Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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VIII.

Die Waekow-Indianer. – Die Witchita-Indianer. – Die Kechie-Indianer. – Erzählung der Abenteuer am Nebraska. – Die Büffeljagd. – Der Büffel. – Die Büffeljagd der Indianer. – Die Croß Timbers. – Das Wild am Deer Creek. – Lager am Deer Creek.

Am Rande einer kühlen, wasserhaltigen Schlucht erhoben sich unsere luftigen Zelte. Abgespannt und ermattet vom langen Ritte und von der schwülen Hitze des Tages, lag die Gesellschaft gruppenweise im Schatten umher, als ihre Aufmerksamkeit auf zwei Reiter gelenkt wurde, die, über die westliche Ebene kommend, die nächste Richtung nach dem Lager zu einschlugen. In diesen wilden Regionen kann man nur erwarten, auf Indianer zu stoßen, weshalb Jeder im Lager neugierig der Ankunft der beiden Fremdlinge entgegensah. Es waren zwei junge Burschen, die sorglos in den Kreis ritten, gewandt von ihren starken Pferden sprangen und freundschaftlich die ihnen dargereichten Hände schüttelten. Schlank und hoch gewachsen, hatten ihre Glieder etwas mädchenhaft Zartes, und verglich man den starken Bogen mit den feinen Handgelenken, so mußte man fast bezweifeln, daß diese jungen Krieger die straffe Sehne mit dem befiederten Pfeil bis an's Ohr würden ziehen können. Eine leichte, baumwollene Decke war um ihre Hüfte geschlungen, Leggins (lange Gamaschen) und Mokkasins von weichgegerbtem Leder bekleideten ihre Füße; der Oberkörper war aber entblößt und nur ein Köcher, aus schönem Pelzwerk angefertigt und mit vergifteten Pfeilen angefüllt, schlang sich an breitem Riemen nachlässig um die kupferfarbigen Schultern. Lange, schwarze Haare faßten ihre jugendlichen, indianischen Gesichter ein, denen der Ausdruck einer gediegenen Verschmitztheit nicht fehlte, Rothe und blaue Linien hatten sie kunstfertig um ihre Augen und über die vorstehenden Backenknochen gezogen und bunte Federn schmückten auf phantastische Weise ihre geflochtenen Skalp-Locken.

Nachdem sie ihren regen Appetit durch die ihnen dargereichten unbekannten Leckerbissen etwas gestillt hatten, und dann auf würdige Weise den Tabaksdampf durch die Nase wirbeln ließen, wurde Vincenti beauftragt, sie auszuforschen, eine Arbeit, welcher sich der kleine Spitzbube mit Seufzen und Stöhnen unterzog. Mit den Indianern sich zu unterhalten, wäre ihm ganz angenehm gewesen, aber auf Befehl jedes ihrer Worte zu übersetzen, war ihm lästig, und diesen Widerwillen zur Schau zu stellen, genirte er sich auch nicht weiter. Die beiden Fremden waren junge Leute vom Stamme der Wakos oder Waetos, die als Nachbarn der Witchita-Indianer, östlich vom Witchita-Gebirge, an einem dort entspringenden Flüßchen ihr Dorf haben. Sie waren auf einer Reise nach dem Canadian zu einem Tauschhändler begriffen. Sobald sie die Nähe unserer Expedition entdeckt hatten, waren sie von ihrer Straße abgebogen, um uns ihren Besuch abzustatten.

Waekos oder Witchitas unterscheiden sich nur durch den Namen und einige Abweichungen in der Sprache; ihre Dörfer, in demselben Style gebaut, sind nur tausend Schritte von einander entfernt.

Die einzelnen Hütten, deren die Witchita zwei und vierzig, die Waeko nur zwanzig zählen, gleichen beinahe eben so vielen Heuschobern. Lange, biegsame Stangen, 18 bis 20 FußEs ist hier nur nach englischem Maßstabe gerechnet; 50 englische Fuß = 46 Fuß 15 Zoll 11/10 Linien Pariser Maß. lang, sind in einem Kreise von 25 Fuß im Durchmesser in den Boden gesteckt, mit den Spitzen zusammengebogen und an einander befestigt; die Zwischenräume sind mit Weiden und Rasen dicht ausgeflochten, eine niedrige Oeffnung ist als Thüre, und eine andere in der Spitze als Rauchfang gelassen. In der Mitte der Hütte befindet sich eine Höhlung im Boden, die zur gemeinschaftlichen Feuerstelle dient; um diese herum ziehen sich die Lager der einzelnen Hausbewohner, die etwas erhöht und mit Büffelhäuten bedeckt, leidlich bequeme Ruhestellen bilden. Zwei Familien bewohnen gewöhnlich eine solche Behausung. Der Stamm der Waekos zählt an zweihundert, der der Witchitas hingegen über achthundert Mitglieder. Etwas Ackerbau treiben diese Indianer; Mais, Bohnen, Erbsen, Kürbisse und Melonen sieht man um ihre Dörfer gedeihen, doch bestehen ihre Ackergeräthschaften einzig aus kleinen Hacken. Mittels dieser bringen sie die Saat nothdürftig in die Erde, und der fruchtbare Boden vergilt diese geringe Mühe mit dem reichsten Ertrage. Kaum ist aber die Melone genießbar, kaum hat der Mais Kolben gesetzt, so fangen diese sorglosen Leute an zu essen und Gastmahle zu feiern, und hören dann nicht eher wieder damit auf, als bis der ganze Vorrath erschöpft ist, so daß sie hernach angewiesen sind, durch Jagd den übrigen Theil des Jahres hindurch ihr Leben zu fristen. Sie sind geschickte Büffeljäger und erlegen ihre Beute, wie alle Prairiestämme, vom Pferde herab mit Pfeilen. In den benachbarten Wiesen haben sie große Heerden von Pferden und Maulthieren, von denen manches durch ein Brandzeichen verräth, daß sein rechtmäßiger Besitzer viele Tagereisen weit im südlichen Texas lebt. – Obgleich die indianischen Besucher vertrauensvoll in unsere Zelte getreten waren, so konnten sie doch nicht bewegt werden, die Nacht bei uns zu weilen. Wir hatten nämlich die Straße verloren, und hätten am folgenden Tage die beiden jungen Leute gern als Kundschafter benutzt; sie ließen sich aber nicht halten. Vielleicht lag ein unüberwindlicher Argwohn zu Grunde oder auch diebische Absichten, indem sie nur über die nächsten Hügel zu gehen brauchten, um während der Nacht zurückzukehren und einige der zerstreut weidenden Maulthiere wegzufangen. Genug, mit der scheidenden Sonne empfahlen sich die beiden Waekos; scharfe Wache wurde gehalten und die Nacht verging ruhig und ohne Störung. Kurz vor Aufbruch am folgenden Morgen fand sich ein Indianer vom Stamme der Kechies ein, Indianer, die ebenfalls in der Nähe der Witchita-Gebirge leben, und die gleich den Witchitas ungefähr hundert Krieger zu stellen im Stande sind. Geführt von diesem Indianer, gelangte unser Zug bald wieder auf die alte, mit Rasen dicht bewachsene Straße, und derselben folgend, konnten wir die tiefen und wasserreichen Bäche an solchen Stellen überschreiten, wo bei früherer Gelegenheit die Ufer niedergestochen und Bäume gefällt waren, so daß es jetzt nur geringer Arbeit bedurfte, den jedesmaligen Uebergang zu bewerkstelligen. Indeß konnten doch nur kleine Märsche zurückgelegt werden, weil die Straße in diesem Landstriche zu häufig von solchen kleinen Flüssen durchschnitten war, die in den buntesten Windungen die Niederungen durchzogen und einen paradiesischen Landstrich bewässerten, der an Fruchtbarkeit gewiß nicht leicht übertroffen werden kann. Schildkröten und Fische aller Gattungen spielten in den eilenden Fluthen und ließen die glühenden Sonnenstrahlen auf ihrem gepanzerten Rücken glitzern. Auf den Höhen, im Schatten der zerstreut stehenden Eichen, lagerte sich gemächlich das Wild und ließ seinen Blick über das wogende Grasmeer in den Thälern und über die dichten Waldsäume an den schlängelnden Flüssen schweifen; die Schwärme der Mosquitos hatten es von dort vertrieben, vermochten ihm aber nicht nach der luftigen Höhe zu folgen und fielen dafür Jeden mit wüthenden Bissen an, der sich in ihr dunkelgrünes, schattiges Reich wagte.

