Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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VI.

Gaines Creek. – Die Creek-Indianer. – Die Cherokee-Indianer. – Coal Creek. – Shawnee Village. – Die Shawnee-Indianer. – Tensqua-ta-way, der Shawnee-Prophet. – Shawnee Town. – Fort Edwards. – Die Quappa-Indianer. – Topofkee Creek und Mustang Creek. – Johnson der Kundschafter. – Die Abendjagd. – Die vier Trapper. (Fortsetzung.)

Gaines Creek war endlich erreicht, der Indianer Fraeser kehrte zu seiner Schmiede zurück und es blieb uns überlassen, uns jetzt nach einem andern Führer umzusehen. So lange wir noch in den Ländern der Chickasaws reisten, auf deren Gebiete wir uns nach Überschreitung von Gaines Creek befanden, hatte es keine Schwierigkeiten, der Fahrstraße zu folgen. Die Wahl von Lagerstellen war nicht schwer, da in kleinen Zwischenräumen sprudelnde Quellen und eilende Bäche die herrlichen Ländereien bewässerten und fettes, nährendes Gras überall wucherte, wo nicht Schlingpflanzen und Weinreben alles Uebrige erstickt hatten, Chickasaws und Choctaws wohnen hier friedlich unter einander; erstere, ursprünglich mehr südlich lebend, haben auf freundschaftliche Weise sich mit den Choctaws über den Besitz der Ländereien geeinigt, so daß es jetzt schwer hält, die beiden Stämme von einander zu unterscheiden. Bis an den Canadian geht ihr Gebiet, während die Creeks oder Mus-ko-gees den paradiesischen Landstrich zwischen dem Canadian und Arkansas inne haben. Er ist zwar erst spärlich angesiedelt, doch blühen wohleingerichtete Farmen unter den indianischen Händen auf, und der unerschöpflich reiche Boden vergilt dankbar die geringste Arbeit durch vielfältigen Ertrag; Wohlstand, sogar Reichthum, ist häufig bei diesen ackerbautreibenden Stämmen zu finden, und wo der bemalte Krieger vor Kurzem noch seine wilden Phantasien und Gedanken in hieroglyphischen Bildern auf einer gegerbten Haut wiederzugeben suchte, da liest jetzt der civilisirte Indianer eine in seiner Muttersprache gedruckte Zeitung, und unter den Augen ihrer indianischen Gebieterin arbeiten schwarze Sklaven. Diese erfreuen sich einer milderen Behandlung, als ihre Herrin zu der Zeit, da sie selbst noch Sklavin ihres Gatten war, von ihrem strengen Herrn zu erwarten hatte. Die Creeks, in einer Stärke von 20,000 Seelen, bewohnten früher große Strecken der Staaten Alabama und Mississippi. Nachdem sie ihre alten Jagdgefilde an das Gouvernement der Vereinigten Staaten abgetreten hatten, zogen sie westwärts und wurden die südlichen Nachbarn der Cherokesen, so daß der Arkansas die Grenze bildet. Die Cherokesen oder Cherokees, 22,000 Köpfe zählend, waren schwer zu bewegen, ihre Wohnsitze im Staate Georgia, dessen größten Theil sie inne hatten, aufzugeben und die Gräber ihrer Väter zu verlassen. Bei Gelegenheit früherer Uebereinkommen waren sie von der Regierung der Vereinigten Staaten als freie, unabhängige Nation anerkannt worden, mit dem vollen Rechte, sich Gesetze nach ihrem eigenen Gutachten zu geben und zu handhaben. Ein ganz unabhängiger Staat innerhalb der Grenzen des Staates Georgia gab indessen zu mancherlei Schwierigkeiten Anlaß, und die Regierung suchte mehrfach die Cherokesen zu bewegen, auf einen Vertrag einzugehen und weiter westlich neue Niederlassungen zu gründen. Alle Versuche scheiterten aber an dem eisernen Willen des Cherokee-Häuptlings John Roß, der, ein Mann von der besten Erziehung, bei seiner Würde als Häuptling auch seinen Einfluß auf die ganze Nation zu bewahren wußte. Ein kleiner Theil des Stammes ging indessen auf die anscheinend vortheilhaften Bedingungen ein und wanderte nach dem obern Arkansas, unter der Führung eines Häuptlings Jol-lee, Die von dort zurückgesendeten Nachrichten und die damit verbundenen Beschreibungen der fruchtbaren und schönen Länder, vereinigt mit dem Zureden und Drängen der Regierung, stimmten John Roß endlich nachgiebig, und vor einigen Jahren folgte er mit der ganzen Nation dem vorangegangenen Jol-lee nach.

Der Uebergang über Coal Creek war bewerkstelligt und Kohlen waren für die Feldschmiede gebrochen worden. Das sich westwärts ausdehnende Land erschien mit wenigen Unterbrechungen flach; die Ketten der Feldmesser wurden daher verpackt und dafür ein Viameter am Rade eines leicht rollenden, kleinen Wagens befestigt. Die ebene Straße, die größten Theils durch Prairien führte, brachte uns dem Canadian immer näher, und in einigen guten Märschen war die erste Shawnee-Ansiedelung erreicht, welche den Namen Shawnee-Village führt. Weit entfernt davon, eine Stadt oder auch nur ein Dorf zu sein, liegen die blühenden Farmen ackerbautreibender Indianer dort etwas gedrängter zusammen, was wohl Anlaß zu dieser Benennung gegeben hat, so wie eine Tagereise weiter westlich eine zweite Niederlassung aus denselben Gründen als Shawnee Town bezeichnet ist.

