerly und ich in den Yampay Creek hinabgestiegen waren, fanden wir auch Gelegenheit, mit unseren Wagen das jenseitige Ufer zu gewinnen, auf welchem wir dann rüstig weiter zogen; die Richtung unserer Reise war an diesem Tage westlich, doch wurden wir durch Schluchten, welche den Boden vielfach durchkreuzten, zu manchem Umwege gezwungen. Um zu der Stelle zu gelangen, die von Lieutenant Whipple als passend zum Lager befunden worden war, mußten wir abermals in ein tiefes, felsiges, sehr bezeichnend Cañon Creek genanntes, Flußbett hinabsteigen, aus welchem wieder heraus zu kommen nur durch das Vorspannen von 12 Maulthieren vor jeden Wagen möglich war.

Rauher und wilder, als auf der ganzen früheren Reise, nahm sich jetzt unsere Umgebung aus; nördlich von uns in der Entfernung von zwei Meilen ragten hohe Felsplateaus empor, die nach dieser Richtung hin jede Art der Reise unmöglich machten. Südlich von uns befanden sich ebenfalls unregelmäßige, unzugängliche Gebirge; gegen Westen nur traten die Bergketten etwas weiter zurück und ließen dort wenigstens die Möglichkeit einer Durchfahrt zu hoffen übrig. Das Terrain zwischen diesen Gebirgen war hügelig und uneben, und wie ein Netz nach allen Richtungen von Schluchten und den Betten alter Gießbäche durchfurcht.

Nach welcher Richtung wir zu ziehen haben würden, um wieder zum Lieutenant Whipple zu stoßen, konnten wir nicht errathen, doch machten wir, um Zeit zu ersparen, den Versuch, auf dem Ufer des Cañon Creek, gegen Süden vorzudringen; wir mußten indessen nach kurzem Marsche wieder nach der Stelle zurückkehren, die wir verlassen hatten, um daselbst weitere Nachrichten von unserer Recognoscirungs-Abtheilung zu erwarten, denn in der von uns eingeschlagenen Richtung konnten wir nicht mit unbeladenen Maulthieren, viel weniger noch mit Wagen durchkommen, so sehr war der Boden nach allen Richtungen hin gespalten und zerrissen.

Da sich auf dem Sande, der den Boden der meisten Vertiefungen deckte, vielfach Spuren großer Hasen zeigten, so beschlossen Doctor Kennerly und ich, daselbst zu jagen; aber hier wurden wir durch unsere Maulthiere von der Nähe der Eingeborenen auf so untrügliche Weise in Kenntniß gesetzt, daß wir auf deren Warnung umkehrten und vielleicht dadurch der Gefahr eines Hinterhaltes entgingen, der uns aus jeder Spalte, aus jeder Höhle drohen konnte. Wir hatten nämlich auf einem freien Platze unsere Thiere an Pflöcke gebunden und folgten in entgegengesetzter Richtung einer Schlucht; durch eine Biegung in derselben wurde mir sehr bald die Aussicht auf Doctor Kennerly, so wie auf unsere Reitthiere entzogen, doch war dieser Umstand nicht im Geringsten geeignet, mich in meiner Jagd aufzuhalten oder zu stören. Als ich nun emsig mit auf den Boden gehefteten Blicken die alten Spuren der Hasen von den neuen zu unterscheiden suchte, fand ich plötzlich, daß eine indianische Sandale erst vor wenigen Stunden die auf dem Sande zurückgelassenen Spuren eines Hasen ausgetreten hatte. Ich prallte wie vor einer giftigen Schlange zurück, denn ich wurde sogleich inne, daß ich von Feinden umgeben war, die kein Erbarmen kannten, und die mich jeden Augenblick aus den Felsplatten und hinter Felsblöcken hervor mit einem Hagel ihrer gefährlichen Pfeile begrüßen konnten. Behutsam jeden Winkel durchspähend, Büchse und Revolver zum augenblicklichen Gebrauch bereit haltend, trat ich den Rückweg an. Als ich um die Ecke bog, bemerkte ich zu meinem nicht geringen Schrecken, daß Doctor Kennerly's Maulthier verschwunden war, das meinige aber noch an seiner Stelle stand und durch Schnauben und Emporwerfen des Schweifes seine Unruhe zu erkennen gab. Ich blieb stehen, um mich zu überzeugen, ob nicht in der Nähe meines Thieres die Wilden auf mich lauerten, als ich Doctor Kennerly's Stimme vernahm, der mir von einem nahen Hügel aus zurief: ›Besteigen Sie schnell Ihr Thier und kommen Sie!‹ Ich leistete seinen Worten Folge und befand mich in wenigen Augenblicken auf der Anhöhe, wo Doctor Kennerly mit seinen schußfertigen Waffen vor sich auf dem Sattel hielt; dann suchten wir so schnell wie möglich die Höhe zu gewinnen, wo uns keine verrätherischen Höhlen und Schluchten mehr umgaben, aus welchen in jedem Augenblicke ein Haufen Wilde hervorbrechen konnte.

Als mein Gefährte ebenfalls unsere Reitthiere aus den Augen verloren hatte, war er durch deren Schnauben plötzlich zurückgerufen worden; in der Meinung, daß sie durch einen Wolf oder Panther erschreckt worden seien, trat er zu ihnen und wurde eines Anderen belehrt, als er die Spuren von Indianern bemerkte, die gerade vor seiner Rückkehr hinter überhängenden Felsen verschwunden sein mußten. Er bestieg darauf eiligst sein Thier und ritt auf eine Anhöhe, von wo aus er die Schlucht, in welche ich eingebogen war, übersehen, zugleich aber auch mit der Kugel bequem Jeden erreichen konnte, der sich meinem Maulthier nähern würde. Jedenfalls waren die Wilden dadurch, daß sie uns auf der Hut fanden, zurückgeschreckt worden; denn eine feigere Menschenraçe, als die dort lebenden Indianer, ist nirgends zu finden. Als wir uns wieder auf der Höhe befanden, schwand unsere Besorgniß gänzlich, denn wir waren zu gut bewaffnet, als daß sich die Eingeborenen hätten vor uns blicken lassen. Wir gelangten bald an die Spuren unserer Wagen und fanden zu unserer nicht geringen Verwunderung, daß dieselben wieder nach dem alten Lager zurückgekehrt waren; denn in unserem Jagdeifer hatten wir nicht darauf geachtet, daß unübersteigliche Hindernisse den Zug zur Umkehr zwingen mußten.

Einen kleinen Wolf und einige Vögel, die wir an diesem Morgen erlegten, balgten wir ab, wodurch unsere übrige Zeit bis gegen Abend in Anspruch genommen wurde.


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