In einiger Entfernung von dem lärmenden Wagenzuge sah man während des Marsches gewöhnlich zwei Reiter sich ihren eigenen Weg suchen; bald folgten sie dem Laufe des Wassers, bald kletterten sie durch tiefe Schluchten, bald ritten sie über kahle Hügel oder wanden sich durch Gestrüpp und Ranken. Es war der alte, ehrliche Doctor und Botaniker, der in der Gesellschaft des deutschen Naturaliensammlers diese einsamen Wanderungen unternahm. Ein inniges Freundschaftsverhältniß hatte sich zwischen den Beiden gebildet, gemeinsam fischten sie in den verschiedenen Gewässern, vereint krochen sie durch Sümpfe und feuchte Erdspalten, der Eine nach Gewürm, der Andere nach Pflanzen suchend. Streitigkeiten würzten manchmal ihre Unterhaltung: der Doctor schalt, wenn der Deutsche von einem Hirsch, der gewiß seine Beute geworden wäre, abließ, um einer unbekannten Schlange nachzusetzen, wogegen der Deutsche sich in Strafpredigten erschöpfte, wenn der eifrige Doctor auf eine Viertelmeile weit nach Wild schoß und dasselbe verjagte. Geduldig horchte der unglückliche Jäger dann, zupfte sich gutmüthig an seinem beschneiten Barte, entschuldigte sich auch wohl, indem er angab, eine Viertelmeile könne für eine Büchse nicht zu weit sein, wenn man dieselbe nur in einem Winkel von 45 Grad halte. Dergleichen Vorfälle beeinträchtigten indessen in keiner Weise das gute Vernehmen zwischen ihnen, die Unterhaltung wurde immer wieder da aufgenommen, wo sie unterbrochen worden war, und gewöhnlich gesellten sich noch einige unserer Expedition zu ihnen, um ihrem Zwiegespräch und ihren Erzählungen zu lauschen.

»Sie haben also früher die Prairien schon bereist, Freund Dutchman?« sagte der Doctor zu seinem Gefährten. »Viele Hunderte von Meilen habe ich in den Steppen schon zurückgelegt,« erwiederte Jener; »ich habe die Ebenen am Nebrasca gesehen, wenn die warme Frühlingssonne aus den eben gekeimten Kräutern und Gräsern Millionen von Knospen trieb, der heiße Sommer sie entfaltete und verschwenderisch alle nur denkbaren Farben darüber hingegossen hatte; ich habe sie gesehen, wenn von dem Herbstwinde bewegt die gefüllten, reifen Samenkapseln leise rasselten und die gebleichten Halme sich neigten; ich habe sie gesehen, wenn der Winter sein weißes Leichentuch über die unabsehbare, verbrannte Wüste gedeckt hatte, und der Schneesturm mit all seinem Schrecken darüber hinraste.« – »Ich meines Theils,« erwiederte der Doctor, »habe die grüne, die blumige und die verbrannte Prairie gesehen. Es sind jetzt kaum zwei Jahre verflossen, als ich mit einer Vermessungs-Commission an die mexikanische Grenze gezogen war, doch kenne ich die Steppen noch nicht im winterlichen Kleide; erzählen Sie uns doch, wie es Ihnen gelang, den Schneestürmen Trotz zu bieten, und wie Sie unter die Indianer gerathen sind, so lange mit ihnen gelebt und sich endlich wieder zu den Weißen gerettet haben.« – »Gern, Doctor, erfülle ich Ihren Wunsch, obgleich ich nur mit Grausen an manche Scenen zurückdenken kann; es ist aber eine lange Geschichte, und Sie werden Geduld haben müssen, wenn Sie dieselbe bis zu Ende hören wollen.« – »Was Sie heute nicht mittheilen können,« unterbrach hier der Doctor, »das tragen Sie morgen vor; manchen Tag werden wir noch so zusammen reiten, ehe wir den Stillen Ocean erreichen, und unsere Gefährten hier sind gewiß nicht weniger neugierig wie ich selbst.« – »Wohlan denn, unser Weg scheint für lange Zeit keine Unterbrechung zu leiden, und während unsere Thiere ihren trägen, gemessenen Schritt beibehalten, will ich Alles, was mir Wundersames begegnet ist, Ihnen umständlich mittheilen.

Es war im Spätherbst 1851, als ich in Gesellschaft eines andern Herrn auf der Rückreise von den Felsengebirgen nach dem Missouri begriffen war. Wir waren nur unserer Zwei. Als wir so am öden Nebrasca oder Flachen Flusse hinzogen und uns zeitweise zwischen Büffelheerden hindurchwanden, hatten wir manches böse Abenteuer mit den Indianern zu bestehen, die uns auf alle mögliche Weise belästigten, ausplünderten, und was das Schlimmste war, eines unserer Pferde durch einen wüthenden Tomahawkhieb in den Kopf tödteten. Die Last, die sonst von vier kräftigen Pferden getragen worden, fiel nunmehr auf drei, oder vielmehr auf zwei Pferde und einen Maulesel, die, durch langen Futtermangel schon sehr geschwächt, nun vollends ihre letzten Kräfte zusetzten. Wir konnten mit Bestimmtheit annehmen, daß der erste Schneesturm uns auf einmal unserer letzten Thiere berauben, und uns selbst dadurch dem größten Elende preisgeben würde. Es traf so ein, wie wir vorausgesehen. Bis an den Sandy Hill Creek, der in den Big Blue mündet, hatten wir uns mühsam geschleppt, als der plötzlich aufspringende, eisige Nordsturm uns fast im Schnee begrub und unser letztes Pferd tödtete. In einem kleinen indianischen Zelte, welches wir bei Fort Laramie von einem Pelzjäger erstanden, bei schlechtem Büffelfleisch, etwas Reis und türkischem Weizen mußten wir nun unser Geschick ruhig erwarten. Mehrere Tage hatten wir auf die kläglichste Weise hingebracht, als die vom Fort Kearney am Flachen Fluß kommende Post uns fand und es so einzurichten wußte, daß einer von uns Beiden noch in dem kleinen mit sechs Maulthieren bespannten Wagen Platz fand, während es dem Andern überlassen blieb, sich so bequem wie möglich in dem kleinen Zelte einzurichten und nach besten Kräften sein Dasein zu fristen. In der katholischen Mission, an welcher der Wagen vorbei mußte, und die nur noch 80 bis 100 Meilen vom Sandy Hill Creek entfernt sein konnte, sollte der Gerettete Leute mit Pferden annehmen, um den Zurückgebliebenen nebst den Sachen zu retten, der sonst ein gewisses, qualvolles Ende vor sich hatte. Mich traf denn das unglückliche Loos, in der winterlichen Wildniß in der schrecklichsten Lage allein zurückzubleiben. Ich hatte keine andere Gesellschaft als die der Wölfe, die sich mit jedem Tage in größerer Menge um mich herum einstellten, und wüthend von Heißhunger nur den Zeitpunkt abzuwarten schienen, in welchem ich, kraftlos, ihnen keinen Widerstand mehr würde leisten können, um dann über mich herzufallen und mich und vielleicht auch das lederne Zelt in ihrer Gier zu verzehren.