Kaum war die Nähe der Weißen bekannt geworden, als auch die freundlichen Indianer zu Pferde und zu Fuß bei uns im Lager eintrafen und Ladungen von Mais, süßen Melonen, erfrischenden Wassermelonen und saftigen Pfirsichen zum Kauf anboten. Natürlich waren solche Leute willkommen, und doppelt, weil eine sittige Bescheidenheit Männer sowohl wie Frauen auszeichnete. In ihrer reinlichen, europäischen Kleidung bewegten sie sich mit einem so natürlichen Anstande, als wären sie in derselben geboren. Die regelmäßigen Gesichter der Männer zierte ein wohlgepflegter Schnurrbart, worauf sie als seltene Auszeichnung eines Indianers einen besondern Werth legten. Die Frauen waren durchgängig schön zu nennen; die Röthe ihrer Wangen, die von der dunklen Färbung ihrer Haut nicht verdrängt werden konnte, verrieth Gesundheit und Frohsinn. Bei der Gastfreundlichkeit dieser Indianer muß der müde Wanderer sich heimisch fühlen, wenn er vor der Hütte im Schatten des roh gezimmerten, schirmenden Corridors sich ausruht, frisch gebackenes Brod in kühle Milch taucht oder im einfach angelegten Garten die saftigsten, rothbäckigen Pfirsiche aussucht und die im schattigen Laube versteckte Wassermelone anschneidet. Glücklich und zufrieden scheinen diese wenigen Familien zu leben, glücklicher als ihr Hauptstamm, der nördlich am Kansas und Missouri seine neue Heimath gegründet hat, und wo so Mancher grimmigen Feinden, den Blattern und dem Branntwein, erliegen muß.

Von dem großen und mächtigen Stamme der Shawnees oder Sha-wa-nos zählt der Rest kaum noch 1400 Seelen und die Zeit wird kommen, wo auch diese Wenigen zerstreut sein werden und der Name dieser einstmals so großen Nation nur noch in der Erinnerung lebt.

Als Nachbarn der Delawaren am atlantischen Ocean in den Staaten New-Jersey und Pensylvanien waren die Shawnees mit die ersten, die dem siegreichen Vordringen der vom Sonnenaufgang über das Meer kommenden Civilisation weichen mußten. Manche wollen den Ursprung dieses Stammes auf der Halbinsel Florida gefunden haben, dabei auf den Namen des Flusses Su-wa-nee fußend; doch ist es erwiesen, daß die Shawnees in der Geschichte der Civilisation von Pensylvanien schon eine Rolle spielten, und daß ihre Wigwams an den Ufern des Delaware- und des Chesapeak-Busens standen. Die Delawaren, stets Nachbarn derselben, kämpften verbündet mit ihnen gegen gemeinsame Feinde, vereint zogen sie eine blutige Straße nach den Alleghany-Gebirgen; wie ein Schatten folgte ihnen die Civilisation nach; die Gebirge trennten sie von ihren unersättlichen Verfolgern. Sechzig Jahre hielten sie sich im Staate Ohio, und wiederum mußten sie weichen. Muthig fochten sie ihren Weg durch, fort über den Mississippi immer dem weiten Westen zu, wo sie sich endlich eine dauernde Heimath erkämpft haben. Doch nur Ueberbleibsel kann man die wenigen Familien nennen und wohl mag der forschende Reisende fragen: »Wo finde ich die große, muthige Nation der Sha-wa-nos?« Jeder wird ihm die Antwort ertheilen: »Die Gräber ihrer Väter suche am salzigen Wasser gegen Sonnenaufgang; verfolge die Straße nach Sonnenuntergang zu, die durch bleichende Gebeine bezeichnet ist, und Du gehst auf den irdischen Ueberresten der muthigen Shawnees und ihrer gefallenen Feinde.« – Große Häuptlinge standen fortdauernd an ihrer Spitze und in den Kämpfen der Weißen gegen die Indianer war Tecumseh gewiß der am meisten gefürchtete Krieger, so wie der aufgeklärteste und einflußreichste Politiker des Stammes. Sein frühzeitiger Tod allein konnte ihn an der Ausführung seiner tiefdurchdachten Pläne hindern, die nichts Geringeres bezweckten, als das Kriegsbeil bei den verschiedenen Stämmen zu vergraben und alle Urbewohner des amerikanischen Continents zu einer Macht zu vereinigen, um der sich gegen Westen wälzenden Civilisation eine Grenze zu setzen. Die Geschichte Tecumseh's ist in den Annalen Nordamerika's eingetragen und man weiß nicht, ob man über sein frühzeitiges Ende Zufriedenheit oder Trauer empfinden soll. Ihm zur Seite stand sein Bruder Ten-squa-ta-way (die offene Thür), unter dem Namen Shawnee-Prophet bekannter. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, durch seine scheinbaren Zaubereien unter den westlichen Stämmen Krieger zu werben, welche von Tecumseh in den Kämpfen gegen die Weißen verwendet werden sollten. Sich mit einem geheimnißvollen Wesen umgebend, verstand Ten-squa-ta-way es wohl, auf die für dergleichen empfänglichen Gemüther der Indianer zu wirken. Auf dem linken Auge des Gesichtes beraubt, trug er in der rechten Hand das Zauberfeuer und die heiligen Bohnen, die auf eine Schnur gereiht waren; auch führte er das aus leichten Stoffen verfertigte Bild einer Leiche in Lebensgröße mit sich. So zog er von Stamm zu Stamm, von Wigwam zu Wigwam, sein ernstes, geheimnißvolles Wesen verschaffte ihm leicht Zutritt und Vertrauen bei den wildesten und feindlichsten Nationen am obern Missouri. Viele Tausende hatten die heiligen Bohnen berührt und sich dadurch eidlich verpflichtet, bei seiner Rückkehr ihm zu folgen; in Tausenden von Wigwams hatte er Zauberfeuer angezündet, welches von den Bewohnern dann mit der größten Aengstlichkeit fortwährend genährt wurde. Alles war so vorbereitet, daß er bei seiner Rückkehr seinem Bruder eine Armee zugeführt hätte. Das Geschick wollte es aber anders. Tecumseh war gefallen, Messer und Tomahawk in der Hand, und Leute seines eigenen Stammes, ob aus Politik oder für das Geld der Bleichgesichter ist unbekannt, waren dem Propheten auf allen Wegen gefolgt und zerstörten sein Werk, indem sie ihn für wahnsinnig ausgaben. Um sein Leben zu retten, floh Ten-squa-ta-way und lebte später in düsterer Zurückgezogenheit inmitten seines Stammes.