Als ich den Wagen mit den einzigen menschlichen Wesen, die ich auf Hunderte von Meilen im Umkreise wußte, auf der weißen Fläche hatte verschwinden sehen, war meine erste Arbeit, meine Schußwaffen in die beste Ordnung zu bringen und mir in dem engen Zelte, so gut es gehen wollte, zur Hand zu legen. Es waren eine doppelte und eine einfache Büchse, eine Doppelflinte, vier Pistolen und ein sechsläufiger Revolver, wozu noch eine schwere Axt und ein langes Messer kam. Mit diesen Mordinstrumenten glaubte ich mich schon gegen eine ganze Anzahl von Wilden bei einer etwaigen, ungewünschten Zusammenkunft vertheidigen zu können, und von dieser Seite gewissermaßen beruhigt, ging ich daran, mich noch besser gegen die immer mehr zunehmende Kälte und den treibenden Schnee zu sichern, der mit äußerster Genauigkeit die kleinsten Oeffnungen im Zeltleder als Thüren zu benutzen wußte. Ein Wall von festgestampftem Schnee umgab bald meine improvisirte Wohnung, und einen Vorrath Holz, welchen ich vom nahen Fluß heraufgeschleppt hatte, häufte ich vor meiner niedrigen Thüre auf; eine kleine Höhlung im Boden vor meinem Lager, welches aus Büffelhäuten und Decken bestand, bildete Kochherd und Ofen zugleich. Meine Lebensmittel nun, die aus einigen Stücken Büffelfleisch, etwas Reis, Kaffee und Pferdefutter bestanden, theilte ich mir in vierzehn Tagesrationen ein; ich lebte nämlich der Meinung, daß spätestens nach Ablauf von vierzehn Tagen die von der Mission zu erwartende Hülfe eintreffen würde. Nachdem ich also auf diese Weise meine ersten Vorkehrungen getroffen, verkroch ich mich in meine Decken und Pelze, um liegend das kleine Feuer vor mir zu schüren, das kärgliche Mahl zu bereiten, und dann die erste Nacht in der großen Wildniß einsam zu verbringen. Wenn man einen Menschen nahe weiß, und wenn es nur ein Kind ist, kann man sich nie so ganz verlassen fühlen; die menschliche Stimme, selbst klagend, klingt tröstend, und nie ist es mir mehr aufgefallen, als an diesem ersten Abende; ich versuchte laut mit mir selbst zu sprechen, doch grauenhaft verhallt der Ton der eigenen Stimme, wenn er nur das eigene Ohr trifft. Als die Sonne im Begriff war, hinter neu aufsteigenden Schneewolken zu verschwinden, und ihre letzten Strahlen über das weite Schneefeld sandte, begann ein Concert, welches mir zwar nicht mehr neu, jetzt aber doppelt unangenehm in der Einsamkeit klang. Eine Heerde von Prairiewölfen brach in helles Geheul aus, und zu ihrem langgezogenen Diskant gesellte sich der tiefe Baß des grauen und des großen, weißen Wolfes; auf Minuten verstummte die wilde Musik, und erhob dann ein Vorsänger seine helle, durchdringende Stimme, so fiel der ganze Chor mit voller Kraft ein, und der Wind trug die unharmonischen Klänge weit fort über die Einöde. – In der Schlucht, wo von den gefallenen Pferden nichts geblieben war, als die polirten Gebeine, von den Halftern und Leinen nichts, als die eisernen Ringe, da entspann sich ein wüthender Kampf, und an dem hellen Gejammer konnte ich deutlich erkennen, daß die kleinen Prairiewölfe immer das Feld räumen mußten. Ich versuchte Stunden lang, die Zahl der in der Schlucht versammelten Thiere aus den Stimmen herauszufinden, doch mußte ich es zuletzt aufgeben; es war eine traurige Beschäftigung, die mir indessen in der schwarzen, stürmischen Nacht einige Zerstreuung gewährte. Ich schlief endlich vor Ermattung ein und wurde durch den Hunger geweckt, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Eine Nacht ist überstanden, dachte ich, indem ich einen Kerb in eine der Zeltstangen schnitt, wenn doch erst vierzehn Tage vorbei und die zu erwartenden Menschen hier wären! Es mußte zwischen dem 16. und 18. November sein, und ich rechnete aus, daß ich zu Weihnachten auf der Mission würde sein können, glaubte damals aber noch nicht, wie sehr ich mich verrechnete. Der Tag verging langsam und trübe, ich schleppte Holz und Wasser zu meinem Bedarf heran, und bemerkte zu meinem größten Schrecken, daß eine lähmende Schwäche in meine Füße gezogen war, die mich wie einen Betrunkenen taumeln machte.

In trauriger Stimmung saß ich vor meinem Zelte und beobachtete gierig, vom Hunger getrieben, das in einem Kessel kochende und brodelnde Wasser, wie es die einzelnen Maiskörner in die Höhe und Tiefe warf. Meine kleine Thonpfeife hatte ich mit gedörrten Weidenblättern gestopft, und mechanisch blies ich den beißenden Dampf von mir, als ich einige Reiter sich von Norden her nähern sah, die bepackte Pferde vor sich hertrieben. Auf alle Fälle vorbereitet, erwartete ich dieselben unbeweglich und mit Ruhe. Ich erkannte sie bald als Indianer, die, von der Biberjagd kommend, ihren Ansiedelungen am Kansas zueilten, und wußte daher, daß ich von ihnen nichts zu fürchten haben würde. Auf Schußweite angekommen, redete der Eine von ihnen mich auf Englisch an, und benahm mir jedes Mißtrauen, indem er sich als einen Delawaren zu erkennen gab. Bald saß er an meiner Seite vor dem Feuer in meiner kleinen Wohnung, während seine beiden Begleiter, ein paar wild aussehende junge Burschen, draußen am Feuer es sich ebenfalls auf ihre Art bequem machten. Lange und eindringlich redete der Indianer mir zu, um mich zu bewegen, alle meine und meines Gefährten Sachen den Indianern und den Wölfen zu überlassen, und mit ihm an den Missouri in sein Wigwam zu ziehen. Die Wölfe, sagte er, werden sich mehr und mehr um Dich zusammenziehen, und Dir nicht Tag oder Nacht Ruhe lassen, und wenn Dich die bis hierher streifenden Pawnees entdecken, dann werden sie Dich ausplündern und obendrein skalpiren. Ich schlug sein Anerbieten aus, und suchte ihm zu beweisen, daß in spätestens zwei Wochen Leute mit Pferden eintreffen müßten, wodurch es mir möglich sein würde, nicht nur alle Sachen, von denen die wenigsten mir gehörten, zu retten, sondern auch die Reise in einem kleinen Wagen zu machen, eine Reise, die mir jetzt zu Pferde oder gar zu Fuße wegen meiner Schwäche unmöglich sei.

Die Hülfe der Weißen wird Dir nicht werden, sprach der ehrliche Delaware, schlechte Pferde können nicht bis zu Dir durchdringen, und gute Pferde und ihr eigenes Leben wagen die Weißen auf der Mission nicht, um einen Menschen zu retten, den sie nach der Schilderung, die ihnen Dein Gefährte gemacht, längst werden aufgegeben haben. Aber ich sehe, das Wort eines Weißen gilt Dir mehr, als der Wille und die That einer Rothhaut; Du hast die Wahl, mögest Du Dich nicht täuschen. Ich verharrete in meinem Vorsatz, und habe es oftmals bitter, sehr bitter bereut. Zum Abschied gab mir der Indianer zur Vermehrung meines so kleinen Proviants noch die frische Keule einer Antilope, drückte mir die Hand, und ohne sich weiter nach meinem Zelte umzusehen, verfolgte er seinen Weg in südlicher Richtung, und ich war wieder allein. Es ist mir nicht möglich, die Leiden der nächsten acht Tage zu beschreiben; ich war dergestalt gelähmt, daß ich auf den Knieen zum Wasser und zurück in mein Zelt kriechen mußte, im Kopfe wirbelte es mir wie einem Betrunkenen und mein Gedächtniß fing an zu schwinden, wie ich glaube in Folge der furchtbaren Kälte. Die Schneestürme heulten über die öde Steppe und drohten mich zu begraben; während der Nächte durfte ich kein Auge schließen, denn die Wölfe, durch den Heißhunger noch wüthender und dreister gemacht, schwärmten immer dichter um mich umher. Dumpf heulend beschrieben besonders die großen, weißen immer engere Kreise um meine Wohnung, ich hörte den Schnee unter ihren Füßen knistern; gespannt lauschte ich auf jedes Geräusch, und wartete, bis der erste seine Zähne in das Zeltleder geschlagen hatte; schnell feuerte ich dann auf gut Glück mit dem Revolver durch die dünne Wand in die dunkle Nacht hinaus. – Erschreckt flohen die Bestien, um nach einigen Stunden den Angriff mit demselben Erfolge zu wiederholen.

Den Tag über, wenn die lichtscheuen Thiere sich nicht zu nähern wagten, konnte ich etwas ruhen, doch welcher Art war die Ruhe dann? Ich hatte unter den Sachen, die mich wie ein Chaos in dem engen Raume umgaben, eine Flasche Laudanum entdeckt, die in Verbindung mit einer Büchse Chinin unsere Feldapotheke ausgemacht hatte. Durch eine gute Dosis Laudanum also, die ich des Morgens nach Beendigung meines kärglichen Mahles zu mir nahm, bewerkstelligte ich einen künstlichen Schlaf, der mehrere Stunden dauerte. Fröhliche, bunte Bilder umgaukelten mich dann im Traume, ich fühlte weder Kälte noch Schmerzen, ich war empfindungslos, ich war glücklich. Beim Erwachen trat aber die nackte Wirklichkeit mit all' ihren Schrecknissen und Qualen wieder vor meine Sinne. Da lag ich mit steifen, fast gelähmten Gliedern; die einzigen Kleidungsstücke, die mir von den räuberischen Pawnees gelassen waren, reichten nicht mehr aus, mich während des Aufenthaltes im Freien gegen die Kälte zu schützen, und eine um die Schultern geworfene Büffelhaut mußte Alles ersetzen. Neun Tage hatte ich aus diese Weise verlebt, neun Kerbe hatte ich in die Zeltstange geschnitten, als ich früh beim Erwachen unfähig war, mich so weit zu bewegen, um Holzvorrath zum wärmenden Feuer heranzuschleppen. Düster sann ich über meine Lage nach, Rettung auf gewöhnlichem Wege schien mir nicht mehr möglich; ohne einen wirklichen Entschluß gefaßt zu haben, setzte ich die Opiumflasche an die Lippen, ich trank mehrere lange Züge, ich trank die Flasche fast leer. Bald darauf fiel ich in eine tiefe Betäubung, so daß ich selbst unzugänglich für Träume war. Wie lange ich gelegen habe, weiß ich nicht; als ich erwachte, war es dunkle Nacht, der Sturm tobte und rüttelte wüthend an den Zeltstangen und übertönte fast das Geheul der Wölfe; ein brennender Durst quälte mich und meine Füße waren erstarrt von Kälte. Mit Mühe blies ich die unter der Asche glimmenden Kohlen zur Flamme und netzte meinen trockenen Gaumen mit schmelzendem Schnee. Als nun der erste Durst gestillt war, da stellte sich der peinigendste Hunger ein, der mich trieb, wie wahnsinnig an dem rohen, gefrorenen Büffelfleisch zu nagen; es schmeckte mir köstlich; ohne an die Zukunft zu denken, röstete ich mir ein Stückchen nach dem andern auf den Kohlen, und verzehrte wenigstens drei Tagesrationen. Gegen Morgen fühlte ich mich freier, die quälende Krankheit war wie durch einen Zauber gebrochen, und doppelt süß schien mir wieder das Leben, selbst ein Leben unter den entmuthigendsten Umständen. Auf meine Büchse mich stützend, wanderte ich wieder etwas umher, die Bewegung wirkte wohlthuend auf mich, und in wenigen Tagen war ich so weit, daß ich mich nach einer nahen Anhöhe begeben konnte, um von dort aus meine Blicke in der trostlosen Ferne umherirren zu lassen. So wie meine Kräfte trotz der gräßlichsten Noth zunahmen, so nahm mein kleiner Vorrath von Lebensmitteln ab; ich mußte darauf sinnen, auf irgend eine Weise neue anzuschaffen, denn noch auf Nachricht oder Hülfe von der Mission zu hoffen, wäre thöricht gewesen; ich war darauf gefaßt, den ganzen langen Winter an dieser Stelle liegen zu bleiben. Der Gedanke war mir unangenehm, doch weniger beunruhigend, denn so lange die Wölfe noch nicht verhungerten, mußten sie mich nähren. Ich hatte zwar bis jetzt meine Zuflucht noch nicht zu ihrem Fleisch genommen, doch Hunger vertreibt sehr leicht den Ekel, und es kostete mich gar keine Ueberwindung, zum ersten Male an dem zähen, sehnigen Fleisch, welches jedes Antheils von Fett entbehrte und einem Stück Sohlenleder nicht ganz unähnlich war, mich müde zu kauen. Als ich diese erste merkwürdige Mahlzeit gehalten, und fand, daß sie mir trefflich gemundet hatte, da war ich fröhlich und guter Dinge, denn meine Speisekammer war mit einem Male reichlich gefüllt, und Pulver wie Kugeln im Ueberfluß vorhanden. Beim Aufgang der Sonne brauchte ich nur den kleinen Vorhang meines Zeltes zu lüften, in der Oeffnung, die mir die Aussicht nach dem Ufer des Flüßchens bot, im Anschlage liegen zu bleiben, und ich konnte gewiß sein, daß die eine oder die andere der dort im Gebüsche umherschleichenden Bestien mir gestatten würde, ihr eine Kugel durch den Schädel zu schicken. Den kleinsten und besten Theil des erlegten Wolfes erklärte ich nur als gute Beute. Ich habe mich übrigens bei dieser Gelegenheit davon überzeugt, was ich sonst nie habe glauben wollen, daß diese Thiere ihre eigenen Kameraden verzehren, denn es genügte eine Nacht, um den von mir unbenutzten Theil bis auf die blanken, zerstreut liegenden Knochen verschwinden zu sehen. – Träge gingen die Tage dahin, langsamer noch die Nächte, meine Spaziergänge hatte ich allmälig etwas weiter ausgedehnt, ich war wieder im Stande zu singen und zu pfeifen, was ich übrigens nur übte, um mich aufzuheitern und meine Sinne zusammenzuhalten; ich hatte nämlich meine Gedanken schon mehrere Male auf Abwegen ertappt, was mir nicht wenig Besorgniß einflößte. Die sechzehnte Kerbe hatte ich auf meiner Kalenderstange eingeschnitten, als ich, wie gewöhnlich nach Beendigung meines überkargen Mahles, eine Büffelhaut fest um meine Glieder schnürte, die Büchse unter den Arm nahm und meinen alten Weg nach dem nahen Hügel einschlug. Der nächtliche Schneesturm hatte die Spuren, die ich am vorhergehenden Tage zurückgelassen, zugeweht, und langsam watete ich im tiefen Schnee die Anhöhe hinauf. Die Sonne war schon im Sinken und ließ ihre Strahlen in schräger Richtung auf die endlose, weiße Ebene fallen; kein Lüftchen regte sich; es wurde mir warm in dem zottigen Büffelpelz, obgleich der Athem, wie Perlen in der schwarzen Wolle, die mein Gesicht umgab, festfror.