Die Zeit, während welcher die Shawnees nicht an ihre Wirtschaft gebunden sind, verbringen sie gewöhnlich auf Jagdzügen. Zu zweien oder dreien ziehen sie weit in das Gebiet der Kiowas und der ihnen feindlichen Comanches, um den zottigen Bison und die schön gezeichnete Antilope zu jagen, und ihre Packpferde kehren, mit gedörrtem Fleisch beladen, nach Monate langer Abwesenheit wieder zu den Ihrigen heim. Bei dem Hange dieser Leute zur Jagd und zu Abenteuern war es leicht, eines Führers habhaft zu werden, der den Zug unserer Expedition bis zum alten Fort Arbuckle, der jetzigen Behausung des großen Delawaren, Schwarzer Biber, begleiten wollte. John Johnson, ein kleiner, untersetzter Indianer auf einem unansehnlichen, aber äußerst schnellen und kräftigen Pferde beritten, wurde also der Kundschafter. Er war ein schlauer Jäger, und schien er auch theilnahmlos und in sich gekehrt seinen Weg zu verfolgen, so entging seinen kleinen, blitzenden Augen doch nichts; er war dabei sehr schweigsam, weniger aus Unkenntniß der englischen Sprache, als um Worte zu sparen.

Von Shawnee Village bis Shawnee Town, eine Strecke von 20 Meilen, zieht sich die Straße in der Nähe des Canadian hin und ist immerwährend von dichtem Gehölz beschattet. Wilde Kirschen und Pflaumen drängen sich überall zwischen den Blättern hindurch und eßbare Beeren mancher Art wuchern nahe dem Boden; der wilde Wein rankt sich die höchsten Bäume hinauf, um dort im Gipfel seine schwellenden Trauben von der tropischen Sonne röthen zu lassen. Zwischen den beiden Niederlassungen auf der Nordseite des Canadian, dort, wo der aus Nordwest kommende Little River mündet, steht eine alte Befestigung, Fort Edwards genannt. Besatzung ist schon lange nicht mehr in ihr und Creek-Indianer haben jetzt die Baracken in Kauf- und Tauschhäuser umgewandelt. Zu gleicher Zeit wird dort in größerem Maßstabe Ackerbau und Viehzucht getrieben. Nur wenig westlich, auf dem dort hohen Ufer des Canadian, stehen noch einige Wigwams oder vielmehr Blockhäuser der Quappaw-Indianer, die sich rühmen können, den Boden ihrer Voreltern noch nicht verlassen zu haben. Zusammengeschmolzen auf eine kleine Truppe, die nur 25 Krieger zu stellen vermag, vermuthet man nicht, daß diese die Letzten des einstmals mächtigen Stammes der Arkansas sind, deren Jagdgefilde vom Canadian bis an den Mississippi reichten und die mit Erfolg die blutigsten Kriege gegen die mächtigen Chickasaws führten. Es wird erzählt, daß eine Kriegspartei der Quappaws auf einen Trupp Chickasaws stieß; letztere, da ihnen Pulver mangelte, zogen sich zurück. Als der Quappaw-Häuptling die Ursache des Rückzuges vernahm, sammelte er alle seine Krieger um sich und hieß sie, ihre Pulverhörner auf eine ausgebreitete Decke ausleeren; den ganzen Vorrath theilte er darauf in zwei gleiche Theile: die eine Hälfte für sich und seine Leute zurückbehaltend, ließ er die andere den Chikasaws zukommen und der Kampf begann mit Erbitterung. Die Quappaws verloren einen der Ihrigen, hingen aber acht Skalpe ihrer Feinde zum Trocknen im Rauche ihrer Wigwams auf.