Oben auf dem Hügel angekommen, schaute ich nach allen Seiten in die weite Ferne und bemerkte zu meinem größten Schrecken zwei menschliche Gestalten, die sich von Norden her, in der Richtung nach meinem Lager zu, bewegten. Ich sage zu meinem Schrecken, denn der Anblick eines Menschen war mir so fremd geworden, daß ich weit entfernt war, Freude darüber zu empfinden, um so mehr, da die Beiden, die sich erst wie Punkte in der schimmernden Ebene ausnahmen, aus einer Gegend kamen, von wo ich nur die räuberischen Pawnees vermuthen konnte. Waren es Pawnees, so durften sie mich nicht unvorbereitet in meinem Zelte finden, ich mußte sie im Freien erwarten, ihre Gesinnungen und Absichten ausfindig zu machen suchen, und ihnen meinen Skalp so theuer wie nur möglich zu verkaufen. Ich hatte nur beinahe eine Stunde Zeit, um meine Vorkehrungen zu treffen; hatten sie nämlich erst den Punkt erreicht, wo ich gestanden, und von wo aus sie mein kleines Reich zu übersehen vermochten, so war es zu spät, mich selbst ihren scharfen Augen zu entziehen. Unverzüglich eilte ich in mein Zelt zurück und bewaffnete mich mit Allem, was ich nur schleppen konnte. Die zurückgelassenen Waffen, nachdem ich die Zündhütchen von denselben entfernt hatte, versteckte ich unter den Decken, legte hinreichend Holz auf die glimmenden Kohlen, so daß fortwährend eine Rauchsäule der Kamin-Oeffnung entstieg, und indem ich dann rückwärts das Zelt verließ, schloß ich vorsichtig den Vorhang, der als Thüre diente, jedoch so, daß es den Anschein gewann, als habe der am Feuer ruhende Bewohner denselben von innen befestigt.

Der Sandy Hill Creek war nur 100 bis 150 Schritte von dem Zelte entfernt und floß in einem ziemlich genauen Halbkreise um dasselbe herum; er hatte hohe, mit Gestrüpp bewachsene Ufer, und deshalb lenkte ich dorthin meine Schritte, um mir ein Versteck zu suchen. Vorsichtig und genau setzte ich meine Füße in die Spuren, welche ich im tiefen Schnee zurückgelassen, als ich am Morgen, um Wasser zu schöpfen, an den Fluß gegangen war, und die mich an einer bequemen Stelle auf das spiegelglatte Eis führten, von welchem der nächtliche Sturm jede Probe von Schnee hinweggeweht und am steilen Ufer in hohe Bänke zusammengetrieben hatte. Auf dem Eise zog ich die Ueberreste der Schuhe von meinen Füßen, um mit den daran befindlichen Nägeln keine verrätherischen Schrammen auf der glatten Fläche zu reißen, und schlich, leise auftretend, der Krümmung des Flusses auf eine kurze Strecke nach, so daß die Entfernung zwischen mir und dem Zelte etwas verringert wurde, und ich dasselbe von einer andern Seite dennoch deutlich beobachten konnte. Zwischen zwei Schneebänken kroch ich die steile Uferwand hinauf und setzte mich am Rande derselben in eine solche Lage, daß ich zwischen den aus dem Schnee hervorragenden Halmen und Sträuchern hindurch unbemerkt einen Blick auf die Scene vor mir werfen konnte, jedoch ohne dabei in dem freien Gebrauch meiner Waffen gehindert zu sein. Lange lag ich und lauschte, die unruhige Erwartung ließ mich die Kälte nicht fühlen, obgleich meine Hand an dem kalten Büchsenlauf beinahe festfror. Jetzt tauchten die Köpfe der beiden Wanderer hinter dem nahen Hügel hervor, und in einigen Minuten standen sie auf dem Gipfel, von wo aus sie mit Ueberlegung mein Lager betrachteten und augenscheinlich mit einander berathschlagten. Ich verfolgte mit den Augen ihre leisesten Bewegungen und konnte mich eines Bebens nicht erwehren, als ich wahrnahm, daß sie ihre Büffelhäute zurückwarfen, ihre gefüllten Köcher nach vorne zogen und die Sehnen ihrer Bogen aufspannten. Ihre feindlichen Gesinnungen waren unverkennbar; ich sah voraus, was mir bevorstand, wenn ich unterlag; ich war aber gerüstet und wußte, daß, einmal im Bereich meiner Büchse, ihr Leben mir gehörte. Entkommen durfte ich sie nicht lassen, wenn ich sie nicht in einigen Tagen mit einer ganzen Rotte ihrer Gefährten zurückkehren sehen wollte. Nachdem die beiden Indianer einige Zeichen mit einander gewechselt, trennten sie sich, der eine, um der von mir auf dem Hügel zurückgelassenen Spur, die geradezu in's Zelt führte, zu folgen, während der andere, die Blicke auf den Boden gerichtet, in einem Bogen das kleine Lager umschlich. Die nach dem Wasser führende Fährte untersuchte er aufmerksam, doch schien er befriedigt, nachdem er sich überzeugt hatte, daß die eine nach dem Flusse hin und die andere von da zurückführte. Geräuschlos näherte er sich seinem Kameraden, der, in der linken Hand mit dem Bogen, in der rechten mit einem Pfeile, die verdeckte Oeffnung des Zeltes bewachte. Kein Wort wurde gewechselt; der zuletzt Angekommene hob einen Finger, machte das Zeichen des Schlafens, indem er die rechte Hand auf seine Wange legte und den Kopf auf die Seite neigte, wies dann auf den wirbelnden Rauch, stellte den Bogen vor sich auf den Boden, nahm den bereit gehaltenen Pfeil zwischen die Lippen, machte mit den Händen das Zeichen des Schießens, worauf er wieder nach seinem Bogen griff und den Pfeil, wie sein Gefährte, auf die Sehne legte. Ein Schauder überlief mich; hätte ich mich wirklich noch im Zelte befunden, so wäre ich rettungslos verloren gewesen, nur zu gut hatte ich ihre Zeichen verstanden: »Es lebt hier nur ein Mann, er liegt dort am Feuer und schläft, einige Pfeilschüsse reichen hin, uns die reiche Beute zu sichern.« Dies waren ihre Gedanken; beide stellten sich so auf, daß die rasch nach einander abgeschickten Pfeile, nachdem sie sich leicht ihren Weg durch die dünnen, straff gespannten Zeltwände gebohrt, im rechten Winkel auf der leeren Lagerstelle begegnen mußten.«

»Doctor!« rief hier plötzlich der Erzähler, indem er seinen Gefährten an der Schulter faßte und mit der andern Hand in die Ferne deutete, »Doctor, lenken Sie Ihre Blicke links an dem ersten Hügel vorbei und Sie werden eine Waldung wahrnehmen, lassen Sie Ihr Auge an dem dunklen Streifen entlang gleiten, am Ende desselben bemerken Sie schwarze Punkte, die vereinzelt stehenden Büschen nicht unähnlich sind – das sind Büffel!Bos Americanus wird auf dem amerikanischen Continent fälschlicher Weise Buffalo, Büffel, genannt. Des alten, leidenschaftlichen Doctors Jagdlust wurde rege, um so mehr als er Reiter sah, die aus dem vorangeeilten Wagenzuge hervorsprengten und spornstreichs der Gegend zueilten, wo eine kleine Heerde alter Bisons im hohen Grase gemächlich der Ruhe pflegte. Hurrah, die Büffel! rief der eifrige alte Herr, indem er den Hahn seiner Büchse spannte, und gleich seinen Gefährten kräftig die Sporen gebrauchte. In voller Jagd aufgeschreckte Büffel mit Maulthieren einzuholen, wäre natürlich keine Möglichkeit gewesen, es wurde daher versucht, durch die Hügel verdeckt und unbemerkt auf Schußweite in ihre Nähe zu gelangen. Doch jeder der zwölf oder sechzehn heranstürmenden Jäger, getrieben von dem natürlichen Verlangen, den ersten tödtenden Schuß auf Wild dieser Art zu thun, versuchte seine Kameraden auszudrängen und ihnen zuvorzukommen; der Wind wurde nicht beachtet, der scharfen Organe der scheuen Bisons nicht gedacht, und als die Gesellschaft um die letzte Waldecke bog, ward ihr der Genuß, die kleine Heerde in der Entfernung von einer Viertelmeile in voller Flucht zu erblicken. Unmuthig sah Jeder den schwer galoppirenden Riesen nach, wie sie die kurzen Schwänze mit den langen Büscheln in die Höhe streckten und den trockenen Boden unter sich zu Staub stampften. Der Doctor brach zuerst das Schweigen, indem er seine Büchse abfeuerte und mit komischem Ernste hinzufügte: »Erlegte ich auch den ersten Büffel nicht, so habe ich doch eher, als Sie Alle, auf einen solchen gezielt und geschossen!« Ein schallendes Gelächter, in welches der gutmüthige alte Herr aus vollem Herzen mit einstimmte, war der Lohn für seinen Einfall und die dampfenden Thiere wendend, ritten die getäuschten Jäger, jetzt vereinigt, langsam dem Wagenzuge nach, der am fernen Horizont kaum noch sichtbar war, und lange war der Gegenstand ihrer lebhaften Unterhaltung der Büffel und seine Jagd.

In zahllosen Heerden beleben die Büffel die endlosen Prairien westlich vom Missouri, ihre Wanderungen dehnen sie von Canada bis hinunter zu den Küstenländern am mexikanischen Golf und vom Missouri bis zu den Felsengebirgen aus. Es ist anzunehmen, daß die Hauptmasse dieser Thiere regelmäßig im Frühjahr nördlich und im Spätherbst wieder zurück in wärmere Gegenden wandert; zwar findet man einzelne, die im Winter an den Quellen des Yellowstone und noch weiter nördlich ihre Nahrung aus tiefem Schnee scharren, ebenso andere, die im Sommer in Texas das von der tropischen Sonne gedörrte Gras abnagen, doch sind das gewöhnlich nur wenige und meistens alte Stiere, die schon zu steif oder zu träge sind, den schwarzen Heersäulen, die von ihren jüngeren Kameraden gebildet werden, zu folgen.

In den Monaten August und September ziehen sich die vom frischen Frühlingsgrase wohlgenährten Büffel in Heerden zusammen und zwar in solchen Massen, daß die Ebene, oftmals soweit das Auge reicht, schwarz von ihnen ist und ein Ueberschlag ihrer Zahl nach möglicher Weise nur gemacht werden kann, indem man den Flächenraum, welchen diese Thiere bedecken, nach Quadratmeilen berechnet. Tausende und aber Tausende drängen sich in einen wilden, verworrenen Haufen zusammen, der Staub wirbelt in Wolken unter den scharrenden und stampfenden Hufen hervor, wenn die Stiere grimmig einander anfallen und bekämpfen; ein tiefes, hohles Gebrüll zittert fortwährend weit durch die Lüfte wie dumpfes Rollen des fernen Donners. Wochen, ja Monate lang kann der Jäger zu dieser Zeit über die öde Steppe wandern, ohne auch nur die frische Spur eines Bisons zu finden, und führt ihn der Zufall nicht an eine Heerde, die ihm mitunter Tage lang förmlich den Weg versperrt, so muß er die Steppe ausgestorben wähnen; er beschleunigt seine Schritte, um bald wieder auf lebende Wesen zu stoßen und die öde Prairie hinter sich zu wissen. Wenige Wochen bringen indessen eine Veränderung hervor: die großen Heerden lösen sich auf, zerstreuen sich nach allen Seiten und bringen weit und breit Leben in die vor Kurzem noch so unheimliche Einsamkeit. Bald begegnet man einzelnen Büffeln, die ruhig grasen und mit dem langen Barte bedächtig den Boden fegen, bald kleinen Heerden, die gemächlich wiederkäuend im Grase ruhen oder ausgelassen mit einander spielen und dabei die possirlichsten Wendungen mit größter Beweglichkeit ausführen; oder man sieht diese bequemen Thiere in langen Reihen ihren alten, tiefausgetretenen Pfaden folgen, auf denen sie an Flüssen oder Gebirgen zu den Stellen gelangen, die am wenigsten mühsam zu überschreiten sind, oder die an sumpfige Wiesen führen, wo sie ihre alten Wälzpfuhle auffrischen, oder neue gründen. Mit komischem Ernste sucht bei solcher Gelegenheit der leitende Stier der Heerde in der Niederung nach einer Stelle, die seinen Wünschen entspricht, und hat er eine solche gefunden, so legt er sich auf die Kniee und beginnt den Boden mit seinen kurzen, dicken Hörnern aufzuwühlen. Mit den Füßen scharrend, mit den Hörnern schleudernd entfernt er lose Erde und Rasen, wodurch eine trichterförmige Höhlung entsteht, in welcher sich schnell Wasser sammelt! in diesen Pfuhl nun legt sich das von der Hitze und den Mosquitos geplagte Thier, und senkt sich allmälig tiefer und tiefer in den Morast, indem es mit den Füßen stampft und sich im Kreise herumschiebt. Hat es sich zur Genüge diesem Genuß hingegeben und entsteigt dann dem Moderbade, so sieht es keinem lebenden Wesen mehr ähnlich; der lange Bart und die dichten, zottigen Mähnen sind in eine triefende, klebrige Masse verwandelt, und nur die rollenden Augen sind im vollen Sinne des Wortes das Einzige, was an dem wandernden Erdhaufen von dem stattlichen Büffel geblieben ist. Kaum ist der Pfuhl vom ersten verlassen, so nimmt ein anderer darin Platz, um ihn später einem dritten zu überlassen. So treibt die Heerde es fort, bis jeder der anwesenden die Merkmale dieses eigenthümlichen Bades auf seinen Schultern trägt, wo dieselben in eine feste Kruste zusammentrocknen, die dann durch Wälzen im Grase oder den nächsten Regen allmälig entfernt wird.