Kaum hatte unser Wagenzug bei Shawnee Town den Canadian verlassen, um in südwestlicher Richtung dem Delaware Mount zuzueilen, so mußten kleine, nach Südost fließende Bäche überschritten werden. Es waren die Quellen des Boggy, der sich in Texas mit dem Red River vereinigt, um sich in den Golf von Mexiko zu ergießen. Die Ufer des Canadian bilden auf diese Weise hier die theilende Höhe zwischen den dem Mississippi einerseits und andererseits den dem Golf von Mexiko direct zufließenden Wassern. Westlich vom Delaware-Berge holt der Topofkee-Creek sein Wasser wiederum von den Ufern des Washita, eines andern Nebenflusses des Red River, und trägt es dem Canadian zu. In der Nähe des Delaware-Berges nehmen die geschlossenen Waldungen ein Ende, die rollenden Prairien sind umfangreicher, die Flußbetten trockener, und lichter die an den Ufern derselben zerstreut stehenden Baumgruppen. Nur in Niederungen, wo das Wasser in Windungen sein Bett gewühlt hat, vermag man noch kleine Wälder zu unterscheiden, in deren Schatten das lechzende Wild seine Zuflucht sucht. Dem Reisenden ist manchmal die Gelegenheit geboten, den sonnigen Horizont und die bläulich-grüne Ebene in einander verschwinden zu sehen, ihm gleichsam eine Ahnung von dem gebend, was seiner in den unendlichen Steppen harret. Die Entfernungen von Holz zu Holz, von Wasser zu Wasser werden größer, und starke Märsche müssen zurückgelegt werden, um sich im neuen Lager der in der Wildniß möglichen Bequemlichkeiten erfreuen zu können.

Die Expedition des Lieutenant Whipple konnte auf diesen Ebenen reisen, ohne genöthigt zu sein, auf die Feldmesser zu warten; bei der freien Aussicht war es leicht, weite Entfernungen nach dem Kompaß zu bestimmen und der Viameter gab genau durch Auszählung der Drehungen des Wagenrades die zurückgelegte Meilenzahl an.

Toposkee Creek und Mustang Creek, Nebenflüßchen des Canadian, waren überschritten und schon am 17. August wurde nur noch 15 Meilen von der Behausung des schwarzen Bibers unser Lager am Rande eines Gehölzes aufgeschlagen, wo eine aus Sandsteinfelsen entspringende Quelle gutes, kühles Wasser bot. Rastend lag die mit Staub dicht bedeckte, müde Gesellschaft vor ihren luftigen Zelten umher und ergötzte sich am Untergange der Sonne, welche sie hier zum erstenmal sich mit den Grassteppen vermählen sah, während im Osten der Mond aus den dunklen Wäldern auftauchte und sein silbernes Licht mit den rothen Strahlen der Sonne vereinigte, die bis zum Zenith hinaufreichten und nur ungern, so schien es fast, ihrer vorangegangenen Herrin folgten.

Der Indianer Johnson, seine 6 Fuß lange Büchse auf der Schulter, einen langen Stab, die Stütze für seine schwere Waffe während des Feuerns, in der Hand, näherte sich jetzt den Gruppen und richtete in abgebrochener englischer Rede ohngefähr folgende Worte an eines der Mitglieder der Expedition. »Ich wissen viel Truthahn in Baum, ein Hirsch am Wasser, Truthahn schlafen, Du schießen.« Rüstig sprang ein ganz in Leder gekleideter Jäger auf, schnürte die Mokkasins an seinen Füßen fester, ergriff seine Büchse und folgte dem Johnson dem Walde zu, wo sie bald in dem Dickicht verschwanden. Leise glitt der Indianer in das ausgetrocknete Bett eines Baches, sein Gefährte folgte ihm auf dem Fuße nach. Geräuschlos trat der weiche Mokkasin auf die Kiesel, wie die Jäger im dunklen Schatten des Ufers dahin schlichen und auf jedes Geräusch im Walde horchten. Endlich stand der Indianer still, wendete sich zu seinem Kameraden, und auf eine hohe Eiche am Ufer deutend, flüsterte er ihm zu: »Viel Truthahn diesen Baum, um den Baum gehen, wenn Baum vor Mond steht, Du Truthahn sehen; Johnson Hirsch wissen, wenn Johnson Hirsch schießen, Weißgesicht Truthahn schießen, Truthahn schlafen.«

Bei den letzten Worten schlich der Indianer weiter und das dichte Gebüsch schloß sich leise hinter ihm. Der weiße Jäger kroch langsam auf's Ufer und brachte vorsichtig die hohe Krone der bezeichneten Eiche zwischen sich und den Mond; er sah bald einen, dann mehrere der Vögel, die zusammengekauert auf den knorrigen Zweigen umher saßen und nur vor der silbernen Scheibe des Mondes von den schwarzen Laubmassen zu unterscheiden waren. Auf diese Weise vorbereitet, wartete er auf den Signalschuß des Indianers. Regungslos lauschte er dem heimlichen Treiben und Leben im Walde. Dumpf trafen die fröhlichen Stimmen aus dem Lager sein Ohr, das schwarze Eichhorn sprang furchtlos und ausgelassen in seiner Nähe umher, und wo der Mond auf dem blanken Büchsenlauf in Blitzen leuchtete, da hatte sich eine fröhliche Grille festgeklammert und stimmte aus voller Brust einen endlosen Triller an, als wollte sie gleichsam das kurze, abgebrochene Geheul eines hungrigen Wolfes, welches zeitweise von der öden Prairie herüberschallte, überschreien. Jetzt fiel ein Schuß in der Ferne, die Büchse des Jägers hob sich in der Richtung nach der Krone des Baumes, der Schuß krachte und ein Truthahn, von Zweig zu Zweig schlagend, fiel schwer auf den Boden nieder. Alles war wieder ruhig, nur ein schlaftrunkener Hahn, der erschreckt sich von seiner Ruhestätte entfernt hatte, irrte, mit den Flügeln die Zweige peitschend, umher. Wiederum weckte die Büchse das Echo des Waldes und zwei Truthähne stürzten in's Gras, der eine getroffen, der andere gesund und wohlbehalten; er hatte nur vor Schreck das Gleichgewicht verloren und entschlüpfte, auf festem Boden angekommen, mit möglichster Geschwindigkeit. Ein dritter wurde das Opfer der zunehmenden Jagdlust des weißen Schützen; mancher saß noch auf seinem luftigen Sitze, verwirrt und verschlafen den Kopf hin und her reckend, und mancher wäre gewiß noch ein Ziel für die Kugel geworden; doch als der Jäger zum dritten Male sein Gewehr laden wollte, drängte sich Johnson tief Athem holend durch das Dickicht. Seine Büchse hatte nicht vergebens geknallt, er trug einen kleinen virginischen Hirsch auf seinen Schultern, den er keuchend zu dem Vogelwild warf. »Ich schießen eins, Du schießen drei, genug sein, in's Lager gehen,« waren seine einzigen Worte, und er begann einen kleinen Baum mit dem Waidmesser umzuhauen und die Zweige von demselben zu entfernen. Damit fertig, befestigte er die ganze Beute an demselben, worauf die beiden Jäger die Stange auf die Schulter legten und rüstig der Lichtung zuschritten.

Im Lager herrschte noch munteres Treiben; die glücklichen Jäger wurden laut bewillkommnet, als sie ihre schwere Bürde am Wachtfeuer hinwarfen. Die Aussicht auf einen frischen Braten ist immer eine angenehme Aufregung für die Prairiewanderer, und bald war Jeder emsig beschäftigt, einen guten Bissen an einem Stäbchen oder auf Kohlen zu rösten, ohne daß dadurch die lebhafte Unterhaltung in's Stocken gerathen wäre. – »Was ist aus Pierre und seinen drei Gefährten geworden?« rief Einer, während er muthig ein Rippenstück des eben erlegten Hirsches in Angriff nahm. »Pierre stand auf der einen und sein Kamerad auf der andern Seite des Mississippi,« fügte ein Zweiter hinzu, der seinen Braten mit der linken Hand und den Zähnen fest hielt, und geschickt mit der rechten einen Bissen vor den Lippen abschnitt. Der Erzähler zündete sich unterdessen seine kleine Pfeife an, blies behaglich einige Dampfwolken von sich, athmete wohlgefällig den süßen Duft des glimmenden Schumach und Kine-ke-nick (ein aus Weidenrinde präparirter Tabak der Indianer), und nahm den Faden seiner unterbrochenen Erzählung von den vier Trappern wieder auf:

»Pierre erkannte also seinen Gefährten, der wohlbehalten am jenseitigen Ufer stand und ihm die unzweideutigsten Zeichen machte, ohne Verzug zu ihm herüber zu kommen. Als Mittel gegen den quälenden Hunger schob Pierre ein Stückchen schwarzen Tabak zwischen die Zähne, ging einige hundert Schritte stromaufwärts, packte brummend und auch wohl fluchend seine Kleidung nebst Pulverhorn in ein Bündel, befestigte dieses nebst der Büchse auf einigen mittelst zäher Weiden zusammengebundenen Stücken Treibholzes und das kleine Floß vor sich herschiebend, schwamm er dem andern Ufer zu, wo ihn sein Freund mit der größten Ungeduld erwartete. Wieder vereinigt wechselten sie nur wenige Worte über die verflossene Nacht, das Schicksal ihrer beiden unglücklichen Gefährten beschäftigte sie zu sehr. Waren diese noch am Leben, so mußte der Versuch gewagt werden, sie den Händen ihrer unbarmherzigen Feinde und einem gewissen Martertode zu entreißen. Dadurch, daß der Trapper seine Büchse mit auf den Baum genommen hatte, war er wirklich von den Indianern nicht bemerkt worden; das dichte Laub des Ahorns hatte ihn den scharfen Augen entzogen, und nur mit Mühe konnte er selbst einen Blick auf die wilde Scene unter sich werfen. Als das Ganze nebst den Verfolgern von der Strömung um die nächste Biegung geführt wurde, schlenderte die ganze Bande langsam am Ufer nach; das weithin gellende Wuth- und Klagegeheul, welches sie ausstieß, als sie mit dem einzigen Entkommenen zusammentraf, ließ den auf dem Baume lauernden Jäger errathen, daß Pierre sich gerettet haben müsse. Die Indianer kehrten zurück und ließen ihre Rache an den Rudern und andern umherliegenden Gegenständen aus, indem jeder Einzelne die Spitze seines Tomahawks in das ihm zunächst liegende Eigenthum der Trapper trieb. Das Feuer wurde mit den Füßen auseinander gerissen und heulend zog die Rotte an dem Baume vorbei ihrem Lager zu, dessen Rauch der Jäger von seinem luftigen Sitze in nicht allzu großer Entfernung wahrnehmen konnte. Die ganze Nacht brachte er dort oben zu, und kurz vor dem Signalpfiff Pierre's hatte er bemerkt, daß die wilde Rotte aufgebrochen war und sich entfernt hatte. Das Signal beantwortete er gleich, doch vorsichtig stieg er nicht eher von seinem belaubten Versteck, als bis er Pierre am Ufer erkannt hatte. Behutsam schlichen nun Beide nach dem verlassenen Lager der Wilden; lange forschten sie umher, jeder Baum, jeder Strauch wurde untersucht, in jeder Fußspur wurde gelesen. Ihre Feinde waren ein Trupp der Sioux, 12 bis 14 Mann stark, der sich auf einem Jagdzuge befand. Weiber, Kinder und Zelte führten sie nicht mit, woraus die beiden Jäger schlossen, daß das wirkliche Lager der Indianer in nicht großer Entfernung, vielleicht ein oder zwei Tagereisen weit, stehen müsse. Ihre Gefährten lebten noch, der eine war am rechten Arm verwundet, doch nur leicht, denn trotz des Blutverlustes hatte er gehen können, der andere war unverletzt, hatte aber die ganze Nacht mit Händen und Füßen zusammengeknebelt gelegen, während der erstere die Zeit über mit der linken Hand an einen Baumast geschnürt war, so daß er herabhängend mit den Füßen den Boden berührte. Sie hatten beide noch vier Tage zu leben, denn vier Tage waren es noch bis zum Vollmonde. Der geheimnißvolle Wechsel des Mondes verräth die Nähe des indianischen Manitu, und Manitu muß Zeuge der indianischen Rache sein. Die Wilden konnten erst wenige Meilen Vorsprung haben. Nachdem nun die beiden Jäger sich überzeugt, daß alle zugleich das Lager verlassen und alle Spuren nach einer Richtung führten, nahmen sie die Fährte auf, und vorsichtig vermeidend, ihre Fußtapfen auf dem frischgebrochenen Pfade zurückzulassen, näherten sie sich demselben nur zeitweise, um die Richtung nicht zu verlieren. Eine Meile nach der andern arbeiteten sie sich mühsam weiter. Die Sonne neigte sich bereits ihrem Untergange zu, als sie an dem aufwirbelnden Rauche vor sich die Nähe der Wilden erkannten und sie daher ihre Behutsamkeit verdoppeln mußten. Ruhig warteten sie, bis die Sonne hinter den Bergen verschwunden war: dann einen weiten Bogen um das feindliche Lager beschreibend, erreichten sie eine felsige Hügelkette, welche das schmale Thal eines kleinen, fließenden Wassers einfaßte. Auf dem felsigen Bergrücken konnten sie fortschreiten, ohne die geringsten Spuren zurückzulassen. Sie gelangten bald an eine Stelle, von wo aus sie das Lager ihrer Feinde in einer kleinen Prairie übersehen konnten. Die Zelte erhoben sich nahe dem Ufer des kleinen Flusses, der sich durch eine Lichtung schlängelte, der Mond und die vor den Zelten lodernden Feuer beleuchteten eine wilde, grausige Scene. Die beiden Trapper vermochten ihre gefesselten Freunde zu erkennen; sie waren mit dem Rücken an einen Baum gebunden, bisweilen stürzte ein wüthendes Weib auf sie zu, um sie heulend mit Verwünschungen zu überschütten und in drohender Weise mit dem Messer vor ihrem Gesicht zu spielen; Andere saßen in ihre Decken verhüllt am Wasser und ließen den langgedehnten Klageruf erschallen. Die Krieger ruheten im Kreise um ein flackerndes Feuer, die Pfeife kreiste schnell, und wenn sich einer erhob, um zu sprechen, so geschah es nur, um die Wuth seiner Genossen noch mehr anzufachen. Die Unmöglichkeit, auf gewaltsame Weise oder durch List ihre unglücklichen Kameraden in derselben Nacht noch zu befreien, sahen die beiden Lauschenden auf den ersten Blick ein. Es waren zwölf Zelte, und an zwanzig Krieger mit Weibern und Kindern hielten scharf Wache bei ihren Opfern; gelang es selbst, die Banden der Gefesselten zu lösen und zu entkommen, so weideten Pferde genug auf der Lichtung, um ihre Verfolger beritten zu machen, und ein gewisses Ende stand Allen bevor, wenn auch erst nach hartem Kampfe. War das Wasser vor ihnen derselbe Fluß, an dessen Mündung sie das Biberdorf entdeckt und ihre Schätze vergraben hatten, so konnte es nicht weiter als 7 oder 8 Meilen bis dahin sein und ein einziges Mittel zur Rettung war dann noch denkbar: es war das Fäßchen Branntwein; es mußte zur Stelle und in die Hände der Rothhäute geschafft werden.