In früheren Zeiten, als die Büffel gewissermaßen nur die Hausthiere der Indianer waren, war keine Verminderung der unabsehbaren Heerden bemerkbar; im Gegentheil, sie gediehen und vermehrten sich auf den üppigen Weiden. Nun kamen aber die Weißen in diese Regionen; die weichhaarigen, großen Pelze gefielen ihnen, das fette Büffelfleisch fanden sie nach ihrem Geschmack, und von beiden versprachen sie sich reichen Gewinn in civilisirten Ländern. Es wurden zuerst bei den Steppenbewohnern Begierden nach glänzenden oder betäubenden Erzeugnissen der Weißen geweckt, dann im kleinsten Maße für ihre Jagdbeute geboten, worauf die Verheerung begann. Tausende von Büffeln wurden der Zungen wegen, häufiger noch der zottigen Pelze halber erlegt, und in wenigen Jahren war eine bedeutende Verminderung derselben auffallend bemerkbar. Der sorglose Indianer gedenkt nicht der Zukunft, er lebt nur der Gegenwart und ihren Genüssen; es bedarf bei ihm nicht mehr der Aufmunterung: er wird den Büffel jagen, bis der letzte ihm sein Kleid gelassen. Sicher ist die Zeit nicht mehr fern, wann die imposanten Heerden nur noch in der Erinnerung leben, und 300,000 Indianer ihres Unterhaltes beraubt und, vom wüthenden Hunger getrieben, nebst Millionen von Wölfen eine Landplage der benachbarten Civilisation und als solche mit der Wurzel ausgerottet werden. Viele sind der Feinde, die der Büffel zählt, unter ihnen der gefährlichste der Indianer; ebenso vielfach ist die Art und Weise, auf welche er seinen Verfolgern unterliegen muß.

Die Büffeljagd der Prairie-Indianer ist eine Beschäftigung, durch welche sie sich nicht nur ihren Unterhalt verschaffen, sondern die ihnen zugleich als höchstes Vergnügen gilt. Beritten auf flinken und ausdauernden Pferden, die sie größtentheils wild von der Steppe eingefangen haben, sind sie im Stande, jedes Wild in der Ebene einzuholen, und suchen einen besondern Ruhm darin, mit der größten Schnelligkeit und möglichst gutem Erfolg vom Pferde herab ihre tödtlichen Geschosse unter eine fliehende Heerde zu versenden. Beabsichtigt der Indianer eine Büffelheerde zu überholen, so entledigt er sich und sein Pferd aller nur entbehrlichen und beschwerenden Gegenstände; Kleidung und Sattelzeug bleibt zurück, nur eine 40 Fuß lange Leine, von rohem Leder geflochten, ist um die Kinnlade des Pferdes geschnürt und schleppt, über den Hals geworfen, in ihrer ganzen Länge auf der Erde nach; sie dient zum Lenken, zugleich aber auch, um bei einem etwaigen Sturz oder sonstigem Unfall das lose Pferd wieder leichter in die Gewalt des Reiters zu bringen.

Der Jäger führt in der linken Hand den Bogen und so viele Pfeile, als er bequem halten kann, in der rechten eine schwere Peitsche, mittelst welcher er sein flüchtiges Roß durch unbarmherzige Schläge unter die fliehende Heerde und an die Seite einer fetten Kuh oder eines jungen Stieres treibt. Das gelehrige Pferd versteht leicht die Absicht seines Reiters und keiner weitern Führung bedürfend, eilt es dicht an die auserwählte Beute heran, um dem Jäger Gelegenheit zu geben, im günstigen Momente den Pfeil bis an die Federn in die Weichen des Büffels zu senden. Kaum schwirrt die straffe Sehne des Bogens, kaum gräbt sich das scharfe Eisen durch die krause Wolle in's fette Fleisch, so entfernt sich das Pferd von dem verwundeten Thiere durch einen mächtigen Sprung, um den Hörnern des wüthend gewordenen Feindes zu entgehen, und ein anderer wird zum Opfer ausgesucht. So geht die Hetzjagd mit Sturmes Eile über die Ebene hin, bis die Ermüdung des Pferdes den wilden Jäger mahnt, seiner unersättlichen Jagdlust Einhalt zu thun. Die verwundeten Büffel haben sich indessen von der Heerde getrennt und liegen erschöpft oder verendend auf der Straße, auf welcher vor wenigen Minuten die wilde Jagd donnernd dahin brauste. Die Weiber des Jägers sind seinen Spuren gefolgt und beschäftigen sich emsig damit, die Beute zu zerlegen und die besten Stücke nebst den Häuten nach den Wigwams zu schaffen, wo das Fleisch in dünne Streifen zerschnitten und getrocknet, die Felle auf einfache Art gegerbt werden. Natürlich wird der bei weitem größte Theil den Wölfen überlassen, die immer in ansehnlicher Menge im Gefolge der Büffel angetroffen werden.

Da die lange Kopfmähne des Büffels demselben die Augen wie mit einem Schleier verdeckt und ihn am klaren Sehen und Unterscheiden hindert, so wird es dem Indianer um so leichter, selbst auch ohne Pferd auf Beute auszugehen. Er befestigt dann eine Wolfshaut an seinen Kopf und Körper und indem er seine Waffen vor sich herschiebt, geht er auf Händen und Füßen im Zickzack auf sein Ziel los; wenn dann der Wind nicht plötzlich den Indianer in der Verkleidung verräth, so gelingt es ihm sicher, aus nächster Nähe einen Büffel zu erlegen, ohne daß dadurch die übrige Heerde aus der Ruhe gestört würde. Selbst den Knall der Büchse scheuen diese Thiere nicht, so lange sie mit ihren feinen Geruchsorganen die Anwesenheit eines Menschen nicht wahrnehmen, und ein wohlverborgener Schütze vermag manchen Büffel einer ruhig grasenden Heerde ohne große Störung mit der Kugel zu fällen; selbst das Todesröcheln des Verwundeten veranlaßt höchstens den einen oder den andern, den mähnigen Kopf auf einige Momente forschend zu heben, um dann wieder an seine Lieblingsbeschäftigung, das Grasen, zu gehen. Zu allen Jahreszeiten wird dem armen Büffel nachgestellt, selbst dann, wenn der Schneesturm die Niederungen mit einer tiefen Decke überzogen hat und die beliebte Jagd mit den Pferden unmöglich geworden ist. Langsam nur kann sich dann die Heerde durch den mehrere Fuß hohen Schnee wühlen, doch der sinnreiche Indianer hat sich breite, geflochtene Schneeschuhe an die leichten Füße befestigt und ohne auf dem unsichern Boden einzubrechen, eilt er schnell an dem mühsam watenden Riesen hin und stößt das wehrlose Thier mit der Lanze nieder. Auf solche Weise werden mehr Büffel der unbezwinglichen Jagdlust, als dem wirklichen Nutzen geopfert und der Ausrottungskrieg gegen die Zierde der Grassteppen auf umbarmherzige Weise fortgeführt; kein Gedanke an Schonung wird rege werden, bis der letzte Büffel, bald nachher die letzte Rothhaut und mit ihr die einzige Naturpoesie des großen nordamerikanischen Continents verschwunden sein wird. Wohin die Vorsehung lebende Wesen setzte, da reichte sie ihnen freundlich die Mittel, bestehen zu können; lange bebte die Civilisation vor den großen Steppen zurück, furchtsam wagte sie sich nicht in die anscheinend öden Ebenen. Doch die Ebenen waren nicht verödet, viele Tausende menschlicher Wesen, die noch keine andern Wünsche hatten als solche, die sie zu befriedigen im Stande waren, lebten dort; sie lebten im Ueberfluß, denn zahllose Büffel waren ihnen gegeben worden, und fette Weiden wiederum den Heerden, die gediehen und zur unerschöpflichen Quelle des Unterhaltes jener wurden.