Entschlossen gingen Pierre und sein Gefährte weiter zurück; an einer passenden Stelle stiegen sie hinab in den seichten Fluß; das, wenn auch sparsam, rieselnde Wasser verwischte augenblicklich ihre Spuren und war zu gleicher Zeit ihr Wegweiser, und ehe noch der Morgen graute, hatten sie zu ihrer unaussprechlichen Freude die Biberdämme erreicht und stärkten sich bald durch einen tüchtigen Zug aus dem ausgescharrten Fäßchen. Nach kurzer Rast traten sie den beschwerlichen Rückweg an. Abwechselnd trugen sie die Waffen oder das Feuerwasser, und kurz vor Abend verließen sie den Fluß an derselben Stelle, wo sie am Abende vorher hinabgestiegen waren. Da Pierre von den Wilden wieder erkannt worden wäre, was seinen augenblicklichen Tod zur Folge gehabt hätte, so überließ er es seinem Kameraden, mit dem Branntwein in's Lager zu gehen. Er selbst schlich dem Lager näher, mit aller ihm zu Gebote stehenden Vorsicht jeden umgestoßenen Stein hinter sich an die alte Stelle legend, jeden geknickten Grashalm aufrichtend. Erwartungsvoll lag er endlich zwischen Felsen und Gestrüpp in einem sicheren Versteck.

Sein Gefährte war unterdessen auf einem großen Umwege dem alten Pfade zugeeilt, in denselben eingebogen und dann sicheren Schrittes dem Lager zugegangen. Es fing an zu dämmern, als sein Erscheinen im Lager eine plötzliche Bewegung hervorrief und er augenblicklich umringt war. Durch Zeichen bot er den schlauen Wilden Feuerwasser zum Tausch für Pelzwerk an, was eine kurze Berathung unter denselben veranlaßte. Anstatt auf Tauschhandel mit ihm einzugehen, wurde ihm das Fäßchen abgenommen, er selbst aber entwaffnet und vor seine gefangenen Kameraden geführt. Doch die Jäger waren auf ihrer Hut und nicht das leiseste Zucken der Augen verrieth ein Erkennen. Um sich aber dem Genusse des ersehnten Feuerwassers ungestört hingeben zu können, fesselten die argwöhnischen Indianer den angeblichen Pelztauscher an denselben Baum zu seinen leidenden Kameraden, worauf die Hälfte der Krieger das Lager verließ, um die nächste Umgebung zu durchsuchen. Einige beschrieben Kreise um das Lager, wobei die Dunkelheit allein den harrenden Pierre vor den Augen der nach Feuerwasser lechzenden Wilden, als sie dicht an ihm vorbeikletterten, verbarg. Andere hatten die Spur im Pfade untersucht, und ihre an Wahnsinn grenzende Gier nach dem giftigen Trank hatte sie zurückgeführt, ohne daß sie die Stelle in Augenschein genommen hatten, wo der angebliche Pelzhändler in den Pfad eingebogen war.

Alle Krieger waren jetzt wieder um's Feuer versammelt und das Fäßchen wurde geöffnet. In langen Zügen schlürfte der Erste, während die lüsternen Augen der Uebrigen an seinem Munde hingen; diese Geduldprobe war indessen zu peinigend, das Fäßchen wurde in einen Wasserbehälter ausgeleert und nun konnten Alle zugleich ihr Verderben aus demselben schöpfen. Die Weiber und Kinder, die im Anfang nur aus der Ferne zusahen, rückten immer näher und kauerten bald dicht hinter den unersättlichen Trinkern. Furchtbar entstellte die Gier ihre Züge und ungeduldig harrten sie des Augenblickes, in welchem der Letzte besinnungslos hinstürzen würde, um dann selbst über den Rest des Branntweins herfallen zu können.

Die Wirkung des Spiritus ist bei der indianischen Raçe fast augenblicklich; ein gräßlicher Anblick bot sich deshalb dem immer näher schleichenden Pierre dar. Dumpfes Geheul, wahnsinniges Lachen und wüthendes Jammern zitterte durch die stille Abendluft, heimlich unterdrückte Feindschaft oder Eifersucht brach sich Bahn bei dem sonst verschlossenen Indianer, Messer zückten sie auf einander und das Kriegsbeil ward geschleudert, doch der Arm war erschlafft, das Auge geblendet, und die ohnmächtigen Waffen erreichten ihr Ziel gar nicht oder doch ohne Erfolg. Jetzt erhob sich einer, um nach den Gefangenen hin zu stürzen, er taumelte, fiel, noch ein Versuch sich aufzurichten, und betäubt stürzte er zusammen, durch keine Bewegung mehr Leben verrathend. Einer folgte dem Andern; wer zusammenbrach, blieb mit krampfhaft verzerrtem Gesicht und Gliedern in derselben Stellung liegen. Kaum war der Letzte dieser todähnlichen Betäubung erlegen, als Weiber und Kinder über die Reste herfielen; jedes fand noch genug, um sich dem verderblichen Genuß des Getränkes ganz hingeben zu können; sogar dem Säugling wurde von dem Feuerwasser in den geöffneten Mund gegossen. Als die wuthähnliche Trunkenheit sich Aller bemächtigt hatte, da begann ein furchtbarer Kampf um die letzten Tropfen über den Leibern der besinnungslosen Krieger, Es war ein scheußliches Gewühl menschlicher Glieder, die in abschreckender Weise sich durcheinander wanden.