Der Durst nach Geld und Gewinn zeigte der Civilisation den Weg in diese Regionen, kalt und berechnend tritt sie die schönen und herrlichen Meisterwerke des Schöpfers in den Staub und blickt dereinst vielleicht stolz auf die brausende Locomotive, welche die beiden Oceane mit einander verbinden und durch die jagdlosen Prairien eilen wird. –

Spät erreichten die Büffeljäger, den Doctor an ihrer Spitze, das Lager, welches an diesem Tage zwischen den Quellen des Walnut Creek und dem nur noch einige Meilen entfernten Deer Creek aufgeschlagen war, also ungefähr in der Mitte der Croß Timbers, oder vielmehr des Waldstreifens, der eine so auffallende Erscheinung in diesen Regionen ist.

(Anmerkung 6) Ueber die Cross Timbers, s. Marcy a. a. O., S. 84.

Dieser Streifen beginnt schon am Arkansas und zieht sich in südwestlicher Richtung hinunter bis an den Brazos, also über eine Strecke von mehr als 400 Meilen, wobei die Breite immer zwischen 5 und 30 Meilen schwankt. In der ganzen Ausdehnung zeigen die Croß Timbers denselben Charakter. Die Bäume, hauptsächlich niedrige Eichen, stehen in solchen Zwischenräumen, daß Wagen sich ziemlich bequem hindurchwinden können; der Boden ist sandig und unfruchtbar und nur in der Nähe größerer Flüsse durchschneiden einzelne Bäche die waldigen Ebenen, wo dann die Eichen sogleich einen höhern, kräftigern Wuchs zeigen und Weiden in ihrer Nähe dulden. Wo Regengüsse den Boden aufgewühlt haben, da sieht man feste, röthliche Lehmerde mit weißen Gypsstreifen durchzogen, die in dem Grade zunehmen, als man westlich zieht, bis endlich die ungeheure Gypsregion erreicht ist, die bei dem Rock Mary und den Natural Mounds ihren Anfang nimmt. Diese Croß Timbers bilden gewissermaßen die Grenze zwischen den Ländern, die sich zur Kultur eignen, und den unfruchtbaren Steppen, zwischen den civilisirten und den wilden Menschen. Denn östlich von dieser natürlichen Grenze sind zahlreiche Quellen und Bäche, die sich zu kleinen Flüssen vereinigen, ihre Wasser theils dem Canadian, theils dem Witchita zuführen, und auf ihren Reisen überall Segen und Fülle zurücklassen. Stolze Waldungen in der üppigsten Pracht spiegeln sich in ihren Fluthen, und blüthenreiche Wiesen in unbeschreiblicher Lieblichkeit bekränzen die Ufer. Westlich von den Croß Timbers dagegen dehnen sich die großen Ebenen in ihrer Einförmigkeit, aber auch in ihrer ganzen Erhabenheit aus. Kein Berg zeigt sich dort dem schmachtenden Wanderer, an dessen Fuße er eine sprudelnde Quelle vermuthen könnte, es seien denn dürre Ueberreste einer Hochebene, die dem Reisenden als Landmarke dienen und wie Pfeiler hin und wieder emporragen, als Zeugnisse, wie mächtig zerstörend in Tausenden von Jahren die Natur wirken kann. Keine Baumgruppe erfreut dort das ruhelos irrende Auge, um den Müden in ihren Schatten einzuladen, es sei denn an den Ufern der Flüsse. Die Wasser, welche über Gypslager fließen, sind mit Bittersalz versetzt, die wenigen guten Quellen spenden nur kärglich von ihren Schätzen und schon nach kurzem Lauf sind ihre letzten Tropfen von dem Sande wieder eingesogen.

Der Marsch des nächsten Tages brachte uns in die Nähe des Deer Creek (Hirschbach), eines Flüßchens, welches seine krystallhellen Fluthen dem Canadian zuträgt und seinen Namen gewiß nicht mit Unrecht erhalten hat. Feiste Hirsche wurden durch den lärmenden Zug aus ihrem weichen Lager im hohen Grase aufgeschreckt, weshalb sie aus ihrem Versteck aufbrachen, leicht über die Ranken der vielen Schlingpflanzen hinwegsetzten und dem Flusse zueilten, um sich in der dichten Waldung am Ufer zu verbergen, Schaaren von Truthühnern schritten bedächtig auf den Lichtungen umher oder brüsteten sich stolz mit dem radförmig gespreizten Schweife, der unter den glänzenden Strahlen der Sonne in allen Farben des Regenbogens schillerte; doch erschreckt von dem Poltern der Wagen, flüchteten sie sich eilig mit lang gereckten Hälsen unter Dornen und verworrenes Gestrüpp, wo ihre Anwesenheit dem lauschenden Jäger nur durch leises Geräusch im Laube verrathen wurde. Wild war jetzt im Ueberflusse vorhanden, fröhlich knallten die Büchsen nah und fern, der wohlgeordnete Zug hatte sich lang gedehnt und fast aufgelöst. Niemand vermochte auf solchem Revier der Jagdlust zu widerstehen und hin und wieder konnte man in der Ferne die einzelnen Schützen wahrnehmen, wie sie keuchend sich ihren Weg durch ganze Felder von Brombeerranken bahnten. Behaglich lagen am Abend die verschiedenen Gruppen auf den ausgebreiteten Zeltdecken umher, priesen die Vortrefflichkeit des vor dem gesunden Appetit verschwundenen frischen Wildbratens, vertrieben die lästigen Insekten durch Tabakswolken und erzählten sich von der zurückgelegten Meilenzahl, sehr verschiedentlich berechnend die Entfernung, welche Jeden von der lieben Heimath trennte. Sie sprachen von den guten Alten zu Hause, von traulichen Abendspaziergängen und dem zufriedenen Lachen der jüngern Geschwister; vom treuen Hofhunde, von der ausgelassenen Fröhlichkeit der Neger und ihren eintönigen, aber sentimentalen Melodien. Bisweilen stimmte einer die Weise an, die er als Kind von seiner schwarzen Wärterin gelernt, und der ganze Chor fiel kräftig ein, daß ihre Stimmen weit über die Wiesen und durch den Forst schallten und das wilde Concert der finstern Uhus und der räuberischen Cayotas davor verstummte. Die Laubfrösche aber und die Grillen stimmten mit ein, und der kleine Fluß ( Deer Creek) begleitete mit leisem Murmeln die heimathlichen Lieder.


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