Das Kreischen und Heulen wurde bald schwächer, die mit Blut unterlaufenen Augen starrten ausdruckslos umher, den Kämpfenden mangelte die Kraft, sich aus dem Gewühl zu entfernen, und ein grausenerregendes Bild lag der Haufen lebendiger Leichen da: die Mutter auf ihrem Kinde, dasselbe erdrückend, der Vater mit dem Messer in der krampfhaft geschlossenen Faust, an welchem das Blut seines Sohnes oder Bruders klebte. Noch war der Lärm nicht ganz verstummt, als Pierre mit raschen Schnitten die Fesseln seiner Gefährten trennte und diese aufsprangen, um durch freie Bewegungen den gehemmten Kreislauf des Blutes in den von Krämpfen steif gewordenen Gliedern wieder herzustellen. Der eine der Trapper war, wie Pierre und sein Gefährte geschlossen hatten, wirklich am Arme leicht verwundet worden, als sie von hinten heimtückischer Weise überfallen und gefangen wurden. Kaum wieder im Besitz seiner Waffe, beseelte ihn der einzige Gedanke nach Rache, und nur mit Mühe konnte er von den Andern zurückgehalten werden, auf die übereinander liegenden, besinnungslosen Wilden zu stürzen und mit dem Messer mordend unter denselben zu wühlen. Ein ebenso sicheres und mehr menschliches Verfahren wurde indessen eingeschlagen, ihre Feinde beim Erwachen unschädlich und unfähig zur Verfolgung zu machen. Sechs Stunden Zeit hatten die Trapper wenigstens, um Vorsprung zu gewinnen, doch mußten ihre Vorbereitungen schnell und mit Ueberlegung getroffen werden.

Acht Pferde standen alsbald gesattelt, vier mit indianischen Reitsätteln, die andern mit Packböcken. Eilig wurden die Zelte durchsucht, alles werthvolle Pelzwerk wurde auf zwei der Lastthiere befestigt und die übrigen beiden dazu bestimmt, die an der Mündung des Flusses aufbewahrten Schätze aufzunehmen.

In kurzer Zeit waren sie zur Flucht bereit, es mußte nur noch die Möglichkeit einer Verfolgung abgeschnitten werden. Das verlöschende Feuer wurde geschürt, daß es hell aufloderte, und dahinein wanderten die Sättel, Riemenzeug und Fangleinen, dann alle Waffen, die nur zu finden waren, sogar die Messer und Beile wurden unter den willenlosen, menschlichen Leibern hervorgezogen und den Flammen übergeben; den einzelnen Büchsen, die geladen waren, wurden die Schäfte und Hähne abgebrochen, das Pulver, welches sie selbst nicht mehr mitnehmen konnten, wurde auf die Erde gestreut, die Küchengeräthschaften mußten das Feuer nähren helfen, und scheidend warfen die umbarmherzigen Trapper Brände in die leeren Zelte. Wohlgemuth ritten sie dem bekannten Biberdorf zu, packten ihren verborgenen Vorrath auf die beiden unbeladenen Pferde und zogen ungestört am Mississippi hinunter bis zum Dorfe Shippeways, wo sich wieder Gelegenheit bot, die geraubten Pferde vortheilhaft zu vertauschen.

Die Shippeways, diese geschworenen Feinde der Sioux, entzückt über das Abenteuer der Trapper, leisteten denselben bei ihrem Aufbruch in Canoes, wo sie nur konnten, hülfreiche Hand, immer dabei bedauernd, daß die Gelegenheit, eine so reiche Skalp-Ernte zu halten, unbenutzt vorübergegangen sei.

Unter wilden Glückwünschen schifften sich die vier Pelzjäger in ihren gebrechlichen Fahrzeugen ein und erreichten St.Louis früher als sie geglaubt und mit einem reicheren Gewinne als jemals.

Der alte Pierre, dessen lange Erzählung ich nach treuer Erinnerung seines Vortrages hier wiedergegeben, ist für seine Person nie wieder an die Fälle des St.Anthony zurückgekehrt; er hatte eine geheime Scheu vor der Stelle, wo das Skalpirmesser seinem Schädel so nahe gewesen war.

Meine Erzählung ist zu Ende und ich will mich in mein Zelt verfügen, es muß sich gut schlafen bei dem Concert, welches uns die Prairiewölfe geben; nur noch wenige Tagereisen weiter und der tiefe Baß des großen, weißen Wolfes wird sich zu dem gellenden Diskant des Jakals gesellen. »Gute Nacht!« – »Gute Nacht!« rief die sich zerstreuende Gesellschaft, und tiefe Ruhe herrschte bald im Lager.


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